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Archiv "Brief aus Italien: Ein hartes Drogengesetz" (16.07.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

LI K INS AUSLAND

Brief aus Italien

Ein hartes Drogengesetz

ROM. Anderthalb Jahre hat es gedauert — aber nun hat Italien wahrscheinlich das schärfste Gesetz zur Bekämpfung der Rauschgift- sucht in der Welt; Anfang Juli ist es in Kraft getreten.

Schon der Besitz von kleinen Mengen „harter" oder „weicher"

Drogen für den persönlichen Ge- brauch gilt als „reato", ein Wort, für das im kleinen „Langenscheidt" be- reits die Übersetzung „Verbrechen"

steht — die feinen Unterschiede zwi- schen Ordnungswidrigkeit, Verge- hen und Verbrechen, wie sie die deutsche Juristensprache kennt, be- stehen in Italien nicht. Daß für den Drogenhandel, insbesondere den be- rufsmäßigen, schwerste Strafen bis zu dreißig Jahren Freiheitsentzug angedroht werden, ist nicht verwun- derlich. Aber wer zum ersten Mal mit einer Portion Haschisch in der Rocktasche erwischt wird, ist bereits

„dran": Der Präfekt — eine Mischung aus Verwaltungsbeamtem und Amts- richter — muß eine Verwarnung aus- sprechen. Ausländer werden sofort ausgewiesen. Handelt es sich um He- roin oder Kokain, wird es schon schlimmer: Der Präfekt zieht den Führerschein und den Paß ein, einen Waffenschein, falls vorhanden, ebenso. Wer zum dritten Male er- tappt wird, wird in seiner Freiheit er- heblich eingeschränkt: Ihm wird vor- geschrieben, wo er zu wohnen und wann er abends nach Hause zu kom- men hat.

Wer sich bereit erklärt, sich ei- ner Therapie zu unterziehen, kann alle diese Sanktionen abwehren. Da- zu muß man wissen, daß es in Italien einerseits im letzten Jahr unverhält- nismäßig viele Drogentote gegeben hat — mehr als tausend —, und daß es in diesem Lande verhältnismäßig viele Therapieplätze gibt.

Das Gesetz wurde von der Re- gierungskoalition aus Christdemo- kraten, Republikanern, Liberalen, Sozialdemokraten und Sozialisten unterstützt, ebenfalls von den Neofa- schisten. Einige linke Christdemo- kraten waren dagegen, ebenso die (ohnehin im Moment ziemlich zer-

strittenen) Kommunisten und die linken Splitterparteien. Beachtung fand, daß es auch einen Streit zwi- schen zwei Exponenten der kurati- ven Szene gab: Der Bauunternehmer Vincenzo Muccioli aus Rimini, der einige zwar wegen unorthodoxer Me- thoden umstrittene, aber erfolgrei- che Entziehungseinrichtungen in pri- vater Initiative aufgezogen hat, war dafür; der Priester Don Luigi Ciotti, der ähnliches auf kirchlicher Basis tut, ist dagegen.

Das Wahltreppchen

Der liberale Gesundheitsmini- ster Francesco De Lorenzo, Chirurg aus Neapel, bereitet inzwischen wei- ter seine Attacke gegen das gegen- wärtige System des staatlichen Ge- sundheitsdienstes vor. Seine These ist, daß die „Unitä sanitarie locali"

(Usl), die örtlichen Exekutiveinhei- ten des Gesundheitssystems, vom parteipolitischen Einfluß befreit und nicht mehr von Politikern, sondern von Managern verwaltet werden soll- ten. Die letzten Kommunalwahlen gaben ihm eine brauchbare Argu- mentationswaffe: Er hat ausgezählt, daß 740 Verwaltungsmitglieder der Usls in den letzten Wahlen zu den Regions-, Provinz- und Gemeinde- parlamenten kandidiert haben — 559 von ihnen wurden auch gewählt. Das

„beste" Ergebnis gab es in der (kom- munistisch regierten) Toskana: Dort kandidierten 43 Usl-Funktionäre für die Gemeindeparlamente, und alle wurden gewählt. Das will De Loren- zo abbauen: daß ein Sitz im Usl-Ver- waltungsrat nur dazu dient, den Sprung in den Stadtrat zu schaffen.

