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Archiv "Plädoyer für eine bürgernahe Krebsfürsorge: Erfahrungen und Anregungen" (28.09.1978)

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ARZTEBLATT

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Die niedergelassene Ärzte- schaft muß sich ernsthaft mit den organisatorischen und praktischen Fragen der Krebs- bekämpfung befassen, um zu

verhindern, daß die begleiten-

de Versorgung und die Nach- sorge, aber auch die gesamte Behandlung in "Zentren" in- stitutionalisiert wird. Die Län- dergesellschaften für Krebs- bekämpfung und die Deut- sche Krebshilfe haben - auf der Basis eigener und fremder Erfahrungen aufbauend - ein Konzept für die Krebsfürsorge am Ort entwickelt. Der Verfas- ser machte der Landesregie- rung von Ahainland-Pfalz Vor-

schläge für eine bürgernahe

Rehabilitation im Bereich der niedergelassenen Ärzte und stellte Kriterien für stationäre Krebsnachsorge-Institutionen auf. Auf die Entwicklung peri- pherer onkologischer Einhei- ten im radiologischen und in- ternistischen Sektor wurde dabei hingewiesen. Auch die Fi nanzie ru ngsfragen wurden angeschnitten.

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Plädoyer für eine

bürgernahe Krebsfürsorge

Erfahrungen und Anregungen

Alexander von Essen

Bei einer Tagung der Ländergesell- schaften für Krebsbekämpfung am 17. Dezember 1974 wurde bereits auf die unbefriedigende Situation auf dem Gebiete der Krebsfürsorge hingewiesen und festgestellt, daß selbst den höchsten gesundheitspo- litischen Stellen in der Bundesrepu- blik Deutschland detaillierte Kennt- nisse über Krebsnachsorgeeinrich- tungen fehlen. Dies hatte eine be- reits 1972 im Deutschen Bundestag eingebrachte Anfrage ergeben. ln ihrer Antwort kündigte die Bundes- regierung an, daß sie nach lnkraft- treten des Krankenhausfinanzie- rungsgesetzes (KHG) diese Frage mit den Ländern erörtern würde.

Dieses ist jedoch bis heute noch nicht geschehen.

Wir wiesen damals auf die Notwen- digkeit der Formulierung von Krite- rien für Nachsorgeinstitutionen hin, die sich im Laufe der Dezennien in den Bundesländern unterschiedlich in Struktur und Wirksamkeit entwik- kelt haben, wie ebenfalls örtliche Fürsorgeeinrichtungen.

..,.. Ausgangspunkt aller Fürsorge- maßnahmen ist der Zeitpunkt des Beginnes der ärztlichen Behand-

lung, die das Ziel verfolgt, dem Pa-

tienten ein Iebenswertes Leben zu erhalten oder wieder zu ermögli-

chen. Das kann erfolgen durch inva-

sive chirurgische oder radiologische oder kombinierte Methoden mit dem Ziel der vollständigen oder langfri- stigen Beseitigung der Geschwulst,

durch kombinierte oder ausschließ- lich internistische Behandlungsme- thoden, die den Erfolg sichern oder im Sinne eines palliativen Effektes auf einen nicht mehr kurablen Pro- zeß einwirken sollen.

Der Hausarzt und der zuständige Onkologe haben eine bedeutsame Position durch die Festlegung des Therapieplanes sowie die Einleitung der Primärbehandlung, aber auch bezüglich der psychologischen Füh- rung des Patienten. Sie müssen auch entscheiden "ob das Ausspre- chen oder das Verschweigen der Wahrheit hinsichtlich der gesund- heitlichen Situation dem Kranken gegenüber geboten ist." (H. Oeser) ln jedem Fall ist anzustreben, die ambulanten und stationären Dienste heimatnahe und die Nachsorge indi- viduell zu gestalten. Dabei ist die Möglichkeit, auch Angehörige des Familien- und Freundeskreises ein- zubeziehen, gegeben.

