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angel- und Unterernährung“ – wenn diese Begriffe fallen, denkt man meist an so genannte Dritte- Welt-Länder. Übersehen wird die Not im Pflegeheim oder im Krankenhaus um die Ecke. Schätzungsweise ist jeder vierte Patient in Deutschland mangelernährt.Dies stellte die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) in einer deutschlandweiten Multicenterstudie an elf Krankenhäusern fest, für die fast 2 000 Patienten untersucht wurden. Besonders häufig waren geriatrische Patienten betroffen.
„Bei alten Menschen sind Unter- und Mangelernährung besonders risikoreich. Die Folgen sind Todes- fälle, längere Pflegebedürftigkeit und häufigere Krankenhausauf- nahmen“, erklärte Prof. Dr. med.
Herbert Lochs, Vizepräsident der DGEM, am 20. Februar beim Fachkongress „edi 2004 – Ernäh- rung, Diätetik, Infusionstherapie in der Geriatrie“ in Berlin.
Ab einem Bodymass-Index (BMI) von weniger als 20 emp- fiehlt die DGEM zusätzliche Flüssignahrung. „Ein solch redu- zierter BMI ist bereits eine eigenständi- ge Indikation zur Supplementierung mit enteraler Ernährung“, sagte Lochs.
Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten hätten nachgewiesen, dass eine frühzei- tige Supplementierung mit einer Flüs- sigkost beziehungsweise Sondennah- rung den Ernährungszustand und die Rehabilitationsfähigkeit der Senioren deutlich verbessern könne. Bei zu spä- tem Beginn könne dagegen oftmals kei- ne Wirkung mehr erzielt werden, warn- te Lochs: „Die Prognose der Patienten verschlechtert sich rapide.“ Ein Nutzen der Ernährungstherapie sei unter ande- rem bei Patienten mit akuten Erkran- kungen, wie Apoplex, Schenkelhals- frakturen oder Lungenentzündung, nachgewiesen. Gleichzeitig stellt die
DGEM aber eines klar: Sondennah- rung dürfe nicht eingesetzt werden, weil Pflegenden die Zeit fehlt, final demen- ten oder sterbenden Patienten Zuwen- dung und Nahrung zu geben.
Formuliert hat die DGEM ihre Emp- fehlungen gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) in der neuen evidenzbasierten Leitlinie „Ente- rale Ernährung in der Geriatrie und der
geriatrisch-neurologischen Rehabilitati- on“, die auf dem Fachkongress vorge- stellt wurde. Sie ergänzt die bereits vor ei- nem Jahr von der DGEM veröffentlichte Leitlinie zur „Enteralen Ernährung“ um den Bereich der Geriatrie und wird im Frühsommer in der Fachzeitschrift „Ak- tuelle Ernährungsmedizin“ erscheinen.
Die Leitlinie soll es Ärzten und Pfle- gepersonal erleichtern, auf den mangel- haften Ernährungszustand von älteren Menschen richtig zu reagieren. Denn noch immer bestehen Unsicherheiten.
Dies belegt unter anderem eine aktuelle Studie des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) Sachsen-An- halt. Bei 700 untersuchten Patienten mit Ernährungssonden deckte sie erhebli- che Versorgungsdefizite auf (DÄ, Heft
5/2004). So erhielt mindestens ein Drittel der Patienten nachweislich zwischen 500 und 1 500 kcal zu wenig Sondennahrung.
Zudem wurde bei keinem Patienten zu irgendeinem Zeitpunkt der Bodymass- Index ermittelt.
Auch zu Hause müsse auf eine ausrei- chende Ernährung Pflegebedürftiger ge- achtet werden, betonte Dr. med. Ute Krys von der DGG. Für den Hausarzt seien verschiedene standardisierte Fra- gebögen verfügbar, um das Risiko einer Mangelernährung und deren Ursachen abzuklären (Nutrition Risk Assessment Scale, Mini Nutritional Assessment).
Im Januar wurden Patienten und Ärz- te zusätzlich verunsichert: In vielen Arzt- praxen wurde die Verordnung der Son- dennahrung verweigert, da auf dem Bild- schirm des Praxiscomputers der Hinweis
„nicht rezeptpflichti- ges Präparat“ erschien.
„Trink- und Sonden- nahrungen sind keine Arzneimittel“, sagt ein Sprecher des Bundes- verbandes für Medi- zinprodukte (BVMed).
Auch das Bundesge- sundheitsministerium (BMGS) verkündete Anfang Dezember 2003, dass vorerst kei- ne neuen Arzneimit- tel-Richtlinien zu Er- nährungstherapeutika in Kraft treten würden und daher die bisher geltenden Regelungen anzuwenden seien. „Aminosäuremi- schungen, Eiweißhydrolysate, Elemen- tardiäten und Sondennahrung sind somit weiterhin in § 31 SGB V geregelt und in den medizinischen Ausnahmefällen nach
§ 92 SGB V verordnungsfähig“, so der BVMed. Das letztes Wort über die Verordnungsfähigkeit der Ernährungs- therapeutika obliegt dem BMGS. Der- zeit prüft noch der Gemeinsame Bundes- ausschuss die Richtlinie. Anfang De- zember 2003 hatte der damalige Bundes- ausschuss der Ärzte und Kranken- kassen festgelegt, dass Sondennah- rung von den Krankenkassen nicht mehr erstattet wird. Da dies ohne die An- hörung der Betroffenen geschehen war, hatte das BMGS jedoch die Richtlinie gestoppt. Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 105. März 2004 AA623
Mangelernährung
Unterschätzte Gefahr
Todesfälle könnten vermieden werden, wenn Mangel- und Unterernährung rechtzeitig erkannt und behandelt werden.
Durch Trink- und Sondennahrungen lassen sich bei älteren Menschen die Nährstoffzufuhr erhöhen und Morbidität sowie Mortalität senken.
Foto:Laif