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Himy arisches Bild mit Inschrift.
Mitgetlieilt von J. Gildemeister.
Mit einer litliogr. Tafel.
Die Litliographie , welclie diese Bemerkungen begleiten, ist
nach einem Papierabdruck gemacht, der mir ohne die wünschens¬
werthen näheren Angaben über Herkunft und Beschaffenheit des
Monuments aus Jerusalem zugegangen ist. Der offenbar etwas,
namentlich an den Köpfen der kleineren Figuren verwitterte Stein hat
danach eiue Höhe uud Breite von Om, 26 und bildet somit ein
Quadrat; die in halber linearer Grösse ausgeführte Zeichnung giebt
in den den Erhöhungen des Steines entsprechenden Linien den
Character der Kunstarbeit ausreichend wieder, während ihn jede
weitere Ausführung verwischt haben würde.
Das Bild scheint in keiner Weise religiöse Deutung zu gestatten,
soudern lediglich private Darstellung zu sein. Das Portrait einer
auf künstlichem Stuhl sitzenden, also vornehmen Frau ist sichtlich
der Gegenstand, um dessen willen alles andere da ist. Sie selbst
ist durch Insignien nicht näher bezeichnet; die ovale Linie auf dem
Schoss ist wohl nur ungeschickte Darstellung des Faltenwurfs, und
bloss die beideu Verzierungen am unteru Theil des Kleides mögen,
um so mehr als sie ganz unsymmetrisch sind, eine Bedeutung ge¬
habt haben. Die geringere Grösse der beiden Nebenfiguren stellt
sie als Dienerinnen hin, gerade wie auf dem jetzt in Bombay be¬
findlichen Bilde aus Mareb der den Kameelritter begleitende Knappe
in kleinerer Proportion abgebildet ist; auch die erhobenen Hände
können als Gebärde der Dienstbereitschaft gefasst werden; als weib¬
lich werdeu sie au der langen Kleidung erkannt. Deutlich trägt
die Figur links eineu Beutel, was aber die zur Rechten mit dem
Arm au die Brust drückt, ersehe ich uicht; an einen Spiegel z. B.
bei dem runden Gegenstand zu denken erlaubt der damit ein Ganzes
bildende abgestumpfte Kegel unterhalb des Armes nicht. Das in
der Luft schwebende, d. h. vielleicht perspectivisch in der Ferne
stehende vierfüssige Thier wird, da die Punktirung wohl die Wolle
andeuten soll, ein Schaf (arabischer Race ohne Fettschwanz) sein.
Das Ganze ist architectouisch eingerahmt; die beiden Säulen bilden
keiue wirkliche Ordnung ab, sondern sind, wie man Aehnlichem
GiUlemeister , himyarisches Büd mit Inschrift. 179
in abendländisclien Handscliriften des Mittelalters begegnet, mehr
Ijhantastisch gezeicbnet. Oben geht ein flach gewölbter Wulst darüber
her, in welchem, da links ein besouders durch die beiden sehr
kenntlichen Ohren verdeutlichter Kopf sich umbiegt und rechts ein
ähnlicher, nicht ganz so deutlich, wie auf der Zeichnung, erscheint,
etwa ein Drache mit zwei Köpfen zu erkennen sein wird, oder,
da diese Vorstellung ziemlich unnatürlich ist, zwei dergleichen um
einander geschlungene; allerdings hätte der Bildner, wenn dies seine
Absicht war, nicht verticale Striche wählen müssen. Die Ecken
sind durch Blätter und Trauben ausgefüllt, davon die letztern ihre
spitze Gestalt dem übrig bleibenden Räume verdanken. Alles dies
scheint bloss ornamental und nicht symbolisch zu sein.
Die Beispiele, welche beweisen, dass die Himyaren sich in
bildlichen Darstellungen und durchaus nicht bloss zu religiösen
Zwecken gefallen haben, mehren sich. Ueber Fragmente von Statuen,
die in den Ruinen gefunden sind, haben wir Nachrichten; Abbil¬
dungen sind bis jetzt nur von drei auf Stein befindlichen Darstel¬
lungen in dem Journal of the Bombay Branch of the As. Soo.
vol. 11 1848 PL IV. V. VI. gegeben. Das vorliegende Relief scheint
in Beziehung auf die künstlerische Ausführuög in der Mitte zu stehn
zwischen der rohen, aber characteristischen Zeichnung des Kameel-
reiters auf PI. V. und dem Brustbild einer Frau (die der Heraus¬
geber für einen Bischof hielt) PI. VI, falls die Abbildung zuverlässig
ist. Letzteres hat einigermassen byzantinischen Typus, etwa aus
Justinians Zeit, was immerhin für die Chronologie der Inschriften
Beachtung verdient.
