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39 Förderung und Erhalt intellektueller Fähigkeiten für ältere Arbeitnehmer

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intellektueller Fähigkeiten für ältere Arbeitnehmer

Abschlussbericht des Projekts ›Pfiff‹

39

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Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA). Gemeinsame Projekte des Bündnisses aus Sozialpartnern, Sozialversicherungsträgern, Bund, Ländern, Stiftungen und Unterneh- men machen deutlich: Wer in Humankapital investiert, profitiert von motivierteren Mitar- beitern, sinkenden Krankenständen und einem fortschrittlichen Unternehmensimage. Im Jahr 2002 gestartet, sind Eigendynamik und Überzeugungskraft der Initiative inzwischen weithin sichtbar – INQA works!

INQA bündelt Kräfte!

»Gemeinsam handeln, jeder in seiner Verantwortung« – dieser Grundsatz von INQA hat sich in der Praxis bewährt. Unter dem Dach der Initiative haben sich mit den The- matischen Initiativkreisen (TIK) spezialisierte Arbeitsgruppen gebildet. Ihr inhaltliches Spektrum reicht vom ›Netzwerk Baustelle‹ über ›Älter werden in Beschäftigung‹ bis zu

›Neue Qualität der Büroarbeit‹. Bürokratie oder verkrustete Strukturen sucht man hier vergebens. Die TIK erarbeiten zielführende Aktivitäten zu einzelnen Schwerpunktthe- men und setzen sie in Eigenregie um. Das gewonnene Wissen dient dem Transfer in die betriebliche Praxis. Ob als Unternehmer, Arbeitnehmervertreter oder Gesundheitsexperte – jeder INQA-Initiativkreis ist offen für Menschen, die etwas bewegen wollen.

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Förderung und Erhalt

intellektueller Fähigkeiten für ältere Arbeitnehmer

Abschlussbericht des Projekts ›Pfiff‹

39

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Impressum

Programm zur Förderung und zum Erhalt intellektueller Fähigkeiten für ältere Arbeitnehmer (PFIFF)

Herausgeber:

Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) Geschäftsstelle

c/o Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Nöldnerstr. 40/42

10317 Berlin

Tel.: 0 30 / 5 15 48 - 4000 Fax: 0 30 / 5 15 48 - 4743 E-Mail inqa@baua.bund.de

Internet www.inqa.de

Fachliche Begleitung und Projektkoordination:

Dr. Gabriele Freude,

Leiterin der Arbeitsgruppe „Mentale Gesundheit und kognitive Leistungsfähigkeit“

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Nöldnerstr. 40-42

10317 Berlin

Tel.: 0 30 / 5 15 48 - 0 Fax: 0 30 / 5 15 48 - 4170 E-Mail: Freude.Gabriele@baua.bund.de Das Projektteam:

Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund Prof. Dr. med. Michael Falkenstein

Leiter der Projektgruppe „Altern und ZNS-Veränderungen“

Ardeystr. 67

D - 44139 Dortmund Tel.: +49 / 231 1084 277 Fax: +49 / 231 1084 401 E-Mail: falkenstein@ifado.de Ruhr-Universität Bochum Fakultät für Maschinenbau

ISE - Lehrstuhl für Industrial Sales Engineering Leitung: Prof. Dr. phil. Joachim Zülch

Universitätsstr. 150 44801 Bochum Deutschland

Telefon: +49 (0)234 / 32-26 38 8 Fax: +49 (0)234 / 32-14 28 0 E-Mail: ISE@rub.de Redaktion und Satz:

KONTEXT Oster & Fiedler GmbH, Hattingen Fotos: FOX-Foto – Uwe Völkner, Lindlar

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit vorheriger Zustimmung der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA)

Dortmund 2009

ISBN: 978-3-86918-030-4

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Inhaltsverzeichnis

5

Teil 1: Das Projekt PFIFF – Programm zur Förderung und zum Erhalt intellektueller Fähigkeiten für ältere Arbeitnehmer

7 Gabriele Freude

PFIFF – Programm zur Förderung und zum

Erhalt intellektueller Fähigkeiten für ältere Arbeitnehmer 13 Michael Falkenstein, Nele Wild-Wall

Einfluss arbeits- und lebensstilbezogener Faktoren auf die kognitive Leistungsfähigkeit

31 Patrick Gajewski, Michael Falkenstein

Fluide kognitive Funktionen bei Beschäftigten in der Automobilindustrie

41 Joachim Zülch, Catharina Stahn

Das Projekt PFIFF – Von der Wissenschaft zum praxisorientierten Nutzen

57

Teil 2: Ältere Arbeitnehmer: Perspektiven von Wissenschaft, Politik und Betrieben

73 Winfried Hacker

Arbeitswelt im Wandel – Herausforderungen an die geistige Leistungsfähigkeit älter werdender Arbeitender

73 Gottfried Richenhagen

Leistungsfähigkeit, Arbeitsfähigkeit, Beschäftigungsfähigkeit und ihre Bedeutung für das Age Management

87 Jürgen Pfister

Die Entwicklung einer „demografitten“ Unternehmenskultur in der METRO Group

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Das Projekt PFIFF – Programm zur

Förderung und zum Erhalt Intellektueller

Fähigkeiten

Für ältere Arbeitnehmer

Teil 1

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Dr. Gabriele Freude ist Leiterin der Arbeitsgruppe „Mentale Gesundheit und kog- nitive Leistungsfähigkeit“ bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Nach Studium und Promotion in Biologie an der Humboldt-Universität Berlin (1973 bis 1981) schloss sie ein Postgradualstudium an, das sie mit dem Abschluss „Fachwis- senschaftler der Medizin“ absolvierte.

Seit 1981 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin des damaligen ZAM, der späteren Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, heute Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeits- medizin. Dort leitete sie seit 2005 die Arbeitsgruppe „Arbeitsgestaltung bei psychi- schen Belastungen, Stress“, seit 2009 ist sie Leiterin der Arbeitsgruppe „Mentale Gesundheit und kognitive Leistungsfähigkeit“.

Als Leiterin verschiedener Forschungsprojekte beschäftigte sie sich mit den Schwer- punkten „Psychische Belastung, Stress“, „Altern und Arbeit“ sowie „Kognitive Leis- tungsfähigkeit“. Als Leiterin des Vitalitätslabors an der BAuA und Autorin zahlreicher Veröffentlichungen in nationalen und internationalen Fachzeitschriften beschäftigte sie sich intensiv mit den Themengebieten „Vitalität und Arbeit“ sowie „Psychophysio- logie und kognitive Leistungsfähigkeit“.

Dr. Gabriele Freude

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Nöldnerstraße 40-42

10317 Berlin

freude.gabriele@baua.bund.de

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Gabriele Freude

PFIFF – Programm zur Förderung und zum Erhalt intellektuel- ler Fähigkeiten für ältere Arbeitnehmer

Das Projekt im Überblick

Die Arbeitswelt ist im Wandel. Neue Informations- und Kommunikationstech- nologien, die Bedeutung von Wissen insgesamt sowie die Notwendigkeit von lebenslangem Lernen stellen zunehmend höhere Anforderungen an die geistige Leistungsfähigkeit von Beschäftigten. Im Kontext des demographischen Wandels gewinnen diese Entwicklungen zusätzliche Brisanz, insbesondere dann, wenn die Anforderungen an die Grenzen der menschlichen Informationsverarbeitung stoßen. Der Erhalt und die Förderung der geistigen Leistungsfähigkeit während des gesamten Berufslebens wird eine zunehmend wichtiger werdende Zielgrö- ße des modernen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Tragfähige Konzepte zur Förderung kognitiver Kompetenzen älter werdender Arbeitnehmer sowie zur Gestaltung von – aus kognitiver Perspektive – förderlichen Arbeitsbedingungen/

Arbeitssystemen sind gefragt. Dazu sind Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gleichermaßen gefordert.

Vor diesem Hintergrund wurde im ersten Quartal 2007 von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) das Projekt PFIFF „Programm zur Förderung und zum Erhalt intellektueller Fähigkeiten für ältere Arbeitnehmer“ ins Leben gerufen und wäh- rend der gesamten Laufzeit (Mai 2007 bis Dezember 2008) fachlich betreut. Die Leitung von PFIFF wurde dem Institut für Arbeitsphysiologie Dortmund (IfADo) übertragen. Weitere Kooperationspartner waren die Ruhruniversität Bochum, die Gesellschaft für Gehirntraining (GfG) und die Adam Opel AG Bochum, der Partner der betrieblichen Praxis.

