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Archiv "Das Symptom diffuser Haarausfall" (06.03.1980)

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ÄRZTEBLATT

Heft 10 vom 6. März 1980

Das Symptom diffuser Haarausfall

Hansotto Zaun

Städtische Hautklinik

(Leitender Arzt: Professor Dr. med. Hansotto Zaun) im Zentralkrankenhaus Reinkenheide, Bremerhaven

Der Vorgang der Haarbildung in den Follikeln der Kopfhaut kann durch infektiöse und konsumierende Allgemein- krankheiten, hormonelle und Stoffwechselstörungen sowie Intoxikationen in der Weise beeinträchtigt werden, daß — nicht selten als erstes auffälli- ges Symptom — ein diffuser Haarausfall resultiert. Die Klä- rung der Ursache dieses Sym- ptoms ist unter allgemeindia- gnostischen Gesichtspunkten wie auch als Voraussetzung jeder sinnvollen Behandlung notwendig. Dabei kommt der Bewertung \ von Anamnese und Verlauf besonderes Ge- wicht zu.

Etwa zehn Prozent aller krankhaften Haarausfälle gehören zur Gruppe der diffusen symptomatischen Efflu- vien*). Ihre differentialdiagnostische Abgrenzung, ursächliche Eingren- zung und — daraus resultierend — zielgerichtete Therapie macht erfah- rungsgemäß große Schwierigkeiten.

Da der Anteil von Patienten mit Kla- gen über Haarkrankheiten nicht nur in der Sprechstunde des Dermatolo- gen in den letzten Jahren stark an- gestiegen ist, sondern auch prakti- sche Ärzte, Internisten und Gynäko- logen zunehmend von ihren Patien- ten mit Haarproblemen konfrontiert und überdies auch vom Hautarzt bei der Ursachensuche zu Rate gezogen werden, sollen nachfolgend einige grundlegende Informationen zur Pa- thophysiologie und Klinik des diffu- sen Haarausfalls gegeben werden.

Das diffuse Effluvium ist definiert als ein gegenüber dem physiologischen Haarwechsel gesteigerter Verlust von Haaren aus erhaltenen Follikeln, der synchron oder wellenförmig im Bereich des gesamten Kapillitiums abläuft. Ursache dieses Phänomens können sehr viele Krankheiten, No- xen und andere Einwirkungen sein, denen gemeinsam ist, daß sie den physiologischen Ablauf der zykli- schen Wachstumsvorgänge in den Haarfollikeln stören, ohne die Folli- kel selbst zu zerstören. Der Angriffs- punkt der störenden Einwirkungen und die resultierenden pathophysio-

logischen Reaktionen können unter- schiedlich sein — was später noch zu besprechen ist.

Diffuser Haarausfall ist also keine einheitliche Krankheit, sondern ein multikausales Symptom. Es kann in jedem Lebensalter auftreten, auch wiederholt beim gleichen Patienten und dann nicht selten sogar auf- grund unterschiedlicher Ursachen.

Als Folge des gesteigerten Haarver- lustes, der nur im Schub für den Untersucher auffällig ist, zeigt sich klinisch nicht immer, jedoch meist eine Haarlichtung. Diese ist gering oder stärker ausgeprägt, tritt gele- gentlich nur im Scheitelbereich auf- fällig in Erscheinung (Abbildung 1) — obwohl der Haarausfall nie auf diese Region beschränkt ist — und ist eine Veränderung, die den Patienten sehr stört. Hochgradiger und — selten — fast vollständiger Haarverlust (Abbil- dung 2) kommt vor. Ganz kahl wird die Kopfhaut aber nicht, einzelne verstreut stehende Haare bleiben stets erhalten.

Bei chronisch verlaufenden diffusen Effluvien kommt es häufig zu einer stärkeren öligen Seborrhöe, gele- gentlich zu verstärkter Schuppenbil- dung. Zu Unrecht werden sie von Laien als Ursache des Haarausfalls angesehen. Andere krankhafte Ver- ,änderungen an der Kopfhaut fehlen

*) Haarausfall = Effluvium capillorum

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Abbildung 5 (oben): Toxisches Efflu- vium nach Goldbehandlung wegen progressiv chronischer Polyarthritis Abbildung 6 (Mitte): Fast totaler Haar- verlust infolge Vitamin-A-lntoxikation Abbildung 8 (unten): Dystrophische Haarwurzeln: die radikalen Anteile der Haare sind verdünnt, unregelmä- ßig gestaltet, brüchig und zum Teil mit bandartigen schwarzen Markie- rungen versehen.

