Zur iranischen Altertumslcunde
Von Walther Hinz, Göttingen I.
Ein wiederaufgefundenes modisches Felsgrab
Bisher sind der Forschung fünf medische Fürstengräber
bekannt, nämlich in Sarpol (Dokkän-e Dääd), bei Qasr-e
Sirin {Otäq-e Farhäd), bei Fahriqa südwärts vom Urmiasee
und in Sahnä zwischen Kermäniäh und Hamadän; hinzu
kamen vor nicht langer Zeit ein weiteres, das Major Edmonds
entdeckt hat^).
Das Felsengrab Farhäd ö Sirin in dem Kurdendorf Sahnä
ist am 19. Juni 1841 von Flandin und Costb besichtigt*)
und 1913 von Hkrzfeld aufgenommen worden. Allein schon
1813 hatte J. Macdonald Kinnkir*) das Vorhandensein
zweier Felsengräber in Sahnä erwähnt. Dieses zweite Grab,
das bisher von der Wissenschaft nicht weiter beachtet wurde,
habe ich am 26. März 1939 wieder aufgefunden (siehe Abb. 1).
Es befindet sich an dem gleichen Bergzug hinter Sahna wie
das bekannte erste Grab; um es zu erreichen, braucht man
nur dem von einem brausenden Wildbach durchflossenen
1) Vgl. E. Hbbzfeld, Archaeological History of Iran, London 1935, S. 31.
2) E. Flandin — P. Coste, Voyage en Perse, tome I, Paris 1851,
S. 431: ,,Les habitants nous indiquörent dans le voisinage un monu¬
ment antique que nous visitämes. C'est un caveau s6pulcral creus6
dans le flanc d'un rocher, ä trente metres au-dessus du sol."
3) A Geographical Memoir of the Persian Empire, London 1813,
S. 130/31: "The village of Sahna lies at the foot of a lofty range of
mountains: it is surrounded with gardens, and has a pleasant ap¬
pearance. . . Close to this village, and on the face of the mountains,
are two excavations, or chambers, somewath resembling those of
Naqä-e Rostam."
364 W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde
Seitental etwa 300 m weiter zu folgen, wobei man eine Art
Engpaß zu überqueren hat. Beide Grabanlagen sind sich
äußerlich durchaus ähnlich. Eine gründliche Aufnahme des
zweiten Felsgrabes, die mir infolge ungünstiger Umstände
nicht möglich war, soll in Bälde durchgeführt werden.
II.
Der Sakenzug des Dareios
In der später hinzugefügten fünften Spalte der großen
Dareios-Inschrift zu Behistün wird außer der Niederwerfung
eines (dritten) elamischen Aufstandes durch den Perser Gau-
barwa ein Feldzug erwähnt, den Dareios persönlich gegen
,, Sakenland" unternahm').
Da in der stark verwitterten, nur altpersisch überlieferten
Inschrift die Ausdrücke tigräm (offensichtlich acc. sing, fem.,
gewöhnlich als ,, Tigris" aufgefaßt) und abiy draya (bisher
stets mit „ans Meer" übersetzt) vorkommen, hielt man ge¬
meinhin diesen Sakenzug für den von Herodot geschilderten
großen Skythenzug des Dareios, bei dem dieser das Schwarze
Meer am Bosporus überquerte^).
Im folgenden lege ich einen neuen Vorschlag zur Er¬
gänzung und Deutung der Saken-Inschrift vor').
Behistün, Spalte V:
(20) Täti]y : Därayava^'uä : h§-
(21) äya[tiya : badä : kär]ä : Sa[kä : adam : a§]iyavam :
abiy : Sak-
(22) äm [: abiy : avä : tya]i[y : haudä]m : tigräm : barät'-
(23) y : [pasäva : yatä : adam : aänajiy : abiy : draya : a-
(24) vä[rasam : avadjä : ha[dä : kär]ä : pisä : viyatara-
1) Vgl. F. H. Wbissbach, Die Keilinschriften der Achämeniden, Leip¬
zig 1911, S. 72 f.
2) So E. Hebzfeld, Am Tor von Asien, Berlin 1920, S. 21.
3) Die Ergänzungen in Schrägschrift verdanke ich einer freund¬
lichen brieflichen Mitteilung F. H. Weissbach's vom 27. Juli 1939.
W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde 365
(25) yam [: pasäva : adam :] Sak[ä : vasaiy :] aäanam :
aniyam : ag-
(26) rb[äyam : hauv : ba]sta[ : anayatä*) : a]biy : mäm: ut-
(27) ä§[im : avääanam : mati] §t[am§äm :]S[ku]ha : näma :
avam : ag-
(28) rh[äya : utä : än]aya [: abiy : mäm) : avadä : aniyam :
mat-
(29) is[tam : ak]unavam. (Rest wie bei Weissbach, a. a. 0.
S. 74).
Übersetzung:
Kündet Dareios der
König: Mit einem sakiscben Heerbann zog Ich gen Saken¬
land, gegen jene, die den Helm spitz tragen.
Nachdem Ich auf dem Marsche an den (Amu)Darya ge¬
langt war,
setzte Ich dort mit dem Heerbann auf Flößen über.
Da schlug Ich die Saken gar sehr, einen Teil
nahm Ich gefangen, diese wurden Mir gefesselt vorgeführt,
und Ich tötete sie. Ihren Obersten, Skuncha mit Namen,
fingen und brachten sie Mir. Dort setzte Ich einen
andern zum Obersten ein.
Begründung:
Ich möchte einige allgemeine Erwägungen der geschicht¬
lichen Wahrscheinlichkeit an die Spitze der Begründung der
hier gegebenen Deutung stehen.