Frühzeitige Einleitung von Nachsorgemaßnahmen Alle Nachsorgemaßnahmen basie- ren auf der Kenntnis, daß es wichtig ist, Rezidive und Metastasen und die psychosomatischen Zusammenhän- ge frühzeitig zu erfassen. Sie richten sich infolgedessen auf die organisa- torische Sicherung einmal des Ein- haltans der Nachuntersuchungster- mine, zum anderen auf die psychi-

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Bürgernahe Krebsfürsorge

sehe Führung und psychosoziale Betreuung. Auch in Anbetracht des- sen, daß die letztere kein von den diagnostischen und therapeuti- schen Notwendigkeiten getrennter Prozeß ist, sollte eine lokale Institu- tion die Verantwortung für beides übernehmen.

Die Erfahrung lehrt, daß die Krebs- nachsorge nicht nur an schlechter Kooperation (G. Ott), sondern auch an schlechter Koordination krankt.

Beides ist durch organisatorische Maßnahmen zu bessern.

Onkologischer

und Psychosozialdienst

Wir konnten das durch Einrichtung eines "Onkologischen und Psycho- sozialdienstes" in unserem Radiolo- gischen Institut, das mehrere tau- send Krebskranke betreut, nachwei- sen. Die ärztliche Führung ergän- zend, wird seit sieben Jahren jeder Patient vor Beginn der Behandlung von einer erfahrenen Kraft fürsorge- risch und psychologisch versorgt.

Diese Betreuung umfaßt alle Phasen der Therapie im Sinne einer additi- ven Unterstützung der ärztlichen Maßnahmen, sorgt für einen folgen- den Kuraufenthalt oder, falls dieser nicht gewünscht wird, für soziale Vergünstigungen und ist für den Pa- tienten auch späterhin jederzeit An- laufstalle in seinen Nöten.

Eigene, jahrzehntelange Erfahrun- gen bestätigen dabei die Feststel- lung von W. Jacob, daß die Fähigkeit der Krebskranken, sich emotional über ihre Krankheitssituation zu äu- ßern, gegenüber neurotisch Kran- ken wesentlich eingeschränkt ist.

Diese Tendenz zur Realitätsanpas- sung, hinter der "eine existentielle Lebenshaltung des Kranken mit ei- nem stark verdeckten, fast möchte man sagen verdrängten, emotiona- len Engagement steht, bedarf eines sorgfältigen Respektes." Sie ist ein Angelpunkt für die Hilfestellung, die ihm nur ein Mensch geben kann,

"der über eine bestimmte innere Le- benserfahrung und menschliche Reife verfügt. welche durchaus nicht vom Lebensalter abhängen muß,

wohl aber von der Ernsthaftigkeit der eigenen mitmenschlichen Zu- wendungsfähigkeit."

Unsere soziale Einrichtung, die als begleitender Krankenhilfsdienst (BKHD), seit zwei Jahren als Institu- tion der Krebsgesellschaft Rhein- land-Pfalz allen Krebskranken zur Verfügung steht, wird nicht nur von den Patienten, sondern auch von den Hausärzten, denen sie Informa- tionen gibt und bei der Stellung von Anträgen hilft, dankbar empfunden. Eine ,,Tumorpatientendokumenta- tion" ist die Basis für die Überwa- chung des Einhaltens der Nachun- tersuchungstermine und zudem der Auswertung der Behandlungsergeb- nisse. Das letztere kann sich bisher (aus äußeren Gründen) nur auf die eigenen Patienten beziehen. Die Entwicklung solcher oder ähnli- cher Einrichtungen an allen prak- tisch-onkologischen Institutionen des Gesundheitswesens im universi- tären, kommunalen und privaten Be- reich ist anzustreben.

Die besondere Beachtung von so- zialen Faktoren hat in den Stadtstaa- ten, in erster Linie in Hamburg, be- reits im Jahre 1927 zur Errichtung

des "Nachgehenden Krankenhilfs-

dienstes für Tumorkranke" geführt.

Dieser umfaßt im wesentlichen drei Bereiche:

._ Durchführung sozialer Sprech- stunden,

.- Hausbesuche und

.- Teilnahme an den medizinischen Nachuntersuchungen in den Klini- ken.

Seit einigen Monaten wird die Insti- tution in das Tumorzentrum Harn- burg mit einbezogen. J. Kammhof von der Hamburger Gesundheitsbe., hörde betont, daß neben der Erfas- sung aller Krebskranken und der Or- ganisation der medizinischen Nach- untersuchungen die Lösung psy- chosozialer Probleme ein weiteres Anliegen dieses Dienstes sein soll, der beispielhaft angelegt, in einem

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Stadtstaat eine wesentliche Rolle in der begleitenden und Nachsorge der Krebskranken hat.

