ZZI Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie / JDI Journal of Dental Implantology
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3/2018
ZZI Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie Band 34 3/2018
IMPLANTATION BEI KINDERN UND
JUGENDLICHEN__196
Ausgeprägte Oligodontie__206
Intraoperativer Implantatscan__212
SPECTATOR CONGRESS – 32. KONGRESS
DER DGI NACH S. 234
klinische 42
Studien
98,5%
durchschnittliche Überlebensrate*
*Folge-Studie über 5 Jahre
Über
14.300
ausgewertete Implantate
Über
2.600
behandelte Patienten
Vielfach kopiert und nie erreicht
Seit seiner Einführung im Jahr 2008 haben Implantathersteller auf der ganzen Welt die einzigartigen Vorteile des NobelActive Implantats entdeckt. Heute sind zahlreiche
„Doppelgänger“ des NobelActive Implantats auf dem Markt erhältlich, doch keines dieser Implantate verfügt über die breite Palette an Anwendungsmöglichkeiten, das umfassende Prothetiksortiment und die überzeugenden klinischen Nachweise des Originals - die Zahlen sprechen für sich.
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das Original seit 2008.
I EDITORIAL I
PERIIMPLANTÄ RE INFEKTIONEN
Wir wissen inzwischen sehr viel über Mukositis und Periimplantitis – doch was wissen unsere Patienten?
Prof. Dr. Frank Schwarz
Ende Juni haben die American Academy of Periodontology und die European Federa - tion of Periodontology eine neue Klassifikation parodontaler und erstmals auch periim- plantärer Erkrankungen veröffentlicht. An diesem Projekt haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt gearbeitet, 19 Übersichtsarbeiten und vier Konsensusberichte geschrieben und diese bei einem Workshop diskutiert (Mehr dazu auf Seite 262). Das neue Wissen über periimplantäre Erkrankungen steht auch im Mit- telpunkt eines DGI-SPECIAL „Update Periimplantäre Infektionen“ mit international füh- renden Experten am 29. September in Frankfurt/Main, zu dem ich Sie herzlich einlade.
Die erstmalige Klassifizierung periimplantärer Erkrankungen war dringend erforder- lich. Schließlich steigt weltweit die Zahl der Patienten, die mit Implantaten versorgt wer- den und damit auch die absolute Zahl der Komplikationen. Mukositis und Periimplantitis rücken dabei zunehmend in den Fokus, galt es doch, sich von manchen Überzeugungen zu verabschieden.
Die Periimplantitis – ein pathologischer Prozess in den Geweben um Zahnimplanta- te, geprägt von einer Entzündung des Weichgewebes und fortschreitendem Knochen- abbau – galt früher als eine Komplikation, die erst viele Jahre nach einer Implantation auftreten kann. Heute wissen wir, dass die Erkrankung bereits zwei bis drei Jahre nach der Implantation beginnen kann und dass sie sich nicht-linear und – verglichen mit einer Parodontitis – beschleunigt entwickelt.
Ebenso wissen wir, dass eine Mukositis durch eine regelmäßige Plaque-Entfernung und eine bessere Mundhygiene gut behandelt und somit in den meisten Fällen eine Pe- riimplantitis vermieden werden kann.
Wir wissen also schon ziemlich viel über periimplantäre Erkrankungen – doch was wissen unsere Patienten? Eine Untersuchung lieferte diesbezüglich im vergangenen Jahr eine ernüchternde Bilanz: Drei Viertel der Patienten, die nach einer Implantatbe- handlung im regelmäßigen Recall standen, wussten nichts über die Gefahren einer Pe- riimplantitis. Darum fordert das Autorenteam standardisierte Informationsmaterialien, um Patienten besser über Risikofaktoren und Indikationen der Implantattherapie zu in- formieren und so auch der Periimplantitis vorzubeugen. Eigentlich ist unsere Botschaft simpel: Ein Zahnimplantat muss mindestens so gut gepflegt werden wie die natürlichen Zähne. Ebenso ist eine individuell gesteuerte Prophylaxe unabdingbar. Darum wird die DGI zu ihrem 32. Kongress entsprechende Informationen für Patienten vorlegen – Wis- sen und Verstehen sind der Treibstoff für eine wirksame Prophylaxe.
I INHALTSVERZEICHNIS I
185
EDITORIAL192
PRAXIS & WISSENSCHAFT
KNÖCHERNE AUGMENTATION
PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, PD Dr. Karl M. Lehmann
196 PROSPEKTIVE IMPLANTATION BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN
Dr. M.Sc. M.Sc. Jan Tetsch
206 AUSGEPRÄGTE OLIGODONTIE
Franziska Hensel, Dr. Thomas Barth, Christian Barth, Dr. Anke Steiniger
212 INTRAOPERATIVER IMPLANTATSCAN
Dr. Kay Vietor
220 ANLAGERUNGSOSTEOPLASTIK
Dr. Dr. Jürgen Roese
230 PROSPEKTIVE IMPLANTATION
Dr. M.Sc. M.Sc. Jan Tetsch, Prof. Dr. Dr. Marcus Klein
I−VIII
SPECTATOR CONGRESS − SONDERAUSGABE ZUM 32. KONGRESS DER DGI IN WIESBADENINTERVIEW: PROF. DR. DR. KNUT A. GRÖTZ UND PROF. DR. DR. BILAL AL-NAWAS WIESBADEN ENTDECKEN: DAS RAHMEPROGRAMM AUF EINEN BLICK
190
REDAKTIONSTEAMINHALT
Durch reflektierende Instrumente verliert die Scansoft ware die Orientierung:
Tipps & Tricks ab Seite 212
I INHALTSVERZEICHNIS I
242 DGI-FORTBILDUNGSREFERENTEN ZUM CURRICULUM
Nachgefragt bei Prof. Dr. Florian Beuer und Prof. Dr. Günter Dhom
250 MEHR SICHERHEIT BEIM IMPLANTIEREN
Christian Horn und Dr. Sandra Stolz über ihre Erfahrungen aus dem Curriculum
252 32. KONGRESS DER DGI
Die personalisierte Implantologie im Fokus
254 BEI LICHTE BESEHEN ...
Prof. Dr. Rainer Schmelzeisen über Kunst, Medizin und seine Ausstellung
256 KONGRESSTHEMEN IM FOKUS
Was bieten die Tischdemonstrationen?