Der große Skythenzug des Dareios, den uns Herodot im
vierten Buche seines Geschichtswerkes so ausführlich schil¬
dert, war in den Augen der Griechen zweifellos ein Fehlschlag,
da sich die Feinde dem Zugriff der Perser entzogen. Falls
Dareios diese Ansicht über den Ausgang des Feldzuges geteilt
1) Diesen Vorschlag verdanke ich der Freundlichlceit R. G. Kent's (Pennsylvania); ,,or possibly the pronoun was iyam" (briefl. Mittei¬
lung vom 28. Juni 1939). Meine ursprüngliche Ergänzung hatte ge¬
lautet :. . . avam : ba]st[am: änaya : . . .; doch gebe ich diese als weni¬
ger gut auf.
2 '.
366 W. Hinz, Zur iranischen Altertumskunde
haben sollte, würde er gewiß auf eine Erwähnung in einer
Inschrift seiner Siege verzichtet haben. Wäre aber der Sky¬
thenzug in seinen Augen ein Erfolg gewesen, so müßte man
von einer Inschrift erwarten, daß diese, der Größe der Unter¬
nehmung gemäß, verhältnismäßig ausführlich gehalten wäre.
Auf jeden Fall würde der Großkönig das beständige Aus¬
weichen der Gegner erwähnt haben. Davon aber ist in Beh.
V. 20—30 mit keinem Wort die Rede. Andrerseits erfahren
wir von Herodot nichts über einen Anführer Skuncha. Die
verhältnismäßig kurze Inschrift deutet somit auf einen Feld¬
zug minderer Bedeutung, der sogar weniger ausführlich ge¬
schildert wird als die zeitlich nahe Niederwerfung des elami¬
schen Aufstandes durch Gaubarwa.
Aus der Tatsache, daß der Sakenhäupthng Skuncha auf
dem Flachbild zu Behistün eine spitze Mütze trägt, geht
zweifelsfrei hervor, daß der Zug des Dareios, von dem in
unserem Inschrift-Abschnitt die Rede ist, gegen die „spitz¬
mützigen Saken" (Sakä tigrahaudä) gerichtet war. Das Vor¬
kommen des Ausdrucks tigräm in Zeile 22 wäre schon früher
unbedenklich als „spitz" gedeutet worden, wenn dem nicht
die Form (acc. sing, fem.) entgegenstünde; denn möglicher¬
weise ist hauda- „Helm, Mütze" masc. aufzufassen. Dem¬
gegenüber ist jedoch festzuhalten, daß das Wort, das dem
tigräm voraufgeht, gleichfalls auf m endigt, also wohl auch
ein acc. sing. fem,, ist. Auf jeden Fall ist der Tigris im weiteren
Zusammenhang sinnlos. Ich halte mich somit bei der Er¬
gänzung und Deutung der Zeile 22 an den Vorschlag
Oppert's 1).
Von besonderer Bedeutung scheint mir die erdkundliche
Festlegung der Bezeichnung abiy draya zu sein. Der allge¬
meine Sinn von draya ist nun zwar gewiß ,,Meer"; aber der
Vergleich des Neupersischen zeigt, daß daryä auch den See,
ja sogar den breiten Fluß bezeichnet. Nach aUem, was wir
von den Wohnsitzen der Saken wissen, ist ihr Hauptsied-
1) Le Peuple et la Langue des Medes, Paris 1879, S. 160, Anm. 1.
Weissbach hat sich jetzt dieser Ergänzung gleichfalls angeschlossen.
W. Hinz, Zur iranischen Altertumskunde 367
lungsgebiet jenseits des Oxus zu suchen i). Daher möchte ich
den Ausdruck draya hier in engerer Bedeutung als Amn Darya
oder Oxus auffassen.
Damit löst sich sogleich die Schwierigkeit des Überselzens
des Großkönigs mit seinem Heerbann auf Flößen [pisä, coli,
sing, inslr.), das selbstverständlich auf einem „Meer" ,, nau¬
tisch und militärisch unmöglich" 2) gewesen wäre. Aus diesem
Grund möchte ich auch nicht an das Kaspische Meer denken,
etwa in dem Sinne, daß Dareios von Hyrkanien-Mäzandarän
aus nach dem Gebiet der heutigen Turkmenensteppe über¬
gesetzt wäre.
Im einzelnen ist zu den Ergänzungsvorschlägen folgendes
zu bemerken:
Zeile 21: Die Einsetzung ,,mit einem sakischen Heer¬
bann" ist nicht restlos befriedigend. Immerhin stimmt die
Zahl der ergänzten Zeichen mit den entsprechenden, von
KT*) angegebenen Lücken in der Inschrift überein. Zum
Sachhchen erscheint es denkbar, daß Dareios den schwierigen
Kampf gegen das iranische Steppenvolk der spitzmützigen
Saken mit Unterstützung andrer Saken, etwa der Sakä
haumawargä, geführt hat.
Zeile 23: Die Ergänzung der großen, 14—15 Zeichen
fordernden Lücke in dieser Zeile fußt teilweise auf Vor¬
schlägen Weissbach's; meine ursprüngliche Lesung: a[dam :
pasäva : asnajiy krankte daran, daß die Zeile so nur 27 Zei¬
chen (einschließlich der Worttrenner) zählte, während deren
Zahl zwischen 31 und 37 schwankt, durchschnittlich aber
33—35 beträgt. Der Ausdruck aSna]iy scheint mir nicht die
1) Vgl. hierzu die treffenden Äusserungen J. Junoe's in: Saka-
Studien. Der ferne Nordosten im Weltbild der Antike (Klio 41. Beiheft), Leipzig 1939, S, 70f., S. 81.
2) Wbissbach, a. a. O. S. 75 Anmerkung.