In dem vorliegenden Tagungsband sind Forschungs- und Umsetzungsergeb- nisse des Projekts (Beiträge von Prof. Michael Falkenstein, Dr. Nele Wild-Wall, Dipl.-Psych. Catharina Stahn, Dr. Patrick Gajewski und Prof. Joachim Zülch) zu- sammengefasst. Darüber hinaus wird von Prof. Winfried Hacker das mit PFIFF im engen Zusammenhang stehende Thema „Arbeitswelt im Wandel – Heraus- forderungen an die geistige Leistungsfähigkeit älter werdender Arbeitnehmer“

aus arbeitswissenschaftlicher/arbeitspsychologischer Perspektive diskutiert.

Dem Thema „Kognitive Fitness älterer Beschäftigter – ein Thema in den Betrie- ben“ werden sich Dr. Gottfried Richenhagen, insbesondere aus der Perspektive des „Age Managements“ in Unternehmen sowie Jürgen Pfister widmen, der seine Erfahrungen im Hinblick auf „Die Entwicklung einer „demografitten“ Un- ternehmenskultur in der METRO Group“ darstellen wird.

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Einige Ergebnisse von PFIFF sind bereits veröffentlicht. Dabei soll insbeson- dere auf die Internetseite zum Projekt www.pfiffprojekt.de und die Broschüre

„Geistig fit im Beruf! – Wege für ältere Arbeitnehmer zur Stärkung der grauen Zellen“ verwiesen werden.

Ziele und Bausteine von PFIFF

Übergeordnetes Ziel des Projektes war es, einen Beitrag zur Gestaltung von Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung kognitiver Kompetenzen älterer Arbeitnehmer zu leisten. Dabei war es uns wichtig, wissenschaftliche Ergebnisse aus der Forschung in eine für die Praxis nutzbare Form umzusetzen. Insbeson- dere bestand die Aufgabe von PFIFF in der Erarbeitung eines Umsetzungskon- zeptes, auf dessen Basis betriebliche Akteure ihr Arbeitsumfeld gestalten und die kognitiven Kompetenzen der Beschäftigten positiv beeinflussen können, sodass die geistige Fitness von Arbeitnehmern/ -innen bis ins hohe Alter gefordert und gefördert werden kann.

Das Konzept zum Projekt sah vor, auf Basis einer umfangreichen Aufarbeitung des nationalen und internationalen Stands der Forschung zunächst modellhafte Untersuchungen zu altersbedingten Veränderungen der kognitiven Leistungsfä- higkeit durchzuführen. Dabei sollten nicht nur Leistungs- und Verhaltensdaten sondern auch neurophysiologische Methoden zur Anwendung kommen. Ansät- ze moderner neurophysiologischer Forschung waren uns deshalb wichtig, da auf ihrer Basis Aussagen über die der geistigen Arbeit zugrundeliegende Mechanis- men der Informationsverarbeitung gegeben werden können, die mit Leistungs- daten oder Parametern des menschlichen Verhaltens nicht möglich sind. So las- sen z. B. Parameter der bioelektrischen Hirnaktivität Aussagen über das Ausmaß der Anstrengung oder über Veränderungen spezifischer Stadien der Informati- onsverarbeitung bei der Bearbeitung mentaler Aufgaben zu, die für Empfehlun- gen zur Arbeitsgestaltung (z. B. im Hinblick auf die kognitive Ergonomie) wichtig sind. Darüber hinaus waren im Rahmen des Projektes Untersuchungen zum Einfluss von Arbeitsplatzmerkmalen, Arbeitsbelastungen, zur psychomentalen Beanspruchung sowie zum dispositionellen Bewältigungsverhalten von Beschäf- tigten auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Bedeutung.

Die anspruchsvollen Aufgaben von PFIFF wurden im Rahmen der folgenden

„Arbeitspakete“ bearbeitet:

Systematische Aufarbeitung des nationalen und internationalen 1.

Stands der Forschung über arbeits- und lebensstilbezogene Ein- flussfaktoren auf die kognitive Leistungsfähigkeit als Ausgangsbasis für die Entwicklung eines Maßnahmenkatalogs

Modellhafte Untersuchungen über altersbezogene Veränderungen 2.

der kognitiven Leistungsfähigkeit unter Einbeziehung von neu- rophysiologischen Methoden zur Untersuchung altersbezogener

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Strategien der Informationsverarbeitung bei Beschäftigten der Automobilindustrie (Adam Opel AG)

Erarbeitung eines Konzepts zum Erhalt und zur Förderung kogniti- 3.

ver Kompetenzen im Berufsleben auf Basis der erarbeiteten Litera- turübersicht und der Ergebnisse der modellhaften Untersuchungen.

Insbesondere sollte ein Maßnahmenkatalog mit Handlungsemp- fehlungen für Akteure des betrieblichen Gesundheitsschutzes er- stellt werden. Darüber hinaus sollte ein Workshopkonzept und die dafür erforderlichen Schulungsunterlagen erarbeitet werden, das auf die Förderung kognitiver Kompetenzen gerichtet ist

Entwicklung und Anpassung eines Trainingskonzeptes zur Förde- 4.

rung kognitiver Kompetenzen durch die Gesellschaft für Gehirntrai- ning. Auf dieser Grundlage wurde kognitives Training im betriebli- chen Setting ermöglicht.

Systematische Aufarbeitung des nationalen und internationalen Stands der For- schung

Voraussetzung für sämtliche Umsetzungsaktivitäten im Rahmen des Projektes war ein umfassender Überblick über den Stand der Forschung zu neuropro- tektiven arbeits- und lebensstilbezogenen Einflussfaktoren auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Die besondere Bedeutung von arbeitsbezogenem Stress, der lernförderlichen Arbeitsgestaltung sowie von Qualifikation und Weiterbildung für die kognitive Leistungsfähigkeit wird bei der Ergebnisdarstellung ebenso hervor- gehoben wie der Einfluss von sportlicher Aktivität (insbesondere im Ausdauer- leistungsbereich) oder Ernährung. Ebenso findet der Aspekt der Trainierbarkeit insbesondere bei Älteren besondere Berücksichtigung bei der Literaturrecherche.

Zudem sollte der aktuelle Stand der Forschung für den Bereich kognitives und emotionales Bewältigungsverhalten in Bezug auf altersbedingte Defizite aufge- arbeitet werden, um dadurch eine fundierte Ausgangslage für die spätere Erar- beitung des Umsetzungskonzepts zur Förderung kognitiver Kompetenzen zu schaffen. Die Ergebnisse der Literaturrecherche sind im Detail unter

www.pfiffprojekt.de dargestellt.

Modellhafte Untersuchungen über altersbezogene Veränderungen der kognitiven Leistungsfähigkeit unter Einbeziehung von neurophysiologischen Methoden

In einer zweiten Arbeitsphase wurden ausgewählte kognitive Funktionen bei zwei Gruppen von Arbeitnehmern mit unterschiedlichen Tätigkeitsprofilen und unterschiedlichen kognitiven Anforderungen (Fließband vs. Instandhaltung) untersucht. Die neurophysiologischen und arbeitswissenschaftlichen Untersu- chungen erfolgten bei unserem Industriepartner, der Adam Opel GmbH. Die hierzu unter Laborbedingungen simulierten Arbeitsaufgaben forderten insbeson- dere sog. fluide kognitive Funktionen, die entscheidende Bausteine vieler berufli-

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cher Tätigkeiten sind. Sie beinhalten u. a. schnelle Informationsverarbeitung und Reaktionen, das Wechseln von Aufmerksamkeit und Aufgaben, das gleichzeitige Ausführen mehrerer Tätigkeiten, das Planen von Handlungssequenzen etc. In der Grundlagenforschung konnten für diesen Funktionsbereich bereits Altersun- terschiede beschrieben werden, die im PFIFF Projekt, in Abhängigkeit der durch die berufliche Tätigkeit bedingten unterschiedlichen kognitiven Anforderungen, zu differenzieren waren. Insbesondere zielten die experimentell simulierten Auf- gaben auf einen schnellen Wechsel von Aufmerksamkeit, Inanspruchnahme des Arbeitsgedächtnisses sowie der Unterdrückung von irrelevanten Ablenkreizen.