262 PERIIMPLANTITIS ERSTMALS KLASSIFIZIERT
Internationales Expertenteam liefert Basis
264 INTRAVENÖSE SEDIERUNG
Neu im Fortbildungsformat DGI-Spezial
266 IMPLANTOLOGIE − ÄSTHETIK − NETZWERK
DGI, DGÄZ und Dentista beim Dental Summer
268 DIGITALE IMPLANTOLOGIE
Kompaktwissen an einem Tag lieferte das DGI-Spezial in Würzburg
270
Titelseitenbild: ©mrgarry − stock.adobe.com MARKT
278
OFFENLEGUNG280
IMPRESSUM236 CURRICULUM IMPLANTOLOGIE DGI UND APW
Sichert seit 20 Jahren die Qualität in der Implantologie
232
DGI NACHRICHTEN
TAGUNGSKALENDER DGI
Negative Auswirkung auf den Alveolarfortsatz nach Verlust des Zahns 21 im Alter von 11 Jahren:
Originalarbeit ab Seite 196
I REDAKTIONSTEAM I
→
PROF. DR. DR. BILAL AL-NAWAS ChefredakteurZZI-REDAKTIONSTEAM
→
DR. SONIA MANSOUR, M.SC.Schriftleitung Bereich Digitales
→
PD DR. KARL M. LEHMANN Autor→
PD DR. STEFAN FICKL Schriftleitung Bereich Parodontologie→
FRANZISKA HENSEL Autorin→
DR. JAN TESCH, M.SC. M.SC.Autor
→
PD DR. JEREMIAS HEY Schriftleitung Bereich Prothetik→
PROF. DR. DR. MARCUS KLEIN Autor→
DR. KAY VIETOR Autor→
PD DR. DR. PEER W. KÄMMERERSchriftleitung Bereich Chirurgie
→
PROF. DR. DR. CHRISTIAN WALTERSchriftleitung Bereich Chirugie
→
DR. DR. JÜRGEN ROESE Autor→
DR. KARL-LUDWIG ACKERMANNErweiterte Schriftleitung
→
PROF. DR. GERMÁN GÓMEZ-ROMÁNErweiterte Schriftleitung
→
PROF. DR. MARTIN LORENZONI Erweiterte SchriftleitungKNÖCHERNE AUGMENTATION
Therapieoptionen bei Vorliegen einer Periimplantitis
PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, PD Dr. Karl M. Lehmann
EINLEITUNG
Bei der Periimplantitis als Kombination der Entzündung periimplantärer Weichgewe- be mit um das Implantat lokalisiertem Kno- chenverlust hängt die Prognose vor allem vom jeweiligen Schweregrad und somit vom Ausmaß des pathologischen Kno- chenabbaus ab. Nichtchirurgische Thera- pieverfahren scheinen bei einer manifes- ten Periimplantitis zu schlecht vorherseh- baren und somit wenig effektiven Ergeb- nissen zu führen. Dies bedeutet im Gegen- zug allerdings nicht, dass auf sie verzichtet werden kann: Sie sollten vor jeder chirurgi- schen Intervention durchgeführt werden, da dies u.a. dem Arzt Zeit gibt, die Hei- lungsreaktion des Gewebes und die Fä- higkeit des Patienten, wirksame Mundhy-
gienemaßnahmen anzuwenden, zu begut- achten. Außerdem gibt es durchaus Fälle, in denen nach der konservativen Therapie keine weitere Behandlung notwendig ist.
Trotzdem ist derzeit die chirurgische The- rapie – das Ausräumen des Granulations- gewebes im Sinne eines Débridements und die Dekontamination der Implantat- oberfläche – das Mittel der Wahl, wobei ei- ne periimplantäre Knochenregeneration und die Re-Osseointegration der betroffe- nen Implantate damit nur insuffizient zu er- reichen sind. Somit fehlt aktuell ein im Er- gebnis voraussehbares regeneratives Protokoll, und es ist weitgehend unklar, wann und in welchem Ausmaß ossäre Re- generationstechniken anzuwenden sind.
Daher ist es das Ziel der vorliegenden Lite-
raturübersicht, die diesbezügliche Evidenz exemplarisch aufzuarbeiten.
LITERATURÜBERSICHT
Blume O, Hoffmann L, Donkiewicz P, We- nisch S, Back M, Franke J, Schnettler R, Barbeck M
Behandlung der durch eine Periimplan- titis stark atrophierten Maxilla mittels GBR-Techniken unter Anwendung ei- nes individualisierten allogenen Kno- chenblocks: ein Fallbericht
Treatment of severely resorbed maxilla due to peri-implantitis by guided bone re- generation using a customized allogenic bone block: a case report
Materials 2017; 10: 1213 I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I
Fotos: Peer Kämmerer
Studientyp:
Fallbericht
Ziel der Studie:
Beschreibung der Behandlung eines durch Periimplantitis und Implantatentfer- nung verursachten Knochendefekts im Oberkiefer durch einen allogenen Kno- chenblock nach modifizierter Poncho- Schnittführung.
Ergebnisse:
Erfolgreiche Re-Implantation nach 6 Mona- ten Einheilzeit bei histologisch in vitalen Knochen und Bindegewebe eingebettetem residualem Knochenersatzmaterial.
Schlussfolgerung und Bewertung:
Es wurde auf die Behandlung der 3 im Oberkieferfrontzahnbereich befindlichen einteiligen Implantate im Sinne einer Rege- neration bei zu erwartender schlechter Prognose verzichtet. Somit handelt es sich um die Regeneration eines ossären De- fekts nach Entfernung der Implantate ge- meinsam mit dem alterierten Knochen. Ein- drucksvoll zeigt sich das Potenzial der allo- genen Knochenblöcke auch bei ausge- dehnteren kombiniert lateralen und vertika- len Augmentationen, wobei eine derartige Re-Augmentation und Implantation eben- falls zur Periimplantitisbehandlung gehört.
Natürlich ist aus einem Fallbericht nur eine geringe – wenn überhaupt – Evidenz abzu- leiten.
Ramos DU, Suaid FA, Wikesjö UME, Su- sin C, Taba M Jr, Novaes AB Jr
Vergleich zweier antimikrobieller Pro- tokolle mit oder ohne geleitete Kno- chenregeneration bei der Periimplanti- tisbehandlung. Eine histomorphome- trische Studie an Hunden
Comparison between two antimicrobial protocols with or without guided bone re- generation in the treatment of peri-implan- titis. A histomorphometric study in dogs Clinical Oral Implants Research 2017; 28:
1388–1395
Studientyp:
Randomisierte In-vivo-Tierstudie
Ziel der Studie:
Bewertung der Periimplantitistherapie, wobei in den beiden Gruppen „photodyna-
mische Therapie“ und „topische Applikati- on von Tetracyclin“ zusätzlich entweder GBR-Techniken mit bovinem Knochener- satzmaterial oder keine solchen ange- wandt wurden.
Materialien und Methoden:
Bei 8 Hunden erfolgte die durch Ligaturen verursachte Erzeugung einer Periimplanti- tis. Randomisiert wurde nach dem Débri- dement mit Plastikküretten die Behand- lung in
- 3 Minuten Tetracyclineinwirkung, - 3 Minuten Tetracyclineinwirkung +
GBR,
- 30 Sekunden photodynamische The- rapie und
- 30 Sekunden photodynamische The- rapie + GBR
unterteilt. Nach 3 Monaten wurden 55 Im- plantatproben mit dem umgebenden Kno- chen entnommen und histologisch auf die Parameter Osseointegration der Implan- tate, Gewinn an Alveolarknochen und De- fektcharakteristiken evaluiert.
Ergebnisse:
Beide antimikrobiellen Protokolle eigen- ständig oder in Kombination mit GBR mit bovinem Knochenersatzmaterial zeigen ähnliche Ergebnisse bei der Periimplanti- tistherapie ohne signifikante Unterschiede zwischen den Protokollen.
Schlussfolgerung und Bewertung:
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass – auch wenn histologisch keine Un- terschiede zu sehen waren – das Auffüllen der Defekte mit nicht resorbierbaren bovi- nen Knochenersatzmaterialien klinisch zu Vorteilen führen könnte. Dies ist jedoch – angesichts der Nichtüberlegenheit der verwendeten Protokolle – der vorliegen- den Tierstudie bei statistisch ausreichen- den Fallzahlen nicht zu entnehmen. Aller- dings ist es auch schwer, bei der Vielzahl der untersuchten Parameter und den in Zusammenschau mit der aktuellen Litera- tur inhomogenen Dekontaminationsproto- kollen eine definitive Wertung aus der Stu- die zu entnehmen.
Renvert S, Roos-Jansaker AM, Persson GR
Chirurgische Behandlung periimplan- tärer Läsionen mit oder ohne Knochen-
ersatzmaterialien – eine randomisierte klinische Studie
Surgical treatment of peri-implantitis le - sions with or without the use of a bone sub- stitute – a randomized clinical trial Journal of Clinical Periodontology 2018;
[Epub ahead of print]
Studientyp:
Klinisch, randomisiert, prospektiv
Ziel der Studie:
Vergleich des 1-Jahres-Ergebnisses bei der Periimplantitisbehandlung in unter- schiedlichen Vergleichsgruppen.
Materialien und Methoden:
Bei 41 Patienten mit 3- bzw. 4-wandigen periimplantären Defekten wurde entwe- der eine alleinige Implantatoberflächen- reinigung (Kontrollgruppe) oder eine Im- plantatoberflächenreinigung in Kombina- tion mit einer Augmentation durch ein nichtresorbierbares bovines Knochener- satzmaterial (Testgruppe) durchgeführt.
