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Archiv "Die Lehrkrankenhäuser sind überfordert" (15.05.1975)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

FORUM:

Die Lehrkrankenhäuser sind überfordert

Verhältnis von Prüfungsform und Prüfungsinhalten

zu den Realitäten in der Ausbildung von

Medizinstudenten

Stellungnahme zum vierten Gegenstandskatalog

des Instituts für medizinische Prüfungsfragen Kur und Kurerfolg

PERSONALIA

Einführung

Die neue Approbationsordnung für Ärzte vom 28. Oktober 1970 (im fol- genden AO) löst die alte Bestal- lungsordnung aus dem Jahre 1953 ab. Sie ändert die Ausbildung zum Arzt in einem Umfang, wie es keine der vorangehenden Ausbildungsre- formen seit Einführung der ersten reichseinheitlichen Prüfungsord- nung im Jahre 1894 getan hat. Die Ausbildung wurde von einem elfse- mestrigen Hochschulstudium und anschließender zweijähriger Medi- zinalassistentenzeit, wie sie noch

bis 1968 abgeleistet werden mußte, schrittweise verkürzt auf ein insge- samt sechsjähriges Medizinstu- dium, das aus einem zweijährigen vorklinischen, einem einjährigen ersten, einem zweijährigen zweiten und aus einem einjährigen dritten klinischen Studienabschnitt be- steht.

Dieser dritte klinische Studienab- schnitt findet als Praktisches Stu- dienjahr sowohl in Universitätskli- niken als auch für eine sehr große Zahl von Medizinstudenten aus- schließlich an besonderen „von

Die Lehrkrankenhäuser sind überfordert

Verhältnis von Prüfungsform und Prüfungsinhalten

zu den Realitäten in der Ausbildung von Medizinstudenten

Stellungnahme zum vierten Gegenstandskatalog des Instituts für medizinische Prüfungsfragen

Udo Schagen, Ulrike Faber und Gisela Marsen

Die durch die Approbationsordnung von 1970 reformierte ärztliche Ausbildung sieht als letzten Studienabschnitt ein praktisches Jahr vor, das unter anderem an „Akademischen Lehrkrankenhäusern"

absolviert werden soll. Mit den Anforderungen (gemessen an dem

„Gegenstandskatalog", den das Mainzer Prüfungsfrageninstitut für diesen Studienabschnitt vorlegte) an diese Häuser — und die Stu- denten! — beschäftigt sich dieser Beitrag. Er kommt letztlich zu dem Ergebnis, daß Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Die Verfasser gehören dem Zentralen Planungsstab der Freien Univer- sität Berlin an, der hinsichtlich der Realisierung der neuen Approba- tionsordnung bereits eine Reihe anerkannter Vorarbeiten geleistet hat.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 20 vom 15. Mai 1975 1433

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der Hochschule im Einvernehmen mit der zuständigen Gesundheits- behörde" (§ 3 Absatz 2 AO) zu bestimmenden Krankenhäusern statt.

Diese Krankenhäuser werden hier und im folgenden als Akademische Lehrkrankenhäuser bezeichnet.

Durch diese Bezeichnung sollen sie ausdrücklich von anderen Lehr- krankenhäusern unterschieden werden, in denen lediglich einzelne Lehrveranstaltungen, zum Beispiel im ersten klinischen Studienab- schnitt der neue „Kursus der allge- meinen klinischen Untersuchun- gen" (entspricht in etwa dem frü- heren Kursus der Auskultation und Perkussion), abgehalten werden.

Neben der Einführung einer Reihe neuer Lehr- und Prüfungsfächer bezieht sich aber die einschnei- dendste Änderung der Ausbildung auf das Prüfungsverfahren. Im An- schluß an jeden der vier Studien- abschnitte wird am gleichen Tag für alle Studenten bundeseinheit- lich eine zentrale schriftliche Prü- fung nach dem „Multiple-choice- System" (Antwortauswahlverfah- ren) von den Landesprüfungsäm- tern abgehalten.