Die merkwürdige Sorgfalt, welche nach Ausweis aller gut co¬
pirten Inschriften, die Himyaren auf ihre Schrift wendeten, zeigt
sich auch hier. Die Buchstaben siud tief und mit Genauigkeit
eingegraben. Die obere Zeile lautet:
nie?: nn nbby ni£
Das erste Wort, das mit folgenden Eigennamen eben so über
Personenbildern auf Taf. V und, obschon verstümmelt, auf Taf. IV
des Bombay Journal steht, ist sicher Bild. Das zweite beginnt
mit dem Buchstaben, den schon das in der Ztschr. f. d. Kunde
des Morgenlandes V. 1844. S. 211 und Tafel hei B mitgetheilte
Alphabet deutlich als ^ bezeichnete und den auch Oslander iu
dieser Ztschr. XIX 174. 2G5. conjectural so aufgefasst hat, und ergiebt
S.J.ilc oder allenfalls iU^li, das sich mit einer Metapher, wie bei
dem ziemlich gleichbedeutenden S.ilLi und (Baidh. zu Sur. 3,
114), als Eigenname denken lässt. Da es durch die Endung und
in Verbindung mit dem Bilde gewiss weiblich zu fassen ist, so ist
am natürlichsten na als Tochter zu nehmen, obschon bisher nur
die Form n23 {Br. Mus XVn=Os. 15; Br. M. XXlV=Os. 22)
bekannt geworden ist, ra aber für rr^a wenigstens in der Inschr.
F^resn. Ul = Crutt. I sicher vorzukommen scheint, mc?: ist dann
12*
180 Güdemeister, himyarisches Bild mit Inschrift.
Name des Vaters, obschon etymologisch nicbt leicht zu deuten, da
mo und gar nc?: als Wurzeln weder nachweisbar noch auch wahr¬
scheinlich sind. Da in der That wenigstens einraal und bei einem
vornehmen Manne {Br. M. IV = Os. 1 am Ende) eine Frau in der
Aufzählung der Ahnen vorkommt, so ist die Möglichkeit nicht aus¬
zuschliessen, dass der auf n auslautende Name ein weiblicher sei,
und in diesem Fall liesse er sich als »IvAa.* {== Ls>iAs ,j^äj"5i! .ü^Us» ^j^J!
vgl. Har. cTa) oder üIoLA/s auffassen. Bei dem unsichern Boden,
auf dem die Deutung des Himyarischen sich noch bewegt, muss
auch die andere Möglichkeit, dass na Haus oder Tempel bedeute,
wenigstens in Erwägung gezogen werdeu. In diesem Fall wäre das
erste Wort mit Bildern hat ausgeschmückt, wobei die Mas¬
culinform nicht unbedingt anstössig zu sein brauchte. Aber niB72
müsste dann, was gar nicht anzunehmen, ein Gottesnarae, oder,
was auch nicht passend, der Gründer des Tempels sein, und am
wenigsten stände der Gegenstand der Darstellung rait der Inschrift
in Verhältniss.
In der untern Zeile, deren Buchstaben etwas kleiner als die
oberen sind: innanii "inny iSJipibt
ist nur das fünfte Zeichen zweifelhaft; es könnte allenfalls a sein,
da dies durch die breiten Füsse der Striche dera n ähnlich wird
und in der That der untere Verbindungsstrich auf dera Steine nicht
vollständig vertieft ist uud daher in der Abbildung nicht ganz an¬
schliesst. Doch ist die ganze Haltung des Characters die des 73 und
a nicht so leicht erklärlich, snp ist unzweifelhaft mit «.«.s bändigen, zurückhalten zusararaenzustellen, das im Arabischen sehr gewöhnlich
ist; j^.jUUaJ! »Aac /tvdLs heisst z. B. Qalähaldin bei Ibn Shaddäd
gleich ira Anfang. Das Verbura ian korarat bereits vor in der
Inschrift Br. M. XXXII = Os. 28, in welcher vier uud zwanzig
liebst« (offenbar Bilder; an der Zahl braucht raan nicht Anstoss
zu nehraen, wenn man an die 360 Statuen der Kaabah denkt; es
können Bildsäulen oder auch blosse Relieftafeln, wie vorliegende, sein)
dargebracht werden. Hier steht es zwischen ysi = G)ÖÖ (denu
so wird statt (DÄO und G)ÖA = ^} „Niederlage" bereiten
zu schreiben sein) einer- und ablicdten und pns zurücktreiben
(? denominativ, vgl. n-ianns) andererseits, uud ist von Osiander XIX
268 richtig mit zusammengestellt in dera von den Lexicographen
definirten Sinn: o^LJi^ ^A>Ja,xJlj ^a1>\ ^ Oj'^lj ^l^> u-^:^.
