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Archiv "Internate: „Erhalt unseres kulturellen Erbes“" (20.06.1997)

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Silvius Dornier, 70, Sohn des Flugzeugkonstrukteurs Claude Dornier (Flugboot

„Do-X“), war als Maschinen- bau-Ingenieur Geschäftsfüh- rer im Familienunternehmen.

Seit Daimler-Benz die Mehr- heit am Dornier-Konzern übernahm, ist er Mitglied des Gesellschafterausschusses.

Der Vater von sieben Kindern, dessen Frau Esther 1977 bei einem Unfall ums Leben kam, gründete im vergangenen Jahr eine mit zehn Millionen DM ausgestattete Stiftung. Sie soll begabten Schülern den Auf- enthalt an Elite-Internaten er- möglichen. Im DÄ-Gespräch äußert sich Dornier unter an- derem über das Interesse der Wirtschaft an einer elitären Absolventen-Klasse.

DÄ:Haben Sie eigentlich Ihre ersten Schützlinge schon selbst kennengelernt?

Dornier: Noch nicht.

Aber ich habe einen Brief er- halten von einer Schülerin, die sich sehr glücklich und dankbar äußert über die Möglichkeit, jetzt nach Salem zu kommen. Es hat ja alles damit begonnen, daß ich im vergangenen Jahr erstmals zwei Schülerinnen – eine da- von aus Sarajevo – mit Sti- pendien helfen konnte. Diese Kontakte waren der Anstoß, die Stiftung zu gründen.

DÄ:Sie sind selbst reich mit Kindern gesegnet wor- den. Haben alle sieben ei- ne Internats-Ausbildung be- kommen?

Dornier: Nein, nur drei.

Und teilweise auch nur vor- übergehend. Unsere Famili- ensituation war so, daß uns das nicht notwendig erschien.

Einer meiner Gründe für die- se Stiftung war ja, daß sich heute immer mehr Familien auflösen. Es gibt immer mehr alleinerziehende Mütter oder

Väter, und diese Situation ist für Kinder oft schwierig. Ich habe auch aus den Briefen von Bewerbern gesehen, daß oft ein ganz wichtiges Motiv für die Bewerbung in einem Internat war, daß die Kinder nicht allein sein wollen. Daß sie die Gemeinschaft junger Menschen suchen.

DÄ: Wem würden Sie trotz außergewöhnlicher Lei- stungen oder Begabungen ein Stipendium verweigern?

Dornier: Unsere Satzung nennt auch charakterliche Qualitäten als Voraussetzung.

Wenn man bei den Vorstel- lungsgesprächen oder der Auswahltagung das Gefühl hätte, daß auf sozialem und charakterlichem Gebiet der Schüler oder die Schülerin nicht für die Schule geeignet ist, dann würde ich davon ab- sehen. Es zählen also nicht nur die intellektuellen Lei- stungen, sondern mindestens gleichwertig auch Eigenschaf- ten wie etwa Gemeinsinn.

DÄ: Sie haben sich wie- derholt kritisch über das be- stehende Bildungssystem und die Begabtenförderung in Deutschland geäußert. Worin besteht die Lücke, die Sie schließen wollen?

Dornier:Ich hoffe, daß ich mich nicht zu kritisch geäußert habe. Auf dem Ge- biet der Studenten wird ja viel getan, angefangen beim BAföG. Und die deutschen Kindergärten sind von vielen anderen Ländern kopiert worden. Aber im Altersbe- reich von Schülern und Gym- nasiasten scheint mir bei uns eine Förderungs-Lücke zu bestehen. Dabei erfolgen auf dieser Stufe wichtige Wei- chenstellungen.

DÄ:Welche Ideale sollen Jugendliche in den von Ih- nen favorisierten Internaten A-1744 (68) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 25, 20. Juni 1997

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

Internate

„Erhalt unseres

kulturellen Erbes“

(2)

Salem, Birklehof und Schul- pforta vermittelt bekom- men?

Dornier: Zunächst sind gute Lehrer, auch wegen ihrer Vorbildfunktion, sehr wichtig.

Und für diese Lehrer ist es ei- ne zentrale Aufgabe, daß die Kinder Achtsamkeit und Of- fenheit lernen: die Dinge se- hen, wie sie sind. Nicht sich selbst etwas vormachen oder von anderen etwas vorma- chen lassen. Im Sinne eines wachen Realismus, der auch in der wissenschaftlichen For- schung sehr wichtig ist: das Achten darauf, was geschieht.

Das wache und auch kritische Denken. Wir werden heute ja überschwemmt von Informa- tionen, wir werden manipu-

liert, und da ist solch ein kriti- scher Geist außerordentlich wichtig.

DÄ: Nun sind Spitzenin- ternate drogen-, gewalt- und finanziell sorgenfreie Idyl- len. Sind solche Orte wirk- lich „Schulen fürs Leben“?

Schicken Sie Ihre Stipendia- ten nicht auf soziale Elfen- beintürme?