Das Arbeitsblatt der Nachbetreu- ungsschwestern, "Die Tumorkarte", war in Harnburg Basis

für

die Ein- richtung des Krebsregisters.

Ähnlich strukturiert ist die nachge- hende Krankenfürsorge in anderen Großstädten, beziehungsweise in Berlin, wo ein Sozialarbeiter 850 Krebskranke nach der Entlassung aus dem Krankenhaus betreut. Die- ses Verhältnis soll stufenweise auf 1 : 300 (!) ausgebaut werden. Dar- über hinaus sind für eine zytologi- sche Beratungsstelle ein Arzt, ein Arzthelfer und eine Radiologieassi- stentin vorgesehen. "Diese Bera- tungsstelle soll langfristig Kern ei- nes onkologischen Zentrums wer- den" (J. Westhoff).

D. Sockelmann weist darauf hin, daß an einem Großklinikum, wie es die Heidelberger Universitätskliniken darstellen, bestimmte Organisa- tionsformen erforderlich sind, in de- ren Mittelpunkt das "Klinische Krebsregister" steht, dessen Aufga- ben im einzelnen dargestellt wer- den, wobei er abschließend auf die Wichtigkeit der Weiterentwicklung des Nachsorgesystems nach wirt- schaftlichen und rationellen Ge- sichtspunkten hinweist. Im Stuttgar- ter Nachsorgeprogramm soll nach G. Neumann die Betreuung von Tumorpatienten durch intensivierte Information und Kommunikation zwischen Klinik und Praxis verbes- sert werden.

Eine Arbeitsgruppe entwickelte In- formations- und Nachsorgebögen, die jetzt praktisch erprobt werden.

Nachsorge

und Weiterbetreuung

Die Sicherung der Nachsorge und Weiterbetreuung der Krebskranken ist im gesamten Behandlungs- und Rehabilitationsprozeß von hoher Bedeutung. 0. Scheibe hält sie noch für wichtiger als die Erstellung von Behandlungsrichtlinien. C>

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Wir haben davon auszugehen, daß die Verhältnisse in den einzelnen Bundesländern außerordentlich un- terschiedlich und vielfach noch un- übersichtlich sind. Das trifft in erster Linie den Patienten, den Arzt in Krankenhaus und freier Praxis sowie den Kostenträger. Aber auch die Be- völkerung, ganz allgemein, hat An- spruch auf Information und Bera- tung auf diesem Gebiet.

Von diesen Fakten ausgehend, wur- de von Vertretern der Krebs-Länder- gesellschaften und der Deutschen Krebshilfe ein Konzept für eine Krebsnachsorge am Ort ausgearbei- tet, welches, auf den eigenen und . auf fremden Erfahrungen aufbau- end, einem Flächenstaat besonders angepaßt erscheint. Im Rahmen der Geschäftsstelle der Krebsgesell- schaft Rheinland-Pfalz in Koblenz wird eine "Informations- Beratungs- zentrale der Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. und der Deut- schen Krebshilfe e.V." eingerichtet werden.

Zentrum

als Informationsquelle für Ärzte und Krankenhäuser

Dieses Zentrum soll einmal die Auf- gabe übernehmen, der Ärzteschaft und den Krankenhäusern alle Infor- mationen zukommen zu lassen, die sie in die Lage versetzen, den Kran- ken vor, während und nach der Pri- märbehandlung alle möglichen ge- setzlich zustehenden und sonstigen sozialen Vergünstigungen anbieten zu können. Er soll den Ärzten dar- über hinaus helfend bei den um- fangreichen Formalitäten zur Seite stehen, ohne die keine Hilfsmaßnah- men eingeleitet werden können. Den Ärzten sollen darüber hinaus auf An- frage Auskünfte über Möglichkeiten für spezielle diagnostische und the- rapeutische Maßnahmen im onkolo- gischen Bereich gegeben werden.

Daneben soll Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Ihr Ziel ist es, die Bevölkerung aufzuklären, um zu er- reichen, daß die Möglichkeit der Früherkennung optimal genutzt

wird. So sind in Zusammenarbeit mit den Kassen gezielte Vorsorgemaß- nahmen geplant.

