ach der 20. Schwanger- schaftswoche sollten Ab- treibungen aufgrund von Pränataldiagnostik nicht mehr mög- lich sein. Das jedenfalls sieht eine
„Erklärung zum Schwangerschafts- abbruch nach Pränataldiagnostik“
vor, in der zahlreiche weitere Forde- rungen erhoben werden. Die Er- klärung wurde von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, der Deutschen Gesell- schaft für Humangenetik, der Deut- schen Gesellschaft für perinatale Medizin, der Deutschen Gesell- schaft für Neonatologie und pädia- trische Intensivmedizin sowie Mit- gliedern des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer (BÄK) Ende vergangenen Jahres beschlossen. Der Diskussionsent- wurf wird jetzt veröffentlicht.
Anlaß dieser Erklärung ist der bereits seit langem von Politikern, Vertretern der Kirchen und vor al- lem auch von Ärzten kritisierte Weg- fall der embryopathischen Indikati- on. Aufgrund der seit 1995 geltenden gesetzlichen Abtreibungsregelung wurde die medizinische Indikation insofern erweitert, als daß sie nicht nur auf das Leben der Mutter be- grenzt war, sondern sich auch auf po- tentielle psychische Gefahren nach der Geburt bezog. Vielfach werde je- doch fälschlicherweise davon ausge- gangen, daß allein „wegen eines auf- fälligen Befundes beim Kind eine Beendigung der Schwangerschaft“
ohne zeitliche Begrenzung indiziert sein könne, stellen die Verfasser fest.
Das hat dann möglicherweise die Folge, daß bei einem „Schwan- gerschaftsabbruch nach 20 Wochen post conceptionem es zur Geburt ei- nes lebensfähigen Kindes kommen kann, das ärztlich betreut werden muß“, heißt es in der Erklärung.
Nur wenige Ausnahmen vorgesehen
Wenn die Schwangerschaft be- endet wird, weil die Gesundheit der Schwangeren akut bedroht ist, so ist der Tod des Kindes nicht beabsich- tigt, sondern wird „nur als unver- meidbare Folge akzeptiert“. Sofern das Ziel des Abbruchs jedoch wegen einer pränataldiagnostisch festge- stellten Erkrankung oder Behinde- rung der Tod des ungeborenen Kin- des sei, wird „der Zeitpunkt, zu dem die extrauterine Lebensfähigkeit des Ungeborenen gegeben ist – also in der Regel 20 Wochen post con- ceptionem – grundsätzlich als zeitli- che Begrenzung für Schwanger- schaftsabbrüche nach Pränataldia- gnostik angesehen. Ausnahmen von dieser Begrenzung können Fälle krankheits- beziehungsweise ent- wicklungsbedingter Lebensunfähig- keit des Kindes in Verbindung mit Unbehandelbarkeit der Erkrankung beziehungsweise Entwicklungsstö- rung sein“.
Will man aber die Geburt eines lebensfähigen Kindes vermeiden, könnten Ärzte vor der Abtreibung einen Fetozid vornehmen. Ein sol-
cher Fetozid wird in der Erklärung jedoch als „unzumutbar und mit dem ärztlichen Ethos nicht verein- bar“ bezeichnet. Ausnahmen seien seltene Fälle, „in denen bei einer Mehrlingsschwangerschaft bei ei- nem der Feten pränataldiagnostisch eine schwere Erkrankung oder Be- hinderung nachgewiesen wurde, die Schwangere ohne die Möglichkeit des selektiven Fetozids den Schwan- gerschaftsabbruch mit dem Verlust aller Kinder wünschen würde und die medizinische Indikation für den Abbruch gegeben wäre“.
Nach Ansicht der Pränataldia- gnostiker sollte außerdem die Bera- tungspflicht wieder eingeführt wer- den, da der Arzt ohne Beratung kei- ne Grundlage für die Indikation ha- be. Der Gesetzgeber wird in der Er- klärung unter anderem aufgefor- dert, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß Beratungen, die Vorlage einer Bescheinigung über die Beratungen sowie die Einhal- tung einer mehrtägigen Frist zwi- schen Beratungen und Schwanger- schaftsabbruch nach Pränataldia- gnostik obligatorisch sind.
Ob die Abtreibungsregelung tatsächlich entsprechend diesen Vorschlägen geändert wird, bleibt allerdings fraglich. Der Text wird jetzt in den Zeitschriften der verant- wortlichen Fachgesellschaften ver- öffentlicht und zur Diskussion ge- stellt. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer will in Kürze dem BÄK-Vorstand den Ent- wurf vorlegen. Gisela Klinkhammer A-573
P O L I T I K LEITARTIKEL
Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 11, 13. März 1998 (17)