Pflegepersonal

In der Regierung gibt es Streit darüber, wie dem Mangel an Pflege- personal abzuhelfen sein könnte. Es fehlen etwa 40 000 Schwestern. Dies betrifft vor allem den Norden — im Süden kommt man einigermaßen zu- recht. Von verschiedenen Seiten ist immer wieder der Vorschlag ge- macht worden, im Ausland anzuwer- ben. Innerhalb der EG findet man niemanden, also sucht man nach

Schwestern mit dem Beiwort „estra- communitari" — aus Äthiopien, Ar- gentinien oder wer weiß wo. Das stößt inzwischen auf großen Wider- stand. Denn Italien kämpft mit einer ganz besonderen Gruppe von „estra- communitari": Schwarzafrikanern, die illegal oder halb legal ins Land gekommen sind und sich ihren Le- bensunterhalt als Straßenhändler verdienen: die „vucumprä" (Voi comprate — kaufen Sie!). Aus uner- findlichen Gründen sind dies haupt- sächlich Senegalesen. Der Versuch, sie abzuwehren, kollidiert natürlich mit dem Gedanken, Pflegekräfte aus ähnlichen Ländern anzuwerben. De Lorenzo meint, das könne man auf andere Weise lösen: Die Gehälter von heute 1750 DM monatlich soll- ten auf 2100 bis 4000 DM angehoben werden.

Mailänder Irrfahrt

Wenn in einem solchen System mal eine Panne passiert, gibt es na- türlich helle Aufregung. So vor kur- zem in Mailand: Ein Rentner starb, weil sein Aorten-Aneurysma nicht rechtzeitig behandelt wurde. Er hat- te eine lose Verabredung mit einem Krankenhaus, weil es noch nicht akut bedrohlich war. Dann fühlte er sich schlecht, rief den Krankenwa- gen, und der fuhr ihn nicht in das Krankenhaus, wo man ihn kannte, sondern im „sektorialisierten" Sy- stem in das örtlich zuständige Spital.

Dort eine korrekte Diagnose — aber dieses Haus konnte die erforderliche Operation mangels entsprechender Ausstattung nicht ausführen. Der Krankenwagen fuhr daraufhin zehn andere Krankenhäuser ab, ohne eine Aufnahmemöglichkeit zu finden; in dem Haus, wo der Patient bekannt war, war der Operationssaal gerade

— wegen eines langwierigen Eingriffs

— besetzt. Der Patient starb. Die Arz- te setzen sich zur Wehr: Da wäre oh- nehin keine Hilfe mehr möglich ge- wesen.

Mailands Krankenhäuser haben im allgemeinen einen guten Ruf. Sie haben es sicher nicht verdient, daß auf Grund dieses Falles tagelang Ca- rabinieri sie durchsuchten, um etwas zu finden — was eigentlich? Das A-2252 (64) Dt. Ärztebl. 87, Heft 28/29, 16. Juli 1990

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Gastgeber, Gast und Begleitung: Generalmajor Prof. Dr. Eduard Nechaev (links) und Gene- raloberstabsarzt Dr. Gunter Desch Foto: Sanitätsinspektion, Bonn

Und sonst . . . ?

Schicksal oder das Ergeben in den Willen Gottes ist offenbar auch nicht mehr das, was es einmal war: Die Witwe verlangt Geld . . . — Immerhin wird jetzt beschleunigt ein Funk- Rettungs-Leitsystem eingerichtet.

Da wären noch zwei Sachen zu vermelden: In Verona hat ein Prä- fekt Ermittlungen gegen eine Unitä sanitaria locale aufgenommen. Sie hatte den Auftrag, Analysen über die Trinkwasserqualität der Etsch und des Gardasees anzufertigen. Und die waren hervorragend. Nur scheint es, daß diese Ergebnisse mit der Rea- lität nicht viel zu tun haben . . .