Zusätzlich soll das Informationszen- trum die Kommunikationsbedürfnis- se von Interessenten und Betroffe- nen fördern. Der Psycho-Sozial- dienst soll weiter ausgebaut werden.

Die Mitarbeit von freiwilligen Helfern und eine Zusammenarbeit mit frei- gemeinnützigen Institutionen ist da- zu erforderlich. Eine solche ist be- reits eingeplant mit der ökumeni- schen Sozialstation Koblenz, die über einen Krankenbesuchsdienst von über 150 Mitgliedern verfügt.

Solche Institutionen an allen Schwerpunkten im Lande könnten zusätzlich die Überwachung der Nachuntersuchungstermine der Pa- tienten wahrnehmen.

Voraussetzung ihrer Effizienz ist ei- ne vergleichbare Dokumentations- einrichtung. Dazu bedarf es der Mit- hilfe der Haus- und der onkologisch tätigen Ärzte, denen durch die Orga- nisation der Vorteil einer laufenden Kontrolle ihrer Behandlungsergeb- nisse zuwächst.

Falls der Zusammenschluß aller on- kologisch tätigen Ärzte in Arbeits- kreisen gelingt, könnte dort doku- mentiert und eine geeignete Form der Kooperation gefunden werden. ln jedem Fall kann eine enge Zusam- menarbeit mit Krankenhäusern und Instituten, die bereits dokumentie- ren, zur Entwicklung eines ver- gleichbaren regionalen und letztlich zu einem Landeskrebsregister füh- ren. Die angestrebte flächendecken- de Versorgung wird von der Deut- schen Krebshilfe als eine gute und notwendige Ergänzung zu den Akti- vitäten angesehen, die jetzt im

"Tumorzentrum Mainz" anlaufen.

Die Finanzierung der örtlichen Nachsorge müßte durch Beihilfe von Bund und Ländern erfolgen, wobei eine in diesen Tagen eingetroffene Spende der Deutschen Krebshilfe von 25 000 Mark auslösend sein soll- te. Darüber hinaus muß mit den Ko- stenträgern, die ausschließlich sta- tionäre Nachsorgemaßnahmen be- zahlen, verhandelt werden.

Bürgernahe Krebsfürsorge

Für die mit der Organisation koope- rierenden Krankenhäuser und Ärzte, die lege artis dokumentieren und sich im onkologischen Bereich überwachten Qualitätskriterien stel- len, könnten Abgeltungen über den Pflegesatz beziehungsweise über ei- ne Position in der Gebührenord- nung erfolgen.

Bezüglich des Anspruchs auf Bun- desmittel sollte auf§ 5 des Rehabili- tationsangleichungsgesetzes vom 7.

August 1974 (BGBI. I) verwiesen werden, in dem eine enge Zusam- menarbeit der Beteiligten im Interes- se einer raschen und möglichst dau- erhaften Eingliederung der Behin- derten gefordert wird, besonders dann, wenn das Rehabilitationsver- fahren mehrere Maßnahmen umfaßt oder mehrere Träger und Stellen daran beteiligt sind.

Der zuerst Zuständige soll einen Ge- samtplan zur Rehabilitation aufstel- len, der alle Maßnahmen umfaßt, die im Einzelfall erforderlich sind, wobei sicherzustellen ist, daß die Maßnah- men nahtlos ineinandergreifen. Sol- che Einrichtungen gibt es in Deutschland nicht. Man sollte aber doch Ansätze zur Entwicklung sol- cher Institutionen, wie jetzt eine in Koblenz entsteht, dringend fördern.

Sie können einen fließenden Über- gang ermöglichen zwischen den Maßnahmen durch den Hausarzt, den Onkologen, der ambulanten Fürsorge im psychosozialen Be- reich, der stationären Rehabilitation bis zur Zurückführung in die ge- wohnte Umgebung und an den Ar- beitsplatz oder auch usque ad finem.

