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Archiv "Zwei Gutachten zur Seehofer-Reform: ,,Zulassungs sperren formell und materiell verfassungswidrig''" (19.02.1993)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kl

um waren die rigideren Be- timmungen für die Zulas- ung als Vertragsarzt in Kraft getreten, schon kreuzten die Hauptkontrahenten mit rechtzeitig veranlaßten Verfassungsrechtsgu- tachten die Klingen: Der Marburger Bund (Verb.~nd der angestellten und beamteten Arzte Deutschlands e.V.) als die Organisation und gewerk- schaft der nachrückenden Arztege- neration und der Klinikärzte präsen- tierte in Bonn drei Tage nach Ablauf der im Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) verankerten Antragsfrist für die Zulassung als

AKTUE.LLE POLITIK

Demgegenüber haben die Ver- fassungs- und Sozialrechtier Prof.

Dr. jur. Bernd Baron von Maydell, Direktor des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationa- les Recht, München, und Prof. Dr.

jur. Jost Pietzcker, Institut für öf- fentliches Recht der Universität Bonn, in einem vom Bundesgesund- heitsministerium bereits im Mai 1992 veranlaßten Gutachten bescheinigt:

"Die Zulassungsbeschränkungen auf Grund von Verhältniszahlen im Ge- sundheitsstrukturgesetz sind mit dem Grundgesetz vereinbar ... ".

keinen Erfolg. Der Betroffene kann innerhalb von einem Monat Klage beim Sozialgericht erheben. Dabei muß er die durch das Gesetz entste- henden schweren Nachteile glaub- haft machen und seine soziale Be- troffenheit durch die Zulassungs- sperre darstellen.

.... Weg über das Sozialgericht: Es sollen möglic~st viele Prozes~.e von betroffenen Arztinnen und Arzten vor dem Sozialgericht angestrengt werden. Bereits vor dem Sozialge- richt sollen die Nachteile und die Be- troffenheiten durch den Zulassungs- stopp verfassungs- niedergelassener

Vertragsarzt eine umfassende Exper- tise des Marburger Verfassungsrecht- lers Dr. jur. Peter Becker. Dieser kommt zu dem Er- gebnis, daß die ver- schärften Zulas- sungsbeschränkun- gen ab 1993 und noch mehr die tota- le Zulassungssperre mit Beginn des Jah-

Zwei Gutachten zur Seehofer-Refonn

rechtlich erörtert werden. Durch die verfassungsrech tli- chen Argumente sollen die Sozial- richter veranlaßt werden, das Ver- fahren auszusetzen.

Die Klage soll dann dem Bundesverfas- sungsgericht vorge- legt werden.

,,Zulassungs sperren formell und materiell

verfassungsw-idrig''

.... Verfassungs- beschwerde nach

Marburger Bund kontra Bundesgesundheitsministerium

. Art. 93 GG: Dane- ben ist auch das Verfahren der Ver- fassungsbeschwerde denkbar. Das Bundesverfassungsgericht müßte dann prüfen, ob das Gesundheits- strukturgesetz das Grundrecht der Freiheit der Berufswahl (Art. 12 GG) verletzt. In einem besonders ge- eigneten Härtefall soll eine betroffe- ne Ärztin/ein betroffener Arzt Ver- fassungsbeschwerde gegen das GSG einlegen. Der Vorprüfungsausschuß des Bundesverfassungsgerichts muß dann überprüfen, ob sie zur mündli- chen Verhandlung vorgelegt werden kann .

res 1999 sowohl formell als auch ma- teriell-rechtlich verfassungswidrig seien. Das Gutachten sieht in den im GSG vorgesehenen Zulassungsbe- schränkungen - und zwar schon dann, wenn sie nur regional wirken, aber erst recht im Fall eines absolu- ten Numerus clausus- einen Eingriff in die freie Berufswahl. Der mit der Zulassungsbeschränkung verbunde- ne Eingriff in die Berufsausübung gemäß Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) sei heute ebenso wie bereits bei Erlaß des Bundesver- fassungsgerichtsurteils vom 23. März 1960 verfassungswidrig. Dies um so mehr, als einer ganzen nachrücken- den Ärztegeneration nicht nur die Chance der freien Berufswahl, son- dern niederlassungswilligen Ärzten jede Berufsausübungsmöglichkeit genommen werde, weil ihnen Alter- nativen zur ärztlichen Berufsaus- übung fehlen.

