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aligne Gliome zählen mit einer Überlebenszeit von unter einem Jahr zu den bösartigsten Tumo- ren. Eine radikale Operation scheint die Prognose zu verbessern (1, 2, 3, 4, 8, 10, 12, 17, 18, 19, 20), wird jedoch dadurch er- schwert, dass intraoperativ randständi- ges, solide proliferierendes und infiltrie- rendes Tumorgewebe schwer erkannt und entfernt werden kann. Eine großzü- gige Resektion im Gesunden ist wegen der Gefahr neurologischer Defizite nur selten möglich. Wegen der Schwierigkei- ten bei der Resektion wurden in der Ver- gangenheit Versuche unternommen, das Gewebe maligner Gliome intraoperativ zu markieren (5, 7, 9). Unter anderem weil die eingesetzten Farbstoffe im aus- tretenden Blut die Tumorhöhle unspezi- fisch anfärbten, konnten diese Methoden nicht für eine breite Anwendung fortent- wickelt werden. Ein völlig neuer Ansatz bietet die Verwendung von 5-Aminolä- vulinsäure (5-ALA). 5-ALA ist Vorstufe des Häm in der Hämbiosynthese. Experi- mentell (13) und klinisch (14) wurde ge- zeigt, dass 5-ALA, selber eine farblose Aminosäure, im malignen Gliomgewebe spezifisch zur Synthese und Akkumulati- on der stark fluoreszierenden Hämvor- stufe Protoporphyrin IX führt. Die Me- chanismen der Akkumulation sind bisher unklar. In Zusammenarbeit mit den Fir- men Carl Zeiss/Oberkochen und Karl Storz/Tuttlingen konnten Operationsmi- kroskope so modifiziert werden, dass die fluoreszenzgestützten Resektion klinisch erfolgreich eingesetzt werden kann (15).Das Protoporphyrin-IX-haltige Tumor- gewebe nimmt dabei eine intensiv rote Farbe an, während nichtneoplastisches Hirngewebe blau erscheint (Abbildung).
So wird die einfache Erkennung von randständigem, solidem und infiltrieren- dem Tumorgewebe möglich. In einer pro- spektiven Untersuchung am Klinikum Großhadern in München an 52 konseku- tiven Glioblastompatienten wurde fest- gestellt, dass sich die Methode als Routi-
neverfahren ohne Störung des Operati- onsablaufs mit hoher operativer Radika- lität einsetzen lässt (16). Bei 33 Patienten (63 Prozent) fand sich kein Kontrastmit- tel aufnehmender Resttumor im frühen postoperativen Kernspintomogramm. In neueren Arbeiten mit konventioneller Operationstechnik wird dies bei weniger als 20 Prozent gefunden (1, 6, 11, 19). Bei 19 Patienten verblieb kernspintomogra- phisch ein Kontrastmittel aufnehmender Resttumor unterschiedlicher Größe. Al- lerdings wurde bei 18 dieser Patienten aus Sicherheitsgründen intraoperativ fluores- zierendes Gewebe wegen der Nähe zu eloquenten Arealen (wie Motorik, Spra- che) belassen, um ein neurologisches De- fizit zu vermeiden. Nicht reseziertes flu- oreszierendes Resttumorgewebe ver-
kürzte dabei unabhängig und signifikant das Überleben. Im Vergleich zu einem retrospektiven Kollektiv konnte für die gesamte Gruppe der mittels der Fluo- reszenztechnik operierten Patienten ei- ne durchschnittliche Verlängerung der Überlebenszeit von circa sechs Monaten erzielt werden. Um die Methode zu veri- fizieren, wurde eine multizentrische, pro- spektive, kontrollierte Phase-3-Studie unter Teilnahme von zwölf neurochirur- gischen Zentren im Herbst 1999 begon- nen. Im Rahmen der Studie werden Pati- enten mit primären, nicht vorbehandel- ten, unilokulären, operablen malignen Gliomen randomisiert, und entweder nach Gabe von 5-ALA fluoreszenzge- stützt oder konventionell operiert. Primä- res Ziel ist es zu ermitteln, wie exakt sich der das Kontrastmittel aufnehmende Tu- mor mithilfe der fluoreszenzgestützten Resektion im Vergleich zur konventio- nellen Resektion entfernen lässt. Beurtei- lungsgrundlage ist dabei ein binnen 48 Stunden nach der Operation angefertig- tes frühes Kernspintomogramm. Sekun- däre Prüfziele sind unter anderem die Er- fassung von Substanznebenwirkungen und der Zeitpunkt der Tumorprogressi- on. Ferner werden die Daten bei geplan- ten 270 Patienten, mit regelmäßiger post- operativer Bilddokumentation und aus- führlicher neuropathologischer Überwa- chung, bisher einzigartige Informationen über Wachstumsverhalten und prognosti- sche Faktoren maligner Gliome bieten.
Information können über den Korrespondenzautor einge- holt werden.
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 2001; 98: A 407 [Heft 7]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Walter Stummer
Neurochirurgische Klinik, Klinikum Großhadern, Marchioninistraße 15, 81377 München E-Mail: wstummer@nc.med.uni-muenchen.de M E D I Z I N
Deutsches ÄrzteblattJg. 98Heft 716. Februar 2001 AA407
Fluoreszenzgestützte
Resektion maligner Gliome
Phase-3-Studie mit 5-Aminolävulinsäure Walter Stummer
1Thomas Meinel
2Hanns-Jürgen Reulen
1a: Typischer Operationssitus mit exponiertem und eröffnetem Kortex. In der Tiefe sichtbare Tumor- nekrose mit umgebendem, von der Dignität unsi- cheren Übergang zum normalen Hirngewebe. b:
Gleicher Situs während Beleuchtung mit blauvio- lettem Anregungslicht. Vitaler, randständiger Tu- mor erscheint leuchtend rot, während normales Hirngewebe blau erscheint. Die Tumornekrose zeigt keine Anfärbung.
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b
1 Neurochirurgische Klinik, Klinikum Großhadern (Direk- tor: Prof. Dr. med. Hanns-Jürgen Reulen) der Ludwig-Ma- ximilians-Universität München
2 Klinische Forschung, Medac GmbH, Wedel