3) L. W. Kino — R. C. Thompson, The Sculptures and Inscriptions
of Darius the Great on the Rock of Behistün in Persia, London 1907,
S. 81. Die dort gegebene Ergänzung hadd kdr]d Sa[kdm scheint mir
jedoch nicht angängig, da die Wendung Sakäm sogleich, in derselben
Zeile, wiederkehrt.
368 W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde
Bedeutung „im Frieden" i), sondern „auf dem Marsche" (so
Bartholomae, Air.Wb.) zu haben. Denn wenn wir uns den
Inhalt des Absatzes 23 (Beh. ii, 11—14) vor Augen führen,
so hat es wenig Sinn, von einem Lande zu sagen, daß Dareios
mit ihm „in Frieden" lebte, das binnen weniger Jahre drei-
mals aufständisch wurde. Den ersten Aufstand gleich nach
der Machtübernahme des Dareios hatte sein Königsbote im
Keime ersticken können. Beim zweiten Aufstandsversuch,
dem des Persers Martiya, bekamen es die Elamer mit der
Angst zu tun: nicht weil Dareios ,,mit ihnen in Frieden
lebte", sondern weil er gerade auf dem Marsche nach Elam
war, nämlich auf dem Wege von Agbatana/Hamadän nach
Pärsa. Dieser Marsch wird in der Inschrift nicht ausdrücklich
erwähnt, wohl aber die Rückkehr des Dareios aus der Persis
nach Medien (vgl. ZDMG 92, S. 158). Die Beseitigung des
Martiya durch die Elamer wird daher im Mai 521 stattgefun¬
den haben, möghcherweise beschleunigt durch den nach
Pärsa durchziehenden persischen Feldherrn Artavardiya. Der
dritte Aufstand der Elamer, mit denen Dareios ,,in Frieden"
lebte, ist der in der fünften Spalte erwähnte^).
Zeile 24: Die vorgeschlagene Ergänzung avä[rasam :
avad]ä enthält nur 7 Zeichen einschheßlich des Worttrenners,
während KT 8—9 Zeichen fordern. Daher könnte statt des
avadä „dort" vielleicht avapar]ä „dorthin" erwogen werden,
das zwei Zeichen mehr enthält. Die Ergänzung ha[dä : kär]ä
stimmt in der Zeichenzahl mit den Angaben bei KT genau
überein.
Zeile 25: Die Ansetzung Sak[ä : vasaiy :] aianam „Ich
schlug die Saken gar sehr", gründet sich auf ähnliche Fas¬
sungen in andern Teilen der großen Inschrift; die bisherige
Ergänzung av']äianam ,,Ich erschlug" erscheint mir weniger
sinnvoll. Denn Dareios muß, ehe er die Feinde tötet, doch
erst erwähnen, daß ein Kampf stattgefunden hat.
1) So Meillet-Benvenistb , Grammaire du Vieux-Perse, 2. Aufl.,
Paris 1931, S. 155.
2) E. Hehzfeld, Altpersische Inschriften, Berlin 1938, S. 99, vertritt für ainaiy die Bedeutung ,,nahe bei".
W. Hinz, Zur iranischen Altertumskunde 369
Zeile 26: Die frühere Ergänzung Weissbach's -rb[äya :
utäSim : ba] sta[m verstößt gegen die Angabe bei KT, wonach
in der Lücke Raum für 8—9 Zeichen ist, während die obige
Ansetzung 11 Zeichen umfaßt. Mein Ergänzungsvorschlag
enthält dagegen nur die vorgeschriebenen 9 Zeichen ein¬
schließlich der Worttrenner.
Zeile 27: Nach der seitherigen Lesung waren vor dem
Namen Skuncha nur die Zeichen -Sn- zu erkennen. Meine Er¬
gänzung mati]St[amSäm „ihren Anführer" verändert das Sn
in St, d. h. ich halte das n für ein unvollständig gelesenes t:
statt ^]y1- Sinn wird durch diese Änderung so klar,
und es stimmen die Zeichen mit den vorhandenen Lücken
so genau überein, daß ich die neue Lesung für gesichert halten
möchte.
Der zeitliche Ansatz
Noch immer bleibt bei dem hier erörterten Sakenfeldzug
des Dareios eines völlig im Dunkeln: die zeitliche Ansetzung.
Zuletzt hat F. W. König i) sich mit dieser Frage befaßt,
wobei er zu einem Ansatz aStämöa visäm tardam „im achtund¬
zwanzigsten Jahr" kam. In einer Besprechung der genannten
Abhandlung hat R. G. Kent^*) diese Ergänzung auf Grund
sprachlicher Bedenken abgelehnt; ich kann aus geschicht¬
lichen Erwägungen und auf Grund der oben dargelegten
neuen Deutung des Sakenzuges ebenfalls nicht an die Rich¬
tigkeit der KöNio'schen Auffassung glauben. Weissbach')
hat die von KT überlieferten Zeichenreste so ergänzt, daß er
zu einer Lesung „im vierten und fünften Jahr" gelangte.
Dagegen spricht aUerdings, wie König*) bemerkt, daß auf
diese Weise ein gut bezeugtes ä in ein unsicheres tu verkehrt
wird. Kent hielt*) den Vorschlag Tolman's*) für den ihm
1) Relief und Inschrift des Koenigs Dareios I am Felsen von Bagi¬
stan, Leiden 1938, S. 33-34.
2) Journ. Amer. Orient. Soc. 1939, S. 675 ff.
3) A. a. O. S. 72.
4) A. a. O. S. 33 Anm. 1.
5) A. a. O. S. 676.
6) Cuneiform Supplement, New Yorli/Leipzig 1910, S. 39.
370 W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde
wahrscheinlichsten; letzter deutet zwei Worttrenner bei KT
um in einen waagerechten Keil, unter dessen Kopf sich ein
senkrechter Keil befmdet, und kommt damit zu folgender
Lesung. :
(2) ... duvi]tiyäm [: tarda-]
mca [:] s[itiyäm :] tardamc[ä : pasäva
„im zweiten sowohl als im dritten Jahr, nachdem..."