Zu beobachtende Parameter waren die radiologische Auswertung des periim- plantären Knochens, das Bluten und der Austritt von Pus bei Sondierung, die Akku- mulation von Plaque und die Weichge- websrezessionen.
Ergebnisse:
Als einziger signifikant unterschiedlicher Parameter stellte sich eine radiologisch verbesserte periimplantäre Knochensitua- tion in der Testgruppe dar.
Schlussfolgerung und Bewertung:
Die Autoren argumentieren, dass unter Verwendung des bovinen Knochenersatz- materials bei der chirurgischen Periim- plantitisbehandlung vorhersehbarere Er- gebnisse erreicht werden. Allerdings ist die Röntgenopazität der bovinen Materia- lien bekannt, weshalb ein verbessertes ra- diologisches Ergebnis nicht unbedingt mit einer verbesserten klinischen Situation im Sinne der Entstehung von gesunden, vita- len Knochen um das Implantat herum gleichzusetzen ist. Daher wären – auch wenn ethisch wahrscheinlich nicht zu rechtfertigen – histologische Analysen wünschenswert gewesen. Somit ergibt sich, streng genommen und unter Berück- sichtigung der statistischen Signifikanzen,
I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I
in dieser randomisiertprospektiven Studie bei recht kurzem Nachbeobachtungszeit- raum ein Hinweis auf die Gleichwertigkeit der beiden Therapieprotokolle.
Renvert S, Polyzois I
Behandlung pathologischer periim- plantärer Taschen
Treatment of pathologic peri-implant po- ckets
Periodontology 2000. 2018; 76: 180–190
Studientyp:
Literaturübersicht
Ziel der Studie:
Definition, Ursache, Prävention, Therapie und Nachsorge pathologischer periim- plantärer Taschen.
Materialien und Methoden:
Nicht angegeben, rein narrative Literatur- beschreibung.
Ergebnisse:
Im Abschnitt „Chirurgische Behandlung“
geben die Autoren an, dass bei kraterför- migen oder 3-wandigen Defekten regene- rative Techniken nach der Implantatreini- gung zu empfehlen sind, wobei entweder autologer Knochen oder Knochenersatz- materialien einzusetzen sind. Sie führen fort, dass bei 2-wandigen Defekten rege- nerative Prozeduren nicht indiziert seien, da die Morphologie des Alveolarknochens eine Fixierung des transplantierten Mate - rials nicht zulasse.
Schlussfolgerung und Bewertung:
Die Aussagen der Autoren, die zu den Ex- perten auf dem Gebiet der Periimplantitis
gehören und ihre vorliegende Literatur- übersicht entsprechend hochwertig publi- zierten, sind nicht mit der entsprechenden Literatur unterlegt und gehören somit le- diglich in die Evidenzklasse IV (Experten- meinung).
SYNOPSIS
Bei regenerativ-augmentativen Prozedu- ren zur Behandlung der Periimplantitis ist es aufgrund der äußerst begrenzten (his- tologischen) Evidenz aus Humanstudien schwierig, Rückschlüsse auf deren Effi- zienz und die Fähigkeit der exponierten Implantatoberflächen zur Re-Osseointe- gration zu ziehen. Klinisch könnten die Konfiguration des Knochendefekts und seine Position im Ober- oder Unterkiefer eine wichtige Rolle für ein vorhersagbares Ergebnis spielen. Es ist aber auch mög- lich, dass eine Augmentation der Defekte nicht notwendig ist.
Die wenigen vergleichenden Studien unterstützen analog dazu die Idee, dass eine Guided-Bone-Regeneration mit Kno- chenersatzmaterial möglicherweise kei- nen signifikanten oder bedeutsamen Ein- fluss auf die Rekonstruktion von Periim- plantitisdefekten hat. Die Verwendung von Biomaterialien scheint die Knochenbil- dung und Re-Osseointegration nicht zu verbessern, obwohl diese Materialien aus klinischer Sicht als Defektfüller dienen könnten, die wiederum Auswirkungen auf klinische Parameter haben könnten.
Bei mangelnder Evidenz zur periim- plantären Augmentation sollte allerdings zu guter Letzt bedacht werden, dass auch Industrieinteressen eine Rolle spielen können, die in den Studien leider nicht im-
mer abgebildet werden. Als Beispiel dafür kann der erste zitierte Fallbericht der Gruppe Blume et al. genannt werden, in dem 3 der 8 Autoren von derselben Firma sind, die eben diese allogene Knochenblö- cke kommerziell anbietet. Trotzdem wer- den keine Interessenkonflikte angegeben.
■
→
PD DR. DR. PEER W. KÄMMERER Klinik und Poliklinik für MKG-ChirurgieUniversitätsmedizin Rostock peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de
→
PD DR. KARL M. LEHMANN Universitätsmedizin Mainz, Praxis Bonnpraxis@zahnarzt-lehmann.de I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I
→
Warum Sie diesen Beitrag lesen sollten?In der Implantologie sind die The- rapieansätze bei adulten und adoleszenten Patienten wider- sprüchlich. In dem Artikel wird ge-
zeigt, dass mit der prospektiven Implantation bei präziser Planung
ein langfristig perfektes Ergebnis auch bei frühzeitiger Implantation erzielt werden kann. Jeder Kolle-
ge wird das Problem Frontzahn- trauma oder Nichtanlage bei Kin- dern und Jugendlichen aus seiner
eigenen Klientel kennen − unstrukturierte, lang andauern- de Therapieformen haben häufig
ein unbefriedigendes Ergebnis.
PROSPEKTIVE
IMPLANTATION BEI KINDERN UND
JUGENDLICHEN
Eine retrospektive Studie zur Beurteilung der frühzeitigen Implantation − Ergebnisse einer Langzeitstudie mit 67 Implantaten bei 46 Patienten
Dr. M.Sc. M.Sc. Jan Tetsch
Zusammenfassung: Zu dem umstritte- nen Thema dentale Implantate im Wachs- tum wurde vor 15 Jahren ein interdiszipli- näres Konzept entwickelt, das zu positi- ven funktionellen und ästhetischen Er- gebnissen im Oberkieferfrontzahnbereich führen sollte. Das chirurgische Vorgehen und die Positionierung der Implantate wurden in Abänderung der anerkannten Regeln für Erwachsene so modifiziert, dass das zu erwartende Kieferwachstum berücksichtigt wurde. Im Adoleszentenal- ter von 12–17 Jahren wurden bei Nichtan- lagen und nach traumatischem Zahnver- lust 179 Implantate im Oberkieferfront- zahnbereich inseriert. Halbjährliche Kon- trolluntersuchungen mit einer standardi- sierten Fotodokumentation erlaubten ei- ne Beurteilung des Verlaufs. Bei 46 Pa- tienten mit 67 Implantaten konnten bisher die Untersuchungen bis zum Abschluss des Wachstums durchgeführt und ausge- wertet werden. Die Ergebnisse der foto- metrischen Analyse zeigen, dass im Ver-
gleich zu den korrespondierenden Zäh- nen während der Wachstumsphase ge- wisse ästhetische Kompromisse einge- gangen werden müssen, dass aber nach abgeschlossenem Kieferwachstum in al- len Fällen im Vergleich der weißen und ro- ten Ästhetik keine signifikanten Unter- schiede zu den korrespondierenden Zäh- nen bestanden. Vor allem bei frühzeitiger Implantation sind in dem Therapiekon- zept eingeplante mehrfache Änderungen der prothetischen Versorgung oder Neu- anfertigungen der Kronen erforderlich.
Die bisherigen Ergebnisse sind sehr er- mutigend und sprechen für das neu entwi- ckelte Behandlungskonzept. Auch die Patienten, die sich noch in der Wachs- tumsphase befinden, zeigen einen bis- lang positiven Verlauf.
