V A R I A
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 15⏐⏐14. April 2006 AA1027
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ie Allgemeinen Bestim- mungen der Gebüh- renordnung für Ärzte (GOÄ) zu einzelnen Begriff- lichkeiten sind nicht immer einfach zu verstehen. Beson- dere Schwierigkeiten bereitet auch zehn Jahre nach Einfüh- rung der geltenden GOÄ 96 der Begriff des „Behand- lungsfalls“. Der Begriff „Be- handlungsfall“ wurde dem Einheitlichen Bewertungsmaß- stab entlehnt und sollte zur Konkretisierung des bis dahin verwendeten Begriffs „Krank- heitsfall“ dienen.Der „Behandlungsfall“ ist in den Allgemeinen Bestim- mungen zu Abschnitt B der GOÄ definiert: „Als Behand- lungsfall gilt für die Behand- lung derselben Erkrankung der Zeitraum eines Monats nach der jeweils ersten Inan- spruchnahme des Arztes.“
Kontrovers diskutiert wird die Definition und Abgren- zung „derselben Erkrankung“.
Häufig werden alle Kompli- kationen einer Erkrankung bereits als neuer „Behand- lungsfall“ betrachtet. Dabei
muss beachtet werden, dass der Verordnungsgeber im normalen „Behandlungsfall“
beispielsweise die mehrfache Vergütung der Beratung nach Nr. 1 GOÄ und der symptom- bezogenen Untersuchung nach Nr. 5 GOÄ einschränken woll- te. Tritt etwa bei der Be- handlung einer verschmutzten Schnittwunde eine Infektion auf, die antibiotisch behandelt werden muss, so ist dies als derselbe „Behandlungsfall“ zu werten. Tritt jedoch bei einem Grundleiden eine deutliche Verschlechterung ein, erleidet etwa ein Patient mit einer be- kannten Arteriosklerose eine transitorisch ischämische At- tacke, so handelt es sich um ei- nen neuen „Behandlungsfall“, da erneut eine Aufklärung und Beratung medizinisch notwen- dig werden. Ein ähnlicher Fall liegt vor, wenn bei einem Pati- enten mit bekanntem Diabe-
tes mellitus eine Polyneuro- pathie neu festgestellt wird.
Schwieriger wird die Ab- grenzung, wenn mehrere „Be- handlungsfälle“ dadurch par- allel laufen, weil während der Behandlung der „ersten“ Er- krankung eine „zweite“ und unter Umständen noch weite- re hinzukommen. Um die Ab- grenzung der „Behandlungs- fälle“ zu verdeutlichen, Miss- verständnissen vorzubeugen und die Erstattung zu erleich- tern, sind eindeutige Hinweise wie „neuer Behandlungsfall“
am ersten Behandlungstag auf der Rechnung hilfreich. Gut wäre auch, wenn die Diagnose des neuen „Behandlungsfalls“
an dieser Stelle ebenfalls ver- merkt wäre, was jedoch in der Praxis aufwendig ist. Notwen- dig ist auf jeden Fall eine gute Dokumentation der Daten und Diagnosen in den (elek- tronischen) Krankenakten, da-
mit auch die Rechnungser- stellung ohne zeitaufwendige Rückfragen und Missver- ständnisse erfolgen kann.
Der Zeitraum „eines Mo- nats“ ist als Kalendermonat zu verstehen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch wird die Monats- frist in § 188 Abs. 2 so definiert, dass der Tag des Behandlungs- beginns bei der Berechnungs- frist nicht mitzählt. Wird ein Patient wegen einer neuen Erkrankung erstmalig am 2. Februar 2006 behandelt, so beginnt bei der Fortführung dieser Behandlung gebühren- rechtlich ein neuer „Behand- lungsfall“ am 3. März 2006, am 4. April 2006, am 5. Mai 2006, am 6. Juni 2006 und so weiter.
Eine Eselsbrücke: Monat plus eins und Tag plus eins.
Ein Beispiel zu den Ein- schränkungen des „Behand- lungsfalls“ in Bezug auf Bera- tung und Untersuchung ist im GOÄ-Ratgeber von Heft 13 2006 vom 31. März nachzule- sen. Weitere Beispiele folgen im nächsten GOÄ-Ratgeber (Heft 17, 28.April 2006).
Dr. med. Anja Pieritz
Der Behandlungsfall (2)
Schwierige Definition
GOÄ-Ratgeber