Trotzdem ist dieser Vorschlag untaughch, denn bei KT
steht :
(2) ima : t[ya : ada]m : aku[navam : +]tiy : a[ -(- -|-]
(3) möa : [ -t- -I- + -F + :] tardam :
Mit anderen Worten: Tolman füllt eine mit zwei Zeichen
angegebene Lücke (nämlich: a[+ -\-]mSa) durch fünf (näm¬
lich: ... TW : tarda . .). Von allen Zahlwörtern, die in Zeile 3
einsetzbar sind, erfüllt Weissbach's Vorschlag päöamäm ,,im
fünften" am besten die Forderungen KT's, nämlich 1. die
Lücke mit fünf Zeichen außer dem Worttrenner zu schließen,
und 2., mit p oder s zu beginnen. Der ToLMAN'sche Vorschlag
sitiyäm erfüllt zwar Bedingung 2, nicht aber 1, da dieses
Zahlwort ohne Worttrenner sieben Zeichen umfaßt, also zwei
zuviel. Trotzdem ist vielleicht auch diese Lösung nicht ganz
von der Hand zu weisen.
Bleibt das rätselhafte Wort a[ + +]m£a, dessen Schlu߬
teil meist als unvollständig geschriebenes -Sä „und" gedeutet
wird. Ich möchte dagegen, ähnlich wie es bei der Daiwa-In-
schrift des Xerxes der Fall ist, öa in öiy ändern und das ganze
Wort a[vä]m6iy lesen^). Damit ergäbe sich folgende Fassung:
(2) ima : t[ya : ada]m : aku[navam : pa]tiy : a[vä]-
(3) mö*^ : />ä[öamäm :]tardam :[pasäva : ya]tä : h§äya-
(4) tiya :[abavam :]
,,Dies ist, was Ich tat in jenem fünften Jahr, nachdem
Ich König wurde."
1) Man vergleiche über den Lautwert -^ö im Altpersischen die ela¬
mische Umschreibung irtdhasi für artäiä in der Daiwa-Inschrift.
(F. H. Wbissbach, Die elamiscfie Uebersetzung der Daiwa-Inschrift, in:
Symbolae Paulo Koschaker dedicalae, Leiden 1939, S. 190).
All)). I. .!/('</(.<, //t's l''flaciiL;nih II in Saliiiii Zii W. Hisz. Zur ininisi'lu'ii Altortuinslninvlc
Vl'i'. 1. i>'ii. I'cr^. li pil i jicim.mIu' i asMiiiy/
phol. .Jtf:
-Alih. 5. Dar. Pers. c (alt,|),'rsis(iu^ Fassun}?) Zu W. Uixz, ZuT'iraniachPii Aliifrtiunskundc
W. Hinz, Zur iranischen Altertumskunde 371
Ist es nun glaubhaft, daß Dareios im fünften Jahr seiner
Herrschaft, also 518/17 v. Zw., durch Gaubarwa den dritten
elamischen Aufstand hat niederwerfen lassen und daß er
selbst zu jener Zeit die Saken besiegt hat?
Zur Beantwortung dieser Frage scheinen mir folgende Ge¬
sichtspunkte in Betracht zu kommen.
1. Das ganze Behistün-Denkmal des Dareios bezieht sich
auf die Erringung der Macht im Achämenidenreich durch ihn
und auf ihre Behauptung gegenüber zahlreichen Aufstands¬
bewegungen. Die Inschrift stellt also nicht etwa einen laufend
ergänzten, der Hofchronik entnommenen Bericht dar, son¬
dern sie wurde in einem Zuge vom Großkönig entworfen und
von seinen Schreibern und Steinmetzen ausgeführt. Der
Zusatz über den dritten Aufstand in Elam und über die Be¬
siegung der Saken unter Skuncha rechtfertigte sich aus dem
Sinn des Denkmals und nahm Bezug auf die Lage des Reiches
gegen Ende des Jahres 522: ,, Während Ich in Babylonien
war, wurden diese Länder von Mir abtrünnig: Pärsa, Elam,
Medien, Assyrien, Ägypten, Parthien, Margiana, Sattagydien,
Sakenland" (Beh. ii, 6—8).
2. Die Herstellungsweise des Denkmals dürfte dieselbe ge¬
wesen sein wie bei den medischen und achämenidischen Fels¬
gräbern, nämlich die Absprengung der nicht erwünschten
Gesteinmassens mit Hilfe quehenden Holzes i). Eine gründ¬
liche Besichtigung Behistüns hat mich zu der Überzeugung
geführt, daß die steile, etwa vierzig Meter hohe Halde, von
der aus allein heute das Denkmal betrachtet werden kann,
einst zwanzig Meter weiter hinaufgereicht hat. Die riesigen,
überall verstreuten Blöcke scheinen mir von der (nach Be¬
endigung des Werkes vollzogenen) Absprengung jener Ge¬
steinsmassen zu zeugen, die vormals den Handwerkern Zutritt
zur Arbeitsstätte gaben. Hieraus würde sich ergeben, daß
nach Fertigstellung des Flachbildes und der Inschrift keine
weiteren Zusätze möglich waren. Wenn nun der Sakenzug
des Dareios ,,im fünften Jahr" seiner Herrschaft statt-
1) Vgl. J. DE MoKOAN, Mission scientifigue en Perse, Bd. iv, Pa¬
ris 1896, S. 287-89.
Zeitschrift d. DMG Bd. 93 (Keue Folge Bd. 18) 25
372 W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde
gefunden haben soll, so müßte das Werk damals noch nicht
beendet gewesen sein. Nehmen wir an, Dareios habe etwa zu
Beginn des Jahres 520 den Plan zu seinem Denkmal gefaßt,
so erscheint es durchaus denkbar, daß Ende 518 noch daran
gearbeitet wurde.