Dornier:Die Frage ist si- cher berechtigt, aber zum ei- nen wird von den Internaten Salem und Birklehof viel ge- tan, um die Jugendlichen auch mit anderen, zum Bei- spiel Ausländern, zusam- menzubringen. Es gibt Schüleraustausch mit dem Ausland. Also ein reines „In-

seldasein“ ist das nicht. Und was Schulpforta angeht: Die- ses Internat lebt mit einer wunderbaren Tradition, aber wirtschaftlich sehr unglückli- chen Verhältnissen. Es ist ja eine staatliche Schule. Ich sprach kürzlich mit einer Schülerin: Die Zustände sind alles andere als ideal. Sie lei- den sehr unter der jahrzehn- telangen Vernachlässigung durch die DDR. Ein großer Teil der alten Lehrer ist – be- gründet oder nicht – wegge- gangen; die neuen sind teil- weise noch unerfahren. Die Verhältnisse sind in keiner Weise idyllisch.

DÄ: War es Ihnen wichtig, mit der Auswahl von Schul-

A-1745 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 25, 20. Juni 1997 (69)

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

Silvius Dornier: „Wir werden heute überschwemmt von Informationen, wir werden manipuliert, und da ist ein kritischer Geist außerordentlich wich- tig.“ Foto: Dornier-Stiftung

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pforta im Saaletal ein Inter- nat auf dem Gebiet der ehe- maligen DDR in Ihr Förder- programm zu integrieren?

Dornier:Ja, außerordent- lich. Ich wollte eine Brücke schlagen zwischen den Privat- internaten im Westen und diesem Internat im Osten, das noch durch alle möglichen Hypotheken sehr belastet ist.

Ich hoffe, daß durch den Kon- takt eine gegenseitige Be- fruchtung erfolgen kann.

DÄ: Anläßlich der Stif- tungs-Gründung schrieben Sie, von begabten jungen Führungskräften hänge „die Erhaltung unseres kulturel- len Erbes und die Stellung unseres Landes in der Welt“

ab. Man könnte dieses Elite- Verständnis als recht national gefärbt interpretieren.

Dornier: Unser Land ist natürlich einbezogen in Eu- ropa und die ganze Welt.

Aber wenn man nicht ver- sucht, im eigenen Land etwas zu machen, hilft man auch dem größeren Verbund nicht.

Man muß bei sich anfangen.

Es ist entscheidend, daß Un- ternehmen Führungskräfte mit hoher intellektueller Kompetenz und Verantwor- tungsfähigkeit für eine Ge- meinschaft haben.

DÄ:Aber muß nicht gera- de diese Elite heute interna- tional und interkulturell ge- prägt sein, um die globalen Probleme erfolgreich an- packen zu können?

Dornier:Diese internatio- nale Prägung wird von Inter- naten, die ich ausgewählt ha-

be, durchaus bewirkt: Extrem ist das in Salem der Fall, das ja eine Kolleg-Stufe mit vie- len Ausländern aufbaut. Ich denke, Deutschland ist heute in einem Team mit Frank- reich, England, USA und vie- len anderen und sollte dort seinen Beitrag erbringen.

DÄ:Andererseits soll sich Deutschlands Elite auf dem Weltmarkt behaupten. Oft werden in Internats-Bro- schüren die Tugenden Tole- ranz, Kritikfähigkeit oder christliche Grundwerte be- schworen. Hat nicht die Wirt- schaft eher ein Interesse dar- an, ihre zukünftigen Füh- rungskräfte auf Eigenschaf- ten wie Durchsetzungsver- mögen, Härte, Effizienz zu trimmen?

Dornier: Ich denke, man muß hier einen Mittelweg ge- hen. Wenn man die Tugenden ganz vergißt, rutscht die Ge- sellschaft moralisch ab. Dann wird der Kampf immer schlimmer, und am Schluß sind wir alle Raubtiere. Die alte Ethik ist unverzichtbar.

Intellektuelle Führungskom- petenz und Orientierung an menschlichen Grundwerten ist kein Widerspruch, wenn alles im Gleichgewicht bleibt.

Ich kenne einige Lehrer in den drei Internaten und traue ihnen eine Erziehung in die- sem Sinne zu. Die Stiftung hat mit den drei Schulen an- gefangen, aber wenn durch Zustiftungen mehr Geld her- einkommt, soll es nicht unbe- dingt bei diesen drei bleiben.

Ich würde mir das wünschen.

Interview: Oliver Driesen

A-1746 (70) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 25, 20. Juni 1997

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

Medizinstudium in Italien

Die Zulassung zum Medizinstudium ist in Italien unab- hängig von der Abiturnote. Studienbewerber müssen sich jedoch einer Aufnahmeprüfung unterziehen. Das geht aus einer Mitteilung des „Centro Culturale Italkontakt“ e.V. in Göttingen hervor.

Der Verein informiert über das Medizinstudium in Itali- en und vermittelt Sprach- und Vorbereitungskurse für Stu- dienbewerber. Außerdem organisiert er jeweils im März und Oktober jedes Jahres Informationsveranstaltungen an verschiedenen deutschen Universitäten. Weitere Informa- tionen erteilt „Italkontakt“ e.V., Am Brachfelde 14, 37077 Göttingen, Tel 05 51/ 2 47 18, Fax 2 52 62. EB

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