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Zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis wegen psychischer Erkrankung

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VG Bayreuth, Beschluss v. 02.05.2017 – B 3 S 17.50490 Titel:

Zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis wegen psychischer Erkrankung Normenketten:

AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 31 Abs. 3 S. 1, § 35 AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

EMRK Art. 3 Leitsätze:

1. Für die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist die Frage, ob das Asylsystem des schutzgewährenden Staats in Bezug auf die Behandlung anerkannter Flüchtlinge an systemischen Mängeln leidet, unerheblich. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

2. Trotz punktueller Defizite leiden das bulgarische Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen nicht an systemischen Mängeln. (redaktioneller Leitsatz)

3. Die Regelung des § 31 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 AsylG iVm § 60 Abs. 5 oder 7 AsylG ist auch auf sichere Drittsaaten und Mitgliedstaten der Europäischen Union anzuwenden. (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte:

keine Prüfung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse im Rahmen des § 35 AsylG, zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, Abschiebung nach Bulgarien, Abschiebungsandrohung, zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot, Erkrankung

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin zu 1 vom 06.04.2017 gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes für ... (Bundesamt) vom 30.03.2017 wird angeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtschutz gegen die im Bescheid vom 30.03.2017 verfügte Abschiebungsandrohung nach Bulgarien.

2

Die Antragsteller, syrische Staatsangehörige, reisten eigenen Angaben zufolge am ... 2014 in die ... ein und stellten am ... 2015 Asylanträge. Die Antragsgegnerin lehnte diese mit Bescheid vom 20.04.2015 als unzulässig ab und drohte die Abschiebung nach Bulgarien an, da bereits in Bulgarien internationaler Schutz gewährt wurde.

3

Mit Urteil vom 29.07.2015 (Az.: B 3 K 15.30280) hob das Verwaltungsgericht Bayreuth den Bescheid vom 20.04.2015 auf. Den Antrag der Antragsgegnerin auf Zulassung der Berufung hat der Bayerische

Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 09.10.2015 (Az.: 21 ZB 15.30172) abgelehnt.

4

Mit Schreiben der Bevollmächtigten der Antragsteller vom 10.12.2015 wurde bei der Antragsgegnerin beantragt, über die Asylanträge im nationalen Verfahren zu entscheiden. Da die Antragsgegnerin über den Antrag nicht förmlich entschieden hat, erhob die Bevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 16.03.2016 Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht Bayreuth (Az.: B 3 K 16.30403).

5

(2)

Mit Urteil vom 27.01.2017 verpflichtete das Verwaltungsgericht Bayreuth die Antragsgegnerin über den Antrag der Antragsteller vom 10.12.2015 innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft des Urteils zu entscheiden. Im Übrigen wurde die Untätigkeitsklage abgewiesen, da nach Auffassung des Gerichts keine Verpflichtung zum „Durchentscheiden“ besteht.

6

Mit Bescheid vom 30.03.2017 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Den Antragstellern wurde die Abschiebung nach Bulgarien angedroht, falls diese die ... nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides verlassen (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und

Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).

7

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, die Asylanträge seien in Deutschland gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig, da den Antragstellern bereits internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Bulgarien gewährt worden sei.

8

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG seien nicht festzustellen, da eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ersichtlich sei. Art. 3 EMRK verbiete aufenthaltsbeendende Maßnahmen nur dann, wenn im Zielstaat Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohe. Den Antragstellern sei die Abschiebung nach Bulgarien, also einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, angedroht worden. Bei Bulgarien handle es sich um einen sicheren Herkunftsstaat, in dem aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der dortigen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheine, dass dort keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung stattfinde. Von der vom Gesetzgeber mit Aufnahme in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten getroffenen Entscheidung könne lediglich in den Fällen eine abweichende Wertung vorgenommen werden, in denen der Ausländer Tatsachen oder

Beweismittel angebe, die die Annahme begründen würden, dass abweichend von der allgemeinen Lage im Zielstaat der Abschiebung eine von einem Akteur verursachte Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK drohe.