Rehabilitation

in Spezialeinrichtungen

Zur Rehabilitation in Erholungs- Kurheimen, Sanatorien, "Krebsklini- ken" zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen:

..,.. Der Wert einer Festigungskur im Sinne einer Stabilisierung des see- lisch-körperlichen Gleichgewichtes und hierüber eine Aktivierung der Abwehrkräfte darf als gesichert an-

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Bürgernahe Krebsfürsorge

genommen werden. Ferner können spezielle physische Hilfsmaßnah- men und begleitende unspazifische Medikationen die Lebensqualität des Kranken erheblich steigern. Das heißt aber keineswegs, daß gleiche Effekte nicht auch zu erreichen sind, wenn der Patient entsprechend sei- ner Mentalität es vorzieht, die Zeit der Rehabilitation in der häuslichen Umgebung zu verbringen. Alternativ zur Festigungskur könnten materiel- le Vergünstigungen ins Auge gefaßt werden, die ihn während dieser Zeit in seinem Tagesablauf entlasten.

Basisdiagnostik ist nicht Aufgabe ei- nes Rehabilitationshauses, in dem Festigungskuren für Krebskranke durchgeführt werden sollen. "Die lo- kal oder regional vorhandenen dia- gnostischen Möglichkeiten sollen voll mitgenutzt und hauseigene Ein- richtungen nur insoweit installiert werden, als der eigene Bedarf das regionale Angebot überfordert oder im Blick auf Minimierung des Thera- pierisikos erforderlich macht" (Joa- chim Fehler, Walter Noda).

Das therapeutische Programm muß individuell im Einvernehmen mit Hausarzt und zuständigen Onkolo- gen gestaltet werden. Hierzu ist nicht zuletzt die Sicherung der früh- zeitigen Übermittlung der letzten Nachuntersuchungsergebnisse und der Vorstellungen über das weitere Therapiekonzept erforderlich. Die örtliche Nachsorgeeinrichtung kann auch hier organisationssteuernd tä- tig werden.

W. M. Gallmeier lehnt die Durchfüh- rung chemotherapeutischer Maß- nahmen in Nachsorge-"Krebsklini- ken" ab. Er führt eine Reihe von medizinischen, humanen und öko- nomischen Gründen an, die für eine Behandlung am Heimatort spre- chen. Es wäre anzustreben, bei allen Patienten, die keiner Hospitalisie- rung bedürfen, einen langfristigen Therapieplan durch einen konsulta- tiv zugezogenen medizinischen On- kologen aufzustellen und die ärztli- che Grundversorgung dann in der freien Praxis zu belassen. Die Über- prüfung hinsichtlich Effektivität und Toxizität nimmt der Onkologe in re-

gelmäßigen Abständen vor und in Absprache mit dem Hausarzt, wie dieses auch zum Teil in der Schweiz geschieht (G. A. Nagel).

Nachdem periphere onkologische Einheiten im Radiologischen Sektor bereits seit vielen Jahren bestehen, propagiert U. R. Kleeberg die Ent- wicklung hämatologisch-onkologi- scher Praxen, sogenannter "Com- munity cancer care-Systems", wie sie vor kurzem auch für das ameri- kanische Cancer-Controi-Program formuliert wurden. Er betont die Be- deutung solcher Arbeitseinheiten der freien ärztlichen Praxis als Bin- deglieder zwischen forschungsbe- tonter Zentralisation und versor- gungsbetonter Dezentralisation bei kontinuierlicher onkologischer Fachberatung. Die Vorteile solcher Versorgung sind zuletzt auch darin begründet, daß "wesentliche ärztli- che Informationen und Dokumente als Basis für neue Therapieentschei- dungen (Neumann) sofort und nicht erst nach Monaten verfügbar sind."

..,. ln Fällen, wo eine fortlaufende zytostatische Therapie erforderlich und ein Kuraufenthalt vom Patienten erwünscht ist, sollte die Behandlung in Abstimmung mit Hausarzt und zu- ständigen medizinischen Onkolo- gen durchgeführt werden.

..,. ln jedem Fall muß der einweisen- de Arzt in die Lage versetzt werden, die Strukturen und die Aufgaben- stellung des Rehabilitationshauses zu kennen, in das er seinen Patien- ten zur Festigungskur schickt.

Er, und nicht der Kostenträger, kann letztlich beurteilen, was seinem Pa- tienten fehlt. Das erfordert auch eine Auflistung aller von den einzelnen Versicherungsträgern bevorzugten Nachsorgeinstitutionen nach festzu- legenden Kriterien.

