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Archiv "Mangelernährung bei Kindern: Die Chance der ersten 1 000 Tage" (08.10.2010)

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A 1924 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 40

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8. Oktober 2010

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eltweit leidet ein Drittel al- ler Kinder unter fünf Jahren an chronischer Mangelernährung.

Vor allem während der ersten bei- den Lebensjahre ist Unterernährung besonders lebensbedrohlich und kann die physische, motorische und geistige Entwicklung nachhaltig ne- gativ beeinflussen. Bislang haben viele Programme vor allem die Ver- besserung der Ernährungssituation von Kindern bis zum Alter von fünf Jahren im Blick.

Aktuelle Studien zeigen jedoch deutlich: Das kritische Zeitfenster ist wesentlich enger. Es beginnt bei der Empfängnis eines Kindes und erstreckt sich bis zum Ende des zweiten Lebensjahres. In diesem Zeitraum besteht nicht nur der größte Bedarf an ausreichender und den Bedürfnissen angepasster hoch- wertiger Kost. Diese Phase ist auch entscheidend, wenn es darum geht, irreversible Folgen der Mangeler- nährung abzuwenden.

Kinder, die in den ersten 1 000 Tagen ihres Lebens über einen län- geren Zeitraum unzureichend er- nährt wurden, tragen bleibende Schäden davon. Ihre körperliche und geistige Entwicklung ist häufig retar- diert, ihr Immunsystem ist schwach entwickelt, und durch zahlreiche Er- krankungen ist die Lebenserwartung verringert. Meist bleiben diese Kin- der langfristig im Wachstum zurück und sind oft nur eingeschränkt leis- tungsfähig. Allein durch Jodmangel der Mutter während der Schwanger- schaft kommen jedes Jahr bis zu 20 Millionen Babys mit geistigen Behinderungen zur Welt.

Das zieht enormes individuelles menschliches Leid nach sich, aber auch massive gesamtgesellschaftli- che Einbußen. Die Gesundheits- und Bildungssysteme werden belastet, weil die Kinder häufiger krank und in der geistigen Entwicklung verzö- gert sind. Diese Benachteiligung zieht sich bis ins Erwachsenenalter hinein und hat nicht nur negative Fol- gen für ein selbstständiges und erfüll- tes Leben, sondern auch für das volkswirtschaftliche Wachstum. In Ländern mit hohen Raten an unter- nährten Kindern fällt dies zum Teil um bis zu elf Prozent geringer aus.

Das bedeutet, dass sich Investitionen in die Reduzierung frühkindlicher Mangelernährung doppelt auszahlen:

Neben dem Nutzen für den Einzelnen leisten sie einen langfristigen Beitrag zu Wachstum und Armutsbekämp- fung in den betroffenen Ländern.

Die Rezepte zur Verbesserung frühkindlicher Ernährung sind be- kannt. Direkte Maßnahmen, wie et- wa die Unterstützung der Mikro- nährstoffversorgung werdender Müt- ter durch Nahrungsergänzungsmittel wären einfach umzusetzen. Auch sollten Mütter angehalten werden, ihre Kinder bis zum sechsten Le- MANGELERNÄHRUNG BEI KINDERN

Die Chance der ersten 1 000 Tage

Frühkindliche Mangelernährung hat Konsequenzen für das ganze Leben.

Die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder ist häufig eingeschränkt und ihre Lebenserwartung durch zahlreiche Erkrankungen verringert.

Foto: argus

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8. Oktober 2010 A 1925 bensmonat ausschließlich zu stillen.

Anschließend müssen Kinder ihrem Alter entsprechend mit gesunder und energiereicher Beikost gefüttert wer- den. Dafür müssen die Mütter sensi- bilisiert werden, denn die Mütter müssen die Folgenahrung für die Kinder selbst mit den zur Verfügung stehenden Nahrungsmitteln herstel- len. So könnten viele Erkrankungen, wie zum Beispiel Durchfall, vermie- den werden, die gerade für Säuglinge und Kleinkinder schnell lebensbe- drohlich werden.

Genau hier aber fehlt oft genug das Wissen um diese Zusammenhän- ge. In Mali etwa wissen viele Frauen in den armen ländlichen Ge- bieten nicht, wie ein unter er - nährtes Kind aussieht, und er- kennen somit nicht die Zeichen des Mangels. Viele Kleinkin- der haben deshalb nicht nur zu wenig, sondern auch oft die falsche Nahrung bekommen.

Die Welthungerhilfe unter- stützt in dem westafrikani- schen Land derzeit etwa 100 Dörfer, die besonders von Nahrungsunsicherheit betrof- fen sind. Dabei stehen vor al- lem Kinder unter fünf Jah- ren, Schwangere und stillende Frauen im Fokus.

