• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Gesundheitsreform: Wettlauf um Win-Win-Verträge" (02.08.2004)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Gesundheitsreform: Wettlauf um Win-Win-Verträge" (02.08.2004)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

E

in bisher lahmender Selbstläufer kommt ans Laufen: die Integrierte Versorgung (IV). Mit den novellier- ten §§ 140 a bis h ff. SGB V geänderten rechtlichen und finanziellen Rahmen- bedingungen wurden die Voraussetzun- gen für die Integrierte Versorgung und die Einschaltung von Medizinischen Versorgungszentren (§ 95 Abs. 1 SGB V) wesentlich verbessert. Krankenhäuser, Einrichtungen der medizinischen Re- habilitation und die niedergelassenen Ärzte sind dabei, sich im Hinblick auf die Integrationsversorgung neu zu posi- tionieren, Rentabilitätsrechnungen zu erstellen und außerhalb der Kas- senärztlichen Vereinigungen für beide Seiten – sowohl für Leistungserbringer als auch für die Krankenkassen – renta- ble Versorgungsverträge unter Dach und Fach zu bringen. Einen Überblick über die Voraussetzungen der Inte- grierten Versorgung gab ein Experten- Symposium vor 170 Managern von Akut- und Rehabilitationskliniken am 17. Juni in Frankfurt/Main, veranstaltet vom Arbeitskreis Gesundheit e.V., Bonn, gemeinsam mit dem Bundesver- band Deutscher Privatkrankenanstal- ten e.V., Berlin.

Inzwischen sind rund 100 Verträge zur Integrierten Versorgung bundes- weit abgeschlossen worden; Ende April waren es noch 64, zumeist Abkommen zwischen niedergelassenen Fachärzten und Krankenhäusern. Dies ist denn auch verständlich, können doch in den Jahren 2004 bis Ende 2006 bis zu jeweils einem Prozent der vertragsärztlichen Gesamtvergütung und der Kranken- hausbudgets für die Vergütung und die vertraglichen Infrastrukturen von sepa- rat zu finanzierenden Leistungen der Integrierten Versorgung genutzt wer- den. Vertragsärzte, Krankenhäuser, Re- habilitationseinrichtungen, Einrichtun- gen der Pflege und weitere „Subunter- nehmer“ (etwa Apotheken und Fachbe- rufe), die sich nicht an einer Integrier-

ten Versorgung beteiligen, müssen mit Umsatzeinbußen rechnen.

Die Konkurrenz unter den Kranken- kassen dominiert das Vertragsmodell der integrierenden Versorgung. Erklärte Absicht der meisten Krankenkassen ist es, Integrationsversorgungsverträge vor allem indikationsbezogen und an der Schnittstelle zwischen vertragsärztlicher Versorgung und dem teilstationären so- wie stationären Sektor unter den geän- derten Strukturvorgaben voranzutrei- ben. Nicht nur zwei Sektoren, sondern oftmals auch unter Einbezug der Reha- bilitation drei Sektoren miteinander vertraglich zu verbinden ist das Ziel vie- ler Krankenkassen. Das System der dia- gnosebezogenen Fallpauschalen (Diag- nosis Related Groups) hat den Druck auf die Akutkrankenhäuser verstärkt und diese zu geänderten Strategien ver- anlasst. Die meisten Krankenhäuser ha- ben inzwischen Abteilungen für die Akut-Rehabilitation angegliedert und die institutionelle Öffnung zur ambu- lanten Versorgung auch für klinikambu- latorische und stationsersetzende Ver- sorgung über IV-Verträge genutzt.

In der Regel dominieren bei den bis- her abgeschlossenen Verträgen die Komplexpauschalverträge, bei denen die Krankenkassen die Gesamtversor- gungsleistungen innerhalb der Integra- tionsversorgung pauschal vergüten.