Das Gesetz bedeute für sie "Exi- stenzvernichtung", sagte Dr. med.

Frank Ulrich Montgomery, der Erste Vorsitzende des Marburger Bundes (MB).

Der Marburger Bund hat sich, ganz seiner Verbandstradition und seiner gewerkschaftlichen Funktion verpflichtet, darauf eingeschworen, jedem vom Niederlassungsstopp be- troffenen ärztlichen Mitglied Rechtsschutz zu gewähren. Dabei sollen besonders extrem gelagerte Fälle mit Prozeßerfolgsaussicht von der ersten bis zur letzten Instanz durch Beratungs- und Gutachtenhil- fe, finanziell und ideell, unterstützt werden. Geeignete ärztliche Kläger seien bereits in Sicht; der Marburger Bund selbst kann in Karlsruhe nicht Klageantrag stellen, weil "Popular- klagen" nicht zulässig sind.

Drei probate Wege

Nach Darlegungen des MB gibt es drei Wege, um gegen einen abge- wiesenen Zulassungsantrag vorzuge- hen. Zunächst muß folgende Kon- stellation gegeben sein: Ein nieder- lassungswilliger Arzt wird nach dem GSG nicht mehr zum Vertragsarzt zugelassen; auch durch fristgerecht eingelegten Widerspruch erringt er

.... Antrag auf einstweilige Anord- nung durch das Verfassungsgericht (nach § 32 BVGG ): In besonders ge- eignet erscheinende~. Fällen soll mit den klagebereiten Arzten beraten werden, ob und wann eine direkte Verfassungsbeschwerde oder ein vorgeschalteter Antrag auf einstwei- lige Anordnung Erfolg versprechen.

Die einstweilige Anordnung stellt eine auf sechs Monate gültige Entscheidung in einem vorläufigen Verfahren dar, dem dann die end- gültige Prüfung der Verfassungsbe- Dt. Ärztebl. 90, Heft 7, 19. Februar 1993 (21) A1-405

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schwerde folgt. Der Weg der einst- weiligen Anordnung erscheint dann sinnvoll, wenn dadurch für den Be- troffenen erst einmal rechtzeitig massive Nachteile "abgewehrt" wer- den können.

wenn Auswahlkriterien exiStieren, die jedem Zulassungsberechtigten eine Chance lassen ...

Kassenarzt: Öffentüch- rechtüche Bindung

Demgegenüber stellt das von Maydell/Pietzcker-Gutachten (im Auftrag des BMG) folgende Argu- mente in den Vordergrund:

..,_. Der Beruf des Kassenarztes unterscheidet sich deutlich von an- deren privaten, dem wirtschaftlichen Risiko voll ausgesetzten Berufen.

Ihm gegenüber seien staatliche Ein- griffe aus "Gemeinwohlgründen"

deshalb in stärkerem Maße zulässig als gegenüber den übrigen freien Be- rufen.

..,_. Der Vertragsarzt übe seinen Beruf innerhalb starker öffentlich- rechtlicher Bindungen und unter

"ökonomisch exzeptionellen Um- ständen" aus, die sich zwangsläufig aus einer solidarisch finanzierten Krankenversicherung ergeben: Ei- nerseits bestünden detaillierte öf- fentlich-rechtliche Vorgaben hin- sichtlich Leistungsinhalten, wirt- schaftlicher Leistungserbringung und Honorierung. Andererseits liege die Entscheidung über den Umfang der veranlaßten Leistungen maßgeb- lich in ärztlicher Hand.

..,_. Das Grundrecht der Patien- ten auf freie Arztwahl werde durch die geplanten Beschränkungen nicht in rechtlich relevanter Weise be- rührt . . . Dr. Harald Clade Gutachter Rechtsanwalt Dr. Pe-

ter Becker, den der Marburger Bund zum Prozeßbevollmächtigten er- natnnt hat, sieht den Ansatz zur Kla- ge in dem Eingriff des GSG in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art.