Schlüsselwörter: dentale Implantate im Wachstum; weiße und rote Ästhetik (WES/PES); fotometrische Analyse;
Nichtanlagen; traumatischer Zahnverlust;
psychosoziale Entwicklung I ORIGINALARBEIT I
Zitierweise: Tetsch J: Prospektive Im- plantation bei Kindern und Jugendlichen.
Z Zahnärztl Implantol 2018; 34: 196−204.
DOI 10.3238/ZZI.2018.0196−0204 EINLEITUNG UND PROBLEM- STELLUNG
Nichtanlagen der seitlichen oberen Schneidezähne und ein traumatischer Zahnverlust sind bei Kindern und Ju- gendlichen die häufigsten Ursachen für Lücken im Oberkieferfrontzahnbereich [2]. Das Fehlen der Zähne hat vielfältige Folgen, die neben der eingeschränkten Funktion vor allem die Entwicklung des Alveolarfortsatzes, die Ästhetik und die psychosoziale Entwicklung der Kinder bzw. der jugend lichen Patienten betref- fen. Die verschiedenen konservativen Versorgungsmöglichkeiten wie heraus- nehmbarer Zahn ersatz oder Adhäsivbrü- cken sind häufig unbefriedigend und können das Problem der fortschreiten- den Atrophie infolge Funktionslosigkeit in der betroffenen Re gion nicht verhin- dern [26].
Konventionelle und implantatprotheti- sche Versorgungen vor Abschluss des Kieferwachstums bergen Risiken, da die betroffenen Kieferabschnitte den komple- xen dreidimensionalen Kiefer- und Alveo- larfortsatzentwicklungen nicht folgen [2, 21, 22]. Daraus können erhebliche funktio- nelle und ästhetische Nachteile entste- hen. Westwood und Duncan [33] sowie Bernard et al. [8] konnten in retrospektiven Studien in einem mehrjährigen Beobach- tungszeitraum eine Infraokklusion implan- tatgetragener Kronen beobachten. Er- schwerend kommt hinzu, dass das indivi- duelle Wachstum nur schwer abzuschät- zen ist. Diese Risiken haben zu Empfeh- lungen geführt, erst nach dem 18. Lebens- jahr zu implantieren [18, 21, 23]. Dem - gegenüber stehen positive morphologi- sche und psychosoziale Aspekte einer frühzeitigen Implantation.
Nach Untersuchungen von Björk und Skieller [9] beginnt in der frühen Kindheit das transversale Wachstum des Oberkie- fers mit der Verbreiterung der Schädelba- sis und dem Wachstum im Bereich der Su-
tura medialis. Dieser Prozess ist mit der Pubertät weitgehend abgeschlossen. Im- plantationen vor dem 9. Lebensjahr kön- nen zu einem Diastema führen [10, 17].
Das sagittale Wachstum führt zu einer Ab- wärts- und Vorwärtsentwicklung des Oberkiefers und kann Fehlpositionen be- reits gesetzter Implantate zur Folge ha- ben. Das vertikale Wachstum umfasst Veränderungen der Orbita, der Kiefer- und Nasenhöhle und ist als Letztes abge- schlossen [12]. Es wird stark beeinflusst durch den genetisch festgelegten Ge- sichtstyp (lang oder kurz). Implantate, die vor dem Abschluss des vertikalen Wachs- tums inseriert werden, können sich später in der Kiefer- oder Nasenhöhle befinden [33]. Ein weiteres Problem besteht darin, dass das Wachstum in individuell sehr un- terschiedlichen Phasen abläuft und durch eine kieferorthopädische Behandlung und durch Muskelaktivitäten (z.B. M. masse- ter) beeinflusst werden kann. Während der Pubertät sind besonders starke Wachstumsschübe zu erwarten. Das Alter der Patienten ist also nicht das alleinige Abb. 1a–f: Zustand nach traumatischem Zahnverlust im Alter von 11 Jahren; provisorische Versorgung durch einen herausnehmbaren Zahnersatz und Implantation mit umfangreichen rekonstruktiven Maßnahmen im Alter von 36 Jahren
Extreme Inaktivitätsatrophie, die mit Blocktransplantaten und GBR-Technik zeitgleich mit der Implantation rekonstruiert wurde; prothetische Versor- gung und postprothetische Röntgenkontrolle
Abbildungen: Jan Tetsch
a b c
d e f
I ORIGINALARBEIT I
Kriterium bei einer Entscheidung für oder gegen eine Implantation. Es bedarf einer intensiven Planung und einer interdiszipli- nären Zusammenarbeit, um den richtigen Zeitpunkt festzulegen [19, 32]. Dazu ste- hen Kinderärzten, Kinderzahnärzten, Kie- ferorthopäden, Implantologen und Prothe- tikern Leitlinien und diagnostische Hilfs- mittel zur Verfügung, die gemeinsam zu einem Behandlungsplan und Konzept im Sinne des Patienten führen sollen.
Die implantatprothetische Versor- gung bei Fehlen von Zähnen nach Trau- ma oder bei Aplasien ist im Wachstum wegen vieler ästhetischer Misserfolge umstritten. Besonders bei traumati- schem Zahnverlust wird die implantat- prothetische Versorgung daher meist auf
das Wachstumsende verschoben. Im äs- thetisch sensiblen Bereich ergeben sich aber aus der oft langen unversorgten Zeit viele nachhaltige Probleme, die bei früh- zeitiger Implantation eventuell verhindert werden könnten. Die Abbildungen 1a–f zeigen einen ausgedehnten Defekt, der nach Trauma im Alter von 11 Jahren mit Verlust der Zähne 11–22 und einer 25 Jahre dauernden provisorischen Versor- gung mit einer Drahtbogenkunststoffpro- these versorgt war. Die morphologischen Defekte durch die Inaktivitätsatrophie sind visualisiert und führen im Alter von 36 Jahren zu einer implantatchirurgi- schen Herausforderung, die ohne Kom- promisse in der Ästhetik nicht durchführ- bar ist. Eine frühzeitige Implantation hät-
te zu einem deutlich besseren Ergebnis geführt.
Für die Implantation in der Oberkiefer- front bei Erwachsenen sind Standards er- arbeitet worden, die bei strikter Einhaltung zu vorhersehbaren ästhetischen Ergeb- nissen führen [4, 11]. Wenn diese Regeln bei Adoleszenten umgesetzt werden, kann allerdings nicht langfristig mit einem positiven Ergebnis gerechnet werden. Die Implantate persistieren im Wachstum an der eingebrachten Stelle (→ Abb. 3c) und nehmen am Wachstum des Alveolarfort- satzes wie ankylosierte Zähne nicht teil (→ Abb. 3a, b). Dies führt dann zu den be- kannten Bildern mit den zu kurzen Inzisal- kanten und dem zu weit kranial verlaufen- den Emergenzprofil (→ Abb. 3c).
Abb. 2a, 2b: Wachstumsstillstand nach Trauma im Alter von 9 Jahren und Verlust des Zahns 21 im Alter von 11 Jahren; negative Auswirkung auf den Alveolarfortsatz
Abb. 3a, 3b: Wachsstumstillstand nach Trauma und Ankylose 21 im Alter von 10 Jahren – Therapiebeginn mit 18 Jahren
Abb. 3c: Traumatischer Verlust des Zahns 21 im Alter von 13 Jahren; implantatprothetische Versorgung im Wachstum, Implantation ohne Modifika- tion der Implantatposition, Wachstumsstillstand und gravierende ästhetische Probleme nach Abschluss des Kieferwachstums
a b
a b c
I ORIGINALARBEIT I
Bei Erwachsenen ist im Vergleich zu adoleszenten Patienten ein absolut kon- träres Behandlungsprozedere als Stan- dard festzustellen. Frühzeitige Maßnah- men wie Socket Preservation mit autolo- gem Knochen oder Knochenersatzmate- rialien, Weichgewebsmanagement mit freien oder gestielten Transplantaten sind ebenso Standardkonzepte wie Sofortim- plantationen. Alle Maßnahmen dienen da- zu, die Atrophie des Hart- und Weichge- webes zu vermeiden oder nach Verlust schnell zu ersetzen. Bei der Sofortimplan- tation steht der Strukturerhalt im Vorder- grund. Durch die Sofortimplantation wird der Alveolenkollaps vermieden, und die Papillen, die bei Zahnverlust noch vorhan- den sind, werden über die Implantatschul- ter und eine intakte Knochenunterlage frühzeitig gestützt.