Die Untersuchung des Einflusses von „Arbeitsanforderung“ und „Alter“ war bei der Versuchsplanung besonders zu berücksichtigen.

Darüber hinaus sollten Zusammenhänge zwischen altersassoziierten Ver- änderungen der fluiden Funktionen, arbeitsbezogenen Einflussfaktoren sowie dispositionellem Bewältigungsverhalten analysiert werden.

Konzept zum Erhalt und zur Förderung kognitiver Kompetenzen – Workshopkonzept – Maßnahmenkatalog – Training

Mit dem zu erarbeitenden Workshopkonzept sollten drei Ziele verfolgt werden.

Erstens sollten Empfehlungen zur Arbeitsgestaltung und zur Lebensführung gegeben werden. Zweitens war beabsichtigt, die individuellen Ressourcen der Arbeitnehmer/-innen zu stärken, indem z. B. Methoden zur Stressbewältigung in das Umsetzungskonzept implementiert sowie Wissen über lebensstilbezo- gene protektive Einflussfaktoren auf die kognitive Leistungsfähigkeit vermittelt wurden. Und drittens sollte ein Trainingsprogramm zur Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit Bestandteil des Workshopkonzepts sein.

Die erarbeiteten Module des Workshops stützen sich auf die Ergebnisse der Literaturrecherche. Darauf aufbauend stehen die Themen „Stress und Stress- bewältigung“, „Die Rolle von Kognitionen, Ernährung, Sport und Lebensfüh- rung“, „Kognitives Training“ sowie „Empfehlungen für die Arbeitsgestaltung“ im Mittelpunkt der Workshops. Eine Vielzahl von Instrumenten sollten ebenfalls im Rahmen des Projektes zur Unterstützung der Umsetzungsmaßnahmen entwi- ckelt werden, wie z. B. Trainerleitfaden, Foliensätze und diverse Übungen.

Ausblick

Es ist anzunehmen, dass das Thema „Erhalt und Förderung der kognitiven Leistungsfähigkeit im Berufsleben“ künftig in der Arbeitswelt eine noch größere Rolle spielen wird. PFIFF gibt den Beschäftigten und Unternehmen die notwen- digen Werkzeuge in die Hand, damit sie sich diesen Herausforderungen erfolg- reich stellen können. Dabei kann die geistige Leistungsfähigkeit auch durch kognitives Training stabilisiert und gefördert werden. Mit diesen Maßnahmen sollte nicht erst im Alter begonnen werden. Sie sollten während des gesamten Erwerbslebens eine Rolle spielen.

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Vor diesem Hintergrund wurde ein Nachfolgeprojekt von PFIFF (PFIFF 2) konzipiert mit dem Schwerpunkt der Implementierung des erarbeiteten Um- setzungskonzepts in die Unternehmen. Damit sollen die notwendigen Transfer- leistungen zwischen theoriebasierten Konzepten und praxisbezogenem Nutzen erbracht werden. Zunächst sollen die Maßnahmen in einer Pilotphase bei älteren Beschäftigten in der Automobilindustrie umgesetzt und für den betrieblichen Kontext optimiert werden. Zur Sicherung der Nachhaltigkeit ist eine wissen- schaftliche Evaluation der Wirksamkeit der Trainingsmaßnahmen geplant. Die Erfahrungen sollen in einer zweiten Phase dazu genutzt werden, Gesundheitsak- teure aus unterschiedlichen Unternehmen gemäß des Leitgedankens „train the trainer“ zu schulen. Somit können diese als Multiplikatoren die Mitarbeiter ihrer Unternehmen trainieren. Mit dem geplanten Vorhaben kann ein Beitrag dazu geleistet werden, eine nachhaltige Verbreitung des Konzeptes zum Erhalt und zur Förderung kognitiver Kompetenzen im Berufsleben zu sichern. Informatio- nen über weitere Entwicklungen im Rahmen des „PFIFF 2 Projektes“ sind unter www.pfiffprojekt.de zu finden.

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Prof. Dr. Michael Falkenstein (geb. 17.05.1949 in Bochum) hat Diplome in Elekt- rotechnik und Psychologie (Universität Bochum 1977 and 1985), sowie das Staatsexa- men in Medizin (Universität Essen 1978). Promotion zum Dr. med. 1983 und Habili- tation in Psychologie 1996. Von 1978 bis 1995 arbeitete er am Institut für Physiologie der Ruhr-Universität, wo er zuletzt ein Projekt zu nicht-pharmakologischen Trainings- programmen für Schmerzpatienten durchführte.

Seit 1986 arbeitet er am Institut für Arbeitsphysiologie, IfADo in Dortmund; seit 2000 ist er dort Leiter der Projektgruppe 3 „Kognitive Neurophysiologie informato- rischer Arbeit“. (ab 2006: „Altern und ZNS-Veränderungen“). Seine Forschungs- Schwerpunkte liegen in der Untersuchung von exekutiven Kontrollfunktionen und ihrer Messung mit neurophysiologischen Methoden, sowie in Veränderungen von kognitiven Hirnfunktionen im Alter und bei Störungen des zentralen Nervensystems.

Aktuelle Schwerpunkte seiner Arbeit im angewandten Bereich sind die Analyse von Veränderungen von Hirnfunktionen bei Älteren durch verschiedene Interventionen, sowie Diagnostik und Training bei älteren Beschäftigten und Verkehrsteilnehmern. Er leitet etliche Drittmittelprojekte auf nationaler (DFG, BMBF, BMAS) und europäi- scher Ebene (EU).

Prof. Dr. Michael Falkenstein

Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund falkenstein@ifado.de

Dr. rer. nat. Nele Wild-Wall ist wissenschaftliche Mitarbeiterin (stellv. Projektlei- terin) am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund in der Projekt- gruppe „Altern und ZNS-Veränderungen“ bei Prof. M. Falkenstein. Sie studierte 1994 bis 2000 Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und schloss mit dem Diplom ab. 2000 bis 2003 war sie Doktorandin im DFG-geförderten Graduiertenkol- leg „Klinische und kognitive Neurowissenschaften“ an der Humboldt-Universität. Mit dem Thema „Interaktion der Emotions- und Bekanntheitserkennung bei Gesichtern“

promovierte sie zum Dr. rer. nat. Von 2003 bis 2004 arbeitete sie als wissenschaftli- che Mitarbeiterin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Essen über das Thema „Neurophysiologie automatischer und kontrollierter Aufmerksamkeitsprozesse bei schizophrenen Patienten“. Seit 2004 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Projektgruppe „Altern und ZNS-Veränderungen“ am Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo). Von 2007 bis 2009 absolvierte sie ein berufsbegleitendes Diplom-Studium „Soziale Gerontologie“ an der TU Dortmund.

Dr. Nele Wild-Wall

Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund wild-wall@ifado.de

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Michael Falkenstein, Nele Wild-Wall

Einfluss arbeits- und lebensstilbezogener Faktoren auf die kognitive Leistungsfähigkeit

Der Prozess des Alterns bringt eine Reihe von körperlichen und geistigen Veränderungen mit sich, die oft erst im höheren Alter deutlich in Erscheinung treten. Negative Veränderungen zeigen sich in den sog. fluiden Funktionen, d. h.

schnelle kontrollierte Informationsverarbeitung, Kurzzeitgedächtnis, Arbeitsge- dächtnis (Kurzzeitgedächtnis plus Verarbeitung der Gedächtnisinhalte), Wechsel zwischen Aufmerksamkeit und Aufgaben, Mehrfachtätigkeit, Hemmung von Störeinflüssen und spontanen Handlungen, Handlungskontrolle und -planung usw. In anderen Bereichen, z. B. im Erfahrungswissen, zeigen sich mit dem Alter sogar Verbesserungen. Viele alternsbedingte Veränderungen sind biologisch determiniert. Allerdings weiß man heute, dass es viele positive und negative Ein- flussfaktoren gibt, die den Alternsprozess mehr oder weniger erfolgreich beein- flussen. Faktoren wirken dann besonders intensiv, wenn ihre Einwirkungsdauer groß ist. Arbeit und Lebensstil wirken insgesamt den ganzen bewusst erlebten Tag lang auf den Menschen ein, daher sollten sie starken Einfluss haben. Die folgende Übersicht benennt wichtige arbeits- und lebensstilbezogene Faktoren, die kognitive Funktionen im Alter günstig oder ungünstig beeinflussen.