Kliniken geben die Marschzahl vor

Bisher ist zu beobachten, dass die mei- sten Initiativen zum Abschluss von In- tegrationsverträgen von den Kranken- häusern ausgehen. Diese positionieren sich immer mehr als Gesundheitszen- tren. Im Bereich der AOK Rheinland beispielsweise hatten sich bis Ende April 2004 122 Leistungserbringer um einen Integrationsvertrag bemüht. Darunter wären rund 70 Prozent von Kranken-

häusern initiiert worden, berichtete AOK-Verwaltungschef Wilfried Jacobs vor dem Deutschen Chirurgenkongress im April in Berlin. Allerdings wird nach Feststellungen von Experten von den Vertragskontrahenten oftmals versucht,

„alten und uralten Wein in neue Schläu- che zu gießen“, so der Unternehmens- berater Harry Fuchs, Düsseldorf, vor dem Expertenforum. Es handele sich dabei um Struktur- und Modellverträge alter Prägung, auch um Disease-Manage- ment-Verträge, bei denen die Leistungs- erbringer beabsichtigen, diese im Maß- stab 1 : 1 in Integrationsverträge umzu- gießen, um an den finanziellen Vortei- len der Anschubfinanzierung (bis Ende 2006) zu partizipieren und die in den se- paraten Finanzierungstopf eingespeisten finanziellen Mittel in einer Art Win-Win- Situation mehr als zu kompensieren. Ein weiterer finanzieller Anreiz ist auch: Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist in der Anschubphase suspendiert worden.

Nach dem Gestaltungstyp „Sekto- renübergreifender Leistungskomplex“

sind solche IV-Verträge konzipiert, die zur Behandlung einer speziellen Krank- heit bisher ausschließlich in einem Lei- stungssektor (in der Regel im Kranken- haus) abgerechnet wurden. Diese Lei- stungen sollen im IV-Vertrag kombi- niert werden, und zwar auch diejeni- gen, die in einem anderen Sektor ergän- zend erbracht und abgerechnet wurden (beispielsweise Anschlussrehabilitation, Krankentransport oder häusliche Kran- kenpflege). Nach diesem Muster folgen die meisten Integrationsverträge der Variante „light“, bei denen eine Voll- versorgung in einer speziellen medizini- schen Indikation im Mittelpunkt steht.

Beispiele: Brustkrebsversorgung, endo- prothetische Operationen, Schlagan- fallbehandlung, Schmerzbehandlung oder zur kardiologischen Vollversor- gung einschließlich der Anschlussreha- bilitation. Davon abzugrenzen ist der Versorgungstyp der integrierten Voll- T H E M E N D E R Z E I T

A

A2164 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 31–322. August 2004

Gesundheitsreform

Wettlauf um Win-Win-Verträge

Bereits fast hundert Verträge zur Integrierten Versorgung abgeschlossen

(2)

versorgung, in dem ein Träger die medi- zinische und ökonomische Verantwor- tung für die wesentlichen Bereiche der medizinischen Versorgung der Versi- cherten übernimmt. Diese Gestaltungs- form ähnelt den früheren bonifizierten kombinierten Budgets. Die Vollversor- gung ist gekennzeichnet durch Lei- stungsverträge, die der Träger der Inte- grierten Versorgung mit einzelnen Lei- stungserbringern schließt, durch die Versorgungsverträge, die der Träger mit Krankenkassen schließt sowie durch Einschreibung von Versicherten in die Integrierte Versorgung. Charakteristisch für diese Variante der Vollversorgung ist auch, dass die Vergütung für die Ver- sorgung je Versicherten vollpauscha- liert und risikoadjustiert erfolgt, wobei besondere Regelungen bestehen, die das finanzielle Risiko für den Träger der IV aus einer zufälligen Häufung von be- sonderen Risiken begrenzen. Für die Versicherten besteht die Win-Win-Si- tuation nicht nur in einer vernetzten, oftmals effektiveren Versorgung, son- dern auch im finanziellen Anreiz von Boni und dem Wegfall der Praxisgebühr.