Eine mündliche Prüfung soll zu- sätzlich lediglich am Ende des Praktischen Studienjahres stattfin- den. Die ersten Prüfungen dieser Art wurden schon — für das Physi- kum und den ersten Teil des Staatsexamens — im August 1974 und im März 1975 abgehalten. Der dritte Teil des Staatsexamens soll in dieser Weise erstmals im Sep- tember 1977 geprüft werden.

Auf Veranlassung der Landesprü- fungsämter sind für jeden Prü- fungsabschnitt durch das von den Ländern getragene' Institut für me- dizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen in Mainz sogenann- te Gegenstandskataloge herausge- geben worden. In ihnen sind die

„Gegenstände, auf die sich die Prüfungsfragen beziehen" (§ 14 Ab- satz 3 Satz 4 AO) bezeichnet. Ler- nende und Lehrende müssen sich also daran orientieren.

Der vierte Gegenstandskatalog — Lehrkrankenhäuser

Der vierte Gegenstandskatalog ist seit Dezember 1974 in den Buch- handlungen zu erwerben. „Erst- mals für die Betroffenen vor Be- ginn des Abschnitts, für den er gilt" (Vorwort), erschien damit der- jenige Katalog, der wegen seiner Bedeutung für die Ausbildung im sechsten (praktischen) Studienjahr mit besonderer Aufmerksamkeit rechnen kann.

Im dritten klinischen Studienab- schnitt (im folgenden als sechstes oder „Praktisches Studienjahr" be- zeichnet) werden nach nun geän- derten Bestimmungen der Appro- bationsordnung ab 1. Oktober 1976 mittelfristig etwa jedes Jahr 7000 Studenten ausgebildet. Zwei Drittel der Medizinstudenten werden die- sen Studienabschnitt nach aller Voraussicht in den Akademischen Lehrkrankenhäusern ableisten. Die- se Krankenanstalten müssen eine Reihe besonderer Voraussetzun- gen erfüllen, die im einzelnen in der Approbationsordnung geregelt sind, und erhalten dann zusätzliche Sachmittel sowie Personalstellen, um die für sie neuen Aufgaben der Studentenausbildung übernehmen zu können.

Der Wert der schriftlichen Prüfun- gen liegt vor allem darin, daß zum ersten Mal in einem verbindlichen Sinn die Diskussion über die Syste- matisierung und Angleichung der Prüfungsinhalte zwischen den ein- zelnen Universitäten in Gang ge- setzt wurde und objektivere Kri- terien zum Maßstab für die Beurtei- lung des Prüfungserfolgs angewen- det werden können. Praktische Fä- higkeiten und ärztliche Verhaltens- weisen können allerdings nicht ge- prüft werden. Darüber hinaus mo- tivieren schriftliche Prüfungen sicher mehr zu theoretischer als zu praktischer Wissensaneignung.

Inhalte der Ausbildung im Praktischen Studienjahr

Die Ausbildung in diesem Studien- abschnitt hat auch deswegen be-

sondere Bedeutung, weil es in Zu- kunft eine Pflichtfamulatur in Kran- kenhäusern nicht mehr geben wird.

Die vorgesehene Ausbildung wird in der AO in folgender Weise be- schrieben:

„Während der Ausbildung ..., in deren Mittelpunkt die Ausbildung am Kran- kenbett steht, soll der Studierende die während des vorhergehenden Studiums erworbenen ärztlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vertiefen und erweitern. Er soll lernen, sie auf den einzelnen Krankheitsfall anzuwenden. Zur Ausbil- dung gehört auch die Teilnahme des Studierenden an klinischen Bespre-

chungen einschließlich der arzneithe- rapeutischen und klinisch-pathologi- schen Besprechungen. Um eine ord- nungsgemäße Ausbildung zu sichern, soll die Zahl der Studierenden zu der Zahl der zur Verfügung stehenden Krankenbetten in einem angemessenen Verhältnis stehen. Der Studierende darf nicht zu Tätigkeiten herangezogen wer- den, die seine Ausbildung nicht för- dern" (5 3 Abs. 4 AO).