3) Andrerseits steht fest, daß das Flachbild und ein Teil
der Inschriften zur Zeit des Sakenzuges schon beendet ge¬
wesen sein müssen ; denn die Gestalt des Skuncha konnte nur
dadurch Platz finden, daß die Steinmetzen den größeren Teil
der ersten Spalte der elamischen Fassung der Inschrift zer¬
störten, die dann links vom altpersischen Text neu angefertigt
wurde*).
4. Es ist daran zu erinnern, daß auch Ägypten unter den
Ländern aufgeführt ist, die sich gegen Dareios empörten. Da
der Großkönig im Jahre 517 diesen Aufstand niederwarft),
würde man erwarten können, daß er in einem zweiten Zusatz
auch diesen Sieg berichtete. Nach meiner Auffassung mußte
dies unterbleiben, weil zur Zeit seiner Rückkehr aus Ägypten
das Denkmal bereits fertiggestellt und unzugänglich gemacht
worden war.
Die Religion der Saken
Aus Absatz 75 der Behistün-Inschrift geht trotz seiner
Verstümmelung hervor, daß die Saken keine Anhänger Zara¬
thustras waren:
(Zeile 51) . . . Saken . . . nicht Ahuramazda . . .
Zur Ergänzung dieses wichtigen Abschnittes möchte ich
folgenden Vorschlag machen:
(30) Täti]y : Därayava'^uä : hääya-
(31) ti[ya : avä :]Sa[k]ä') [: hamiäiyä : ähä : u]tä') :
naiy : A'^uramazd- 1) KT S. xliv.
2) A. Wiedemann, Geschichte Aegyptens von Psammetich I. bis auf
Alexander den Großen, Leipzig 1880, S. 2,'!6.
3) Vgl. hierzu G. Moeoenstierne, Iranian Notes (Acta Orientalia, Leyden 1923), S. 252/53.
W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde 373
(32) ä [ : ayad]i[ya *) : A'^]ura[mazdäm : ajyadaiy : va§nä :
A^'urama- (33) wie Weissbach.
„Kündet Dareios der König:
Jene Saken waren abtrünnig und verehrten Ahura¬
mazda nicht. Ich (aber) verehrte Ahuramazda, mit
dem Willen Ahuramazdas (tat Ich ihnen, wie es Mein
Belieben war)."
Der fast genau entsprechende Absatz 72 lautet in meiner
Ergänzung :
(14) Tät[iy : Däjrayava^'uä : h§äyati-
(15) ya : a[vä : ^uvz]iyä : [hamiäiyä : ähä :]utä[§]äm :
A^'urama-
(16) zdä [: naiy : ayadiya] : A^[uramazdäm :] ayadaiy :
vasnä : A''- (17) wie Weissbach.
„Kündet Dareios der König:
Jene Elamer waren abtrünnig und sie verehrten
Ahuramazda nicht. Ich (aber) verehrte Ahuramazda,
mit dem Willen A(huramazdas tat Ich ihnen, wie es
Mein Belieben war)."
Ein Vergleich der beiden Abschnitte 72 und 75 ergibt,
daß sie sich durch ihre fast wörtliche Übereinstimmung bei
den notwendigen Ergänzungen wechselseitig stützen. Reine
Vermutung bleibt lediglich die Wendung ,,sie waren abtrün¬
nig", die allein aus dem Sinnzusammenhang erschlossen
wurde. Die ablativische Auffassung von -§äm in Zeile 15
leitet ihre Berechtigung aus Beh. i, 50: käraSim her, wo -Um
ähnliche Bedeutung besitzt.
Innerhalb der fünften Spalte der Behistün-Inschrift
bleiben nunmehr bloß noch die Abschnitte 73 und 76 zu er¬
gänzen, die (wie 72 und 75) fast völlig übereinstimmen. Hierzu
1) Vgl. H. H. Schaedeb, Beiträge zur iranischen Sprachgeschichte (Ungarische Jahrbücher Bd. xv, Berlin 1935), S. 562/63.
25»
374 W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcundt,'
möchte ich folgende Lesung vorschlagen, bei der die Zeilen 18
und 19 bereits von Weissbach ergänzt wurden:
(18) T[ätiy : Däraya]va''u[s : hsäyatjiya : hya : A''ura-
mazdä-
(19) m : ya[dätaiy] : yä[vä : taumä : ajhatiy : utä :
iivah-
(20) yä [: utä : artah]yä[: bavatiy : Täti]y : Därayava**-
u§ : h§-
,, Kündet Dareios der König: Wer Ahuramazda ver¬
ehrt, solange er Kraft hat, der ist des Lebens und
der Wahrheit."
Die Ergänzung in Zeile 20 fußt auf der Daiwa-lmchrih
des Xerxes; die Lücke zwischen . . h]yä und Täti]y läßt nach
KT Raum für 4—6 Zeichen, was für bavatiy passen würde.
Da mit Täti]y bereits ein neuer Absatz beginnt, ist anzu¬
nehmen, daß der Schluß der Spalte V (Zeile 36) keine Voll¬
zeile mehr gebildet hat, wofern man auch hier die wörtliche
Übereinstimmung voraussetzt. Diese Zeile wäre demnach zu
ergänzen :
(36) [artahyä : bavatiy].
Die Übereinstimmung mit Absatz 73 erheischt allerdings
für Zeile 35 in Abschnitt 76 die Auslassung der Weissbach'-
schen Ergänzung utä zwischen yadätai[y und dem sicher zu
erschließenden [yävä]. Dies scheint um so unumgänglicher,
als KT (S. 83) folgende Zeichenreste angeben:
(35) i[y -h + -F + + + +:+]m[+ + + + + + + +]tä :.