Diesbezüglich hätten die Antragsteller aber nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt.

9

Auch die derzeitigen humanitären Bedingungen in Bulgarien würden nicht zu der Annahme führen, dass bei einer Abschiebung der Antragsteller eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorläge. Auf die ausführliche

Begründung im Bescheid vom 30.03.2017 wird verwiesen.

10

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien ebenfalls nicht ersichtlich. Die vorgetragene psychische Erkrankung der Antragstellerin zu 1 sei gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde

anzuzeigen und von dieser im Rahmen der Prüfung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse zu bewerten.

11

Mit Schriftsatz vom 06.04.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, erhob die Bevollmächtigte der Antragsteller Klage gegen Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.03.2017 und beantragte gleichzeitigt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.

12

Zur Begründung führte die Bevollmächtigte der Antragsteller im Wesentlichen aus, die Antragsteller könnten in Bulgarien kein menschenwürdiges Leben führen. Der Ehemann bzw. Vater der Antragsteller sei in Syrien umgebracht worden. Der Antragstellerin zu 1 sei es als alleinstehende Frau mit zwei minderjährigen Kindern nicht zumutbar, in Bulgarien zu leben.

13

Mit Schreiben vom 10.04.2017 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.

(3)

14

Zur Begründung wurde auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

15

Ergänzend wird auf die Behörden- und die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Hauptsacheverfahrens (B 3 K 17.50491) verwiesen. Ferner wird auf die Behörden- und Gerichtsakten sowie auf die Urteile in den Streitsachen B 3 K 15.30280 und B 3 K 16.30403 verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

II.

16

Der am 06.04.2017 gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die

Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für ... vom 30.03.2017 anzuordnen, ist zulässig, aber nur hinsichtlich der Klage der Antragstellerin zu 1 begründet.

17

1. Der Antrag ist zulässig. Er ist nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Die Antragstellerseite hat auch die Wochenfrist zur Stellung des Antrages gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG eingehalten.

18

2. Der Antrag ist begründet, soweit er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der

Antragstellerin zu 1 gegen die Abschiebungsandrohung zum Gegenstand hat. Hinsichtlich der Klagen der Antragsteller zu 2 und 3 liegen hingegen die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 4 AsylG liegen nicht vor.

19

Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Bundesamtes für ... einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris; VG Augsburg, B.v. 28.3.2017 - Au 7 S.

17.30519 - juris).

20

Hinsichtlich der Klage der Antragstellerin zu 1 fällt die vom Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung - unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 36 Abs. 4 AsylG - zugunsten der Antragstellerin zu 1 aus, da der Abschiebungsandrohung nach Bulgarien ein

zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegensteht. Die Androhung der Abschiebung der Antragsteller zu 2 und 3 begegnet hingegen bei Anlegung des obigen Maßstabs keinen rechtlichen Bedenken, da gegenüber den Antragstellern zu 2 und 3 allenfalls

inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse bestehen, über die in der vorliegenden Konstellation nicht die Antragsgegnerin, sondern die Ausländerbehörde zu entscheiden hat. Die Klage wird daher insoweit mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben.

21

Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

22

a) Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Diese Voraussetzungen liegen unstreitig vor. Den Antragstellerin wurde bereits am 31.07.2014 in Bulgarien Flüchtlingsschutz zuerkannt (vgl. hierzu bereits ausführlich VG Bayreuth, U.v. 29.7.2015, - B 3 K 15.30280). Der Antrag ist damit in Deutschland unzulässig.