Da es sich bei dem Auszubilden- den ausdrücklich um Studenten, nicht um Medizinalassistenten, han- delt und da der dritte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung erst am Ende des Praktischen Studienjahres in schriftlicher und mündlicher Prü- fung abgelegt wird, ergibt sich da- her eindeutig, daß im Praktischen Studienjahr eine geregelte Ausbil- dung erfolgen muß, die bestimmten Mindestansprüchen genügt.

Darüber hinaus muß gesichert sein, daß diese Ausbildung sowohl in Universitätskliniken als auch in Akademischen Lehrkrankenhäu- sern nach einheitlichen Kriterien erfolgen kann. Den einzelnen Stu- denten, die wegen der Knappheit der insgesamt zur Verfügung ste- henden Plätze kaum beliebig zwi- schen den zur Verfügung stehen- den Ausbildungsorten wählen kön- nen, darf kein Nachteil entstehen, wenn sie einem bestimmten Akade- mischen Lehrkrankenhaus zugeteilt werden.

Im Hinblick auf die Vorstellung, daß auf jeden Studenten zur Errei- chung eines optimalen Ausbil-

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Lehrkrankenhäuser

dungserfolges auch eine möglichst große Anzahl von Betten kommen sollen, war es das Bestreben der Universitäten, möglichst viele Aka- demische Lehrkrankenhäuser in die Lehre im sechsten Studienjahr einzubeziehen. Dem standen die Bestrebungen der Länder gegen- über, die notwendigen Investitio- nen für Um- und Ausbauten zur Schaffung von Arbeitsräumen für die Studenten niedrig zu halten und daher möglichst konzentriert vorzunehmen. Da eine Reihe von Universitäten und Bundesländern ihre Planung noch nicht abschlie- ßen konnten, kann derzeit noch kein genauer Überblick über die Zahl der betroffenen Krankenan- stalten gegeben werden. Bei 25 vorhandenen medizinischen Ausbil- dungsstätten ist damit zu rechnen, daß die Zahl der Akademischen Lehrkrankenhäuser bei über 100 liegen wird.

Da in den meisten Lehrkranken- häusern die Abteilungen für In- nere Medizin und Chirurgie so- wie mindestens eine weitere Ab- teilung in die Ausbildung einbezo- gen werden, müssen insgesamt über 300 Abteilungen nichtuniversi- tärer Krankenhäuser ab 1. Oktober 1976 Studenten nach einheitlichen Ausbildungsrichtlinien der Univer- sitäten ausbilden.

Modellversuch

„Praktisches Jahr"

Ein im einzelnen einigermaßen durchdachtes und in Abstimmung mit allen Betroffenen erstelltes Cur- riculum liegt derzeit noch nicht vor. Zur Erstellung eines solchen Curriculums wird vom Bund und von den Ländern ein von der Frei- en Universität Berlin angemeldeter Modellversuch „Praktisches Jahr"

am Städtischen Krankenhaus am Urban, einem zukünftigen Aka- demischen Lehrkrankenhaus, ge- fördert.

Dieser Modellversuch, für den in- zwischen ein ausführlicher Zwi- schenbericht vorliegt, befindet sich derzeit in der Erprobungsphase;

mit den ersten Ergebnissen der praktischen Durchführung ist im Sommer 1975 zu rechnen.

Der Gegenstandskatalog

für den letzten Prüfungsabschnitt im Verhältnis

zum Ausbildungsinhalt

In dieser Situation muß der Inhalt des Gegenstandskatalogs für die Prüfung nach eben dem Studienab- schnitt, den die meisten Studenten nicht in Universitätskliniken, son- dern in Akademischen Lehrkran- kenhäusern durchlaufen, auf be- sonderes Interesse stoßen. Die Ärzte in Akademischen Lehrkran- kenhäusern, von denen in der Re- gel höchstens der Chefarzt aus frü- herer Universitätstätigkeit Erfah- rung in der Ausbildung von Stu- denten hat, erhofften sich vom Ge- genstandskatalog Hilfe bei der Fra- ge, wie sie sich auf die Unterrich- tung von Studenten vorbereiten sollten. Diese Ärzte gehen zu Recht davon aus, daß Studenten, die eine ganzjährige und ganztägi- ge Ausbildung in einem Akademi- schen Lehrkrankenhaus durchlau- fen, aus dieser Tatsache den An- spruch ableiten werden, daß sie hier auch diejenigen Kenntnisse vermittelt bekommen, die ihnen am Ende in der Prüfung abverlangt werden.