Für Patienten, bei denen die Ab- schlußuntersuchung nach der kau- salen Therapie die Wahrscheinlich- keit eines vollständigen oder eines Erfolges über lange Zeit ergibt, soll- ten Festigungskuren in Heimen und Sanatorien mit einem gemischten Krankengut beantragt werden, oder

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in Sanatorien, in denen physikali- sche Maßnahmen, Bewegungsthe- rapie usw. bei entsprechender psy- chischer Führung im Vordergrund stehen.

Bei Patienten, die als Folge der Be- handlung äußere Merkmale haben (Mammaamputierte, Anus-praeter- Träger, Kehlkopfoperierte) führt der Weg zurück in den Alltag über eine stationäre Einrichtung, in der Pa- tienten mit von gleichem Leid Be- troffenen Erfahrungsaustausch hal- ten können und wo spezielle zusätz- liche physikalische und psychothe- rapeutische Behandlungsmöglich- keiten gegeben sind.

H. Stapp hat einen Überblick über die unterschiedlichen Nachsorge- einrichh,mgen gegeben und Aufga- ben und Strukturen einer stationä- ren Institution aufgezeigt, in deren Mittelpunkt neben Hydro-, Phyto-, Bewegungs-, Ordnungstherapie die somatischen und psychologischen Aktivitäten dargestellt sind, die be- sonderen Zielgruppen gelten.

Es ist zweifellos eine Fehlentwick- lung, grundsätzlich alle Patienten mit bestimmten Karzinomlokalisa- tionen unabhängig vom Stadium der Erkrankung zu Festigungskuren in

"Krebskliniken" zu schicken, die - aufwendig eingerichtet- ihre Haupt- aufgabe im diagnostischen und the- rapeutischen Bereich sehen.

Wenn darauf hingewiesen wird, daß dort aber bei Frauen nach operier- ten Mammakarzinomen Metastasen oder Rezidive festgestellt wurden, die bis dahin nicht erkannt waren, so ist dieses keine Begründung für die spezielle Klinikstruktur. Es spricht einmal gegen ausreichende Organi- sation der ärztlichen Nachsorge am Ort, zum anderen ist das häufige Auftreten von Metastasen nach inva- siven Eingriffen gerade bei dieser Karzinomlokalisation bekannt (E.

Krokowski).

Die Tatsache, daßldie "Onkologisch- gynäkologische Klinik Bad Trissl"

im Tumorzentrum München, dem Fachbereich Medizin der Ludwig- Maximilian-Universität angesiedelt

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wurde, spricht offenbar für die Än- derung der Konzeption als allge- meines Rehabilitationszentrum für Frauen mit speziellen Leiden.

Man muß aber auch wissen, daß es Nachsorgesanatorien gibt, in denen fragwürdige diagnostische und the-· rapeutische Praktiken angewandt werden, beispielsweise routinemäßi- ge Nadelbiopsien sowohl aus der Narbengegend als auch aus der nicht befallenen Brust bei mamma- amputierten Patientinnen, sowie nicht zu begründende eingreifende medikamentöse Behandlungen oh- ne Abstimmung und Einverständnis von Hausarzt und zuständigem Onkologen.

Nachsorgeinstitutionen sollen kooperieren

Wenn sich alle Ärzte von Nachsorge- einrichtungen zu einer Arbeitsge- meinschaft zusammenschließen würden, wie dieses die ARGE mit ihren Sanatoriumsärzten realisierte, könnten über regelmäßigen Erfah- rungsaustausch und Fortbildung Impulse für die Weiterentwicklung gegeben werden.

Zusätzliche Aufgaben warten auf den lokalen begleitenden Kranken- hilfsdienst nach Entlassung des Pa- tienten aus der Kur. Neben Sorge für weitere psychotherapeutische Bera- tung beziehen sich diese auf vielfäl- tigen Beistand im Einzelfall: Vermitt- lung von sozialen Leistungen (Zu- rückführung an den Arbeitsplatz, Teilzeitarbeit für Angestellte, Haus- haltshilfen für Mütter mit Kindern oder Alleinstehende, Darlehen für Selbständige usw.), Vermittlung der Bekanntschaften von Schicksalsge- fährten, von Selbsthilfegruppen, An- regung zum Zusammenschluß er- folgreich behandelter und von ge- sunden Laien zur ehrenamtlichen Mitarbeit, Mithilfe beim Bettennach- weis für desolate Patienten, Sterbe- hilfe usw.