Abbildung 1 (oben): Chronische dif- Abbildung 3 (oben): Diffuse Haarlichtung fuse Alopezie: 'scheinbar auf den bei Erythrodermie

Scheitelbereich beschränkt

Abbildung 4 (Mitte): Thalliumvergiftung Abbildung 2 (Mitte): Hochgradiges

akutes toxisches Effluvium

Abbildung 7 (unten): Haarausfall un- ter Endoxantherapie

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Aktuelle Medizin

Diffuser Haarausfall

Abbildung 9 (oben): Diffuses Efflu- vium vom verzögerten Typ bei sechs- jährigem Kind, etwa drei Monate vor- ausgehend schwere Grippe Abbildung 10 (Mitte): Diffuse Haar- lichtung etwa drei Monate nach Schädel-Hirn-Trauma

Abbildung 11 (oben): Symptomatisches Effluvium bei Jodverwertungsstörung (erhöhte Jodspeicherung und Struma)

Abbildung 12 (Mitte): Diffuse Haarlich- tung und gesteigerte Kräuselung bei schwerer alkoholischer Hepatopathie

Abbildung 13 (oben): Chronisch dif- fuser Haarausfall bei einem Patienten mit agastrischem Syndrom

Abbildung 14 (Mitte): Spärlicher Rest- Haarbestand in der durch Paramylo- ideinlagerung verdickten und im Re- lief vergröberten Kopfhaut

Abbildung 15 (unten): Hochgradiger Abbildung 16 (unten): Gleicher Pa-

Haarverlust nach (krimineller) Thal- tient wie Abbildung 15, Zustand nach

liumvergiftung sieben Monaten ohne Behandlung

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in der Regel. Sind sie vorhanden, zum Beispiel in Form einer dysse- borrhoischen Dermatitis, eines Kon- taktekzems oder einer Erythroder- mie, dann können sie auch Ursache des Haarausfalles sein.

Aus dem eigenen Krankengut und aus publizierten Statistiken ergibt sich, daß diffuser Haarausfall bei Frauen mehr als zehnmal häufiger als bei Männern diagnostiziert wird.

Dieser (scheinbare) Unterschied im Geschlechtsbefall findet seine Erklä- rung wahrscheinlich darin, daß ein Haarverlust von Männern weniger beachtet oder als anlagemäßiger Haarausfall vom männlichen Typ fehlgedeutet wird. Je ausgeprägter eine androgenetische Alopezie beim Mann ist, desto weniger wird auch ein zusätzlicher diffuser Haarausfall auffällig sein.

Die Störung der Wachstumsvorgän- ge in den Haarfollikeln, die zum dif- fusen Haarausfall führt, kommt meist dadurch zustande, daß die mitotisch aktiven Matrixzellen ana- gener (wachsender) Haare in ihrem Stoffwechsel beeinträchtigt werden.

Dabei rufen die vielfältigen unter- schiedlichen Schadenseinwirkun- gen, die zu einer solchen Beein- trächtigung führen können, an den Follikeln relativ stereotype Reaktio- nen hervor, die offenbar nicht von der Art der Schädigung abhängig sind, sondern von der Intensität und Dauer ihrer Einwirkung.

Schwache Noxen führen zu einem vorzeitigen Eintreten wachsender Haare in die Telogen-(Ruhe-)phase.

Diese fallen nach zeitlich regelrech- tem Ablauf des Ruhestadiums aus, und zwar zusätzlich zu den Kolben- haaren, die durch physiologischen Haarwechsel verlorengehen. Mor- phologisCh kann man nicht unter- scheiden, ob ein Telogenhaar nach regelrechtem Ablauf des Haarzyklus gebildet wurde oder vorzeitig durch Einwirkungen, die den Ablauf des Haarzyklus gestört oder zeitlich ver- ändert haben. Das gilt auch für Haa- re, die unter Sexualhormoneinwir- kung in die Ruhephase eingetreten sind (siehe nebenstehend).