Da sich die Ausbildung im Prakti- schen Studienjahr in drei Abschnit- te zu vier Monaten gliedern soll, von denen je ein Abschnitt in der inneren Medizin, in der Chirurgie und in einem weiteren Wahlfach durchlaufen werden, muß sich der Umfang des im Gegenstandskata- log aufgelisteten Stoffes für die beiden Fachgebiete Innere Medizin und Chirurgie auch am Umfang der zur Verfügung stehenden Zeit orientieren. Es soll sich im wesent- lichen um eine praktische Ausbil- dung handeln. Deshalb werden be- sondere Lehrveranstaltungen für die Studenten zwar ohne Zweifel notwendig sein, aber doch einen gewissen relativ geringen Umfang nicht überschreiten können. In den Diskussionen, die bisher im An-

schluß an das vom Westdeutschen Medizinischen Fakultätentag von 1971 empfohlene Ausbildungspro- gramm vor allem an den Universi- täten Göttingen, Hamburg, Frank- furt, Marburg sowie in dem an der FU Berlin laufenden Modellversuch weitergeführt wurden, ist bisher ein Umfang von etwa drei Veranstal- tungsdoppelstunden für besondere Fallbesprechungen bzw. Kolloquien vorgesehen. In den Fallbespre- chungen sollen, vom konkreten Er- krankungsfall ausgehend, Diffe- rentialdiagnose, Bewertung der möglichen Untersuchungsverfah- ren, Indikationsstellung zur konser- vativen und operativen Behand- lung, spezielle Therapie einschließ- lich einer eventuell notwendigen Langzeitbehandlung sowie Fragen der Rehabilitation besprochen wer- den. In den Kolloquien könnte dazu ein abgerundeter Überblick über die häufigsten in den Abteilungen der Akademischen Lehrkranken- häuser vorkommenden Krankheits- bilder gegeben werden. Darüber hinaus sollte auf die besonderen Bedürfnisse der Studenten auch in den routinemäßig stattfindenden Besprechungen der sogenannten Querschnittsabteilungen Anästhe- sie, Labormedizin, Röntgenologie und Pathologie eingegangen wer- den.

Diese hier skizzierte Erwartung wird an keiner Stelle durch den neuen Gegenstandskatalog befrie- digt. Im Gegenteil, nicht nur bei der flüchtigen, sondern erst recht bei der genauen Durchsicht der einzelnen Kapitel des Gegen- standskatalogs hat man den Ein- druck, als sei hier fernab der Wirk- lichkeit der Akademischen Lehr- krankenhäuser, am grünen Tisch, ausgehend von den einzelnen Be- griffen des in der Approbationsord- nung bezeichneten Prüfungsstoffs, eine universale Vollständigkeit an- gestrebt worden, die den Akademi- schen Lehrkrankenhäusern bewei- sen soll: Eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Ausbil- dung kann doch nur von der Uni- versität durchgeführt werden. Dies sei an einigen Beispielen darge- stellt: I>

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 20 vom 15. Mai 1975 1435

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Spezielle pathologische Anatomie und Neuropathologie

Hier werden über zwanzig Seiten Inhal- te aufgelistet, die als Krankheitsbilder

äußerst selten sind und praktisch nie in Akademischen Lehrkrankenhäusern vorkommen. Allein im Unterkapitel „Ge- hirn" wird unterschieden zwischen