G. H. Ott hat recht, wenn er die Wichtigkeit einer guten Organisa- tion innerhalb der "Funktionskette"

betont, die von der Früherkennung über Behandlung, Rekonvaleszenz,

Nachsorge bis zur Rehabilitation und auch weiter reicht. Seine Forde- rung nach einer "Leitstelle, in der alle Daten gesammelt, Termine auf- einander abgestimmt, die notwendi- gen Überwachungsprogramme si- chergestellt und die Behandlung überwacht wird", könnte durch die Einrichtung und Weiterentwicklul"'g örtlicher Institutionen, wie sie hier aufgezeigt sind, realisiert werden.

.,.. Die Durchführung eines solchen Konzeptes kann gewiß nicht kurzfri- stig erfolgen; sie bietet aber eine echte Chance für ein flächendek- kendes onkologisches Versor- gungssystem, insbesondere im be- gleitenden und Nachsorgebereich. Der Aufruf geht an alle für die Krebs- bekämpfung zuständigen ärztlichen und wissenschaftlichen Institutio-

nen, die staatlichen Stellen, die Ko-

stenträger und alle interessierten Gruppen, gemeinsam die ökonomi- schen und organisatorischen Ge- sichtspunkte zu erörtern und eine Bewegung in der aufgezeigten Rich- tung in Gang zu bringen.

Ansatz für die Forschungsförderung

.,.. Zweifellos kommt in diesem Zu- sammenhang dem kürzlich von der Bundesregierung verabschiedeten

"Programm zur Förderung von For-

schung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit", das gemeinsam von den Bundesministerien für For- schung und Technologie, für Ju- gend, Familie und Gesundheit sowie für Arbeit und Sozialordnung durch- geführt und mit Fördermitteln in Hö- he von insgesamt 450 Millionen Mark in den Jahren 1978 bis 1981 finanziert werden soll, eine bedeut- same Rolle zu.

Sie sieht eine Lösung unter anderem in vorwiegend strukturpolitischen Forschungen, die zur Entwicklung geeigneter Kriterien und Maßstäbe, zur Beurteilung von Gesundheitslei- stungen und Versorgungseinrich- tungen führen sollen. Die Kritik der Bundesregierung am System der Gesundheitssicherung läßt durch- aus Ansatzpunkte zur "Kostenre-

Bürgernahe Krebsfürsorge

duktion" erkennen. Das bezieht sich nicht zuletzt auch auf "Organisa- tionsmängel" und "unrationelle Be- triebsabläufe", aber auch auf eine Reihe vergleichender Untersuchun- gen u. a. über die Auswirkung unter- schiedlicher Organisationsformen der ärztlichen Versorgung.

Die für die praktische und wissen- schaftliche Onkologie maßgeben- den Institutionen und Persönlichkei- ten sollten zur Mitarbeit an dem Pro- jekt der Bundesregierung bereit sein, in welchem die Weichen für künftige gesundheitspolitische Ent- scheidungen gestellt werden. Literatur beim Verfasser Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Alexander von Essen Vorsitzender der Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz e. V.

Sekretariat: Emii-Schüller-Straße 31 5400 Koblenz

Z I T A T · - - - ,

Katastrophe vermeiden

.. . daß wir die größten Sor- gen haben, wie sich die Aus- bildung der Medizinstuden- ten im Rahmen einer mit Si- cherheit zu ändernden Ap- probationsordnung ermögli- chen läßt. Es ist vor allem notwendig, nicht nur die Ärz- te gut auszubilden, sondern den Kranken eine bestmögli- che Versorgung zu gewähr- leisten, die aber nur dann möglich ist, wenn die Ausbil- dung den Erfordernissen entspricht, die heute an ei- nen Arzt gestellt werden müssen. Das Problem gibt hoffentlich den Gesund- heitspolitikern aller Parteien zu denken, damit nicht eine Katastrophe für die Ärzte, vor allem aber für die Patien- ten entsteht.

Dr. Herbert. Micka, Präsident der Ärztekammer des Saar- landes in einem Leserbrief an die Frankfurter Allge- meine.

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