Als die Mitarbeiter vor zwei Jah- ren mit der Arbeit begannen, stell- ten sie fest, dass die Kinder statt mit Muttermilch mit Ziegenmilch oder den Nahrungsmitteln der Erwach- senen gefüttert wurden. Deshalb wurden überall freiwillige Berater ausgebildet, die von Dorf zu Dorf ziehen und den Müttern den Zu- sammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit erklären.

Muttermilch galt als giftig und wurde weggeschüttet Dabei stoßen die Berater oft auf Vorbehalte oder aber sogar schädli- che Traditionen. So galt die Mutter- milch in einige Gebieten als giftig und wurde konsequent weggeschüt- tet. Erst wenn die Mütter den Erfolg der neuen Ernährungsmethoden ge- sehen haben, werden Verhaltens- muster langfristig geändert.

Doch diese Maßnahmen allein reichen nicht aus. Sie müssen von Programmen begleitet werden, die

an den indirekten Ursachen früh- kindlicher Mangelernährung an - setzen. Die fehlende Gesundheits- fürsorge und die benachteiligte so- ziale Stellung von Frauen müssen verbessert werden, damit sie in der Lage sind, angemessen für sich und ihre Kinder zu sorgen. Außer- dem sind ausreichend abwechslungs- reiche Nahrung und sauberes Trink- wasser für alle Menschen wichtig, für Schwangere und Kleinkinder aber umso mehr.

Deshalb werden in den Projek- ten der Welthungerhilfe auch Maß- nahmen zur Verbesserung der all- gemeinen Ernährungslage der Frau-

en durchgeführt. In den Dörfern in Mali etwa lernen die Kleinbauern, wie sie das Saatgut verbessern und die Erosion des wenigen fruchtba- ren Bodens aufhalten können.

Die Vorbeugung frühkindlicher Mangelernährung ist wesentlich ein- facher und kostengünstiger als die Heilbehandlung eines erkrankten Kindes: Es wird geschätzt, dass be- reits die konsequente Umsetzung der Stillempfehlung zwischen zwölf und 20 Prozent aller Todesfälle von Kin- dern unter fünf Jahren verhindern könnte. Und zwei Vitamin-A-Kap- seln, die pro Stück nur zwei Cent kosten, reichen aus, um ein Kind ein Jahr lang vor Mangelerkrankungen (wie zum Beispiel Blindheit, Wachs- tumsstörungen, organischen Fehl- entwicklungen) zu schützen.

Unter wirtschaftlichen Aspekten haben Maßnahmen zur Bekämp- fung frühkindlicher Mangelernäh- rung ein enormes Potenzial: Beim Kopenhagener Konsens von 2008, einem Prozess weltweit renommier-

ter Ökonomen, der auf der Basis von ökonomischen Kosten-Nutzen-Ana- lysen Prioritäten für die wichtigsten Herausforderungen der Menschheit setzt, führen Maßnahmen zur Ver- besserung der frühkindlichen Man- gelernährung die Rangliste an.

Schnelle Erfolge im Bereich der Bekämpfung frühkindlicher Man- gelernährung sind möglich, wie die Beispiele in verschiedenen Ländern, unter anderen Brasilien zeigen. Letzt- lich ist jedoch entscheidend, welche politische Priorität dem Anliegen eingeräumt und wie es verankert wird: Nicht nur die Gesundheitsmi- nisterien sind in der Pflicht, sondern

angemessene Ernährung muss als Querschnittaufgabe auch in anderen Sektorministerien – etwa Landwirt- schaft, Soziales, Gleichstellung, Fi- nanzen – angesiedelt werden.

Dabei haben auch internationale Politikstrategien den Aspekt der Mangelernährung in Ernährungssi- cherungsprogrammen zu lange ver- nachlässigt. Die internationale Ge- meinschaft hat diesen Fehler er- kannt und will das Thema stärker in internationalen und nationalen Poli- tikstrategien verankern.

Denn das Menschenrecht auf Nahrung garantiert nicht nur einen Anspruch auf Zugang zu Nahrungs- mitteln in ausreichender Quantität, sondern auch in ausreichender Qua- lität, um individuelle Ernährungs- bedürfnisse in kulturell angemesse- ner Form nachhaltig und sicher zu befriedigen. Dies muss auch für Millionen von Kleinkindern welt-

weit gelten. ■

Simone Pott, Constanze von Oppeln, Ute Latzke Hilfe zur Selbst-

hilfe in Mali: Die Vorbeugung von Mangelernährung beginnt bereits auf dem Feld.

Fotos: Welthungerhilfe

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