Arbeitsbezogene Faktoren

Anspruchsvolle kognitive Aktivität wirkt sich anscheinend positiv auf die fluide Intelligenz aus (z. B. Hultsch et al., 1999; Schooler & Mulatu, 2001; Schooler et al., 1999; Singh-Manoux et al., 2003; Wilson et al., 1999). Arbeit ist die Tätigkeit, mit der wir uns zeitlich am längsten und am intensivsten beschäftigen und die daher einen starken Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit haben sollte.

Tätigkeiten mit flexiblen und variablen geistigen Anforderungen und Übungsopti- onen sowie der Möglichkeit, neue Dinge zu erlernen, verbessern anscheinend in der Tat die kognitiven Funktionen bei Beschäftigten.

Hohe Komplexität der Arbeit ist mit einer besseren kognitiven Flexibilität verbunden. Der positive Einfluss anspruchsvoller Tätigkeit auf die geistige Leis- tungsfähigkeit nimmt mit steigendem Alter sogar zu (Schooler et al., 1999).

Personen mit geistig fordernden Berufen zeigten über 7 Jahre leichte Verbesse- rungen ihres kognitiven Status, während diejenigen, deren Beruf mehr physische Anforderungen verlangte, einen leichten Rückgang über diesen Zeitraum zeigten (M. Potter & Jones, 2006). In einer nachfolgenden Arbeit konnten die Autoren (G. G. Potter et al., 2008) bei über 1000 Probanden einen klaren Zusammen- hang zwischen dem Grad der intellektuellen Arbeitsanforderungen und kogniti- ver Leistung zeigen. Darüber hinaus zeigte sich, dass Personen mit geringeren

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intellektuellen Fähigkeiten im frühen Erwachsenenleben besonders stark von in- tellektuell anspruchsvoller Arbeit profitierten (Andel et al., 2007). Diese Autoren konnten auch zeigen, dass hohe Komplexität der Arbeit im mittleren Alter auch im hohen Alter offenbar noch einen kognitiven Vorsprung gab. Eine Gruppe aus Toulouse um Marquié konnte bei über 2000 Beschäftigten einen starken linearen Zusammenhang zwischen der kognitiven Stimulierung durch die Arbeit und vier unterschiedlichen kognitiven Funktionen (unmittelbare Wiedergabe, Wiedererkennung, selektive Aufmerksamkeit und Verarbeitungsgeschwindigkeit) feststellen (Marquié, 2009).

Eine simple und effektive Methode zur Anreicherung ansonsten monotoner Tätigkeit ist die Rotation zwischen Arbeitssituationen und -plätzen. Frieling und andere (2008) konnten zeigen, dass zum einen Rotation die Arbeitsfähigkeit (gemessen mit dem WAI) und die Problembewältigungskompetenz fördert und Resignation vermindert, andererseits Ältere weniger rotieren. Leistungsgemin- derte Beschäftigte werden zudem an weniger Arbeitsplätzen eingesetzt, was sie noch schlechter macht, wodurch ein Teufelskreis aufgebaut wird. Erschwerend hinzu kommen Anklammerungstendenzen Älterer an „ihren“ Arbeitsplatz. Hier ist dringend ein Umdenken bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern erforderlich.

In einer Studie von Stegmaier und Mitarbeitern (2006) wurden die subjektiven Angaben von älteren Beschäftigten zur Auswirkung von Arbeitsmerkmalen auf ihre Innovations- und Anpassungsfähigkeit untersucht . Die Auswertung ergab, dass vor allem Autonomie bei der Arbeit und das Feedback von Vorgesetzten mit der Innovationsfähigkeit positiv zusammenhängen. Auch für die Bewältigung

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unsicherer Arbeitssituationen und für das Lernen neuer Technologien und Ver- fahren bestand ein positiver Zusammenhang zwischen Autonomie bzw. Feed- back des Vorgesetzten.

In zwei Felduntersuchungen zeigten Bergmann und Mitarbeiter (2006), dass es keinen Zusammenhang zwischen Innovationstätigkeit und Alter gibt. Nachge- wiesen wurde hingegen ein Zusammenhang zwischen Innovationstätigkeit und Lerninhalten der Arbeitsaufgabe. Beschäftigte, die Arbeitsaufgaben mit höheren Lernanforderungen verrichteten, sind etwa 3 Mal häufiger Innovatoren. Aller- dings haben – unabhängig von Alter – die untersuchten kleinen und mittleren Unternehmen ihre Mitarbeiter kaum zu Innovationen angeregt.

Nachtarbeit und Schichtarbeit scheinen einen ungünstigen Effekt auf die kognitive Leistungsfähigkeit zu haben. Die Gruppe um Marquié konnte kürz- lich zeigen, dass physische Aktivität und Arbeit vor 6 Uhr früh und nach 22 Uhr abends sich abträglich auf die kognitive Leistungsfähigkeit am nächsten Tag aus- wirkte (Ansiau et al., 2007). Dieselbe Gruppe konnte an über 3000 Beschäftigten zeigen, dass männliche Schichtarbeiter eine niedrigere kognitive Leistung hatten als Niemals-Schichtarbeiter (Rouch et al., 2005). Zudem bestand eine klare Dosis-Effekt-Relation: Bei den Schichtarbeitern war die Gedächtnisleistung mit zunehmender Dauer der Schichtarbeit schlechter. Vier Jahre nach dem Ausset- zen der Schichtarbeit war die Gedächtnisleistung wieder deutlich höher. Hieraus kann zweifelsfrei abgeleitet werden, dass Schichtarbeit die kognitive Leistung beeinträchtigt.

Weiterhin kann angenommen werden, dass die Kombination von kognitiv we- nig fördernder Arbeit und Schichtarbeit besonders starke Beeinträchtigungen mit sich bringen sollte. Genau dies konnte in der Untersuchung bei Schichtarbeitern mit hoch-repetitiver Tätigkeit im Rahmen des Projekts PFIFF bestätigt werden (siehe Beitrag von Gajewski in dieser Broschüre).

Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich komplexe Arbeitsbedingungen, die das Lernen unterstützen und Problemlösefertigkeiten abverlangen, positiv auf die intellektuellen Funktionen älterer Menschen auswirken. Umgekehrt können Defizite entstehen, wenn kognitive Funktionen durch die Tätigkeit in einem bestimmten Arbeitsfeld wenig oder nicht beansprucht und gefördert werden und monotone Tätigkeiten im Berufsleben dominieren.

Lebensstilfaktoren

Die Literaturstudie ergab konsistent vier Lebensstilfaktoren, die sich modu- lierend auf kognitive Funktionen auswirken: Stress, körperlich-sportliche Betäti- gung, Ernährung, und geistige Betätigung. Auf den Faktor Stress wird im Beitrag von Zülch und Stahn näher eingegangen.

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Körperlich-sportliche Aktivität und geistige Leistungsfähigkeit

Generell besteht ein breiter Konsens darüber, dass körperliches Training das Wohlbefinden, die Gesundheit und Lebensqualität auch im mittleren und hö- heren Alter steigert (Eyigor et al., 2007). Durch Sport können wir aber nicht nur unseren Körper, sondern auch unseren Geist beeinflussen! In der wissenschaft- lichen Literatur liegen heute bereits viele Untersuchungen über die positiven Aspekte von sportlicher Betätigung

auf die Lebensqualität, –

das emotionale Wohlbefinden (Mechling, 2005), –

die geistige Leistungsfähigkeit und sogar –

auf die Minderung des Risikos degenerativer und demenzieller Erkran- –

kungen wie z. B. der Alzheimer Demenz (Oswald, 2004) vor.

Bisher gibt es, bis auf wenige Ausnahmen (Etnier et al., 2006), relativ viele wissenschaftliche Artikel, die einen positiven Zusammenhang zwischen körper- lich-sportlichen Aktivitäten und der geistigen Leistungsfähigkeit insbesondere im Alter zeigen (N. Cassavaugh et al., 2004; S.J. Colcombe & Kramer, 2003; Kramer et al., 2005; Kramer et al., 2006; McAuley et al., 2004; Mechling, 2005; Oswald, 2004).