Charakteristisch für das telogene Ef- fluvium ist also nicht das Ausfallen von Kolbenhaaren an sich, sondern ihr vermehrtes Ausfallen. Dem ent- spricht im Trichogramm*) ein erhöh- ter Anteil telogener Haare in allen Arealen der Kopfhaut. Entsprechend der Zeitdauer der Telogenphase tritt ein Haarausfall dieses Typs mit einer Verzögerung von etwa drei Monaten nach dem auslösenden Ereignis auf.

Anders ist das, wenn stärkere Schä- den den wachsenden Haarfollikel treffen. Es kommt dann zu einer Hemmung der mitotischen Aktivität der Matrixzellen oder zu einer Stö- rung der Keratinisierung des Haars, und als Folge davon zur Bildung mehr oder weniger stark verdünnter dystrophischer Haare. Diese bre- chen spontan oder unter normaler mechanischer Belastung — beson- ders beim Waschen und Kämmen — leicht ab. Bei sehr starker Schädi- gung kann die Haarbildung auch ab- rupt sistieren, was gleichfalls zum Abbrechen der Haare in den betrof- fenen Follikeln führt. In beiden Fäl- len kommt es zum Ausfallen von Haaren mit deformierten dystrophi- schen wurzelnahen Haarenden, die auch im Trichogramm nachzuwei- sen sind. Solche dystrophischen Haare fallen nicht verzögert aus, sondern wenige Tage nach der Schädigung, sozusagen aus der Wachstumsphase heraus. Man spricht deshalb von einem anage- nen oder (bei uns) von einem dystro- phischen Effluvium.

Von einem gemischten Effluvium sprechen wir, wenn bei chronischen wachstumsstörenden Einwirkungen ein Teil der Follikel mit der Bildung dystrophischer Haare reagiert und ein anderer Teil vorzeitig in die Ru- hephase eintritt. Häufig findet man das bei chronischen Schadensein- wirkungen, insbesondere inneren

Erkrankungen, die Haarausfall aus- lösen. Im Trichogramm sind dann dystrophische Haare und vermehrt Kolbenhaare zu finden.

Bei akuten toxischen Effluvien vom dystrophischen Typ kann ein ge- mischtes Effluvium im Trichogramm vorgetäuscht werden, wenn nach

Verlust sehr zahlreicher dystrophi- scher Haare der (physiologische) Anteil telogener Haare relativ zu hoch erscheint.

Die Ursachen für ein diffuses Efflu- vium aufgrund der besprochenen Mechanismen lassen sich in vier Gruppen zusammenfassen:

O Lokale Erkrankungen der Kopf- haut

O Externe Schädigungen der Kopf- haut

• Wirkungen von Stoffen, die dem Organismus innerlich zugeführt wurden (Medikamente, Chemika- lien, Gifte) und

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Allgemeinkrankheiten oder Er- krankungen innerer Organe

Die Klärung der Ursache kann im Einzelfall schwierig sein und erfor- dert zusammenfassende Bewertung von anamnestischen Angaben, klini- schem Befund, Verlauf und Tricho- gramm.

Am einfachsten sind in der Regel Haarausfälle durch lokale Kopfhaut- erkrankungen zu erkennen. Entwe- der sehen wir die Erscheinungen der auslösenden Dermatose bei der In- spektion, oder der Patient wird be- richten, daß die Kopfhaut entzündet war. Vorwiegend Ekzeme und Ery- throdermien (Abbildung 3) lösen dif- fusen Haarausfall aus, nur extrem selten — in Relation zum häufigen Kopfhautbefall — auch einmal die Psoriasis.

Ausschließlich bei den durch Er- krankung der Kopfhaut verursach- ten diffusen Haarausfällen ist eine antiphlogistische Lokalbehandlung indiziert.

Externe Kopfhautschädigungen spielen als Auslöser diffuser Efflu- vien insgesamt eine geringe Rolle.

Das Trichogramm (Haarwurzelstatus) ist ei- ne dermatologische Routinemethode zur Bestimmung des prozentualen Anteils wachsender, ruhender und krankhaft ver- änderter — dystrophischer — Haare in ver- schiedenen Arealen der Kopfhaut.

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Aktuelle Medizin

Diffuser Haarausfall

Zu erwähnen sind Röntgenstrahlen bei Strahlenunfällen oder zur Epila- tion. Extrem seiten ist die örtliche Einwirkung sprühbarer Pestizide (DDT).

