84 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 51. Februar 2008
M E D I Z I N
Antwortrate zu gering
Die Siebenländer-Studie zieht seine Stichprobe der in Deutschland interviewten Ärzte aus Branchentelefon- verzeichnissen. 18,1 % antwortende Interviewpartner sind unzureichend für eine Verallgemeinerung. Die statistische Verzerrung (Bias) der Selektion nach Listen geht mit einer geringen Erhebungsrate einher.
Die als zufällig und repräsentativ benannte Rekrutie- rung der Befragten beschreibt nicht das Losverfahren der Auswahl. In der Methodik wird von einer einfa- chen Zufälligkeit gesprochen, und dennoch werden die Daten nach Bundesländern adjustiert. Umgekehrt hätte zur repräsentativen Abbildung von Länderquo- ten im Voraus die Festlegung der Stichprobengrößen erfolgen müssen.
Signifikanz ist das Ergebnis der schließenden und eben nicht der die Verteilung untersuchenden deskrip- tiven Statistik. „Es wurde nicht für multiples Testen adjustiert“ – ergo wurde multipel getestet. Eine Kor- rektur der Signifikanz beispielsweise nach Lilliefors für die nicht parametrische Testung der Verteilung, beispielsweise nach Bonferroni für die schließende Testung, erfolgte nicht. Wissensfragen, die die Kennt- nis von Leitlinien beleuchtet hätten, wurden nicht ge- stellt. „Sehr viele – einige – sehr wenige“ war der Maßstab der Genauigkeit der zulässigen Antworten.
Schließende Statistik setzt die Voranstellung eines Hypothesenpaares voraus. Arbeitsbelastung als Quelle der Berufsunzufriedenheit wird mit dem Siebenländer- Vergleich nicht bewiesen. Finales Denken, wie es in der Scholastik geübt wurde, wird in der Diskussion sichtbar, wenn die Autoren selbstverschuldete Arbeits- muster als Erklärung anbieten. Präsumption, also das Arbeiten mit vorgefasster Meinung, ist das Merkmal des ungenauen Diskurses. DOI: 10.3238/arztebl.2008.0084a
Dr. med. Martin P. Wedig Roonstraße 86 44628 Herne
Schlusswort
Wie beschrieben handelte es sich um eine einfache Zufallsauswahl. Eben wegen der geringen Rücklauf- quote waren besondere Maßnahmen zur Kontrolle der Strukturgleichheit von Stichprobe und Gesamtpopula- tion erforderlich. Eine Maßnahme war die Gewich-
tung nach relevanten Einflussfaktoren. In Deutsch- land waren dies Geschlecht, Fachgebiet und Bundes- land. Diese waren zwar für Deutschland repräsentativ verteilt (siehe Tabelle 2 im Internet), jedoch war das nicht in allen Ländern der Fall. So ergaben sich bei- spielsweise in Großbritannien erheblich strukturelle Abweichungen bezüglich Geschlecht und Region. Die nicht von Beginn an gesicherte Strukturgleichheit der Stichprobe mit der Gesamtpopulation erforderte daher die beschriebene Gewichtung. Eine weitere Maßnah- me war der Vergleich der Stichprobe mit der Gesamt- population bezüglich zweier weiterer möglicher Ein- flussgrößen, für die nicht gewichtet worden war: Al- tersverteilung und Anteil der Ärzte in Einzelpraxen (siehe Internet-Supplement). Auch hier ergaben sich keine relevanten Unterschiede. Als dritte Maßnahme wurde in den multivariaten Analysen nach weiteren möglichen Einflussgrößen adjustiert.
Der im Artikel verwendete Signifikanzbegriff ist in der Tat rein deskriptiv zu verstehen, wie auch im Me- thodenteil ausdrücklich erwähnt. Entsprechende Hy- pothesen werden also durch die deskriptiven p-Werte nur generiert, nicht statistisch nachgewiesen. Zu ei- nem solchen Nachweis wären weitere, konfirmatori- sche Studien erforderlich. In einer deskriptiven Ana- lyse ist eine Adjustierung für multiples Testen nicht sinnvoll, weil Art und Anzahl der Hypothesen nicht von vornherein festgelegt sind. Auch die Hypothese, dass Arbeitsbelastung eine Quelle der Berufsunzufrie- denheit sein könnte, wird durch die Ergebnisse der Umfrage nur generiert, nicht statistisch nachgewie-
sen. DOI: 10.3238/arztebl.2008.0084b
Ulrich Gehrmann Klaus Koch
Prof. Dr. med. Peter T. Sawicki
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Dillenburger Straße 27
51101 Köln E-Mail koch@iqwig.de
Interessenkonflikt
Die Autoren beider Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessen- konflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
zu dem Beitrag
Primärärztliche Versorgung in Deutschland im internationalen Vergleich
Ergebnisse einer strukturvalidierten Ärztebefragung
von Klaus Koch, Ulrich Gehrmann, Prof. Dr. med. Peter T. Sawicki, in Heft 38/2007
DISKUSSION
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