Die beiden Lücken lassen Raum für je 7—8 Zeichen, was zu
meinem Vorschlag (vgl. unten) recht gut paßt. Die von
Weissbach früher vorgenommene Abänderung des ...m...
bei KT in ... ta .. . war somit unbegründet. Überdies beträgt
die Zahl der Zeichen in Zeile 35 ohne das überflüssige utä
bereits 33, d. h. sie erreicht genau die Durchschnittsziffer,
während sie bei Weissbach 39 ausmachte, was schon jenseits
der zulässigen Höchstgrenze (37) lag. Danach würde Absatz 76
— in wörtlicher Übereinstimmung mit Absatz 73 — jetzt so
aussehen:
W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde 375
(33) Tät-
(34) i[y : Därayava'^us : hs]ä[yatiya : hya]: Ahura-
mazdäm : yadäta-
(35) i[y : yävä : lau]m[ä : ahatiy : u]tä : 2Ivahyä :
utä :
(36) [artahyä : bavatiy.]
III.
Das Behistün-Denkmal
Seitdem King und Thompson im Frühsommer des
Jahres 1904 die bisher zuverlässigsten Abschriften der Da¬
reios-Inschrift anfertigten, hat die unablässige Arbeit zahl¬
reicher Forscher der ganzen Welt die Ergänzung der auf Ver¬
witterung zurückzuführenden Textlücken so weit voran¬
getrieben, daß der Zeitpunkt für eine endgültige Nachprüfung
der aufgestellten Lesungen vor dem Denkmal gekommen
erscheint. Bei einer Besichtigung Behistüns im März 1939
konnte ich feststellen, daß die Zerstörung der Inschrift durch
aus dem Felsen sickerndes Wasser seit der Zeit King's und
Thompson's empfindliche Fortschritte gemacht hat. Das
gleiche hat einst Jacksoh, der am Ostermontag des Jahres
1903 den Felsen erstiegen hatte, über die verhängnisvolle
Entwicklung des Denkmalzustandes seit der Zeit Rawlin-
son's ausgesagt.
Trotz der vorgeschrittenen Verwitterung besteht jedoch
begründete Hoffnung, daß die Vergleichung der vorgeschla¬
genen Ergänzungen der Lücken mit dem Inschriftenbild am
Felsen die ersehnte Gewißheit wird bringen können. Ich
möchte in diesem Zusammenhang an eine Beobachtung
Jackson's erinnern: ,,Ich fand, nachdem sich das Auge ge¬
wöhnt und einige Übung erlangt hatte, daß es möglich war,
verschwundene Worte und Buchstaben durch sorgfältige
Prüfung der Eindrücke wiederherzustellen, die der heftige
Meißelhieb des Steinmetzen bei der Anfertigung des Schrift¬
zeichens hinterlassen hat. Der Kopf der nageiförmigen Buch¬
staben (denn die Zeichen in Behistün ähneln eigentlich eher
376 W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde
Nägeln als Keilen) läßt sich immer noch als Vertiefung oder
Loch im verwitterten Stein erkennen; und die Kenntnis der
Keilschrift befähigt einen, diese Vertiefungen zu Skelett-
Buchstaben zu vereinigen, die oft jeden Zweifel bezüglich der
richtigen Lesung beheben i)."
Zu einer solchen zeitraubenden Nachprüfung der Inschrift
reichen allerdings die Hilfsmittel nicht aus, deren sich die
früheren Bearbeiter bedienten.
Ra\vlinson war im Sommer 1844, unterstützt von
Hester und Jones, die halsbrecherisch glatte, zwanzig
Meter hohe Felswand über der leicht überwindbaren, vierzig
Meter hohen Steilhalde bis zum unteren Rand der Inschrift
hinaufgeklettert; dort stellte er Leitern auf, um die vier Meter
hohen Inschriftspalten auch in ihrer oberen Hälfte betrachten
und abschreiben zu können. Allein angesichts der geringen
Breite des unteren Simses ,, besteht auch mit Leitern be¬
trächtliche Gefahr'')".
Jackson, dem es an allen Hilfsmitteln gebrach, konnte
1903 während eines kurzen Aufenthaltes nur soviel von der
Inschrift prüfen, als sich in Seh- und Reichweite des unteren
Simses befand.
King schlug 1904 folgendes Verfahren ein. Durch Um¬
gehen des Gebirgsstockes gelangte er in eine Schlucht, die er
hinaufkletterte; dort oben entdeckte er einen natürlichen
Felsvorsprung etwa vierzig Meter oberhalb des Denkmals.
Hier trieb er Eisenpflöcke in Felsspalten, an denen mit ziem¬
licher Mühe Seile festgemacht und hinabgelassen wurden, bis
deren unteres Ende den vorerwähnten Sims erreichte. Zu
diesem Sims gelangten King und Thompson (wie Rawlin¬
son und Jackson) durch waghalsiges Klettern. Um die
herabhängenden Seile wurden sogenannte Maurerstühlchen
(aus Kistenholz und Maultiergurten) geschlungen, die — je
1) A. V. Williams Jackson, The Great Behistün Rock and Some
Results of a Re-examination of the Old Persian Inscriptions on it. In :
Journ. Amer. Or. Soc, Bd. 24, New Haven 1903, S. 77—95, im bes.
S. 82/83.
2) Sir Henry Rawlinson in: Archaeologica Bd. xxxiv, 1852, S. 74f.
W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde 377
nach der gerade untersuchten Inschriftstelle — von Kurden,
die hoch oben am Felsen standen, heraufgezogen oder hinab¬
gelassen wurden (KT S. xxi).