Für akut auftretende Effluvien ist meist die innerliche Zufuhr haar- schädigender Substanzen verant- wortlich zu machen. Plötzlicher und rasch progredienter Haarausfall vom dystrophischen Typ, der innerhalb kurzer Zeit zu hochgradiger Haar- lichtung führt, spricht für die Einwir- kung einer hochtoxischen Noxe.

Thallium und andere Schwermetal- le, Zytostatika, Vitamin A sowie Vit- amin-A-Säure-Derivate kommen als häufigste Auslöser in Frage (Abbil- dungen 4 bis 7).

Bei mikroskopischer Untersuchung der Haare sieht man oft im spitzen dystrophischen Bruchende die von Widy beschriebenen bandförmigen schwarzen Einlagerungen (Abbil- dung 8) oder ungewöhnliche kol- benartige Verformungen der radika- len Haarenden (Zaun und Ludwig).

Akute toxische Effluvien heilen spontan, bei zytostatischer Auslö- sung oft schon unter Fortführung der Behandlung. Unter der großen Zahl anderer Medikamente, die als Ursache diffuser Haarsausfälle be- richtet wurden, spielen — der Häufig- keit nach — nur Antikoagulantien (insbesondere Marcumar) und Anti- hypercholesterinämika (Clofibrat, Triparanol, Nikotinsäure) eine grö- ßere Rolle. Sie verursachen meist ei- nen akuten Haarausfall vom Spättyp (telogenes Effluvium) der ebenfalls plötzlich einsetzt, aber nur zu mäßi- ger bis mittelgradiger Haarlichtung führt.

Nach einigen Monaten kommt er meist spontan zum Stillstand. Sorg- fältige Medikamentanamnese ist bei jedem Haarausfall wichtig.

Ein akutes telogenes Effluvium kann aber auch nach verschiedenen In- fektionen wie Typhus, Grippe (Abbil- dung 9), Erysipei, Pneumonie und Syphilis auftreten. Ferner sieht man solche Haarausfälle nach schweren

Schädel-Hirn-Traumen (Abbildung 10), gelegentlich gemeinsam mit ei- ner Hypertrichose an Stamm und Extremitäten. In allen diesen Fällen ist keine Therapie erforderlich.

Diesen akuten bis subakuten Ver- laufsformen steht die große Gruppe der chronischen diffusen Effluvien vom telogenen oder gemischten Typ gegenüber, die meist erhebliche Mü- hen bei der Ursachensuche machen.

Der Haarausfall beginnt schleichend und ist fast nie ausgesprochen hochgradig. Wird aber die Ursache nicht gefunden und auch ausge- schaltet, dann kommt es durch den kontinuierlich vermehrten Haarver- lust nach einigen bis vielen Jahren doch zu einer ausgeprägten Alope- zie. Ungezielte Behandlung ist nutz- los. Nur mühsame Suche nach aus- lösenden Krankheiten kann dem Pa- tienten helfen.

Im eigenen Krankengut sind Störun- gen der Schilddrüsenfunktion be- sonders häufig gefunden worden (Abbildung 11). Die Abheilung des oft langjährig bestehenden und al- len Therapieversuchen trotzenden Haarausfalls nach substituierender Behandlung erbringt den Beweis des Zusammenhangs.

Auch bei Hepatopathien ist Haaraus- fall nicht selten (Abbildung 12). Su- chen muß man ferner nach Mangel- krankheiten: Eisen- oder Zinkman- gel, Fehl- und Unterernährung oder auch Malabsorption, zum Beispiel bei Magenresektion (Abbildung 13).

Bei schweren konsumierenden Er- krankungen (Dermatomyositis, mali- gne Tumoren, Kachexie) tritt der be- gleitende symptomatische Haaraus- fall gegenüber anderen Symptomen meist in den Hintergrund.

Ausschließlich bei jungen Frauen, hier aber nicht selten, führt ein an- dersartiger Mechanismus zum Bild des diffusen Effluviums: Im Gefolge ausgeprägterer — aber nicht unphy- siologischer — Veränderungen im Sexualhormonhaushalt kann der Wachstumsrhythmus der Haarwur- zeln in seinem zeitlichen Ablauf ver-

ändert werden, so daß es zu ver- mehrtem Eintreten wachsender Haa- re in die Ruhephase kommt. Folge ist ein schubweiser, stets reversibler Haarverlust. Der bekannteste Haar- ausfall dieser Art ist das Effluvium post partum. Aber auch der vorüber- gehende — nicht androgenbedingte

— Haarausfall während oder nach Einnahme von hormonalen Kontra- zeptiva gehört hierher.

