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Archiv "Eine neue Kinderkrankheit: Die Nuckelflasche" (08.01.1982)

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Academic year: 2022

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1,0— 1,9 400— 600 ml 2,0— 3,9 500— 750 ml 4,0— 5,9 550— 850 ml 6,0— 7,9 600— 900 ml 8,0— 9,9 650-1000 ml Flüssigkeits- aufnahme/Tag:

(Wasser, Tee, Malzkaffee.

Fruchtsaft, Limonade, dünne Suppe, Milch) Alter

(Jahre)

10,0-11,9 700-1100 ml 12,0-14,9 850-1300 ml

Entnommen aus: Droese, W., Helga

• Stolley: In: Kapitel „Ernährung des Klein- und Schulkindes", Lehrbuch der Kinderheilkunde KeiterfWiskott 5. Auf- lage, zur Zeit im Druck

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin AUSSPRACHE

Unter den bundesrepublikanischen Kindern ist eine neue Unsitte, oder besser gesagt, eine neue Kinder- krankheit ausgebrochen. Es ist heu- te fast allgemein üblich, Säuglingen und Kleinkindern zusätzlich gesüß- ten Tee mittels einer kleinen Plastik- flasche, einer sogenannten „Nuckel- flasche" zu geben. Zu Haus, auf der Straße, in Warenhäusern, wo man geht und steht, kann man Kinder mit Nuckelflaschen beobachten. Wir ha- ben Säuglinge und Kleinkinder ge- sehen, die ihre Nuckelflasche Tag und Nacht am Mund hielten und lau- fend gesüßten Tee, gesüßten Obst- saft oder ähnliche Getränke ein- saugten. Größeren Kindern stellen die Eltern die gefüllte Nuckelflasche auf den Nachttisch, und der Höhe- punkt der mir bekannt gewordenen Praktizierung dieser Unsitte ist: In einer hiesigen Schule nuckeln gan- ze Klassen während des Unterrichts.

Die Lehrerin fragte einen 11jährigen Schüler, ob sie wohl jetzt Babys im Unterricht habe? — Das gleiche hörte ich von anderen Schulen. Die Schü- ler und Schülerinnen betrachten — wie mir eine Schülerin sagte — das Nuckeln als „Sport". Die Nuckelfla- sche um den Hals gehängt, kommen sie zur Schule.

Auf „diesen Sport" wurde ich durch einen typischen Fall in meiner Praxis aufmerksam: Das Kind Ph. H. verzog im ersten Lebensjahr mit seinen El- tern nach auswärts. Aus einem be- stimmten Anlaß suchte mich die Mutter mit dem Kind, als es einein- halb Jahre alt war, nochmals auf.

Mit Bestürzung stellte ich fest, daß der Junge vorn im Ober- und im Un- terkiefer nur noch kariöse Stummel hatte. — Wie war diese ausgeprägte Karies entstanden, die man früher öfters sah, wenn die Mütter Honig

auf den Schnuller schmierten. — Die Mutter berichtete, daß ihr Junge seit dem 10. Monat schlecht schlief. Sie fing an, ihm deswegen zur Beruhi- gung nachts gesüßten Tee zu ge-

Tabelle: Normtrinkmengen für Kinder ben; schließlich schlief der Junge nur noch, wenn er die ganze Nacht die Teeflasche im Mund hatte, und dann gewöhnte er es sich an, auch tagsüber ununterbrochen die Nuk- kelflasche im Mund zu halten.

Wie ist es so plötzlich zu dieser Ver- breitung der Nuckelflasche gekom- men? — Industrie und Handel haben die Gunst der Stunde erkannt und

propagieren mit schlagkräftigen Werbespots, den Babys „zwischen den Mahlzeiten gesüßten Tee" zu geben, das beruhige Mutter und Kind. — Den Müttern wird zur Geburt ihres Kindes eine kleine Plastikfla- sche geschenkt und ebenso der Tee dazu. Sogar stillenden Müttern wird empfohlen, zwischen den Mahlzei- ten einmal Tee zu geben.

Die Mütter aber gehen gerne den Weg des geringsten Widerstandes:

Es ist für sie bequemer, statt mehr Liebe mehr Beschäftigung und statt mehr Zuwendung ihrem Kind die Teeflasche zu geben.

Sollte man nicht daran denken, daß die erhöhte Flüssigkeitszufuhr Herz und Kreislauf belastet und die Nie- ren überfordert!? Kann die beständi- ge erhöhte Zuckerzufuhr nicht zu Stoffwechselstörungen führen? — Alles Probleme, die sich jetzt durch das ewige Nuckeln einstellen. Weiter ist bekannt, wer laufend trinkt, be- kommt laufend mehr Durst. — Das Kleinkind und das Schulkind trinken noch Tee, Saft, Coca oder ähnliches, das ältere Kind, das Schulkind, ten- diert schon zur Bierflasche, wie man das in den Kneipen und Trinkhallen, die in der Nähe von Schulen liegen, beobachten kann. Die nächste Stufe heißt dann —verursacht durch nichts anderes als die ewige Trinkerei —

„Einstieg in die Drogenszene".

Ein Kind braucht keine zusätzliche Flüssigkeit, wenn es normal ernährt wird. Sollte es aber Fieber haben oder geschwitzt haben oder sollte heißes Wetter herrschen, ist es rich- tig, Tee oder ähnliches zusätzlich zu geben; ansonsten sollte man die vom Institut für Kinderernährung aufgestellten Normmengen beach- ten (Tabelle).

(Nach einem Interview im WDR am 18. 8. 1981 und im Saarländischen Rundfunk am 25. 8. 1981)

Anschrift des Verfassers Dr. med. Otto Sprockhoff Arzt für Kinderheilkunde

Breslauer Straße 94 4300 Essen

Eine neue Kinderkrankheit:

Die Nuckelflasche

Otto Sprockhoff

40 Heft 1 vom 8. Januar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

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