Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 47|
25. November 2011 A 2559 SUNITINIBZielgerichtete Therapie bei seltenen gastrointestinalen Tumoren
Durch die selektive Hemmung verschiedener Tyrosinkinasen wird die Behandlung von verschiedenen Tumorentitäten verbessert.
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er orale Multikinaseinhibi- tor Sunitinib ist mittlerwei- le nicht nur ein Standardmedika- ment für die Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mRCC), sondern auch in der Be- handlung von gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) nach Versa- gen oder bei Unverträglichkeit ei- ner Therapie mit Imatinib fest etab- liert. Wenn die Erstlinientherapie mit Imatinib versagt hat, bietet sich bei GIST-Patientenmit Mutationen im Exon 11 des Gens für den KIT- Rezeptor eine Umstellung auf Suni- tinib an.Außer in den etablierten Indi - kationen mRCC und GIST deutet sich auch eine Rolle für Sunitinib in der komplexen Behandlung gut dif- ferenzierter fortgeschrittener pan- kreatischer neuroendokriner Tumo- ren (pNET) des Erwachsenen mit Krankheitsprogression an. In die- ser Indikation hat Sunitinib im No- vember 2010 als erste und bislang einzige zielgerichtete Therapie in Europa eine Zulassung erhalten.
Die Mutationsanalyse ist unerlässlich für die Therapie
Bei einem Progress unter Imatinib oder Imatinib-Unverträglichkeit sei Sunitinib die einzige zugelassene und etablierte Therapieoption bei GIST, so Dr. med. Marcus Schlem- mer, München. Dabei ist eine ge- zielte Therapie auf der Basis ei- ner Mutationsanalyse möglich: Am häufigsten sind mit circa 60 Prozent Mutationen im Exon 11 des KIT- Rezeptors, gefolgt von solchen im Exon 9 mit etwa zehn Prozent. Mu- tationen zum Beispiel in den Exo- nen 13 oder 17 kommen auch vor, sind aber selten. Bei ungefähr 19 Prozent der Tumoren, die aufImatinib nicht mehr ansprechen, liegt ein KIT-Wildtyp ohne nach- weisbare Mutation vor.
Die Mutationsanalyse sei uner- lässlich, so Schlemmer, um den Pa- tienten eine individuell angepasste Therapie zu ermöglichen. Bei Mu- tationen in Exon 9 sollte die Imati- nib-Dosis von 400 auf 800 mg/d verdoppelt werden, bei allen ande- ren Mutationen zeige Imatinib kei- nen Nutzen.
Der Multikinaseinhibitor Suniti- nib verlängert signifikant das pro- gressionsfreie ebenso wie das Ge- samtüberleben im Vergleich zu Placebo. Patienten mit gutem Per- formancestatus (ECOG 0–1) soll- ten Schlemmer zufolge möglichst frühzeitig auf Sunitinib umgestellt werden, weil sie davon besonders profitieren: In einer Anwendungs- beobachtung hatten sie eine media- ne Überlebenszeit von 88 Wochen erzielt im Gegensatz zu 27 Wochen für Patienten mit ECOG 2.
Sunitinib hemme das Wachstum von pNET nicht nur durch direk- te Antitumoreffekte, sondern zu- sätzlich über antiangiogenetische Mechanismen, erläuterte Dr. med.
Ulrich-Frank Pape, Berlin. Die Er- fahrungen mit dieser Substanz in der Erstlinienbehandlung von pNET seien derzeit allerdings noch begrenzt.
In der randomisierten Phase-III- Zulassungsstudie SUN 1111 wur- den Patienten mit gut differenzier- ten Tumoren (G1 oder G2), die für eine kurative Operation nicht infra- ge kamen und deren Erkrankung vor Studienbeginn progredient war, bis zur Progression mit täglich 37,5 mg Sunitinib oder Placebo be- handelt. Eine Zwischenanalyse er- gab eine Verlängerung des progres-
sionsfreien Überlebens von median 5,5 auf 11,4 Monate (HR = 0,42, p < 0,001), die durch eine zentra- le Auswertung bestätigt werden konnte (12,6 versus 5,8 Monate, HR = 0,315, p < 0,0001). Ähnliches galt für das Gesamtüberleben, das in der Zwischenanalyse signifikant (HR = 0,41, p = 0,02), in einem Up- date im weiteren Verlauf im Ver- gleich zu Placebo nichtsignifikant verlängert war (30,5 versus 24,4 Mo- nate, HR = 0,737, p = 0,1926).
Nach Interimsanalyse auf
Sunitinib umgestellt worden Die fehlende Signifikanz in der ak- tuellen Auswertung gehe mit hoher Sicherheit auf den Cross-over-Ef- fekt zurück, so Pape, weil Patienten der Placebo-Gruppe bei Progressi- on beziehungsweise nach vorzeiti- gem Studienabbruch auf Empfeh- lung des Data Monitoring Commit- tee nach der Interimsanalyse auf Sunitinib umgestellt worden seien.Wegen des häufig indolenten Verlaufs der pNET unter erfolgrei- cher Therapie ist von besonderer Bedeutung, dass die Nebenwirkun- gen von Sunitinib in der Regel gut handhabbar sind und die Lebens- qualität gegenüber Placebo nicht beeinträchtigen. Das sei ein wichti- ger Faktor für die langfristige Ak- zeptanz des Medikaments durch die Patienten, so Pape.
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Josef Gulden Pressegespräch am Rande des World Congress on Gastrointestinal Cancer in Barcelona, veranstaltet von Pfizer-Oncology
Hinweis: In einem Rote-Hand-Brief vom 30. 11. 2010 weist Pfizer auf das mögliche Risiko für das Auftreten einer Kieferosteonekrose bei mit Sunitinib (Sutent®) behandelten Krebspatienten bei gleichzeitiger oder vorheriger Anwendung von Bisphosphonaten hin. Vor einer Behandlung mit Sutent sollte daher eine zahnärztliche Kontrolle in Erwägung gezogen werden.