In derselben Indikation wird bei ado- leszenten, also im Wachstum befindlichen Patienten je nach Alter auf das Wachs- tumsende verwiesen. Ungünstige Provi- sorien und der funktionell nicht belastete Knochen führen in kurzer Zeit zu einem Wachstumsstillstand und einer Inaktivi-
tätsatrophie, die immer in analoger Weise abläuft. Nach dem Zahnverlust ohne wei- tere Therapie erfolgen zunächst ein Wachstumsstillstand, danach der Alveo- lenkollaps (→ Abb. 1) in Form von lateraler Atrophie und zum Schluss die vertikale Atrophie (→ Abb. 2) mit Verlust von Weichgewebe und Attachment an den be- nachbarten Zähnen. Unbehandelt kippen die Nachbarzähne in die Lücke, Antago- nisten elongieren und je nach Alter oder Wachstumsschub der durchbrechenden bleibenden Zähne erfolgt ein Mesialschub der gesamten distalen Zähne. Daraus ent- stehen Asymmetrien und eventuell später funktionelle Probleme. Besonders die Eckzähne haben in der Front-Eckzahnfüh- rung eine besondere Position und Stellung und sollten ihre genetisch festgelegte Po- sition nicht verlassen. Ästhetisch ist der Eckzahn an der Position des seitlichen Schneidezahns ebenfalls sehr unbefriedi- gend (→ Abb. 4). Häufig persistieren die Milchzähne bei Nichtanlagen in der Eck- zahnregion, und die bleibenden Eckzähne gehen mit ihrer Tendenz der Mesialwan- derung spontan in die Position der nicht-
angelegten seitlichen Schneidezähne. Ei- ne reguläre implantatprothetische Versor- gung ist mit Distalisierung der Eckzähne zeitaufwendig. Eine frühzeitige Interventi- on ist für eine spätere Versorgung sinnvoll.
Das Wachstum des Alveolarfortsatzes ist abhängig vom Wachstum vitaler blei- bender Zähne. Im Oberkieferfrontbereich dirigiert der mittlere obere Inzisivus das Wachstum des entsprechenden Areals des Zwischenkiefers. Eine Devitalisierung durch Trauma oder Wurzelkanalbehand- lung führt zu einem Wachstumsstillstand des Bereichs und beeinflusst auch den seitlichen Schneidezahn. Auch ein Zahn- verlust führt primär zu einem Wachstums- stillstand und sekundär zur Inaktivitäts- atrophie mit den oben beschriebenen Fol- gen (→ Abb. 2a, b; 3a, b)
ENTWICKLUNG EINES THERAPIEKONZEPTS
Das Hauptproblem bei der Implantation im Wachstum ist die Einschätzung des noch ausstehenden skelettalen Wachstums und des Wachstums des Alveolarfortsat- zes. Das skelettale Wachstum ist gene- Abb. 4a–f: Nichtanlagen der Zähne 12 und 22, Therapievakuum und Mesialwanderung der Eckzähne an die Position 12, 22, persistierende Milch- zähne 53, 63, psychische Beeinträchtigung – Behandlungsablauf: Extraktion der persistierenden Milchzähne 53, 63 im Alter von 17 Jahren, Lücken- öffnung durch Distalisierung der Eckzähne (4 ½ Jahre Behandlungsdauer), Implantation und prothetische Versorgung
a b c
d e f
I ORIGINALARBEIT I
tisch festgelegt, kann aber durch frühzeiti- ge funktionskieferorthopädische Maßnah- men beeinflusst werden. Das skelettale Wachstum verläuft unterhalb des Alveo- larfortsatzes, betrifft primär die Kieferbasis und nur sekundär den zahntragenden Kie- ferbereich. Der Alveolarfortsatz wird aus- geprägt durch das Wachstum vitaler blei- bender Zähne; bei Anodontie findet man keine Ausbildung des Alveolarfortsatzes.
Es existieren 3 Wachstumsmuster.
Der vertikale oder dolichofaziale Typ, der horizontale oder brachiofaziale Typ und der mesiofaziale Typ als Mischform von Wachstumsmuster 1 und 2. Der vertikale oder dolichofaziale Wachstumstyp ist für eine frühzeitige Implantation weniger ge- eignet, während der horizontale oder bra- chiofaziale Typ günstige Voraussetzun- gen bietet. Beide Typen liegen in 12,5 % der europäischen Bevölkerung vor und in je 2,5 % in extremer Ausprägung. 75 % der Bevölkerung zeigen mit dem mesiofazia- len Wachstum eine Mischung aus beiden Wachstumsmustern. Zusätzlich existiert die sagittale Wachstumstendenz, die aber
selten als hervorstechender Typ primär vorhanden, sondern Teil der beiden vor- genannten Wachstumstypen ist. Die Wachstumstypen spielen eine wichtige Rolle bei der Modifizierung der Implantat- position im Raum. Neben den Wachs- tumsmustern ist die Rotation der Oberkie- ferfront von großer Bedeutung. Die Rota -
tion im oder gegen den Uhrzeigersinn (clockwise (cw); counterclockwise (ccw)) bestimmt maßgeblich die vestibulo-orale Position des Implantats und den Implantat insertionswinkel. Clockwise be- deutet eine palatinale, steile Stellung und counterclockwise eine vestibuläre und fla- che Position des Implantats (→ Abb. 6).
Abb. 5a–f: Implantation nach Modifikation der anerkannten Regeln der Frontzahnimplantologie von Buser, Martin und Belser im Alter von 12 Jahren nach traumatischem Zahnverlust im Alter von 11 Jahren. Verlaufskontrolle im Alter von 13 Jahren: horizontales und vertikales Wachstum mit Auflö- sung der Approximalkontakte und verkürzter Inzisalkante (c). Anfertigung einer neuen Krone im Alter von 18 Jahren (d). Verlaufskontrolle im Alter von 23 Jahren (e, f)
Abb. 6: Vertikales und transversales Wachstum (links), sagittales Wachstum mit möglicher Rota- tion im (clockwise – cw) oder gegen den Uhrzeigersinn (counterclockwise – ccw) (rechts)
a b
c
d e f
I ORIGINALARBEIT I
Um möglichst viele Daten zu sammeln, wurde eine Checkliste entwickelt, die bei der Therapieplanung unterstützen soll.
OPERATIVES VORGEHEN
Das Konzept der prospektiven Implantati- on wird wie folgt durchgeführt: Bei einem Zahnverlust infolge eines Traumas oder einer asymmetrischen Nichtanlage folgt frühzeitig eine kieferorthopädische Thera- pie zur Stabilisierung der Lücke und Har- monisierung des Zahnbogens. Die Thera- pie beginnt direkt nach dem Zahnverlust, um unkontrollierte Zahnwanderungen zu vermeiden. Nach dem pubertären Wachs- tumsschub, frühestens ab dem 12. Le- bensjahr, wird nach individueller und inter- disziplinärer Diagnostik implantiert. Die Implantatposition bei Adoleszenten zwi- schen dem 12. und 18. Lebensjahr wird anders als bei Erwachsenen bestimmt.
Die ideale Implantatposition bei Erwach- senen haben Buser, Martin und Belser 2004 erstmals beschrieben und bis 2018 modifiziert [5]. Beschrieben werden die mesio-distale, die vestibulo-orale, die api-
ko-koronare Positionierung und der Win- kel des Frontzahnimplantats bei adulten Patienten. Bei der Implantation im wach- senden Kiefer wurde in dem entwickelten Konzept versucht, die Regeln für die Im- plantatposition mit einigen Modifikationen auf die Adoleszenten zu übertragen.