Wissenschaftliche Untersuchungen

In vielen wissenschaftlichen Untersuchungen wurden die Teilnehmer nach dem vergangenen oder derzeitigen Ausmaß ihrer körperlich-sportlichen Betä- tigung befragt. Zusätzlich wurden Labortests zur geistigen Leistungsfähigkeit durchgeführt. In den meisten Untersuchungen zeigte sich ein positiver Zusam- menhang zwischen körperlich-sportlicher Betätigung und der geistigen Leis- tungsfähigkeit insbesondere bei älteren Teilnehmern (DiPietro, 2001; Lundberg et al., 1994). Dieser Zusammenhang ist besonders stark, wenn man die Ausdau- erleistung betrachtet. Van Boxtel und Kollegen (1997) untersuchten jüngere und ältere Personen mit verschiedenen Tests zur geistigen Leistungsfähigkeit und zur körperlichen Ausdauerleistung. Ältere Personen mit einer höheren Ausdauer- leistung waren besser in den Tests zur geistigen Leistungsfähigkeit als Ältere mit schlechterer Fitness.

Auch beim Projekt PFIFF wurden die Teilnehmer nach ihrer körperlichen Akti- vität gefragt. Schon bei einem simplen kognitiven Leistungstest, bei dem auf be- stimmte Reize eine Taste gedrückt werden sollten und bei anderen Reizen nicht (Go/NoGo-Aufgabe) machten ältere Arbeitnehmer mit einer körperlich aktiveren Alltagsgestaltung weniger Fehler. Sie ließen weniger Zielreize („Targets“) aus als ältere Arbeitnehmer mit einer weniger aktiven Alltagsgestaltung.

Es ist allerdings problematisch, wenn man bei Personen nur zu einem Zeit-

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punkt die sportliche Fitness und geistige Leistungsfähigkeit untersucht. Hier könnte der Einwand kommen, dass die sportlichen Personen nicht durch den Sport geistig fit geblieben sind, sondern dass geistig fitte Personen eher Sport treiben und die geistig weniger fitten seltener Sport treiben. Daher ist es besser, sich die Effekte von Fitness und geistiger Leistungsfähigkeit über einen länge- ren Zeitraum anzusehen (sog. Längsschnittstudie). So befragte der Neurologe Larson und seine Kollegen (2006) 65-jährige und ältere Untersuchungsteilneh- mer über einen Zeitraum von 6 Jahren zu ihrer sportlichen Freizeitgestaltung.

In diesem Zeitraum fanden sie positive Zusammenhänge zwischen einer kör- perlich aktiven Freizeitgestaltung und einem reduzierten Risiko für demenzielle Erkrankungen. In einer anderen Untersuchung wurden ehemalige Studenten der Harvard-Universität über einen langen Zeitraum von 26 Jahren im Alter

zwischen 38 bis 72 Jahren untersucht (Lee et al., 2004). Sie wurden u. a. zu ihrer körperlichen Aktivität im Alltag befragt. Die Personen, die sich im Alltag mehr bewegten, zeigten eine geringere Sterbewahrscheinlichkeit im hohen Alter: Die älteren Personen, die körperlich weniger aktiv waren, hatten ein erhöhtes Risiko, in dem Untersuchungszeitraum zu sterben.

Noch bessere Aussagen können Untersuchungen liefern, die sich den Effekt von sportlichem Training auf die geistige Leistungsfähigkeit in einer Trainings- gruppe verglichen mit einer Kontrollgruppe (kein oder ein anderes Training) ansehen. So verglichen der Psychologe Kramer und seine Kollegen (1999) ältere Erwachsene, die entweder einer Ausdauer-Trainingsgruppe zugeordnet wurden oder einer Gymnastik- & Kräftigungsgruppe. Die erste Gruppe zeigte verglichen mit der zweiten nach dem Training verbesserte Leistungen nicht nur in der Aus- dauer, sondern auch in Tests, die bestimmte Gehirnfunktionen messen. Förder-

Abb. 1: Zweifach-Wahlre- aktionsaufgabe - ältere Arbeitnehmer

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liche Effekte von Ausdauertraining auf die geistige Leistungsfähigkeit wurden in vielen weiteren Studien gefunden, welche Ausdauertrainingsgruppen mit Kont- rollgruppen verglichen. Eine berühmte Arbeit aus der Kramer-Gruppe fasste 18 gut kontrollierte Studien zur Wirkung körperlichen Trainings auf verschiedene kognitive Funtionen zusammen (2003). Ausdauertraining zeigte einen robusten positiven Effekt auf die kognitive Leistung, besonders auf bestimmte fluide Funk- tionen, die sog. exekutiven Kontrollfunktionen. Dies sind jene eingangs schon erwähnten Hirnfunktionen, die im Alter tendenziell nachlassen, und die vielen sehr komplexen kognitiven Leistungen zugrunde liegen wie z. B. der Unterdrü- ckung von ablenkender Information.

Mechanismen des Zusammenhangs

Welche Mechanismen sind nun für die positive Wirkung von Bewegung und körperlicher Aktivität auf die geistige Leistungsfähigkeit verantwortlich? Dazu sind Studien besonders aufschlussreich, die Veränderungen am Gehirn direkt untersuchen. Beim Menschen ist das natürlich nicht möglich. Allerdings kann man z. B. mit der Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) die Gehirnaktivität und -struktur messen. Hier zeigte sich bei einigen Untersuchungen ein Effekt von körperlicher Bewegung auf Veränderungen in der Hirnstruktur (S. J. Colcombe et al., 2003) oder in der Hirndurchblutung (S. J. Colcombe et al., 2004).

In letzter Zeit wird besonders der Einfluss von Neurotrophinen, vor allem dem sog. „brain derived neurotrophic factor“ (BDNF) diskutiert. Neurotrophine (Ei- weiße) werden von unserem Gehirn produziert, wirken als Wachstumsfaktoren im Nervensystem und beeinflussen die Signalweitergabe und die Bildung von neuen Kontakten zwischen den Nervenzellen (Lessmann et al., 2003). Das Neu- rotrophin BDNF ist nicht nur bei der frühen Gehirnentwicklung und Reifung in den ersten Lebensjahren und in der Kindheit wichtig. Es wirkt über den gesam- ten Entwicklungs- und Alternsprozess des Gehirns. BDNF ist besonders wichtig für Lernen und Gedächtnisbildung; die Produktion von BDNF wird im Gehirn durch körperliche Bewegung angeregt (Kramer et al., 2006).

Geistige Aktivität und kognitive Leistungsfähigkeit

Je nach Ausbildung und täglichem Umgang mit kognitiven Ressourcen (‚Use it or lose it‘) können kognitive, insbesondere fluide, Funktionen bei Älteren gegen- über Jüngeren defizitär sein, oder aber auf gleichem Niveau. Wie bereits darge- legt fördert geistige Herausforderung im Beruf die kognitive Leistungsfähigkeit.

Das gleiche gilt für den Alltag: Wer anspruchsvolle Hobbies pflegt, wie Gesell- schaftsspiele und Tanzen, ist im Alter geistig fitter und entwickelt seltener eine Demenz (z. B. Hultsch et al., 1999) (Verghese et al. 2003).

Die Frage ist, ob auch das Training einzelner oder mehrerer kognitiver Funk- tionen durch ein formales Traning verbessert werden können, wie es z. B. beim

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Sport durch aerobes oder gezieltes Muskeltraining möglich ist, seine körperliche Fitness insgesamt zu verbessern. Vor allem in den USA werden seit etlichen Jahren erhebliche Anstrengungen zur Erforschung der Wirkung von kognitiven Trainings auf kognitive Funktionen sowie Berufs- und Alltagsfähigkeiten aufge- wandt (z. B. National Institute on Aging: Symposium on Cognitive Training for Older Adults im Frühjahr 2004). Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass auch im Alter kognitive, und insbesondere fluide, Funktionen (wie Aufgabenwechsel, Doppeltätigkeit) gezielt trainiert und damit verbessert werden können. Ältere lernen z. B. selbst komplexe Funktionen wie Doppeltätigkeit zu verbessern, und

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ihre Leistung nähert sich durch das Training der von Jüngeren an (z. B. Bherer et al., 2005). In unserem Labor konnten wir kürzlich zeigen, dass die Leistung in einer fahrähnlichen Doppelaufgabe (Fahren bei Seitenwind und eine zusätzliche Aufmerksamkeitsaufgabe) durch Training bei Älteren bereits im Verlauf einer Stunde erheblich verbessert werden konnte (Hahn, 2009). Auch hier nähert sich die Leistung Älterer der Jüngerer allmählich an, während die Jüngeren eher auf einem guten Niveau verharren und sich nur geringfügig verbessern.

