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Abschiebungsverbot für Afghanistan wegen psychischer Erkrankung

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Academic year: 2022

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VG Würzburg, Beschluss v. 22.03.2017 – W 5 S 17.31205 Titel:

Abschiebungsverbot für Afghanistan wegen psychischer Erkrankung Normenketten:

VwGO § 80 Abs. 5

AsylG § 36 Abs. 3 u. 4, § 71 AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1 Schlagworte:

Sofortantrag, Folgeverfahren, afghanischer Staatsangehöriger, alleinstehender Mann, zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, psychische Erkrankung, Suizidversuche

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage mit dem Az. W 5 K 17.31204 gegen die im Bescheid des Bundesamtes für ... vom 2. März 2017 enthaltene Abschiebungsandrohung nach Afghanistan wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der angedrohten Abschiebung nach Afghanistan.

2

1. Der Antragsteller (geb. …1997), afghanischer Staatsangehöriger, hazarischer Volkszugehörigkeit und schiitischen Glaubens, hat bereits am 2. September 2015 beim Bundesamt für ... (Bundesamt) Asyl beantragt. Der Asylantrag wurde mit Bescheid vom 11. November 2015 (Az.: …) abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Klage W 2 K 15.30794 wurde mit Urteil vom 16. September 2016 abgewiesen.

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Am 17. Februar 2017 beantragte der Antragsteller beim Bundesamt persönlich, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. Januar 2017 wurde beantragt, dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Des Weiteren wurde beantragt, das Verfahren mit dem Az. … wieder aufzugreifen und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Afghanistan vorliegen. Bei dem Antragsteller lägen zumindest die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Denn dieser leide an einer schweren psychischen Erkrankung in Form einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen (F32.3). Er bedürfe ständiger medikamentöser fachärztlicher als auch stationärer Behandlung. Wie sich u. a. aus den Lageberichten des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage zu Afghanistan ergebe, sei die medizinische Versorgung in Afghanistan immer noch unzureichend. Selbst in Kabul, wo es - anders als im übrigen Land - mehrere Krankenhäuser gebe, sei für die Bevölkerung noch keine

hinreichende medizinische Versorgung gewährleistet.

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Dem Schriftsatz war ein Bericht des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Schloss Werneck vom 20. Dezember 2016 beigefügt, nach dem bei dem Antragsteller eine

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schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen F 32.3 diagnostiziert worden war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Arztbericht vom 20. Dezember 2016 verwiesen.

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2. Mit Bescheid vom 2. März 2017 (Az.: …) lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1). Der Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 11. November 2015 (Az.: …) bezüglich der Feststellung zu

§ 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes wurde abgelehnt (Nr. 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls er nach Afghanistan abgeschoben wird (Nr. 3).

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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Soweit sich der Antragsteller bezüglich seiner Volkszugehörigkeit auf eine geänderte Sachlagen- bzw. Rechtslagenänderung beziehe, sei diese weder nachvollziehbar dargelegt, noch sei sie nach der aktuellen Auskunftslage ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien im vorliegenden Fall nicht gegeben. So seien bereits die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht erfüllt. Darüber hinaus seien Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nur solche Umstände, die sich der Sache nach aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland für diesen Ausländer herleiten ließen und damit in Gefahren begründet lägen, die de Asylbewerber im Zielstaat der Abschiebung

bedrohten (zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Träten die befürchteten negativen Auswirkungen jedoch allein durch die Abschiebung als solche und nicht wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat ein, so handele es sich um ein sog. inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, das nicht durch das Bundesamt, sondern durch die Ausländerbehörde zu berücksichtigen sei. So sei hier dem vorgelegten ärztlichen Schreiben klar zu entnehmen, dass der Antragsteller vor drei Wochen keine „Verlängerung seines Asylantrages“ bekommen habe. Der Antragsteller beklage „seitdem (!)“ Schlaflosigkeit, Grübelneigung sowie Suizidgedanken und Albträume. Träten, wie vorliegend, die befürchteten negativen Auswirkungen allein durch die Abschiebung als solche ein, so handele es sich um ein inlandsbezogenes

Vollstreckungshindernis. Nach allem sei die Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG zu erlassen gewesen.

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Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers mittels einfachen Briefs und einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungübermittelt (Aufgabe zur Post als Einschreiben am 8.3.2017).

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3. Am 15. März 2017 ließ der Antragsteller Klage (W 5 K 17.31204) erheben, über die noch nicht entschieden ist und im zugrunde liegenden Verfahren beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, sowie ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … … zu bewilligen.