Einen extrem seltenen Pathomecha- nismus fanden wir bei einem Patien- ten mit systematisierter Haut-Mus- kel-Paramyloidose (Abbildung 14 auf Seite 585).

Bei ihm wurden in die Follikel der Haare, die nach Abschluß des phy- siologischen Wachstumszyklus in die Ruhephase eintraten, pathologi- sche Eiweißstoffwechselprodukte kompakt eingelagert. Dadurch wur- de die Bildung neuer wachsender Follikel mechanisch gehemmt. Das ist Ursache der fortschreitenden Haarlichtung, die klinisch als diffu- ses Effluvium imponiert.

Differentialdiagnostisch ist das dif- fuse Effluvium zu unterscheiden von diffusen Formen der Alopecia areata sowie — zahlenmäßig bedeutsamer — von der androgenetischen Alopezie.

Letztere ist insbesondere bei der Frau und in initialen Stadien klinisch oft nicht abzugrenzen, in der Regel aber anhand des Trichogramms und der Beachtung anderer Virilisie- rungsmerkmale abgrenzbar.

Diese Differentialdiagnose ist be- deutsam, da die bei androgeneti- scher Alopezie wirksame antiandro- gene Hormonbehandlung bei Haar- ausfällen anderer Ursache naturge- mäß nutzlos, wenn nicht schädlich ist.

Zusammenfassung

Bei der vorstehenden Darstellung wurde bewußt darauf verzichtet, ei- ne Aufzählung aller — zum Teil um- strittener — Krankheiten oder Noxen zu geben, die als Ursache diffuser Haarausfälle nachgewiesen sind oder angeschuldigt werden.

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Hyperamylasämie bei Alkoholisierten — kein Hinweis

auf Pankreatitis

Viele Betrunkene, die in Aufnahme- stationen eines Krankenhauses eingeliefert werden, klagen über Bauchschmerzen. Findet sich bei entsprechenden Blutuntersuchun- gen eine Hyperamylasämie, so liegt der Rückschluß auf eine akute alko- holinduzierte Pankreatitis nahe. Die Autoren untersuchten bei 174 Be- trunkenen die Amylaseaktivität in Serum und Urin. Bei 16 Patienten (9,2 Prozent) fanden sich pathologi- sche Werte, die weitere Aufschlüsse- lung in lsoenzyme ergab, daß es sich in der Mehrzahl der Fälle um Amyla- se aus der Ohrspeicheldrüse handel- te. Nur bei einem Patienten ergaben sich eindeutige Hinweise auf eine Pankreaserkrankung. Die Hyper- amylasämie bei Alkoholisierten soll- te aus diesem Grund nicht mit einer akuten Pankreatitis gleichgesetzt werden.

Berk, J. E.; Fridhandler, L.; Webb, S. F.: Does hyperamylasemia in the drunken alcoholic sig- nify pancreatitis? Am. J. Gastroent. 71 (1979) 557-562, Division of Gastroenterology, College of Medicine, University of California, Irvine

Lungenszintigramm und Radionuklid-Venographie:

Verbesserung

der Emboliediagnostik

Der Nachweis der Lungenembolie ist zusammen mit dem Röntgen- Thorax-Bild durch das Lungen- perfusions-Szintigramm mit 99 n'Tc- markierten Mikrosphären oder Al- buminmakroaggregaten in den mei- sten Fällen möglich. Allerdings müs- sen 26 Prozent falschpositive Befun- de erwartet werden, die sich vermei- den lassen wenn die Radionuklid- Venographie zusätzlich durchge- führt wird. Diese Methode ist für den Patienten kaum belastend und er- laubt nachzuweisen, ob im venösen System der Extremitäten und des Beckens Abflußanomalien vorlie- gen, die die Wahrscheinlichkeit ei-

ner Thrombose und damit einer Em- bolie entscheidend vergrößern. Bei- de Methoden zusammen haben zum Nachweis der Lungenembolie eine Genauigkeit von 94 Prozent bei 95 Prozent Empfindlichkeit und 92 Pro- zent Richtigkeit, während das Lun- genszintigramm allein zwar jede Embolie nachweist (100 Prozent Empfindlichkeit), aber durch gerin- ge Richtigkeit (74 Prozent) nur eine mäßig gute Genauigkeit von 86 Pro- zent aufweist. Mhs