23

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs Kassel (U.v. 4.11.2016 - 3 A 1292/16.A - juris) ist für die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG die Frage, ob das Asylsystem des schutzgewährenden Staats in Bezug auf die Behandlung anerkannter Flüchtlinge an

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systemischen Mängeln leidet, unerheblich (vgl. ausführlich, VG Freiburg, U.v. 17.3.2017 - A 5 K 853.16 - juris m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung sowie VG Hamburg, U.v. 7.3.2017 - 9 A 6210/16 - juris und VG Cottbus, B.v. 10.3.2017 - VG 5 L 673/16.A. - juris). Im Übrigen liegen - selbst wenn man im Rahmen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG den Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO heranziehen müsste - keine

systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Bulgarien vor (vgl. hierzu nur BayVGH, B.v. 15.11.2016 - 13a ZB 16.500064 - juris; VG München, B.v. 24.3.2017 - M 6 S. 16.50886 - juris).

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b) Die Abschiebungsandrohung gegenüber der Antragstellerin zu 1 nach § 35 AsylG erweist sich aber aller Voraussicht nach deswegen als rechtswidrig, da von der Antragsgegnerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG festzustellen gewesen wäre. Die Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG ist auch auf Drittstaaten und nicht nur auf Herkunftsländer anzuwenden (VG Hamburg, U.v. 7.3.2017 a.a.O., VG Freiburg, U.v. 17.3.2017 a.a.O.; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 35 AsylG, Rn. 4). Der Gesetzgeber hat mit dem Integrationsgesetz durch die Änderung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG das Konzept der normativen Vergewisserung modifiziert und die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG auf sichere Drittstaaten und Mitgliedstaaten der Europäischen Union angeordnet. Diese Änderung ist geeignet, die Einhaltung der Vorgaben des Art. 3 EMRK bzw. des Art. 4 der EU- Grundrechtecharta im Einzelfall sicherzustellen.

25

Die Auffassung der Antragsgegnerin, die psychische Erkrankung der Antragstellerin zu 1 stelle lediglich ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis dar, ist rechtlich nicht haltbar. Bei Abschiebungsverboten ist nach zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und 7 AufenthG), bei denen wegen der

Verhältnisse im Zielstaat eine Abschiebung aus rechtlichen Gründen unzulässig ist, und inlandsbezogenen Vollstreckungshemmnissen (§ 60 a Abs. 2 AufenthG), bei denen die Abschiebung als solche aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unzulässig ist, zu differenzieren. Nur Verschlechterungen der Krankheit, die als Folge des Vollzugs selbst drohen, können als inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse behandelt werden, die (erst) von der Ausländerbehörde zu prüfen sind (vgl. Marx a.a.O, § 4, Rn. 84 und 94). Das Gericht hat bereits im Urteil vom 29.07.2015 (Az.: B 3 K 15.30280) ausführlich dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 1 in Bulgarien dramatisch verschlechtern würde. Die

Antragstellerin zu 1 befindet sich auch gegenwärtig noch in ärztlicher Behandlung. Es ist nicht ersichtlich, dass die im Urteil vom 29.07.2015 dargelegten und gewürdigten Umstände nicht mehr zutreffen würden.

Insbesondere geht auch die Antragsgegnerin (weiterhin) von einer psychischen Erkrankung aus, stuft diese aber ohne tragfähige Begründung als bloßes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis ein. In der

Rechtsprechung ist geklärt, dass sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG - trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung - auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben kann, wenn der Betroffene die medizinische Versorgung, insbesondere aus sonstigen oder finanziellen Gründen, nicht erlangen kann. Unter Anlegung dieses Maßstabes und Verweis auf die Ausführungen im Urteil vom 29.07.2015 geht das Gericht davon aus, dass bei der Antragstellerin zu 1 ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. Bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage erscheint es daher überwiegend wahrscheinlich, dass - soweit die Bevollmächtigte der Antragsteller noch einen entsprechenden Antrag stellt - die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren verpflichtet wird, bei der Antragstellerin zu 1 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

26

c) Bei den Antragstellern zu 2 und 3 liegen hingegen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote vor.

