DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
DER KOMMENTAR
D
ie Beamten des Bundesmi- nisteriums für Arbeit und Sozialordnung sind für jede„Überraschung" und jeden geset- zesreformerischen „Schnell- schuß" gut: Kaum waren die Argu- mente beim (zweiten) Anhörungs- verfahren zu einem (ersten) Refe- renten-Entwurf einer „Vierten Verordnung zur Änderung der Bundespflegesatzverordnung" im Hause Blüm am 16. April ausge- tauscht, da präsentierte Bonn be- reits zwei Tage später einen in den wesentlichen Punkten völlig veränderten Entwurf, mit dem ein diametral entgegengesetzter Lö- sungsweg beschritten werden soll.
War ursprünglich noch den Emp- fehlungen des Bundesrates ge- folgt worden, nämlich die pflege- satzrechtlichen Bestimmungen und das Nebentätigkeitsrecht der neuen Rechtslage anzupassen, so beabsichtigt der geänderte Refe- renten-Entwurf, die GOÄ erneut zu ändern und einschlägige Para- graphen dieser Verordnung mit der Pflegesatzverordnung zu
„harmonisieren". War noch im er- sten Referenten-Entwurf ein zehnprozentiger Arzt- und Sach- kostenabschlag vom Pflegesatz vorgesehen, um eine Doppelbela- stung der Wahlleistungspatienten
im stationären Bereich zu vermei- den (gleichzeitig war eine neue Kostenerstattungsregelung für li- quidationsberechtigte Kranken- hausärzte geplant, so solleh jetzt die liquidationsberechtigten Kran- kenhausärzte dazu verpflichtet werden, sämtliche nach Maßgabe der GOÄ berechneten Gebühren um 30 Prozent bei stationärer pri- vatärztlicher Behandlung zu redu- zieren.
Im Gegenzug entfällt dafür der Pflegesatzabschlag bei ärztlicher Wahlleistung. Ferner sieht der völ- lig neu konzipierte „Abschlagspa- ragraph" 6 a GOÄ vor, die bei be- legärztlicher Privatbehandlung berechneten Gebühren um 15 Prozent zu mindern. Wie gehabt sollen die liquidationsberechtig- ten Ärzte strikt verpflichtet sein,
den Minderungsbetrag in der Rechnung offen auszuweisen.
Neu ist, daß künftig die ärztlichen Wahlleistungen präziser als bis- her nach Inhalt und Umfang um- rissen und von den allgemeinen, mit dem Pflegesatz abgegoltenen Krankenhausleistungen besser abgegrenzt werden sollen. Ferner soll ein Kostenabzug von den Selbstkosten des Krankenhauses bei Inanspruchnahme ärztlicher Wahlleistungen entfallen, aller- dings die vertragliche Möglich- keit, mit dem Chefarzt einen „Vor- teilsausgleich" zu vereinbaren, ausdrücklich vorbehalten werden.
Andere Vorschriften, die in die Pflegesatzverordnung eingebaut werden sollen, sind ganz unter
Eingriff in die
Privatbehandlung
das Diktat eines vermeintlich ver- stärkten „Verbraucherschutzes"
gestellt: Wahlleistungen sollen künftig vor der Erbringung mit dem Krankenhaus schriftlich ver- einbart werden. Ferner: Der Pa- tient muß vor Abschluß der Ver- einbarung über die Entgelte der Wahlleistungen unterrichtet wer- den. Und um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen: Die pfle- gesatzrechtlichen Bestimmungen reklamieren ungeachtet der ohne- dies gravierenden Eingriffe in den Privatbehandlungssektor beharr- lich die „Institutslösung": Danach können auch ärztliche Wahllei- stungen als Institutsleistungen des Krankenhauses vereinbart werden.
Unverzüglich hat der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Kar- sten Vilmar, sowohl das überfall-
artige Vorgehen des Bundesar- beitsministeriums als auch die methodisch-strategische Kehrt- wendung in einem Telegramm an Bundesarbeitsminister Blüm kriti- siert. Gleichzeitig hat er im Inter- esse der angestrebten Rechtssi- cherheit eine praktikablere, ge- meinsam tragbare Regelung ge- fordert. Denn die vorgesehene un- differenzierte Verpflichtung zur
Minderung aller Arztliquidationen für stationäre Leistungen würde die ohnehin negativen Auswirkun- gen der in einigen Fachgebieten unterbewerteten krankenhausty- pischen Leistungen ins Unerträg- liche steigern.
Der Entwurf läßt ferner völlig un- klar, wie sich die vorgesehene Ho- norarminderungspflicht auf die bisherige vertraglich vereinbarte Chefarztabgabe auswirken soll.
Andererseits ist nicht erkennbar, wie ein „Vorteilsausgleich" durch den Chefarzt für die Möglichkeit, Krankenhauseinrichtungen und Personal in Anspruch zu nehmen, gerechtfertigt werden soll, wenn er seinen Honoraranspruch um die Kosten für eben diese Inan- spruchnahme mindern muß. Un- ter dem Vorwand einer bloßen Verwaltungsvereinfachung läßt sich jedenfalls nicht der Versuch rechtfertigen, qua Änderung der GOÄ und der Pflegesatzverord- nung eine Ausgliederung der Krankenhauskosten aus dem Arzt- honorar für stationäre Leistungen mit derart groben Pauscha- lierungen zu versuchen.
Auch die Außerachtlassung der Tatsache, daß viele Chefärzte da- zu verpflichtet sind, auf die ärzt- lichen Mitarbeiter an den Privat- honorareinnahmen zu beteiligen, enthüllt vollends die Tendenz des Referenten-Entwurfs, die liquida- tionsberechtigten Ärzte durch die Honorarminderungspflicht und die Poolbeteiligungspflichten doppelt zu belasten. Damit würde die Bundesregierung erneut ihre ursprüngliche Zusage brechen, nämlich die Gebührenordnung kosten- und einkommensneutral zu novellieren. HC 1524 (24) Heft 19 vom 11. Mai 1984 81. Jahrgang Ausgabe A