Trainings-Studien mit großen Probandenzahlen und längerem Training zeigen, dass sich die jeweils trainierte Funktion stark verbessert, die Übertragung des Effekts auf andere, untrainierte Funktionen („Fern-Transfer“) aber eher gering ist (z. B. Projekt ACTIVE; (Ball et al., 2002). „Nah-Transfer“, d. h. die Übertragung des Effekts auf ähnliche Aufgaben, ist offenbar gegeben. Die Leistungsverbesse- rung bleibt also meist auf die trainierte Funktion beschränkt, jedoch nicht nur auf die trainierte Aufgabe (z. B. (Willis & Schaie, 1986). Dies impliziert, dass man zur breiten Förderung kognitiver Kompetenz im Alter nicht nur einzelne Funktionen, wie logisches Denken oder Aufgabenwechsel, sondern möglichst viele Grund- funktionen trainieren sollte (Oswald, 2004; Willis & Schaie, 1986).

In der Tat konnte eine große Studie in Deutschland (SIMA) zeigen, dass ein kombiniertes Training verschiedener kognitiver und psychomotorischer Funktio- nen bei Älteren eine deutliche positive Wirkung auf die kognitive Leistung hatte und die Entwicklung einer Demenz markant verzögerte (Oswald, 2004; Willis &

Schaie, 1986). Kombinationen von Maßnahmen bzw. vielschichtige Trainingspro- gramme sind anscheinend effektiver als das Training einzelner Funktionen.

Nah-Transfer bedeutet aber noch nicht zwingend, dass die im Labor gelernten Leistungen sich auf den Alltag auswirken. Willis & Schaie konnten jedoch aus der Kenntnis des kognitiven Leistungsstands recht gut die Leistungen in alltags- nahen Aufgaben vorhersagen. Zudem haben einige gut kontrollierte Laborstu- dien gezeigt, dass im Labor trainierte kognitive Funktionen Verbesserungen in Alltags- und beruflichen Leistungen bewirken. Beispielsweise konnten (junge) Piloten durch Training eines PC-Spiels ihre Flugleistungen erheblich verbessern (Gopher, 1994). Aber auch Ältere konnten profitieren: So konnten ältere Tennis- spieler durch perzeptuell-kognitives Training (verglichen mit unspezifischem Training) ihre Leistungen im Tennis deutlich verbessern (Caserta et al., 2007), und ältere Autofahrer konnten durch Training einzelner Aufmerksamkeits- und Kontrollfunktionen im Labor ihre Fahrleistung im Fahrsimulator verbessern (N.

Cassavaugh & Kramer, 2009).

Dies bedeutet, dass die Übung einer Funktion (wie des Kurzzeitgedächtnisses) diese vermutlich auch in anderen Kontexten und vor allem im Alltag verbessert.

Wichtig scheint hier eine Annäherung an die Alltagssituation. Beim Training des Kurzzeitgedächtnisses sollte also möglichst ein alltagsnahes und -relevantes Training verfolgt werden, z. B. das Merken von Gesichter-Namen-Verknüpfungen, welches für den Alltag besonders hohe Relevanz hat. Formale Trainings sollten

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also auch möglichst realitätsnahe Elemente enthalten. Dies ist z. B. beim sog.

Mentalen AktivierungsTraining MAT (Lehrl, 1994 ) der Fall, welches verschiedene fluide kognitive Funktionen trainiert.

Relativ unklar ist, wie lange die Wirkung eines kognitiven Trainings anhält bzw.

wie oft und wie lange trainiert werden muss, um die Wirkung aufrecht zu erhal- ten. Hierzu gibt es wenig Forschung. Aus der oben erwähnten ACTIVE-Studie ergab sich, dass ein Auffrischtraining (booster) die Leistungen erheblich verbes- serte.

Wie ebenfalls bereits erwähnt, verbessert kognitiv stimulierende Aktivität, z. B.

komplexe Freizeitbeschäftigung wie Musizieren, die kognitive Kompetenz. Da- raus lässt sich schließen, dass ständiges oder jedenfalls regelmäßiges Training notwendig ist. Beim MAT wird tägliches aber kurzes Training empfohlen.

Geistige Aktivität oder kognitives Training führt nachweislich zu strukturellen und funktionellen Veränderungen im Gehirn, wie an zwei Beispielen gezeigt werden soll: Jonglieren, eine komplexe visumotorische Fertigkeit, führt zum Zell- wachstum im visuellen Kortex und im Hippocampus, der bekanntlich eine Rolle für das Kurzzeitgedächtnis spielt (Boyke et al., 2008). Eine Laborstudie aus dem renommierten Karolinska-Institut, bei der das räumliche Kurzzeitgedächtnis trai- niert wurde, zeigte verstärkte Aktivierung frontaler und parietaler Regionen nach dem Training, die beide eine wichtige Rolle für fluide Funktionen spielen (Olesen et al., 2004).

Es gibt verschiedene kognitive Trainings in Papier-und-Bleistift-Form (z. B.

Sudoku oder das bereits erwähnte MAT) wie auch als PC-basierte oder internet- basierte Programme. Erstere haben den Vorteil der optimalen und allgegenwär- tigen Verfügbarkeit, letztere den Vorteil der automatischen Rückmeldung und der flexiblen Adaptation an die aktuelle individuelle Leistung. Solche Programme müssen sorgfältig selektiert und an die Bedürfnisse und Problembereiche Älterer angepasst werden.

Sinnvoll erscheint schließlich auch die Entwicklung spezifischer kognitiver Trainingsprogramme für ausgewählte Berufe, welches sich an den spezifischen beruflichen Anforderungen und Strukturen orientieren. Ein solches Training wür- de gezielt die Beschäftigungsfähigkeit (vor allem älterer) Mitarbeiter fördern.

Ernährung und kognitive Leistungsfähigkeit

Verschiedene Nahrungsmittel und die in ihnen enthaltenen Wirkstoffe haben offenbar einen starken Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit und mögli- cherweise auch auf die Entwicklung von Demenzen, z. B. der Alzheimerschen Demenz.

Dies sind vor allem bestimmte Fette, Früchte und Gemüse. Die im Wesent- lichen für die kognitionsfördernde und Wirkung verantwortlichen Stoffe sind Omega-3-Fettsäuren, Antioxidantien und Vitamine.

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Fette oder besser Fettsäuren spielen eine wesentliche Rolle für die kognitive Effizienz im Alter. Fettsäuren sind meist langkettige Moleküle mit vielen Kohlen- stoff-Atomen. Eine gesättigte Fettsäure ist eine Fettsäure, die keine Doppelbin- dungen aufweist. Einfach ungesättigte Fettsäuren (MUFA) besitzen eine Doppel- bindung und mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA) haben zwei oder mehrere Doppelbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen der Kette. Omega-3- oder n-3-Fettsäuren haben ihre erste Doppelbindung auf dem drittletzten Kohlenstoff- atom der Kette. Gesättigte Fettsäuren stecken in Fleisch, Molkereiprodukten und Backwaren, MUFA vor allem in Oliven- und Rapsöl und Omega-3-PUFA in Fisch.

Warum ist Fett – und zwar das richtige Fett – so wichtig für das Denken? Von allen Organen des menschlichen Körpers hat das zentrale Nervensystem – und damit das Gehirn – den größten Fettanteil. Das Gehirn, die Netzhaut und andere neuronale Gewebe haben dabei einen besonders hohen Gehalt an PUFA. PUFA sind primärer Bestandteil neuronaler Membranen. Zudem beeinflussen sie Entzündungsprozesse im zentralen Nervensystem: Während Omega-6-PUFA eher entzündungsfördernd wirken, sind Omega-3-PUFA entzündungshemmend.

Quelle von Omega-6-PUFA sind pflanzliche Öle, die wichtigste Quelle von Omega-3-PUFA ist fetter Fisch.