Da nun ^♦'s ganz die gleiche Färbung der Bedeutung hat (am aus¬
führlichsten finde ich es definirt in dem bei Reiske Abulf. Ann. II
120 angeführten Scholien zu Hariri: »S^j el^^ "jP)
auch bei ihm bat Qam. Uc Mys) , so wäre das Nächstliegende,
Gildemeister , himyarisches Bild mit Inschrift. 181
für beide Verba dasselbe Subject anzunehmen und das Eelativ auf Inn»
zu beziehn : Und es bändige Äthtär welcher ihn zurückhält. Aber
dann fehlt zu dem Suffix ein persönliches Masculinum, auf das es
sich beziehn kann, denn auf den genannten Vater kann es ohne
"Widersinn nicht gehen, und zu dem ersten Verbum wäre ein Object zu erwarten. Da aber nach der Beschafl'enheit des Papierabdrucks
der Stein vollständig scheint, so ist nicht anzunehmen, wir hätten
nur einen Theil der Inschrift, auch nicht wahrscheinlich, dass sie
etwa auf mehreren neben einander befindlichen Reliefs fortgesetzt sei.
Somit bleibt nur übrig, das Suffix auf mit zu beziehn, das, wie die
Form zeigt, anders als i^y^) masculin war und mn in der ur¬
sprünglichen Bedeutung brechen zu nehmen, die sich im Arabischen
in — j^i im Gegensatz zu ..^i fixirt hat. Das Relativ ist dann
substantivisch gebraucht, wie Aeth. H, obschon die Inschriften,
so weit bis jetzt verständlich, einen gleichen Gebrauch nicht aufzu¬
weisen scheinen, sondern in solchen Fällen öfter i bs gebrauchen.
Dies ergiebt: und es bändige Athtdr den welcher es zerbrechen
wird. Es ist freilich zu bemerken , dass einige kleine Anstösse
bleiben. 3>np , falls es wie im Arabischen gebraucht wurde, erscheiut
nicht als das passendste Wort, als welches man eher ein solches
für rächen oder strafen erwartete, und bei einer solchen Anrufung
sollte man eine heilige Bedeutung des Bildes erwarten, auf die wie
gesagt nichts hinzuweisen scheint. Eher würde sie geeignet sein,
wenn na als Tempel gefasst werden dürfte, was oben minder wahr¬
scheinlich gefunden werden rausste. Zu beachten ist endlich der
halb elliptische Gebrauch des t . Das ■; ist, wie andere Inschriften
beweisen, nicht, wie ira arabischen Energicus, ausschliesslich dera
Jussiv eigen und desshalb das zweite Verbum, dessen Imperfectform mit Suffix neu und werthvoll ist, nicht als solcher aufzufassen.
Bonn, Anf. März 1870.
182
Einige Bemerkungen über E. Meiers Erklärung der
Opfertafeln von Marseille und Carthago.
(Zeitschr. d. D. M. G. Bd. XIX. S. 90 ff.) Von
Dr. J. J. Unger.
Es ist wobl etwas sehr Natürliches , dass der Sprach- und
Alterthumsforscher bei der Entzifferung uralter Monumente, wo er
seinen Gegenstand zunächst in seiner Totalität aufzufassen bestrebt
ist, um von dieser mittelst combinatorischer Operationen zur um¬
fassenden Erkenntniss seiner Theile zu gelangen, manches Einzelne
gleichwohl entweder ganz übersieht, oder doch miudestens in einem
schiefen Lichte erblickt. Ja, es ist geradezu unumgänglich, dass
der literarische Schatzgräber unter den vielen goldenen Münzen
vom echten Gepräge , die er aus dem dunkeln Schacht längst
entrückter Jahrhunderte zu Tage fördert , mitunter auch manche
findet, die sich auf der Goldwage als nicht vollwichtig erweist. Das
scheint nun nach unserem Dafürhalten auch bei der vorliegenden
Arbeit E. Meier's der Fall zu sein. Und so gern wir auch bereit
sind, seine eben so geistreichen als glücklichen Combinationen und
Lichtblicke in der Enträthselung der phönikischen Opfertafeln von
Marseille und Carthago als einen wesentlichen Gewinn auf diesem
Wissensgebiete mit inniger Befriedigung anzuerkennen, können wir
gleichwohl nicht umhin, eiuige Stellen aus seiner erwähnteu Ab¬
handlung hervorzuheben, um gegen dieselben unsere Bedenken aus¬
zusprechen.
Zeile 4 der massiliscben Opfertafel übersetzt M. die Worte
n'nyn idi u. s. w. also: „die Haut aber und die Lenden und die
übrigen Theile des Fleisches sollen dem Inhaber des Opfers gehö¬
ren", und bemerkt hiezu S. 101: „.Abweichend vom hebräischen
Opfergesetz (3. Mos. 7, 8), wonach die Haut des Opferthieres dem
Priester gehörte, sprach das phönikische Gesetz in Massilien die¬
selbe dem Darbringer des Opfers zu." Dass aber das phönikische
Opfergesetz den Priestern in Marseille dasjenige vorenthalten
hätte, was es ihnen in Carthago, wie dies ja aus der cartha¬
gischen Opfertafel Zeile 2 — 5 ersichtlich ist, zuerkannt hatte , ist