„1.1.1 Mißbildungen und Entwick- lungsstörungen

1.1.2 Atrophie und sogenannte syste- matisierte Atrophien

1.1.3 Stoffwechselstörungen 1.1.4 Nekrosen

1.1.5 Blutungen 1.1.6 Entzündungen

1.1.7 Hirngewebseigene Tumoren 1.1.8 Hirngewebsfremde Tumoren 1.1.9 Sogenannte Phakomatosen 1.1.10 Schädelhirntraumen"

Im Unterkapitel 17• „Pathologie der Schwangerschaft" werden folgende Lernziele formuliert: „Der Student soll Extrauteringraviditäten, . . . die Molen mikroskopisch erläutern können, ... das mikroskopische Bild der Cho- rionamnionitis . einschließlich Tuberkulo- se, Syphilis und Toxoplasmose in den Grundzügen erläutern können, ... das makro- und mikroskopische Bild des Chorionepithelioms kennen."

Differentialdiagnose und Therapie innerer Krankheiten

In diesem Unterkapitel erfolgt im spe- ziellen Teil eine Anordnung nach Leit- symptomen. Hier ist zu fragen, ob Leit- symptome wie „Amenorrhoe", „Anfalls- leiden", „Lähmungserscheinungen",

„Meningismus", „Parästhesien" u. a.

wirklich systematisch bei den inneren Krankheiten eingeordnet werden sollten und insbesondere, ob innere Abteilun- gen Akademischer Lehrkrankenhäuser in der Lage sind, diese Fragen auf Grund der dort behandelten Krank- heitsfälle den Studenten nahezubrin- gen. Gleiches gilt für die im selben Ka- pitel unter II., „Diagnostische Metho- den", aufgeführten Stichworte: „Exposi-

tionsteste (Allergenteste)", „Bewertung der eigenen Gegenübertragungsreak- tion" oder „Hautteste (z. B. bei Tuber- kulose, Ornithose, Echinokokkose, My- kose)" sowie ebenfalls für einige unter III., „Erkrankungen", und IV., „Über- greifende therapeutische Maßnahmen", aufgeführte Stichworte.

Klinische Radiologie

Hier ist es ebenfalls fraglich, ob die ra- diologischen Einrichtungen der Akade- mischen Lehrkrankenhäuser ausrei- chen, um die modernen und laut Ge- genstandskatalog im Anschluß an das praktische Jahr zu prüfenden Verfah- ren, zum Beispiel der Angiographie, der Coeliacographie und der Tomographie, durchzuführen sowie, ob sie in der Re- gel über Einrichtungen für eine weiter- gehende nuklearmedizinische Diagno- stik und Therapie verfügen.

Spezielle Pharmakologie

Auch unter diesem Stichwort werden über 20 Seiten sehr spezielle Lernziele angegeben. Von einigen Universitäten wurde vorgeschlagen, daß eine Unter- richtung der Studenten im praktischen Studienjahr in diesem Fachgebiet durch Dozenten aus der Universität in den Akademischen Lehrkrankenhäu- sern erfolgt. Es erscheint jedoch aus- gesprochen unwahrscheinlich, daß bei der Lehrbelastung der Pharmakologen im ersten und zweiten klinischen Stu- dienabschnitt und bei den Schwierig- keiten, unter Umständen vom Universi- tätsort weit entfernte Akademische Lehrkrankenhäuser für ein oder zwei Unterrichtsstunden aufsuchen zu müs- sen, die pharmakologischen Institute diese Dienstleistungen übernehmen können.

Physikalische Medizin und Diätetik

Hinsichtlich der hier im Gegenstands- katalog benannten Lernziele muß ebenfalls darauf hingewiesen werden, daß damit zu rechnen ist, daß eine gro- ße Anzahl Akademischer Lehrkranken- häuser nicht über die Einrichtungen verfügen, die notwendig sind, um die benannten Methoden im einzelnen in praktischer Anschauung erlernen zu können.

Erkennung und Behandlung akut-lebensbedrohender Zustände und Reanimation

Soweit die Akademischen Lehrkranken- häuser über Intensivbehandlungseinhei- ten verfügen, werden sich hier. wahr- scheinlich keine Schwierigkeiten erge- ben.