Die Position der Implantate in mesio- distaler Ausrichtung entspricht der Positio- nierung der Implantate wie in der 1. Regel nach Buser, Martin und Belser [5].
Die vestibulo-orale Positionierung muss so modifiziert werden, dass das Wachstumsmuster des Mittelgesichts be- rücksichtigt wird. Bei einem clockwise (cw) Wachstum – im Uhrzeigersinn – muss die Implantatposition weiter palatinal gewählt werden, da das Mittelgesicht und die na- türlichen Zähne sich im weiteren Wachs- tum nach palatinal entwickeln. Das Aus- maß ist bei jedem Patienten individuell und kann bis zu 3 mm betragen. Eine re- guläre Implantatpositionierung – wie von Buser, Martin und Belser beschrieben – würde nach Abschluss des Wachstums zu einer zu weit vestibulären Position des Im-
plantats mit entsprechenden Problemen des Emergenzprofils und der protheti- schen Versorgung führen [5]. Bei einem counterclockwise Wachstum – gegen den Uhrzeigersinn – entwickelt sich das Mittel- gesicht bei den Adoleszenten nach vesti- bulär, die Implantatposition muss dement- sprechend nach vestibulär modifiziert wer- den. Eine Palatinalstellung des Implantats kann extreme Platzprobleme interokklusal mit sich bringen. Dies macht eine protheti- sche Versorgung in einem Neutralgebiss unmöglich und würde zwangsläufig ent- weder zu einer Segmentosteotomie oder einer Explantation führen.
Die 3. Regel von Buser, Martin und Belser betrifft die apiko-koronare Position.
Auch diese Regel muss bei den Adoles- zenten an das Wachstumsmuster ange- passt werden [5]. Das brachiofaziale Wachstumsmuster bedeutet die Ausbil- dung eines breiten Gesichts und eine niedrige Gesichtshöhe. Das Wachstum ist damit in der vertikalen Position geringer und kann der Position der Erwachsenim- plantation ähneln, wenn es sich nur in die Breite entwickelt.
Das dolichofaziale Wachstumsmuster bildet ein schmales Gesicht mit hoher Ge- sichtshöhe aus. Bei ihm besteht die Ge- fahr einer vertikalen Fehlpositionierung, wenn die vertikale Mittelgesichtsentwick- lung durch das Wachstum der vitalen blei- benden Zähne und dadurch bedingt – me- trisch schwer vorhersagbar – vertikales Wachstum des Alveolarfortsatzes stattfin- det. Das gesetzte Implantat hat keinen Einfluss auf das Wachstum des Alveolar- fortsatzes, und die Position verändert sich in diesem Areal des Kiefers nicht weiter.
Mit der Insertion des Implantats ist die Po- sition ohne chirurgische Therapien wie Segmentosteotomie oder Distraktionsos- teogenese dauerhaft festgelegt. Dieser Wachstumstyp und die persistierende ver- tikale Position des Implantats sind das scheinbar größte Problem bei der Implan- tation im adoleszenten Kiefer. Die metri- sche Vorhersagbarkeit, um wie viele Milli- meter der Alveolarfortsatz in Kombination mit dem skelettalen Wachstum der Kiefer- basis Wachstumspotenzial hat, ist bis heute nicht geklärt, beträgt nach dem pu- bertären Wachstumsschub aber nur noch wenige Millimeter. Vor dem pubertären Wachstumsschub wurden bis 19 mm Abb. 7a–d: Die objektivierbare Auswertung der Implantatkrone zum kontralateralen Zahn
umfasst die weiße Ästhetik mit Vermessen von Länge und Breite, Bestimmung des Breiten- Längen-Verhältnisses und die Auswertung der fazialen Fläche der Implantatkrone zum kon- tralateralen Zahn und die rote Ästhetik mit Beurteilung der Papillen und des Emergenzprofils.
a
c
b
d
I ORIGINALARBEIT I
Abb. 8: Boxplots zum Vergleich der Kronenlängen von Implantatkronen (rot) und natür - lichen Zähnen (grün) nach der Kronenversorgung im Wachstum (Länge W) (links) und nach Wachstumsende (Länge WE) (rechts)
Abb. 9: Boxplots zur Darstellung des Breiten-Längen-Verhältnisses von Implantatkronen (rot) und korrespondierenden Zähnen (grün) zum Zeitpunkt der Eingliederung im Wachs- tum (W) (links) und bei der Kontrolluntersuchung nach Abschluss des Kieferwachstums
Abb. 10: Vergleich der Kronenflächen der Implantatkronen (rot) und der korrespondie- renden natürlichen Zähne (grün) zum Zeitpunkt der Eingliederung im Wachstum (links) und nach Abschluss des Kieferwachstums
Wachstum beschrieben. Die Implantatpo- sition sollte so weit kaudal gesetzt werden, wie es die augmentativen Verfahren und der Limbus alveolaris der benachbarten Zähne zulassen. Das Implantat überragt den Alveolarfortsatz nach kaudal und wird mit GBR-Technik überaugmentiert.
Als Standardimplantat hat sich das durchmesserreduzierte „Straumann Bone level Roxolid“-Implantat bewährt, das auch im Oberkieferfrontzahngebiet zugelassen ist. Mit dem durchmesserre- duzierten Implantat kann man über indivi- duelle Abutments das Durchtrittsprofil steuern.
Mit den aus der interdisziplinären Zu- sammenarbeit gewonnenen Informatio- nen wurden für jeden betroffenen Patien- ten eine individuelle Implantatposition und ein geeigneter Zeitpunkt ermittelt. Die Im- plantatposition sollte so gewählt werden, dass Symmetrien im Emergenzprofil und der Zahnkronen nach Abschluss des Wachstums bestehen (→ Abb. 5a–f).
ERGEBNISSE
Eine fotometrische Analyse[28] erfolgte nach dem Eingliedern der Implantatkrone und zum Zeitpunkt der letzten Kontrollun- tersuchung nach dem Abschluss des Kie- ferwachstums. Die Patienten waren zum Zeitpunkt der Versorgung durchschnittlich 14,8 Jahre und bei der Abschlussuntersu- chung 23,3 Jahre alt.
Die Implantatkronen und die natür - lichen Zahnkronen der korrespondieren- den natürlichen Zähne nach einem trau- matischen Verlust eines mittleren Schneidezahns wurden im gopgiX-Pro- gramm vermessen (→ Abb. 7). Bestimmt wurden Kronenlänge und -breite und da- raus wurde das Breiten-Längen-Verhält- nis errechnet. Bewährt hat sich bereits in früheren Untersuchungen auch die Kro- nenfläche zur Beurteilung der weißen Äs- thetik. → Abbildung 8 zeigt die Auswer- tung der Zahnkronenlänge, die auf der Ordinate in Millimetern angegeben ist.
Nach dem Eingliedern der Implantatkro- ne ist diese Zahnkrone erheblich kürzer als die des korrespondieren Zahns. Die Differenz der Länge erweist sich in der statistischen Analyse als hoch signifikant (p = 0,004). Bei der Abschlussuntersu- chung sind nur noch geringe (nicht signi- fikante) Unterschiede zu erkennen.
Ähnliches gilt für die Ermittlung des Breiten-Längen-Verhältnisses (→ Abb. 9).
Während sich die Werte nach dem Einglie- dern der Implantatkrone im Wachstum sig- nifikant unterscheiden (p = 0,006), sind bei der Abschlussuntersuchung keine statis- tisch signifikanten Unterschiede nachzu- weisen (p = 0,146).
Bei den Kronenflächen beträgt der Un- terschied nach dem Eingliedern 6,2 mm2 (p = 0,003). Er liegt nach dem Abschluss des Kieferwachstums noch bei 0,8 mm2 (p = 0,573) (→ Abb. 10).