Und: Der Immunitätsausschuß des römischen Parlaments hat eine Abgeordnete zur Strafverfolgung freigegeben. Es handelt sich um die geborene Ungarin und naturalisierte Italienerin Ilona Staller, genannt „La Cicciolina", Abgeordnete der Radi- kalen, eine bekannte und beliebte Porno-Filmdarstellerin. Sie hat ne- ben ihrem Abgeordnetenmandat auch ihren Beruf ausgeübt, und das Ergebnis — natürlich ein Pornofilm — nimmt ihr das Hohe Haus übel. bt

Nach zwanzig Jahren

Gesetz über Todeskriterien

KOPENHAGEN. Mit überwäl- tigender Mehrheit und Stimmen aus allen Parteien hat das dänische Fol- keting jetzt nach knapp 20 Jahre lan- ger Diskussion ein Gesetz über neue Kriterien zur Feststellung des Todes eines Menschen verabschiedet. Da- bei wird dem Hirntod entscheidende Bedeutung beigemessen. Damit ist der Weg frei für Herz-Transplanta- tionen, für die dänische Patienten bisher ins Ausland, vorzugsweise nach Norddeutschland und West- schweden, reisen mußten.

Das Gesetz trat am 1. Juli 1990 in Kraft. Für diesen Tag wurde auch bereits die erste Herztransplantation Dänemarks erwartet. Empfängerin sollte eine 24jährige Frau sein, die

seit der Geburt ihres zweiten Kindes im Dezember auf einen Transplanta- tionstermin in Schweden wartet. Auf die Aufnahme der Herz- und Leber- transplantation in Dänemark haben sich mehrere Teams des Reichshos- pitals in Kopenhagen seit längerem vorbereitet.

Mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes hoffen die Ärzte auch, daß wieder mehr Nierenspender zur Ver- fügung stehen werden. Während der sehr gefühlsbetonten Diskussion über den „wahren" Eintritt des To- des und dessen amtliche Feststellung war die Bereitschaft zur Nierenspen- de in Dänemark dramatisch zurück- gegangen.

Die Entscheidung, ob Verstor- benen eine Organspende entnom- men werden darf, liegt in Dänemark bei den Angehörigen. Nach dem neuen Gesetz kann jedermann seine Entscheidung für oder gegen eine Organspende für den Fall seines To- des jetzt einem amtlichen Register mitteilen. Außerdem erfolgt eine entsprechende Markierung des Füh- rerscheins.

Nach einer Übersicht der staat- lichen Gesundheitsbehörde besteht in Dänemark durchschnittlich jähr- lich ein Bedarf von 40 Herztrans- plantationen, zehn Herz-Lungen- Verpflanzungen und 40 bis 45 Leber- Übertragungen. Dazu reichen die dänischen Kapazitäten zunächst nicht aus, so daß weiterhin Patienten zur Operation ins Ausland geschickt werden müssen. E. C./ptv

Sanitäts-Inspekteur in der Sowjetunion

Der Inspekteur des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundes- wehr, Generaloberstabsarzt Dr.

Gunter Desch, war an der Spitze ei- ner siebenköpfigen Delegation kürz- lich zu einem offiziellen Besuch in der Sowjetunion. Im Zuge der vom Generalinspekteur der Bundeswehr, Admiral Dieter Wellershoff, im Juni 1989 getroffenen Vereinbarungen reiste Dr. Desch als erster der In- spekteure der Bundeswehr in die UdSSR. Wichtigste Gesprächspart- ner waren in Moskau der Chef des Generalstabes der Streitkräfte der UdSSR, Armeegeneral Michael Mo- issejew, und der Chef des Sanitäts- wesens der Streitkräfte der UdSSR, Generalmajor Prof. Dr. Eduard A.

Nechaev, sowie in Leningrad der Kommandeur der Militärmedizini- schen Akademie „S. M. Kirov", Ge- neralleutnant German Yakovlev.

In Moskau besuchte Dr. Desch das 3. zentrale Militärkrankenhaus

„Vishnewskiy", das Institut für Flug- medizin sowie Einrichtungen des Truppensanitätsdienstes der Kante- mirov-Division im Standort Narofo- min. In Leningrad hielt der Inspek- teur an der Kirov-Akademie, der zentralen militärmedizinischen Aus- bildungsstätte, einen Vortrag über den Sanitätsdienst der Bundeswehr.

Desch in einer Bewertung seiner Reise: „Nach dem ersten Schritt der Dt. Ärztebl. 87, Heft 28/29, 16. Juli 1990 (65) A-2253

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