Spezielle Chirurgie

Dieses Kapitel enthält die Systematik der gesamten Chirurgie einschließlich der Neurochirurgie, der Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, der plastischen Chirurgie sowie der Traumatologie. Bei Kenntnis des normalen Krankenguts sowie der operationstechnischen Aus- stattung der meisten Akademischen Lehrkrankenhäuser muß sehr bezweifelt werden, ob hier die speziellen chirurgi- schen Probleme, die an den Universi- tätskliniken meistens schon in eigenen Abteilungen bzw. Kliniken gepflegt wer- den, den Studenten nahegebracht wer- den können.

Anästhesiologie und Grundzüge der Intensivbehandlung

Hier gilt das unter der Überschrift „Er- kennung und Behandlung akut-lebens- bedrohender Zustände und Reanima- tion" Gesagte. Unverständlich bleibt al- lerdings, warum hier zwei getrennte Sy- stematiken der Lernziele aufgenommen worden sind.

Folgerungen für

das zukünftige Studienverhalten von Medizinstudenten

In diesem Zusammenhang konnten nur einige Stichworte näher darge- stellt werden. Es kann den Betrof- fenen nur empfohlen werden, den Gegenstandskatalog im einzelnen durchzusehen, insbesondere dar- aufhin, wie das dort Dargestellte in- nerhalb des Praktischen Studien- jahrs an den Akademischen Lehr- krankenhäusern den Studenten na- hegebracht werden soll. Der Her- ausgeber des Gegenstandskata- logs, das Institut für Medizinische Prüfungsfragen in Mainz, beruft sich in seinem Vorwort darauf, daß der Gegenstandskatalog auch Teil- gebiete umfasse, die schon im zweiten klinischen Studienab-

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Lehrkrankenhäuser

schnitt gelehrt werden müßten, die aber auf Grund der Systematik in der Approbationsordnung erst im Anschluß an das Praktische Stu- dienjahr geprüft werden können.

Überprüft man daraufhin die Prü- fungsstoffkataloge in der Approba- tionsordnung, so muß diesem Ein- wand gefolgt werden, finden sich

dort doch zum Beispiel die Stich- worte „Neuropathologie", „die An- wendung medizinisch bedeutsamer Pharmaka, ihre Indikation und Ge- genindikation", „spezielle Diäte- tik", „Mißbildung, Erkrankungen und Verletzungen von Kopf, Hals, Thorax, Abdomen, Extremitäten, Herz und Gefäße" u. a.

Festzuhalten bleibt allerdings, daß diese Situation für die Betroffenen die Folge hat, daß einerseits im letzten Abschnitt der ärztlichen Prüfung Inhalte abgefragt werden sollen, die über ein Jahr vorher ge- lehrt werden und im Praktischen Studienjahr nicht mehr vorkom- men. Dies widerspricht dem ange- strebten Ziel der AO, den Wissens- stoff möglichst im Anschluß an die Periode des Erlernens zu über- prüfen. Andererseits wird auch den zukünftigen Dozenten in den Aka- demischen Lehrkrankenhäusern keinerlei praktikable Hilfe bei der Planung der Ausbildung gegeben.

Ein kurzfristiges Ziel sollte es da- her sein, den Prüfungsstoffkatalog zumindest so weit zu ändern, daß die im zweiten klinischen Studien- abschnitt gelehrten Fachgebiete auch im zweiten Abschnitt der Ärzt- lichen Prüfung abgefragt werden können.