Aus den Abbildungen wird deutlich, dass sich ähnlich positive Ergebnisse bei dem Verlauf des Marginalsaums ergeben.
I ORIGINALARBEIT I
Nach dem Abschluss des Kieferwachs- tums resultieren auch bei der Beurteilung der roten Ästhetik eine Symmetrie und ein harmonisches Ergebnis.
DISKUSSION
Konventionelle Versorgungen bei Nicht- anlagen oder nach einem Zahnverlust bei Kindern und Jugendlichen im Oberkiefer- frontzahnbereich haben zum Teil gravie- rende Nachteile und nicht selten negative Folgen für die dentale und psychosoziale Entwicklung der jungen Patienten [2, 12, 29, 30, 31]. Ein gravierendes Problem ist der Knochenverlust in der betroffenen Re- gion, der häufig nur mit aufwendigen und risikobehafteten augmentativen Maßnah- men behoben werden kann [24, 25]. Mit ei- ner frühzeitigen Implantation kann zwar der Knochen erhalten werden, es beste- hen aber ebenfalls erhebliche Risiken, da die Implantate der komplexen dreidimen- sionalen Kiefer- und Alveolarfortsatzent- wicklung nicht folgen [21, 22]. Daraus kön- nen erhebliche funktionelle und ästheti- sche Nachteile entstehen. Bernard et al.
[8] konnten in einer retrospektiven Studie in einem 4-jährigen Beobachtungszeit- raum eine Infraokklusion implantatgetra- gener Frontzahnkronen beobachten. Die Überlebensrate von Implantaten, die vor dem 13. Lebensjahr inseriert wurden, lag um ca. 20 % unter derjenigen der älteren Patienten [2, 3, 26, 27]. Erschwerend kommt hinzu, dass das individuelle Wachstum nur schwer abzuschätzen ist.
So kann die Mesialwanderung der Zähne bis zu 5 mm betragen [9]. Diese Risiken haben zu Empfehlungen geführt, erst nach dem 18. Lebensjahr zu implantieren [18, 21, 23]. Dem gegenüber stehen posi- tive morphologische und psychosoziale Aspekte einer frühzeitigen Implantation.
So finden sich in der Literatur zunehmend Berichte über implantatprothetische Ver- sorgungen im Wachstumsalter. Das gilt ganz überwiegend für Patienten mit einer Oligo- oder Anodontie bei Vorliegen einer ektodermalen Dysplasie oder anderen seltenen Krankeitsbildern mit vergleichba- rer Problematik [1, 3, 6, 13, 14]. Dafür ist die Datenlage aber noch unbefriedigend.
Nach Yap und Klineberg [34] ergab die Analyse von 12 Studien mit 471 Patienten (eine Cross-sectional-Studie (n = 52), 3 prospektive Fallstudien (n = 197), 6 re-
trospektive Fallstudien (n = 104) und 2 ge- mischte Studien (n = 118)) bei Patienten mit ektodermaler Dysplasie eine Überle- bensrate zwischen 88,5 % und 97,6 % (3 Studien mit 71 Patienten) und bei Nicht- anlagen anderen Ursprungs zwischen 90 % und 100 % (178 Patienten in 5 Stu - dien). Dabei wurde in einer Studie (n = 13) kein Unterschied hinsichtlich des Implan- tatüberlebens in 3 Altersgruppen gefun- den (bis 11 Jahre, 11–18 Jahre, über 18 Jahre). In einer anderen Studie
(n = 51 Patienten) fanden sich signifikant höhere Verlustraten, wenn die Patienten jünger als 18 Jahre waren. Heuberer et al.
[14] versorgten 18 Oligodontie-Patienten mit 71 Implantaten bei einem Durch- schnittsalter von 12,5 Jahren. Sie fanden eine Überlebensrate von 89 % nach
11 Jahren. Klineberg et al. [15, 16] ver- suchten in einer internationalen Delphi- Studie mit 11 internationalen erfahrenen Teams einen Konsens für die Rehabilita - tion von Kindern mit einer ektodermalen Dysplasie zu finden. Die Behandlung mit Implantaten sollte unter ethischen Aspek- ten im besten Interesse der Kinder gemäß der „United Nations Convention on the Rights of the Child“ durch speziell ausge- bildete und erfahrene Zahnärzte aus ei- nem multidisziplinären Team erfolgen, das die Fachrichtungen Kinderzahnheil- kunde, Kieferorthopädie, Prothetik und Kieferchirurgie umfassen sollte. Ein Kon- sens zu dem optimalen Patientenalter für implantologische Maßnahmen konnte nicht erzielt werden.
Der Zeitpunkt der Implantation ist ab- hängig vom Wachstum des Patienten. Da- bei spielen das Körperwachstum und der Dentitionszustand eine wichtige Rolle. Die individuelle Betrachtung der Patienten ist entscheidend, eine Verallgemeinerung und ein Festlegen auf ein bestimmtes Alter der Patienten sind nicht sinnvoll. Die Therapie hängt von dem Ausmaß der zu therapieren- den Voraussetzungen, vom Zeitpunkt des Zahnverlusts und dem Ergebnis einer inter- disziplinären Wachstumsanalyse ab.
Implantate im Wachstum müssen in Abweichung von den bekannten Regeln für die Frontregion [4, 8] in der Vertikalen so positioniert werden, dass das noch zu erwartende Kieferwachstum berücksich- tigt wird. Auch die zu erwartende Rotation ist in vestibulo-oraler Richtung zu berück- sichtigen. Mit zunehmendem Alter wird die Wachstumsanalyse einfacher und siche- rer. Bei frühzeitiger Implantation sind in der Regel nur umschriebene augmentati- ve Maßnahmen und ein kleiner chirurgi- scher Eingriff erforderlich, der auch bei der speziellen jungen Klientel in Lokalanäs- thesie bedenkenlos durchgeführt werden kann. Besonders hilfreich für die Positi- onsbestimmung sind die Untersuchung der Eltern und Geschwister und eine län- gere Beobachtung der betroffenen Patien- ten. Nach der Implantation werden bis zum Abschluss des Kieferwachstums kli- nisch im marginalen Bereich zu kurze Kro- nen eingegliedert und damit bewusst äs- thetische Kompromisse eingegangen. Die Kronen müssen in der weiteren Wachs- tumsphase unter Umständen mehrfach
I ORIGINALARBEIT I
• Differenzierung zu Behandlungsbe- ginn – adoleszent/adult
• Alter (chronologisches oder biologi- sches?)
• Pubertät/Körpergröße/Wachstums- potenzial/Handwurzelaufnahme/Wir- belkörperanalyse
• Dentale Entwicklung (Wechselge- biss, abgeschlossene Dentition)
• skelettales Wachstumsmuster des Viszero kraniums (FRS-Analyse) • vertikales Wachstumsmuster –
dolichofazial
• horizontales Wachstumsmuster – brachiofazial
• Mischform – mesiofazial • Wachstumstyp – Rotation des
Oberkiefers • clockwise (cw)
• counterclockwise (ccw) • sagittales Wachstumsmuster • Wac hstum des Alveolarfortsatzes
• phänotypisches Abgleichen mit El- tern/Geschwistern/Verwandten
• Fotografie/ metrische Analyse der Körperlänge
Checkliste
den geänderten Verhältnissen angepasst werden. Nach eigenen Erfahrungen ist ein günstiger Zeitpunkt für die Implantation der Inzisivi die komplette Einstellung der oberen Eckzähne; damit ist ein Alter von 12 Jahren der früheste Zeitpunkt einer Im- plantation. Die bisherigen klinischen Er- fahrungen in dieser Indikation haben ge- zeigt, dass mit diesem Vorgehen auch nach dem Verlust mehrerer Schneidezäh- ne der Alveolarfortsatz erhalten und lang- fristig ein gutes ästhetisches Ergebnis er- zielt werden kann.
Diskutiert wird häufig die Frage, ob ggf.
einteilige Miniimplantate eine positive Auswirkung zur Risikominimierung erge- ben können. Diese Implantate werden
nach Abschluss des Wachstums durch definitive Implantate ersetzt und erfordern einen zweiten chirurgischen Eingriff.