27

aa) Lebensbedrohliche oder schwerwiegenden Erkrankungen i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die sich durch die Abschiebung nach Bulgarien wesentlich verschlechtern würden, sind nicht ersichtlich.

28

bb) Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder bei den Antragstellern zu 2 und 3, die 13 bzw. 11 Jahre alt sind, noch bei der Antragstellerin zu 1 gegeben. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Hieraus folgen neben

(5)

Unterlassungsauch staatliche Schutzpflichten. Eine Verletzung von Schutzpflichten kommt in Betracht, wenn sich die staatlich verantworteten Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigten in Bulgarien allgemein als unmenschlich oder erniedrigend darstellen (vgl. OVG NRW, U.v. 19.5.2016 - 13 A 1490/13.A - juris).

29

Die hinsichtlich der allgemeinen Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigen bestehenden Gewährleistungspflichten hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Einzelnen konkretisiert.

Demnach kann die Verantwortlichkeit eines Staates aus Art. 3 EMRK begründet sein, wenn der Betroffene vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EGMR, U.v. 4.11 2014 - 29217/12 (Tarakhel / Schweiz) - juris). Dagegen verpflichtet Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen.

Art. 3 EMRK begründet auch keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn international Schutzberechtigte den eigenen

Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Der Umstand, dass sich die allgemeinen Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Bulgarien nach wie vor als sehr schwierig darstellen, begründet nicht die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK (vgl. OVG NRW, U.v. 19.5.2016 - 13 A 1490/13.A - juris).

Insoweit hat sich die Lage in Bulgarien seit dem Urteil vom 29.07.2015 gebessert, so dass das Gericht gegenwärtig nicht (mehr) davon ausgeht, dass eine Abschiebung der Antragsteller gegen Art. 3 EMRK verstößt.

30

Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Kassel (U.v. 4.11.2016 - 3 A 1292/16.A - juris), anerkannten Flüchtlingen drohe in Bulgarien eine Verletzung des Rechtes aus Art. 3 EMRK, vermag das Gericht, wie bereits oben ausgeführt, nicht zu teilen. Diese Beurteilung entspricht auch der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (B.v. 31.8.2016 - 3 L 94/16 - juris) und des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (U.v. 25.10.2016 - 2 A 96/16 - juris) sowie mehrerer

Verwaltungsgerichte (z.B. VG Hamburg, U.v. 9.1.2017 - 16 A 5546/14 - juris; VG Schleswig, B.v. 9.9.2016 - 10 A 336/16 - juris; VG Düsseldorf, U.v. 14.11.2016 - 12 K 5984/16.A - juris), der sich das Gericht

anschließt und auf deren Entscheidungen es zur Begründung Bezug nimmt.

31

d) Der Abschiebung der Antragsteller zu 2 und 3 stehen allenfalls inlandsbezogene

Abschiebungshindernisse entgegen, da die Antragstellerin zu 1 (Mutter der Antragsteller zu 2 und 3) aufgrund des bestehenden Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht nach Bulgarien überstellt werden kann und die Abschiebung der beiden minderjährigen Antragsteller zu 2 und 3 ohne die Antragstellerin zu 1 einen Verstoß gegen Art. 6 GG darstellen würde. Auf inlandsbezogene

Abschiebungshindernisse kommt es vorliegend jedoch nicht entscheidungserheblich an, da bei der Ablehnung eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig wegen bereits erfolgter

Gewährung von internationalen Schutz durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach § 35 AsylG nur eine Abschiebungsandrohung, bei der inlandsbezogene Abschiebungshindernisse durch das

Bundesamt nicht zu prüfen sind, zu erlassen ist (vgl. VG Augsburg, B.v. 28.3.2017 - Au 7 S 17.30519 - juris). Die inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse der Antragsteller zu 2 und 3 sind vielmehr gegenüber der Ausländerbehörde geltend zu machen und von dieser in einem gesonderten Verfahren zu prüfen.

32

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG). Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.

33

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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