Während des Weltkrieges sollen (nach Markwart) die
Russen eine Neuaufnahme des Denkmals zu Behistün vor¬
genommen haben; doch ist darüber nichts weiter bekannt
geworden, und es ist anzunehmen, daß auch sie auf dem
„üblichen" Wege hinaufgeklettert sind.
Eine wissenschaftlich endgültige Aufnahme Behistüns
wird jedoch alle Hilfsmittel der Neuzeit heranziehen müssen,
um das einzigartige Denkmal vor seinem unaufhaltsamen
Verfall getreulich der Nachwelt zu überliefern. Es wird daher
ein verhältnismäßig kostspieliger Gerüstbau unerläßlich
sein, damit die Arbeit am Felsen mit aller erforderlichen Muße
und Sorgfalt durchgeführt werden kann. Die dort der Lösung
harrenden Aufgaben lauten:
1. Vergleich der aufgestellten Ergänzungsvorschläge mit
den Inschrift-Überresten;
2. Herstellung von Abklatschen aller Inschriften;
3. Vollständige photographische Aufnahme des Denkmals
und der Inschriften bis in die letzten Einzelheiten;
4. erstmalige Aufnahme der ursprünglichen elamischen
Fassung der Dareios-Inschrift rechts von der Gestalt
des Skuncha.
Auf den vierten Punkt hat zuletzt F. W. König hin¬
gewiesen *). Für abwegig halte ich allerdings die Hoffnung des
Verfassers, diese, von KT als ,, supplementary texts" bezeich¬
nete Inschrift sei wahrscheinlich älter als Dareios t). Ich bin
vielmehr davon überzeugt, daß diese vier Spalten genau den
gleichen Wortlaut haben wie die bekannte elamische Fassung
1) A. a. O. S. 3: ,,Man kann sich nicht genug darüber wundern,
daß seit den 100 Jahren, vor denen der unermüdliche und kühne Sir
Henry Rawlinson die uns heute bekannte Inschrift abzeichnete und
abklatschte, sich niemand gefunden hat, der sich um diese vier Ko¬
lumnen je gekümmert hätte."
2) Ebenda: ,, Vielleicht handelt es sich um eine Siegesinschrift in medischer, chaldischer oder kassitischer Sprache."
2
378 W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde
der Behistün-Inschrift, was ihren Wert für die Wissenschaft
keineswegs mindert. Denn jedes doppelt bezeugte Wort ist
bei einer so wichtigen Inschrift von Belang, und nach meinen
Beobachtungen scheint es mit dem Erhaltungszustand der
,, supplementary texts" nicht so schlecht bestellt zu sein, wie
Rawlinson bzw. KT vermerkten.
F. W. König hat in seiner Abhandlung über Behistün
auch die Vermutung geäußert, ,,daß die Figuren . . aus
anderem Material und an anderer Stelle als an der Wand
selbst hergestellt und dann erst als ganze Stücke an oder in
die Wand eingesetzt worden sind!"*) Ich hatte ursprünglich*)
diese Annahme König's als einleuchtend bezeichnet; ahein
sie hielt einer genauen Überprüfung am Denkmal nicht stand.
Die Gestalten sind vielmehr samt und sonders aus dem ge¬
wachsenen Felsen, einem sehr widerstandsfähigen dolomiti-
sierten Kalkstein, ausgehauen worden. Jedes andere Ver¬
fahren würde ja auch zu der Herstellungsweise des Denkmals
in Widerspruch stehen, wie ich sie oben erörtert habe. Ein
Hauptbeweisgrund der KöNio'schen Annahme bezieht sich
auf die Gestalt des Saken Skuncha: dieser könne unmöglich
aus einer vorhandenen Wand herausgehauen worden sein,
weil diese schon früher ausgehauen und beschriftet gewesen
sei'). Allein auch hier zeigt sich die Unzulänghchkeit der
bildlichen Unterlagen, die König zur Verfügung standen;
aus Abb. 2 ist zu erkennen, daß die Gestalt des Skuncha
wesentlich tiefer im Fels liegt als die Hintergrundfläche der
übrigen ,, Lügenkönige".
IV.
Zu den altpersischen Inschriften
Im zweiten Teil meines Aufsatzes über Das erste Jahr
des Großkönigs Dareios (ZDMG Bd. 92, S. 163 ff.) bin ich
auf einige Fragestellungen eingegangen, die uns die altpersi-
1) A. a. O., S. 9.
2) ZDMG, Bd. 92, S. 172.
3) A. a. O., S. 12 Anmerkung.
W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde 379
sehen Inschriften aufgeben. Auf Grund von Beobachtungen
vor den Denicmälern selbst bin ich in einigen Punkten jetzt
zu abweichender Auffassung gekommen.
Nach dem Vorgange H. H. Schaeder's hatte ich die
Dareios-Inschrift am Berge Alwand (Dar. Alw.) auf die Ur¬
heberschaft des Xerxes zurückgeführt, dessen daneben be¬
findliche Inschrift (Xerx. Alw.) nach Inhalt und äußerer
Anordnung fast völlig mit der des Dareios übereinstimmt.