Ahmad, M.; Fletcher, J. W.; Pu r-Shahriari, A. A.;

George, E. A.; Donati, R. M.: Radionuclide Ve- nography and Lung Scanning: Concise Com- munication, J. Nucl. Med. 20 (1979) 291-293, Munir Ahmad, Nuclear Medicine Service (115JC) VA Hospital, St. Louis Mo. 63125 USA

Lymphom

mit tödlichem Ausgang nach Transplantation von kultiviertem Thymus

Bei Kindern mit einem kombinierten Immundefekt, für die keine kompati- blen Knochenmarksspender zur Ver- fügung stehen, wird die Transplan- tation allogenen, kultivierten Thy- musepithels angestrebt. Drei von insgesamt 30 Kindern, bei denen die Autoren diese Transplantation zur Wiederherstellung des immunologi- schen Systems durchführten, ent- wickelten in einem kurzen zeitlichen Abstand zu diesem Eingriff ein mali- gnes B-Zell-Lymphom, das unmittel- bare Todesursache war. Bei diesen drei Kindern konnte eine verminder- te Suppressorzell-Aktivität vor der Transplantation gefunden werden, so daß anzunehmen ist, daß das Transplantat zu einer Immunstimu- lation geführt hat und die B-Zell-Pro- liferation die Folge einer nicht ad- äquaten Immunregulation ist. Das Auftreten dieser tödlichen Kompli- kation bei drei Kindern verdeutlicht, daß die Wiederherstellung des Im- munsystems mit erheblichen Proble- men verbunden sein kann. Gob

Borzy, M. S.; Hong, R.; Horowitz, S. D.; Gilbert, E.; Kauf man, D.; DeMendonca, W.; Oxelius, V_- A.; Dictor, M., and Pachman, L.: Fatal Lympho- ma after Transplantation of Cultered Thymus in Children with Combined lmmunodeficiency Disease, N. Engl. J. Med. 301 (1979) 565-568

Vielmehr sollte deutlich gemacht werden, daß nur durch zusammen- fassende Bewertung von Vorge- schichte, klinischem Befund, Ver- lauf, Trichogramm und gegebenen- falls gezielt erhobenen Labordaten die ursächliche Eingrenzung mög- lich ist, wobei der Anamnese immer entscheidendes Gewicht zukommt.

Rekapituliert man, wie vielfältig die Ursachen für das Symptom diffuser Haarausfall sind und daß es auf- grund ganz unterschiedlicher patho- physiologischer Vorgänge zustande kommen kann, dann wird verständ- lich, wenn die „Erfolge" einer sym- ptomatischen Behandlung fast aus- nahmslos dahingehend bewertet werden, daß durch die vorgenom- mene Therapie die Spontanheilung nicht gestört wurde (vergleiche Ab- bildungen 15 und 16).

Literatur

Bosse, K.: Beobachtungen zum Mechanismus des postinfektiösen Haarausfalls, Hautarzt 20 (1969) 34-37 — Braun Falco, 0.: Dynamik des normalen und pathologischen Haarwachs- tums, Arch. klin. exp. Derm. 227 (1966) 419-452

— Ludwig, E.: Effluvien und Alopecien als klini- sche Manifestation einer Störung des physiolo- gischen Haarwechsels, Kosmetologie 2, (1972) 59-63 — Ippen, H.: Haarausfall durch Medika- mente, Deutsch. med. Wschr. 95 (1970) 1411-1416 — Orfanos, C. E. (Hrsg.): Haar und Haarkrankheiten, Fischer, Stuttgart/New York 1979 — Zaun, H.: Diffuses Effluvium, Kausaldia- g nose als Grundlage der Therapie, akt. derma- tol. 1, (1975) 119-124 — Zaun, H.: Pathologie der Haare, in: Spezielle pathologische Anato- mie, Bd. 7/1 Histopathologie der Haut. Derma- tosen (Hrsg.: U. W. Schnyder) S. 479-509, Springer, Berlin/Heidelberg/New York 1978

—Zaun, H.: Krankheiten der Haare, in: Dermato- logie in Praxis und Klinik (Hrsg.: G. W. Korting) Bd. 111/30.1-30.29 Thieme, Stuttgart 1979

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Hansotto Zaun Hautklinik

im Zentralkrankenhaus Reinkenheide

2850 Bremerhaven 1

Referenzen

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