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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens lägen vor; ebenso die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG. Eine in diesem Rahmen relevante Änderung der Sachlage sei darin zu sehen, dass der Antragsteller nunmehr an einer schweren psychischen Erkrankung in Form einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen leide. Er bedürfe daher ständiger medikamentöser, fachärztlicher und auch stationärer Behandlung. So sei mit Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 19. Dezember 2016 eine vorläufige Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses angeordnet worden. Diese neue Sachlage werde bestätigt durch ein neues Beweismittel in Form des Berichts des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Schloss Werneck. Wie sich aus dem Bericht ergebe, hätten in der geschlossenen Abteilung noch mehrere Suizidversuche des Antragstellers stattgefunden. Ein neues Beweismittel liege auch in dem vorläufigen Entlassbericht dieses Krankenhauses sowie in der Bescheinigung des den Antragsteller behandelnden Psychotherapeuten. Neue Beweismittel lägen zudem vor in Form neuer Informationen zur aktuellen (Verfolgungs-)Situation für Angehörige der Volksgruppe der Hazara sowie dem Bericht des UNHCR vom Dezember 2016.

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4. Das Bundesamt äußerte sich nicht.

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5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakten W 5 K 17.31204, W 2 K 15.30794 und die beigezogene Bundesamtsakte verwiesen.

II.

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Der Antrag, die kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die

Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid vom 2. März 2017 anzuordnen (§ 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO), ist zulässig und begründet.

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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er fristgerecht innerhalb der Antragsfrist von einer Woche (§§ 71 Abs. 4 i. V. m. §§ 34, 36 Abs. 3 Satz 1 und 2, 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG) bei Gericht gestellt.

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2. Der Antrag ist auch begründet, da die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen betrachtet werden müssen. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 und 4 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Nach Art. 16a Abs.

4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass diese einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris). Voraussetzung einer nach § 71 Abs. 4 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG und § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung ist, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG

hinsichtlich des Folgeantrages nicht vorliegen, der Ausländer also nicht als Asylberechtigter anerkannt und ihm nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AsylG), dass dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AsylG) und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG) und dass der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG).

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Bei summarischer Prüfung bestehen aus den vom Antragsteller geltend gemachten Gründen ernstliche Zweifel, ob die Entscheidung des Bundesamts hinsichtlich der Ablehnung eines Abschiebungsverbotes zutreffend ist.

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Nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG hat das Bundesamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird (§ 13 Abs. 2 AsylG). Diesbezüglich besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (vgl. BVerwG, U.v.

21.3.2000 - 9 C 41.99 - juris - m.w.N.; BayVGH, U. v. 6.6.2002 - 23 B 02.30222 - juris). Dieser verdichtet sich dann mit Blick auf das Schutzgebot in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu einem strikten Rechtsanspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zu § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG und erlaubt damit eine

abschließende gerichtliche Entscheidung zugunsten des Ausländers, wenn ein Festhalten an der bestandskräftigen negativen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu einem schlechthin

unerträglichen Ergebnis führen würde. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Ausländer bei einer Abschiebung einer Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK führen würde oder er einer extremen individuellen Gefahrensituation ausgesetzt würde und das Absehen von einer Abschiebung daher verfassungsrechtlich zwingend geboten ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.2004 - 1 C 15.03 - juris).

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Anders als das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid ausführt, kommt nach summarischer Prüfung hier das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht.

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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden‚ wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib‚ Leben oder Freiheit besteht. Dabei erfasst diese Regelung - worauf die Beklagte zu Recht abgestellt hat -nur solche Gefahren‚ die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind‚ während Gefahren‚ die sich aus der Abschiebung als solche ergeben‚ nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes

Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (vgl. BayVGH, U.v. 17.3.2016 - 13a B 16.30007 - juris, unter Verweis auf die st. Rspr. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG; siehe BVerwG‚ U.v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - juris; U.v. 25.11.1997 - 9 C 58.96 - BVerwGE 105‚ 383 = NVwZ 1998‚ 524 m.w.N.).

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Nicht in ihre Entscheidung miteinbezogen hat das Bundesamt allerdings den rechtlich bedeutsamen Umstand, dass sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben kann‚ wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert‚ weil die

Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind (BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - NVwZ 2007, 12) oder im Einzelfall auch daraus, dass der erkrankte Ausländer eine an sich im Zielstaat verfügbare

medizinische Behandlung tatsächlich nicht erlangen kann. Dies kann zum einen der Fall sein, wenn im Herkunftsstaat des Ausländers eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit wegen des geringen Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Zum anderen kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betreffende Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, z.B. wenn eine notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVerwG, U.v. 29.10.2002 - 1 C 1/02 - juris). Dabei ist jedoch zu beachten, dass - auch an Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK gemessen - kein Anspruch auf eine mit der Versorgung im Bundesgebiet gleichwertige medizinische Versorgung im Zielstaat besteht (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG; vgl. EGMR, U.v. 7.10.2004 - Dragan, 33743/03 - NVwZ 2005, 1043; BVerwG, U.v.

25.11.1997 - 9 C 58/96 - juris). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt des Weiteren in der Regel auch dann vor, wenn sie nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG).

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Nach summarischer Prüfung ist es als offen anzusehen, ob dem Antragsteller wegen seiner Erkrankung bei Rückkehr in die Heimat eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr droht. Der vom

Antragstellerbevollmächtigten schon im Verwaltungsverfahren vorgelegte psychiatrische Befundbericht des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Schloss Werneck vom 20.