Am 27. März 1939 habe ich trotz hochliegenden Schnees von
Hamadän aus die Inschriften aufgesucht. An die Droschken¬
fahrt nach dem Dorfe 'Abbasäbäd schloß sich ein fast zwei¬
stündiger Fußmarsch entlang dem scharf ansteigenden Tal
eines Wildbaches. Da, wo die baumreiche Hochalm in felsige
Einöde übergeht und der Lauf des Wildbaches nach rechts
abbiegt, sind die beiden Inschriften in einen riesigen Granit¬
block eingemeißelt (Abb. 3). Ihre Anordnung scheint mir
insofern nicht für eine gemeinsame Urheberschaft des Xerxes
zu sprechen, als dessen Inschrift (rechts) wesentlich tiefer
liegt als die des Dareios. Dies braucht keineswegs Ausdruck
der Wertschätzung für seinen Vater Dareios zu sein; vielmehr
war genau rechts von dessen Inschrift einfach nicht mehr
genügend Platz für eine zweite gleich große Inschrift. Diese
mußte also tiefer angebracht werden. Nehmen wir aber an,
daß Xerxes beide Inschriften gleichzeitig habe anfertigen
lassen, so wäre folgerichtig die Dareios-Tafel von vornherein
tiefer angesetzt worden, damit beide Inschriften nebenein¬
ander Platz gehabt hätten. Diese Überlegungen sind zwar
nicht restlos beweiskräftig, scheinen mir aber triftig genug
zu sein, um eine gemeinsame Urheberschaft des Xerxes
fraglich zu machen. Vielleicht erhalten wir weitere Klarheit
über diesen Punkt, wenn unsre Kenntnis der achämenidischen
Inschriftenkunde weiter vorgeschritten ist. Mit dieser ist es
ja, wie bekannt, ziemlich übel bestellt, da wir noch immer
von den meisten altpersischen Inschriften keine verläßlichen
Aufnahmen besitzen. Seit der Veröffentlichung der „Alt-
persischen Inschriften'''' E. Herzfeld's ist zwar ein gewisser
Fortschritt erzielt worden. Allein das meiste bleibt immer
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380 W. Hinz, Zur iranischen Altertumslcunde
noch zu tun, und es wäre sehr zu wünschen, daß Erich
Schmidt die ausgezeichneten Inschriften-Aufnahmen ver¬
öffentlichte, die die Persepolis-Lichtbildner von Busse und
DuBBNSKij angefertigt haben. Als bescheidenen Beitrag in
dieser Richtung gebe ich hier (in Abb. 4—7) die Burgmauer-
Inschrift des Dareios zu Persepohs (Dar. Pers. d und e)*).
Die Aufnahme löst zugleich die strittige Lesung in Zeile 14:
von ,, Sippengöttern" kann nicht weiter die Rede sein, da
trotz der Verwitterung deutlich visaibiS zu lesen ist, also ,,mit
ahen Göttern", wie bereits Weissbach vermutet hatte.
Zur Frage der Einführung der altpersischen Keilschrift
durch Dareios wäre noch darauf hinzuweisen, daß von allen
bisher bekannten altpersischen Inschriften nur die zu Be¬
histün als Worttrenner den Winkelhaken aufweist, während
sämtliche übrigen den schrägen Keil dafür verwenden, die
Inschriften in Pasargadae nicht ausgenommen! Es wäre
seltsam, wenn Dareios den (nach Herzfeld) aus der Meder-
zeit überkommenen Schrägkeil bei seiner ersten großen In¬
schrift plötzlich außer acht gelassen hätte, um den Winkel¬
haken einzuführen, diesen dann aber bei allen seinen späteren
Inschriften wieder aufzugeben. Einleuchtender erscheint mir
die Annahme, daß der ursprünglich verwendete Winkelhaken
sich als umständlicher erwies als der Schrägkeil, der sich
hinfort (nach Behistün) alleinige Geltung verschaffte. Wenn
Dareios später die Cyrusbauten zu Pasargadae beschriftete,
so erklärt sich zwanglos das Auftreten des Schrägkeiles als
Worttrenner, weil dieser inzwischen zum festen Bestand des
altpersischen Alphabets gehörte.
1) Die Aufnahmen stellte mir Herr H. Wulff, Direktor der Ge¬
werbeschule zu Schiras, freundlichst zur Verfügung.
Bücherbesprechungen
A. J. Arberry, The Book of Truthfulness (Kitab al-Sidq) by
Abü Sa^ld al-Kharräz. 70 S. und 83 S. arab. Text.
Oxford 1937 ( = Islamic Research Association Series No. 6).
Von den Werken des Abü Sa'id al-Harräz ist nur sein
Kitäb as-sidq erhalten. L. Massignon hat uns eine feinsinnige
Analyse seiner Lehre in seinem Essai, S. 270 gegeben und
dargelegt, daß al-Harräz mehrere später von al-Halläg wieder
aufgenommene Termini technici neu eingeführt und auch die
Lehre vom fana' und baqa" begründet hat.*)
Es ist ein großes Verdienst von A. J. Arberry, das Kitäb
as-sidq uns im arabischen Text und in der englischen Über¬
setzung zugänglich gemacht zu haben. So liegt wieder ein
wichtiger Text zur islamischen Mystik der Frühzeit vor.
Leider ist über das Leben des al-Harräz wenig bekannt.
Aus den biographischen Werken der Araber können wir nur
entnehmen, daß er in Bagdäd lebte, von dort nach Buhärä
übersiedelte und sich später in Kairo niederließ, wo er auch
zu Du'n-Nün in Beziehung trat. Nach der von Abü Sa'id
al-Mälini überlieferten Nachricht des Abu'l - Qäsim an
Nihäwandi, der vierzehn Jahre lang ein Schüler des al-
Harräz war, ist unser Autor im Jahre 286 in Kairo gestorben.
Aus den Aussprüchen des al-Harräz und den Anekdoten über
ihn, die allenthalben überliefert werden, könnte man das Bild
noch vervollständigen. Nicht herangezogen wurde bisher der
Artikel in der Hilya des Abü Nu'aim, der wertvolles Material
enthält.
Das Kitäb as-sidq ist in Dialogform gehalten. Ein nicht
genannter Gelehrter ''(ba^d al-^ulamä') gibt al-Harräz auf
seine Fragen Antwort. Das ist eine literarische Stilform, wie
sie uns auch aus Werken des al-Muhäsibi bekannt ist, z. B. aus
1) Vgl. auch aä-Sa'ränl, Tabaqät I, 78.