Funktionell wirken die Miniimplantate ebenfalls der Inaktivitätsatrophie entge- gen, sind aber wegen des einteiligen Kon- zepts häufig unbefriedigend in der prothe- tischen Versorgung und zeigen eine er- höhte Bruchgefahr. Hilfreich können diese Implantate gerade beim dolichofazialen Wachstumsmuster sein, wenn noch viel Wachstumspotenzial zu erwarten ist.
Interessenkonflikt: Der Autor Dr. Jan Tetsch gibt an, dass im Zusammenhang mit diesem Beitrag kein möglicher Interes- senkonflikt besteht. Außerhalb der einge-
reichten Arbeit gibt er an, Honorare für Vorträge erhalten zu haben.
■
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Literatur
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DR. M.SC. M.SC. JAN TETSCH Zahnarzt – Oralchirurgie, Spezialist fürImplantologie jantetsch@t-online.de I ORIGINALARBEIT I
→
Warum Sie diesen Beitrag lesen sollten?Auf Aplasien permanenter Zähne trifft man im Praxisalltag häufiger.
Wenn es sich dabei um eine aus- geprägte Form handelt, ist ein in- terdisziplinäres Behandlungskon- zept notwendig. Dieser Fall soll zeigen, wie wichtig die Planung und die Zusammenarbeit ver- schiedener Fachbereiche sind und wie individuell mit solchen Fällen umgegangen werden muss, damit das Ergebnis sowohl
funktionell als auch ästhetisch optimal gestaltet werden kann.
AUSGEPRÄ GTE OLIGODONTIE
Komplexe orale Rehabilitation einer Patientin
Franziska Hensel, Dr. Thomas Barth, Christian Barth, Dr. Anke Steiniger
Hintergrund: In diesem Fall wird eine da- mals 12-jährige Patientin, die eine multi- ple Aplasie mit 17 fehlenden permanen- ten Zähnen und ebenso der Nichtanlage aller 4 Weisheitszähne aufwies, vorge- stellt. Die Situation erforderte eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie eine umfassende und lange Behand- lung.
Methode: Nach Abschluss der Kieferor- thopädie und daraus resultierender Lü- ckenöffnung für Implantate erfolgte eine Stabilisierungsphase, da die Patientin noch zu jung für die geplante Implanta - tion war. 5 Jahre nach Behandlungsbe- ginn begann die eher zurückhaltende Im- plantation. Nach der Einheilungsdauer von ca. 3 Monaten bekam die Patientin Langzeitprovisorien auf die vorhande- nen Seitenzähne und die eröffneten Im- plantate, da die vorgenommene Bisshe- bung zunächst stabilisiert werden sollte.
6 Monate später wurde die Patientin dann mit dem definitiven Zahnersatz ver- sorgt.
Ergebnis und Schlussfolgerung: Bei der Patientin konnte trotz der umfangrei- chen Aplasie ein funktionell und ästhetisch höchst zufriedenstellendes Ergebnis er- zielt werden.
Um frühzeitig ein individuelles Be- handlungskonzept erstellen zu können, ist eine enge Zusammenarbeit verschiede- ner Fachbereiche dringend erforderlich.
Ein zu beachtender Aspekt ist zudem das junge Alter der Patientin, das ein minima- linvasives Vorgehen fordert.
Schlüsselwörter: Aplasie; Oligodontie;
Kieferorthopädie; Implantation; Behand- lungskonzept
Zitierweise: Hensel F, Barth T, Barth C, Steiniger A: Ausgeprägte Oligodontie − Komplexe orale Rehabilitation einer Pa- tientin. Z Zahnärztl Implantol 2018; 34:
206−210
DOI 10.3238/ZZI.2018.0206−0210
EINLEITUNG
Die Aplasie von Zähnen der permanenten Dentition ist eine der häufigsten dentalen Anomalien des Menschen [3, 8]. Eine Dif- ferenzierung der Aplasie erfolgt unter den Begriffen Hypodontie, Oligondontie und Anodontie.
Die Anodontie beschreibt das Fehlen aller Zähne und die Hypodontie das Feh- len von bis zu 5 Zähnen einer Dentition.
Letztere betrifft ca. 4–5 % der Bevölkerung I FALLBERICHT I
mit Ausnahme der dritten Molaren [2]. Bei der Oligodontie handelt es sich um eine Aplasie von mehr als 6 Zähnen im perma- nenten Gebiss exklusive der Weisheits- zähne mit einer Häufigkeit von ca. 0,14 % [4, 5].
Diese Diagnose erfordert eine frühzei- tige und umfassende interdisziplinäre Be- handlung. Wichtig ist dabei, eine mög- lichst minimalinvasive Therapie zu planen, damit letztlich wenig Implantate für die de- finitive Versorgung notwendig werden. Zu- erst muss entschieden werden, welche Lücken kieferorthopädisch geschlossen oder auch geöffnet werden können. Da ei- ne Implantation erst nach abgeschlosse- nem Gesichtswachstum empfohlen wird, ist meistens auch eine provisorische Ver- sorgung der Lückensituation bis zu die- sem Zeitpunkt notwendig. Bei Frauen ist dieser Zeitpunkt im Durchschnitt mit dem 17. Lebensjahr und bei Männern mit dem 21. Lebensjahr erreicht [1]. Bei Abwägung
der Therapiemöglichkeiten ist daher eine enge Absprache zwischen Kieferorthopä- die, Chirurgie und Prothetik nötig.
Die Leitlinie der DGI zu Zahnimplan- tatversorgungen bei multiplen Zahnnicht- anlagen und Syndromen gibt Empfehlun- gen zur kaufunktionellen Rehabilitation von Patienten mit Aplasien unter Verwen- dung von Implantaten bzw. weist ebenso auf andere mögliche Therapieoptionen hin.
FALLBESCHREIBUNG
Im Juni 2011 wurde eine 12-jährige Pa- tientin von ihrem Hauszahnarzt in unsere Praxis überwiesen, da sie eine stark aus- geprägte Oligodontie mit 17 fehlenden permanenten Zähnen und ebenso der Nichtanlage aller 4 Weisheitszähne auf- wies. Anamnestisch auffällig war, dass es sich um ein Drillingskind handelte. Ihre Schwester hatte eine Nichtanlage von 12 und 22, und ihr Bruder hatte eugnathe
Bissverhältnisse mit 32 Zahnanlagen.
Wunsch der Mutter war vor allem eine mi- nimalinvasive Therapie mit möglichst we- nig Implantaten.
Klinisch zeigte sich die ausgeprägte Aplasie folgender Zähne: 18–14, 12, 22, 25, 27, 28, 38, 37, 35, 32–42, 44, 45, 47 und 48. Persistierende Milchzähne waren zu diesem Zeitpunkt 55, 54, 53, 65, 75, 74, 72, 82, 83–85 (→ Abb. 1, 2). Die Patientin hatte zudem eine Angle-Klasse II/1 mit traumatischem Tiefbiss und großer sagit- taler Stufe. Auch typische Symptome der Oligodontie, wie Anomalien in Zahnform und Zahngröße, waren im klinischen Be- fund ersichtlich.
Nach der Vorstellung bei der Kieferor- thopädin erfolgten zunächst die Unterkie- fer-Vorverlagerung, eine Bisshebung und eine Harmonisierung des Gesichtsprofils mit einem Bionator.
Anfang 2013 wurde erneut ein Ortho- pantomogramm angefertigt, und nach Ab- Abb. 1: OPG vom 16.06.2011. Ausgangslage
Abbildungen: Praxis Dentale
Abb. 2: Ausgangssituation 2011
Abb. 3: OPG vom 07.01.2013 Abb. 4: Eingliederung des Langzeitprovisoriums in Form einflügeliger Klebebrücken an 13 und 23 (März 2015)
I FALLBERICHT I