Der Verzehr von Fisch scheint das Risiko eines kognitiven Abbaus im Alter zu verringern. Mehrere Verlaufs-Studien konnten einen Zusammenhang zwischen Fischkonsum und kognitivem Status sowie der Entwicklung von Demenzen bei Älteren nahe legen. In einer vielzitierten Studie, die in den Archives of Neurology publiziert wurde, beobachteten Wissenschaftler des Rush Instituts für gesundes Altern in Chicago über 800 Ältere (65- bis 94-Jährige) über einen Zeitraum von vier Jahren (Morris et al., 2003). Teilnehmer, die wenigstens ein Mal pro Wo- che Fisch aßen, hatten ein 60% geringeres Risiko, eine Demenz zu entwickeln als Fischverächter. Diese Relation blieb auch bestehen, wenn der Einfluss des Verzehrs anderer Fette, von Vitamin E sowie der kardiovaskuläre Zustand in Betracht gezogen wurde. In einer umfangreichen Nachfolgestudie der Autoren mit mehr als 3000 über 65-Jährigen wurde der Verlauf der kognitiven Leistung im Alter über einen Zeitraum von sechs Jahren verfolgt. Es zeigte sich, dass der geistige Abbau bei Studienteilnehmern, die ein- oder mehrmals pro Woche Fisch aßen, deutlich geringer war als bei Teilnehmern, die keinen Fisch aßen.

Verglichen mit Personen, die seltener als einmal pro Woche Fisch aßen, war der geistige Abbau bei Personen, die einmal pro Woche Fisch aßen 10% langsamer, und bei denjenigen, die zweimal pro Woche Fisch aßen 13% langsamer (Morris et al., 2005).

Insgesamt gibt es eine überwältigende Evidenz für positive Effekte von Omega- 3-Fettsäuren auf die geistige Leistungsfähigkeit und die Prävention von Demenz.

Omega-3-Fettsäuren finden sich nicht nur in Fisch oder Meeresfrüchten, sondern auch in pflanzlichen Ölen, wie Rapsöl, Leinsamenöl und Nussöl (v. a. in Wal- nüssen), sowie in Fleisch und Eiern (Meyer et al., 2003). Daher erscheint es zur Erhaltung der geistigen Leistungsfähigkeit wichtig, nicht nur den den Fischkon- sum zu erhöhen, sondern den Verzehr von jedweder Nahrung mit hohem Gehalt

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an Omega-3-Fettsäuren.

Fleisch von Tieren aus Stallhaltung enthält allerdings nur wenig Omega-3- Fettsäuren. Im EU-Projekt „Healthy Beef“, an dem Forscher aus England, Ir- land, Frankreich, Belgien und Deutschland beteiligt waren, wurde gezeigt, dass Rinder, die während der Sommerperiode auf der Weide grasten, im Mittel eine dreifach höhere Anreicherung von Omega-3-Fettsäuren gegenüber Rindern aus der Stallzucht aufwiesen. Diese Daten sprechen also klar dafür, zum Erhalt der kognitiven Leistungsfähigkeit Fleisch, wenn man es denn isst, aus Weidehaltung zu bevorzugen.

Während Fisch Omega-3-Fettsäuren enthält, die wichtige Bausteine für Nerven- zellen sind, entfalten Gemüse und Früchte ihre Wirkung v.a. wegen ihrer antioxi- dativen Eigenschaften. Antioxidantien verhindern die Oxidation (das „Rosten“) empfindlicher Moleküle durch sog. freie Radikale, die natürlicherweise beim Zellstoffwechsel entstehen, also bei der Gewinnung von Energie aus Nahrung und Sauerstoff (Grune 2005). Die Antioxidantien fungieren als Radikalenfänger und schützen die empfindlichen Moleküle. Unzureichendes Abfangen freier Ra- dikale über eine längere Zeit oder Überproduktion von Radikalen können zu ihrer Anhäufung führen, was als „oxidativer Stress“ bezeichnet wird. Oxidativer Stress wird als eine Hauptursache des Alterungsprozesses angesehen (Grune, 2005).

Das Gehirn ist besonders anfällig für Oxidationen, v. a. wegen seines hohen Sauerstoffumsatzes und seiner empfindlichen Zellmembranen mit den darauf befindlichen Strukturen, z. B. Rezeptoren. Auch Proteine und die DNS, der Träger der Zellinformation, reagieren empfindlich auf oxidativen Stress. Die Oxidation zentraler Moleküle (Proteine, DNS, Lipide) kann direkt zu Fehlfunktionen führen.

Die Oxidation eines Enzyms kann zu seinem Funktionsverlust führen, und die Oxidation von Membranlipiden zum Aufbrechen der Zellmembran und damit zum Zelltod.

Bei milder geistiger Beeinträchtigung im Alter sind, ähnlich wie bei der Alzhei- mer-Demenz, Antioxidantien im Blut verringert. Daher scheint der Verzehr von Antioxidantien wichtig, um dem Übergang in eine volle Demenz vorzubeugen (Rinaldi et al., 2003).

In einer sehr umfangreichen Studie der Harvard School of Public Health wurden der Einfluss des Verzehrs von Gemüse und Früchten auf die kognitive Leistungsfähigkeit und ihre Veränderung mit dem Alter untersucht und in der renommierten Zeitschrift Annals of Neurology publiziert (Kang et al., 2005).

Mehr als 13000 ältere Frauen (70 plus) wurden über einige Jahre hinsichtlich ih- rer Essverhaltens beobachtet und hinsichtlich ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit beurteilt. Hierbei wurde die kognitive Leistungsfähigkeit zwischen denjenigen Personen verglichen, die besonders viel und besonders wenig Obst und Gemü- se verzehrten. Bei der Aufteilung in die Nahrungsmittel-Untergruppen zeigte sich eine bessere Leistungsfähigkeit insbesondere für das Kurzzeit-Gedächtnis bei Personen mit starkem Verzehr von Kohl und anderen Kreuzblütlern sowie Blattgemüse. Zudem zeigte sich ein geringerer Abfall der kognitiven Leistungs-

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fähigkeit über die zwei Beobachtungsjahre bei Vielessern im Vergleich zu We- nigessern von Gemüse. Überdies gab es einen linearen Zusammenhang: Je mehr Gemüse gegessen wurde, desto geringer war die Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit. Auch hier war der Effekt im Wesentlichen nur bei den Ge- dächtnisaufgaben zu sehen, und bei grünem Gemüse, Kohl und Hülsenfrüchten.

Insgesamt ist es klar, dass der Verzehr von Gemüse und Obst über verschie- dene Mechanismen, insbesondere antioxidative Eigenschaften, die kognitive Leistungsfähigkeit im Alter fördert. Gemüse und Obst sollten in großen Mengen verzehrt werden. Eine ideale Quelle für Antioxidantien, die immer verfügbar ist, ist Trockenobst.

Kaffee ist reich an Polyphenolen und hat daher einen Effekt auf die kognitive Leistung (z. B. van Duinen et al., 2005). Eine neuere, groß angelegte Studie des Nationalen Instituts für Öffentliche Gesundheit der Niederlande in Bilthoven (FINE) mit über 600 älteren Männern hat ebenfalls gezeigt, dass der Konsum von Kaffee (optimalerweise 3 Tassen/Tag) den kognitiven Abbau deutlich verrin- gert (van Gelder et al., 2007). Ähnlich günstige Wirkung auf kognitive Leistungen scheint grüner Tee zu haben. Der Konsum von wenigstens einer Tasse Grüntee pro Tag ging mit erhöhten Leistungen in einem bekannten kognitiven Test, dem MMST, einher (Kuriyama et al., 2006).

Darüber hinaus wurde in verschiedenen Studien gezeigt, dass leichter Alko- holkonsum insgesamt einen günstigen Effekt auf die geistige Fitness und deren Rückgang im Alter zu haben scheint. Eine große Studie zur Alkoholwirkung, die English Longitudinal Study of Ageing (ELSA), wurde mit über 6000 über 50-Jäh- rigen durchgeführt, wobei die kognitive Leistungsfähigkeit durch drei einfache Tests zum Kurzzeitgedächtnis, Rechnen und zeitlicher Orientierung erfasst wur- de.(Lang et al., 2007). Teilnehmer, die Alkohol (in mäßigen Dosen) konsumier- ten, hatten insgesamt bessere kognitive Leistungen als Abstinenzler. Alkohol wirkt offenbar in mäßiger Dosierung schützend auf das kardiovaskuläre System;

daher wird von einigen Wissenschaftlern angenommen, dass die kognitive Schutzwirkung über das Gefäßsystem des zentralen Nervensystems vermittelt wird. Eine andere Vermutung ist, dass Alkohol in Maßen über seine Förderung der sozialen Interaktion wirkt.