Dezember 2016 kommt zu der Diagnose‚ dass der Antragsteller an einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen F 32.3 leidet. Gegen diese Diagnose und die Sachkunde der den Bericht unterzeichneten Oberärztin und der Assistenzärztin bestehen keine Bedenken. Die Diagnose wird bestätigt durch den vorläufigen Entlassbericht des Krankenhauses mit Datum 8. Dezember 2016, der rückdatiert ist.

Aus ihm ergibt sich die (beachtliche) Dauer des Aufenthalts vom 7. Dezember 2016 bis 23. Februar 2017.

Auch dieser Bericht bestätigt die schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen. Der Arztbericht gibt Auskunft über die Schwere der Erkrankung, die konkreten Symptome und den Behandlungsverlauf. Die Ärztin hat dargelegt, dass der Antragsteller mit vorläufiger polizeilicher

Unterbringung als Überweisung aus dem Krankenhaus Haßfurt gekommen sei, wo zahlreiche oberflächliche Schnittverletzungen an beiden Unter- und Oberarmen versorgt worden sei, die sich der Patient mit einer Rasierklinge zugefügt gehabt habe. Hinsichtlich Therapie und Verlauf wird dann angegeben, dass der Antragsteller aufgrund von akuter Suizidalität auf der beschützenden Station aufgenommen worden sei. Im Laufe der Behandlung sei es zu mehreren (weiteren) Suizidversuchen gekommen, so habe der

Antragsteller versucht, sich mit an einer Gardinenstange befestigten Mullbinden zu erhängen, habe in suizidaler Absicht eine Flasche Shampoo getrunken und sich mit den Scherben eines Tellers, den er zuvor am Kopf zerbrochen habe, Schnittverletzungen zugefügt. Da der Antragsteller nicht absprachefähig bezüglich Suizidalität gewesen sei, sei er sehr lange 1:1 überwacht worden. Eine Unterbringung nach öffentlichem Recht sei für sechs Wochen aufgrund akuter Eigengefährdung vom Gericht genehmigt worden.

Im Gespräch mit dem Dolmetscher habe der Antragsteller angegeben, eine fremde Stimme zu hören, die ihm Suizidimpulse geben würde. Nach anfänglicher niedrigerer Dosierung sei dann mit der Dosierung von Risperdal und erhöhtem Seorquel begonnen worden, worunter sich eine Besserung der Symptomatik gezeigt habe. Im weiteren Verlauf habe der Antragsteller angegeben, dass die Stimmen immer seltener auftreten würden, worauf hin stufenweise die Überwachung gelockert worden sei. Im Verlauf sei es dann

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auch zu einer Besserung des Antriebs sowie einer Stimmungsaufhellung kommen. Er sei dann am 23.

Februar 2017 in eine ambulante Weiterbehandlung entlassen worden. Es werde dringend die Fortführung der Medikation empfohlen. Auch der den Antragsteller behandelnde Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Psychotherapie bestätigt eine schwere depressive Erkrankung mit psychotischen Symptomen und attestiert eine Reiseunfähigkeit für die nächsten sechs Monate.

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Nach allem besteht - nach summarischer Prüfung - nach den vorliegenden psychiatrischen Befundberichten Behandlungsbedarf. Eine fachkompetente medikamentöse psychiatrische Behandlung ist geboten. Der Antragsteller leidet an einer erheblichen, behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung. Derartige Erkrankungen sind in Afghanistan nicht ausreichend behandelbar (vgl. BayVGH, U.v. 3.7.2012 - 13a B 11.30064 - juris). In der vg. Entscheidung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass eine rezidivierende depressive Störung mittelgradiger Ausbildung in Afghanistan nicht ausreichend behandelbar ist und zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führt. Nach einer vom Gericht in jenem Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amts vom 3. Juli 2011 bestehen zwar in Kabul einige psychiatrische Kliniken. Allerdings müssten Familienangehörige verfügbar sein‚ die den Patienten versorgten. Dass sich an dieser Situation etwas geändert haben könnte, ist nicht ersichtlich, wie der Bayer.

Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 17. März 2016 (13a B 16.30007 - juris) festgestellt hat.

Vielmehr leidet nach dem aktuellen Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19. Oktober 2016 (Lagebericht - Stand September 2016) die medizinische Versorgung in Afghanistan trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattungen der Kliniken‚ insbesondere aber an fehlenden Ärzten und Ärztinnen sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal. Die Behandlung von

psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - finde‚ abgesehen von einzelnen Pilotprojekten‚

nach wie vor nicht in einem ausreichenden Maß statt. Traditionell mangele es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke (Lagebericht, S. 23 f.).

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Da somit im Rahmen der im vorliegenden Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht

abschließend beurteilt werden kann, ob die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach Afghanistan vorliegen, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der

Antragsgegnerin.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

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4. Trotz erfolgreichen Antrags war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskos-tenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten (§ 114 VwGO, § 121 ZPO) abzulehnen, da die dem Antrag zwingend beizufügende formblattmäßige Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege (§ 117 ZPO) bisher nicht bei Gericht eingingen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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