12 GG). Die Verfassungswidrigkeit sei aber auch daraus abzuleiten, daß der Gesetzgeber darauf verzichtet habe, die Auswahlkriterien für die Zulassung oder deren Ablehnung vorzugeben. Im übrigen fehle es an einer Begründung für die jetzt wirk- samen Eingriffe. Zumindest hätte man die Wirkung des Gesundheits- strukturgesetzes abwarten müssen.

Es sei vom Gesetzgeber in keiner Weise klargelegt, warum ab einer be- stimmten Schlüsselzahl eine Über- versorgung vorliegen soll, die eine drastische Zulassungsbeschränkung rechtfertigt. Deshalb seien Be- schränkungen schon aus formellen

Gründen verfassungswidrig.

"Dr. Mildred Scheel Baus" eingeweiht

Materiell-rechtlich seien Zulas- sungsbeschränkungen nur dann ver- fassungsmäßig, wenn sie aus zwin- genden Gründen des Gemeinwohls erforderlich sind und durch andere, mildere Maßnahmen nicht vermie- den werden können. Zulassungsbe- schränkungen seien auch deshalb nicht nötig und erforderlich, um die Arzthonorare oder die durch nieder- gelassene Ärzte veranlaßten Ausga- ben der Krankenkassen zu beschrän- ken. Der Gesetzgeber habe nämlich

"bereichsadäquate Maßnahmen"

neu vorgesehen und dabei auch die Mängel des Gesundheits-Reformge- setzes von 1988 weitgehend beseitigt.

Würde das Verfassungsgericht eine Zulassung nach strikt vorgegebenen Verhältniszahlen für verfassungsmä- ßig halten, würde es nicht nur die Rtechtsprechung von 1960 auf den Kopf stellen, sondern auch die Rechtsprechung zum absoluten Nu- merus clausus bei Studienplätzen entwerten. Dieser wird nämlich nur dann als verfassungsmäßig angese- hen, wenn eine erschöpfende Nut- zung der vorhandenen Ausbildungs- kapazitäten gewährleistet ist und

Das "Dr. Mildred Scheel Haus"

zur palliativen Therapie von Krebspatienten sollte "kein Projekt vom Reißbrett" sein. Dies bekräftig- te Anke Brunn, Ministerin für Wis- senschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, anläßtich der

Einweihung des Gebäudes am 30.

Januar dieses Jahres auf dem Gelän- de der Kölner Universitätsklinik.

Hinter dem in Deutschland einmali- gen Projekt, das auf eine Initiative von Dr. Mildred Scheel, der Gründe- rio der Deutschen Krebshilfe, zu- rückgeht, steckt der aus England stammende Hospiz-Gedanke: Auch Menschen ohne Aussicht auf Hei- lung soll ein Leben und Sterben in Würde ermöglicht werden.

A1-406 (22) Dt. Ärztebl. 90, Heft 7, 19. Februar 1993

In der atriumähnlichen Anlage wurde eine Bettenstation mit 15 Pa- tientenzimmern errichtet. In jedem der Räume ist zudem eine Über- nachtungsmöglichkeit für einen An- gehörigen vorgesehen. Eine kleine Ambulanz dient der Durchführung von Schmerzbehandlungen, künstli- cher Ernährung und kleinen chirur- gischen Eingriffen. Darüber hinaus ist das "Dr. Mildred Scheel Haus"

mit zwei Wohnräumen, einem Medi- tationsraum sowie einem Hausbe- treuungsdienst ausgestattet, der die Pflege der Patienten nach ihrer Ent- lassung im heimischen Umfeld über- nimmt.

Die Kosten für das Bauprojekt einschließlich aller medizinischen Einrichtungen und der Außenanla- gen betragen 27,5 Millionen DM. Sie wurden ausschließlich von der Deut- schen Krebshilfe erbracht. Ministe- rin Anke Brunn wies darauf hin, daß der Finanzierung der Folgekosten nun höchste Priorität eingeräumt werden müsse. Bislang sind nämlich nur fünf der 15 Betten im Kranken- haus-Bedarfsplan enthalten. Bedau- erlicherweise habe auch das Gesund- heitsstrukturgesetz dazu beigetra- gen, daß mit den Kostenträgern bis- lang keine Einigung über die Aner- kennung des Pflegesatzes erzielt

werden konnte. Sp

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