In Frankfurt wurde berichtet, dass der Wirtschaftlichkeitseffekt oftmals überschätzt werde, denn zumeist er- strecken sich Integrationsversorgungs- netze auf regional begrenzte, zumeist mit einem KV-Bezirk deckungsgleiche Räume. Zudem wird nur ein indikati- onsbezogen begrenztes Spektrum von Behandlungsanlässen abgedeckt. Ex- perten beurteilen skeptisch, ob für alle Beteiligten tatsächlich eine Win-Win-Si- tuation erziehlt werden kann und nicht Gewinner und Verlierer sich die Waage halten werden („Nullsummen-Spiel“).

Kritisiert wird auch eine Fehlkon- struktion im neu gefassten Integrations- paragraphen 140 ff. SGB V. Lediglich die vertragsärztliche Gesamtvergütung muss im Nachhinein bereinigt und Geld nachgeschossen werden, falls der Inte- grationstopf nicht ausreicht, um die strukturellen Veränderungen zu bewir- ken und die Verträge finanziell zu be- dienen. Bei einer Budgetbereinigung müssten die Vertragsärzte, die in der Regelversorgung verbleiben, über Quersubventionen zugunsten ihrer IV- Konkurrenten leisten.

Für die Integrationsversorgung ist in den Jahren 2004 bis 2006 je Jahr ein Vo-

lumen von mindestens 680 Millionen Euro (200 Millionen Euro aus der ver- tragsärztlichen Gesamtvergütung und 480 Millionen aus den Krankenhaus- budgets) reserviert. Die 1-Prozent- Regelung mag finanziell hoch erschei- nen, in der Vertragsrealität dürfte der IV-Finanzierungstopf aber schnell leer sein. Bei der AOK Rheinland zum Bei- spiel beträgt das Integrations-Finanzie- rungsvolumen unter derzeitiger Kon- stellation rund 30 Millionen Euro, bei der AOK Baden-Württemberg rund 40 Millionen Euro. Würde die medizini- sche und finanzielle Verantwortung in einer integrierten Vollversorgung durch die Leistungserbringer übernommen und sich je Modell rund 10 000 Versi- cherte in die Versorgung einschreiben, so wäre bereits bei zwei bis drei sol- cher Integrationsverträge der Integrati- onstopf ausgeschöpft. Dann käme die Budgetbereinigung ausschließlich zu- lasten der vertragsärztlichen Gesamt- vergütung zum Zuge. Die Kranken- häuser blieben von der Alimentati- onspflicht der Integrationsversorgung verschont.

Vergütungsmodalitäten

Grundsätzlich ist nach § 140 Abs.1 SGB V in den IV-Verträgen die Vergütung für sämtliche Leistungen festzulegen, die im Rahmen der vertraglichen Versor- gung erbracht werden. Die Vergütung erfolgt allein aus den Verträgen und nicht aus der Gesamtvergütung. Hier- mit wird klargestellt, dass eine Rege- lung im Vertrag zu erfolgen hat, die

„Preise“ für die zu erbringenden Lei- stungen aber frei zwischen den Lei- stungserbringern und den Krankenkas- sen ausgehandelt werden können. Im Gesetzestext gibt es hierzu keinerlei Vorgaben oder Einschränkungen, etwa die Festlegung von Richt-, Mindest- oder Höchstpreisen. Die Vergütung kann sowohl einzelfallbezogen als auch pauschaliert erfolgen.

Mit der Vergütung sind grundsätzlich sämtliche Leistungen, die im Rahmen des Versorgungsauftrags von den Versi- cherten in Anspruch genommen wer- den, abgegolten. Eingeschlossen sind dabei auch Leistungen und Vergütun- gen von Leistungserbringern, die nicht

direkt am Integrationsprogramm betei- ligt sind. Dies gelte allerdings nur dann, so Rechtsanwalt Ingo Dörr, Leipzig, wenn der teilnehmende Leistungser- bringer im Rahmen des Integrations- vertrages den Patienten an einen nicht beteiligten Leistungserbringer über- weise oder im Vertrag Gründe genannt würden, die eine Inanspruchnahme auch eines nicht beteiligten Leistungs- erbringers rechtfertigten. Nach der Rechtsexegese von Dörr ist die Über- weisung allerdings nicht mit einer „nor- malen“ Überweisung gleichzusetzen.

Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass es sich imRahmen der Integrierten Versorgung sowohl um ambulante als auch um stationäre Leistungen handeln kann. Der nicht an der Integrationsver- tragsversorgung teilnehmende Leis- tungserbringer ist vielmehr ein „Sub- unternehmer“ beziehungsweise ein

„Zulieferer“ von Leistungen an den direkten Vertragspartner, sofern dies Bestandteil des vertraglich vereinbar- ten Leistungsumfangs ist. Der Vergü- tungsanspruch bleibt allein bei dem teil- nehmenden Leistungserbringer. Dieser rechnet mit der Krankenkasse ab.

§ 140 c Abs. 2 SGB V räumt die Mög- lichkeit ein, dass ein vertraglich betei- ligter Leistungserbringer die Budget- verantwortung insgesamt oder aber nur für klar definierte Teilbereiche übernimmt. Wird die gesamte Budget- verantwortung übernommen, gibt es die Möglichkeit, die Behandlungsab- läufe effizient zu steuern und dadurch die Erlössituation zu verbessern. Die Einzelleistungsvergütung minimiert die Risiken, allerdings auch die Chan- cen, Gewinne zu erzielen. Das Interes- se der Kassen dürfte eher in Richtung Abgabe der Budgetverantwortung ge- hen, um die Leistungserbringer zu ei- ner möglichst effizienten Leistungser- bringung zu animieren. Die Versicher- ten müssen gewärtigen, dass die Inte- grierte Versorgung nicht nur Vorteile mit sich bringt. Denn mit der Einschrei- bung der Patienten in die Integrations- versorgung verlieren sie Einfluss und Wahlfreiheit. In jedem Fall ist die Kran- kenkasse Herr des Verfahrens. Die Krankenkassen müssten sich aber ihrer Verantwortung als zur Sicherstellung verpflichteter Kostenträger im System bewusst werden. Dr. rer. pol. Harald Clade T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 31–322. August 2004 AA2165

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nach der Wende haben ost- deutsche Ärzte, die wussten, was Un- terdrückung heißt, auch dazu bei- getragen, der IPPNW einen Zusatz- namen zu geben: Ärzte in sozialer Ver-

At May end 2012, 204 subsidiaries of firms headquartered in India were active in Germany, up from 195 reported in the previous edition.. According to official figures released

Im Rahmen von durchgeführten, laufenden oder geplanten Projekt- und Masterarbeiten beschäftigen sich Studierende in Zusammenar- beit mit Praxislehrpersonen und Dozierenden

Denn nötigen Zugangslink finden sie am Ende dieser Mail, es gibt dieses Mal kein Passwort.. Teilprojekt Umgestaltung Spielplatz Hans-Wegener-Straße/ Frau Hublitz / Frau Brüning

• Schlüsselprojekte: Mütterzentrum, Kulturtreff, Jugendtreff, Kulturaula ( $$$ ) Cafe Blocksberg, Quartiersbildungszentrum ( kein $$$ ), Koordination durch WiN QM

Diese Förderungen können bis zur Höhe von 7 500 € pro Jahr und Fördergebiet an Empfängerinnen und Empfänger gewährt werden, die die Mittel für kurzfristig zu

wie bereits bekannt, findet am Montag den 16.9.19 um 16.00 Uhr das nächste WiN-Forum statt.. Veranstaltungsort ist das Café Vielfalt,

Marc Vobker – Amt für Soziale Dienste, Sozialzentrum 4 – Süd Quartiersmanagement Huckelriede. „Alter Gemüseladen“ – Niedersachsendamm 42 – 28201 Bremen (nicht über