Insgesamt scheinen Alkohol und Antioxidantien additiv zu wirken, sodass der Genuss von Rotwein (er enthält das sehr potente Antioxidans Resveratrol) optimal zur Erhaltung der kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter erscheint. Sehr wichtig ist hierbei die Menge: max. 1-2 Gläser Rotwein pro Tag reichen; stärkeres Trinken kann (abgesehen von den bekannten Wirkungen auf die Leber) auch zum Abbau wichtiger Hirnstrukturen, wie dem Kleinhirn, führen (Piguet et al., 2006).

Die Literatur zeigt konsistent eine günstige Wirkung bestimmter Nahrungs- mittel auf die kognitive Leistungsfähigkeit sowie auf die verzögerte Entwicklung einer Demenz. Diese Nahrungsmittel sollten verstärkt verzehrt werden, wobei

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auf eine ausreichende Menge zu achten ist (i. W. 5 Portionen Obst, Gemüse und Nüsse pro Tag, 2 Portionen Fisch pro Woche, Kaffee und Grüntee, etwas Rot- wein).

Fazit

Insgesamt ergibt sich überzeugende Evidenz für die positive Wirkung ver- schiedener Einflussfaktoren auf die kognitive Kompetenz im allgemeinen und die geistige Fitness Älterer im besonderen. Die Faktoren sind geistig anregender Lebensstil und geistig anspruchsvolle Arbeit, sowie körperliches und geistiges Training. Idealerweise sollte die tägliche Arbeit geistig und körperlich anregen und trainieren. Wenn dies nicht realisierbar ist, sollte ein individuelles körperli- ches und kognitives Training in der Freizeit erfolgen. Ergänzend sollte der ange- messene Umgang mit Stressoren gelernt und im Alltag umgesetzt werden.

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Dr. rer. nat. Patrick D. Gajewski studierte Psychologie an der Heinrich-Heine-Uni- versität Düsseldorf mit dem Schwerpunkt biologische Psychologie. Von 2001 bis 2007 war er beschäftigt als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsphysiologie (heute: Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU-Dortmund; IfADo) im Rah- men eines DFG-Schwerpunktprogramms „Exekutive Funktionen“, in dem funktionale Mechanismen von höheren kognitiven Funktionen bei Menschen erforscht wurden.

Gleichzeitig war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Experimentelle Bio- logische Psychologie an der HHU Düsseldorf bei Prof. Petra Stoerig. Dort arbeitete er mit Hilfe elektrophysiologischer Verfahren an der Erforschung von Handlungskontrol- le und Gesichterverarbeitung. Im Jahre 2005 promovierte er zum Thema „Enkodie- rungsprozesse beim Aufgabenwechsel“ an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der HHU in Düsseldorf. Ab 2005 kooperierte er mit der Arbeitsgruppe von Prof. M. Falkenstein zum Thema „Elektrophysiologische Korrelate von Aufgaben- wechseln“. Seit Oktober 2007 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe „Altern und ZNS-Veränderungen“ im Bereich der alters- und trainings- bedingten Veränderungen von kognitiven Kontrollfunktionen.

Dr. Patrick Gajewski

Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund gajewski@ifado.de

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Patrick Gajewski, Michael Falkenstein

Fluide kognitive Funktionen bei Beschäftigten in der Automobilindustrie

Zusammenfassung

Die psychophysiologische Untersuchung bei der Adam Opel GmbH verfolgte die Frage, inwieweit sich ältere von jüngeren Arbeitnehmern hinsichtlich ihrer kognitiven Basis- und Kontrollfunktionen unterscheiden und wie diese Funktio- nen durch langfristige Arbeitsplatzanforderungen beeinflusst werden. Eine PC- gestützte Testbatterie ermöglichte die Erfassung von kognitiven Funktionen wie Flexibilität, Arbeitsgedächtniskapazität, Daueraufmerksamkeit sowie Hemmung von habituellen Reaktionen. Die Ergebnisse zeigen, dass Ältere keine Defizite beim schnellen Wechsel zwischen Aufgaben haben, was auf eine weitgehend gut erhaltene kognitive Flexibilität hinweist. Allerdings weisen ältere Beschäf- tige Arbeitsgedächtnis- und Daueraufmerksamkeitseinbußen auf. Die älteren Beschäftigten aus dem Qualitätssicherungssektor erbrachten deutlich bessere Leistungen als die älteren Arbeitnehmer aus dem Bereich der Fließbandmonta- ge, trotz eines gleichen Bildungsniveaus und sogar geringfügig höheren Alters.

Diese Unterschiede waren auch in hirnphysiologischen Maßen erkennbar. Bei den jüngeren Beschäftigten zeigt sich dagegen kein wesentlicher Unterschied für die Arbeitstypen.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass altersbedingte Beeinträchtigungen der Kontrollfunktionen durch stereotype Arbeit verstärkt werden könnten, während ältere Beschäftigte mit flexiblen Arbeitsanforderungen anscheinend über gute Kompensationsfähigkeiten verfügen.

Veränderung kognitiver Funktionen im Alter

Kognitive Funktionen kann man in sogenannte kristalline und fluide Funktio- nen unterteilen. Alles Verhalten wird über diese Funktionen realisiert. Kristalline Funktionen sind z. B. Erfahrungswissen und Urteilsvermögen, also eher stabiles gespeichertes Wissen (Repräsentation) und der Umgang damit. Erfahrungswis- sen und Urteilsvermögen sind bei Älteren sehr gut ausgeprägt und in der Regel wachsen sie auch noch mit dem Lebensalter. Fluide oder Kontroll-Funktionen sind zum Beispiel der Wechsel von Aufmerksamkeit und Aufgaben, schnelle Informationsverarbeitung und Reaktion, die gleichzeitige Ausführung von zwei oder mehr Tätigkeiten, die Unterdrückung ablenkender irrelevanter Information, das ständige Auffrischen des Arbeitsgedächtnisses und die Planung von Hand- lungssequenzen. Bei diesen Funktionen zeigen sich im Alter gewisse Einbußen, wie in Abbildung 2 illustriert.

Die beiden feinen grünen Linien in der Abbildung 1 geben die Bandbreite an,

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mit der sich diese Abnahme vollziehen kann. Es gibt Ältere, die keine Defizite zeigen. Das heißt, dass es keine schicksalhafte Abnahme im Bereich dieser Funktionen gibt. Wenn man nun Labortests hierzu durchführt, dann sieht man, dass fluide Funktionen bei Älteren manchmal beeinträchtigt sind. Es ist jedoch gar nicht so leicht, Versuche zu entwickeln, in denen diese Beeinträchtigungen in nennenswerter Stärke zum Tragen kommen. Nennenswerte Unterschiede sind eine Verlangsamung der Reaktionszeit um mehr als 60 Millisekunden oder eine um wenige Prozentpunkte erhöhte Fehlerrate. Dennoch gibt es Bereiche, in de- nen Ältere ganz klare Defizite aufweisen. Diese Defizite hängen außerdem vom Bildungs- und Trainingsgrad ab.

Die untersuchten Funktionen sind wichtig für den Beruf und den Alltag und können sich aufgrund von ungünstigen Lebensumständen (falsche Ernährung, Bewegungsmangel oder ungünstige Arbeitssituation) defizitär entwickeln.

Alle kognitiven Funktionen werden in den neuronalen Netzwerken durch den Austausch elektrischer Signale realisiert. Mit Hilfe des Elektroenzephalogramms lassen sich die dabei entstehenden Spannungsschwankungen auf der Kopfober- fläche messen. So können die einzelnen Schritte der Informationsverarbeitung untersucht werden.

Was wird mit dem EEG (Elektroenzephalogramm) gemessen?

Durch die Aufzeichnung der Hirnströme kann man einzelne kognitive Prozes- se objektiv messen und quantifizieren. Hierdurch können Ursachen von Verhal- tensdefiziten geklärt sowie latente Veränderungen bei Älteren detektiert werden.

Die wichtigsten kognitiven Funktionen, die wir untersuchen, sind Aufmerksam- keit, Arbeitsgedächtnis, Reaktionsauswahl, -vorbereitung, -aktivierung oder -hemmung. Außerdem lässt sich mit der Methode die Verarbeitung von Feh- lern, die Rückmeldung über das eigene Verhalten oder das Ausmaß an Konflikt

Abb. 2: Veränderung von kristallinen und fluiden kogni- tiven Funktionen als Funktion

des Alters

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