Darüber hinaus ist aber eine viel schwerwiegendere Folge zu erwar- ten: Dieser Gegenstandskatalog muß bei den Studenten im Prakti- schen Jahr ein ganz spezielles Lernverhalten verursachen. Da im Anschluß an das Praktische Studienjahr ebenfalls eine schriftli- che Prüfung erfolgt, in der die im Gegenstandskatalog angegebenen Lernziele abgefragt werden, wer- den die Studenten sogar während des Praktischen Studienjahres we- nig Interesse an der praktischen

Ausbildung haben. Im vorklini- schen und ersten klinischen Stu- dienabschnitt ist an den Universitä- ten schon jetzt zu beobachten, daß die Studenten sich in ihrem Lern- verhalten ganz auf das Durcharbei- ten der Gegenstandskataloge kon- zentrieren. Dies wird durch die zu- nehmende Tendenz der Einführung von Klausuren als Erfolgskontrolle auch bei den Praktischen (!) Übun- gen nach den Anlagen 1, 2 und 3 zur AO noch verstärkt. Da die ein- zige in der AO vorgesehene münd- liche Prüfung gegenüber der eben- falls vorgesehenen schriftlichen Prüfung im Anschluß an das Prakti- sche Studienjahr nicht in besonde- rer Weise hervorgehoben ist, und da die Prüfung der eigentlichen praktischen Fähigkeiten, die auch die Fragen des ärztlichen Umgangs mit dem kranken Menschen im wei- testen Sinne umfassen, in den bis- herigen Staatsexamina nur eine un- tergeordnete Rolle gegenüber der Darstellung von Ätiologie, Diagno- stik und Therapie hatte, werden die Studenten auch die neue mündli- che Prüfung wahrscheinlich gering bewerten. Das bedeutet aber, daß sie im Praktischen Studienjahr jede Gelegenheit nutzen werden, um sich von der vorgesehenen praktischen Ausbildung im eigentli- chen Stationsbetrieb zu entfernen, um sich in den Bibliotheken oder iu ihren eigenen Arbeitsräumen in den Akademischen Lehrkranken- häusern nach Lehrbüchern auf die schriftliche Prüfung vorzuberei- ten.

IV. Zusammenfassung

Die beiden hier geschilderten Ten- denzen,

O

die Tatsache, daß die Akademi- schen Lehrkrankenhäuser den In- halt des vierten Gegenstandskata- logs nicht werden vermitteln kön- nen und

0 am Ende dieser Ausbildung eine schriftliche Prüfung nach dem Multiple-choice-System steht, die im wesentlichen theoretisches Wis- sen verlangt,

lassen jetzt schon mit Sicherheit darauf schließen, daß das ange- strebte Ziel der Approbationsord- nung, eine mehr auf die Bedürfnis- se der späteren praktischen Tätig- keit ausgerichtete Ausbildung, zu- mindest im dritten klinischen Stu- dienabschnitt (Praktisches Studien- jahr) nicht erreicht wird. Soll dem entgegengewirkt werden, so muß umgehend ein Gegenstandskatalog erarbeitet werden, der den Mög- lichkeiten der zukünftigen Akade- mischen Lehrkrankenhäuser in der Stoffvermittlung entspricht. Außer- dem wird vorgeschlagen, die schriftliche Prüfung am Ende des sechsten Studienjahres abzuschaf- fen._Die Prüfung praktischer Fertig- keiten und ärztlicher Verhaltens- weisen, die am Ende dieses Stu- dienabschnitts stehen sollte, kann nach wie vor in einer mündlichen Prüfung am besten erfolgen.

Ein ausgewogenes Verhältnis zwi- schen praxisbezogenem Lernver- halten, das auf der anderen Seite nicht in theorieloses Handwerkeln abgleiten darf, wird am besten er- reicht durch ein die Möglichkeiten Akademischer Lehrkrankenhäuser realistisch berücksichtigendes, sy- stematisiertes Ausbildungspro- gramm. Am Ende dieser Ausbil- dung sollte allein eine, schon nach den jetzt gültigen Bestimmungen der AO mögliche und vorgesehene, mündliche Kollegialprüfung stehen, an der neben den Hochschulleh- rern die Ärzte der Akademischen Lehrkrankenhäuser zu beteiligen wären.

Literatur beim Verfasser

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Udo Schagen 1 Berlin 38

Eiderstedter Weg 9 a DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 20 vom 15. Mai 1975 1437

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