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ZWISCHEN VOLKSRELIGIOSITÄT UND GEMEINNÜTZIGER TÄTIGKEIT. DIE AKTUELLE DISKUSSION UM DIE FINANZIERUNG DER KIRCHE IN POLEN

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Wojciech Sadlon SAC

Statistik-Institut der Katholischen Kirche Warschau, Polen

ZWISCHEN VOLKSRELIGIOSITÄT UND GEMEINNÜTZIGER TÄTIGKEIT.

DIE AKTUELLE DISKUSSION UM DIE FINANZIERUNG DER KIRCHE IN POLEN

Die katholische Kirche ist eine der wichtigsten sozialen Institutionen in Polen. Sie ist bis heute mit der Geschichte, Kultur und - generell – mit der polnischen Gesellschaft eng verbunden. Ihr traditionell hoher Stellenwert in der Gesellschaft reicht bis in die Zeit der Christianisierung des Landes 966 zurück, und konnte sich in der durch Widerstand gegen die fremden Eindringlinge und den Kommunismus geprägten jüngeren Geschichte Polens behaupten. 25 Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit 1989 wurde die intensivste Phase der wirtschaftlichen und politischen Reformen abgeschlossen. Es scheint, dass die katholische Kirche angesichts dieser vielfältigen Veränderungen ihren Platz in der Gesellschaft gefunden hat. Aber die Gesellschaft befindet sich im ständigen Wandel und auch die Präsenz der Kirche in der Öffentlichkeit schwankt sehr stark.

1. Die Kirchliche Finanzen: ein Streitthema

Die Präsenz der Kirche ist der Öffentlichkeit ist mit dem Finanzthema verbunden. Seit 25 Jahren wird deshalb das System der Finanzierung der Katholischen Kirche in Polen heiß diskutiert. Gemäß dem Konkordat zwischen Polen und dem Heiligen Stuhl von 1993 wurde eine Sonderkommission für die Durchführung von notwendigen Änderungen der Kirchenfinanzierung eingerichtet. Nach einer Umfrage des Polnischen Meinungsforschungszentrums (CBOS) meinten 2012 46% der Polen, dass die katholische Kirche „eine reiche Institution“ sei, und 49%, dass Priester „ im Wohlstand leben“1. Priester zählen zu den Berufsgruppen, die nach Ansicht der Polen zu viel verdienen2. 2011 war zwar die Hälfte der Polen davon überzeugt, dass die Mitglieder der Pfarrgemeinden in Polen offiziell über die Finanzen ihrer Pfarrgemeinde informiert werden, doch meinten viel weniger, nämlich 35% der Befragten, dass die Pfarrgemeinden in Polen offiziell über ihr Einkommen informieren.

2. Die finanziellen Grundlagen der Katholischen Kirche in Polen a. Freiwillige Spenden der Gläubigen

1 CBOS BS/63/2012.

2 CBOS BS/127/2013.

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Die wichtigste Finanzierungsquelle der Katholischen Kirche in Polen bilden heute ohne Zweifel private Zuwendungen der Katholiken in Form von freiwilligen, in den Pfarreien gesammelten Spenden. Etwa 40% der polnischen Katholiken nehmen jeden Sonntag an der Eucharistie teil3. In den letzten 20 Jahren werden mehr als 90% der Kinder getauft und gehen zur Erstkommunion4. Etwa 80% der Jugendlichen empfangen die Firmung. Die Zahl der Paare, die um das Sakrament der Ehe in der Kirche bitten, ist auch hoch: In den letzten Jahren wurden jährlich ca. 160 Tausend kirchliche Ehen geschlossen, was etwa 60% aller Eheschließungen ausmacht. Die Gläubigen leisten einen finanziellen Beitrag, wenn sie eine Messe bestellen oder Sakramente empfangen wollen. Die Ergebnisse der vom Institut für Statistik der Katholischen Kirche durchgeführten Forschungen zeigen, dass 2012 11%

Prozent der Polen im letzten Monat und 20% in den letzten paar Monaten eine Messe bestellt haben. Im Vergleich zum Jahr 1991 blieb der Prozentsatz fast gleich (damals : 10%

beziehungsweise 21%). In den meisten Pfarreien ist die Höhe dieses Beitrags nicht festgesetzt, in anderen werden sog. „Preise“ für Sakramente bestimmt. Freiwillige Kollekten werden bei jeder Sonntagsmesse, am 1. November auf den Friedhöfen und während der Seelsorgsbesuche in der Weihnachtszeit („Kolęda“) gesammelt. In den Pfarreien werden auch zweckgebundene Kollekten organisiert, z.B. für Priesterseminare, für die Caritas oder die Katholische Universität in Lublin. Nach der Katholischen Nachrichtenagentur KAI bilden freiwillige Spenden 80% des Einkommens der Katholischen Kirche in Polen.

Demzufolge kann man feststellen, dass die Finanzierung der Pfarreien auf freiwilligen, stark mit der Religiosität der Schenker verbundenen Spenden basiert. Die Pfarreien sind von den Diözesen finanziell ziemlich unabhängig. In den meisten Fällen kümmert sich der Pfarrer um die Finanzen der Pfarrei. Obwohl die Tätigkeit der Pfarrgemeinderäte für wirtschaftliche Angelegenheiten kaum bemerkbar ist, waren 2013 nicht mehr als 18% der Polen davon überzeugt, dass für die Sakramente zu hohe „Preise“ gefordert werden5.

Staatliche Finanzierung kirchlicher Aktivitäten

1. Nach den Angaben des Meinungsforschungszentrum CBOS meinte 2012 ein Drittel der Polen, dass die Katholische Kirche in Polen grundsätzlich vom Staat finanziert wird. Trotz dieser irrtümlichen Ansicht sind die Polen damit einverstanden, dass kirchliche Denkmäler, der Religionsunterricht, die Seelsorge in öffentlichen Institutionen, das

3 Nach den Angaben des Instituts für Kirchliche Statistik.

4 Aber 2011 ist die Zahl der getauften Kinder durchschnittlich 33% geringer als in den 90er Jahren.

5 CBOS BS/145/2013.

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Militärbischofsamtordinariat und kirchliche Schulen vom Staat mindestens mitfinanziert werden sollen6.

Eines der wichtigsten, mit kirchlichen Finanzen verbundenen Themen ist der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen. Seit dem Schuljahr 1990/1991 wird an öffentlichen Schulen in Polen Religion unterrichtet. In Grundschulen und Gymnasien erfolgt er auf Wunsch der Eltern (Mindestzahl: 5 Schüler pro Klasse); in den weiterführenden Schulen auf Wunsch der Eltern oder der Schüler. Nach einer Statistik der Polnischen Bischofskonferenz wird die katholische Religion in mehr als 90% der polnischen Schulen unterrichtet. Die Religionslehrer unterliegen staatlichem und kirchlichem Recht. Der Staat übt keine Hoheit über die Unterrichtsinhalte und Ausbildung der Lehrer aus und überlässt diese den Konfessionen. 2009 waren 55% aller Religionslehrer Laien, 34% Diözesanpriester, und 11% Ordensleute. Der Religionsunterricht wird aus staatlichen Mitteln finanziert, wobei Priester in den ersten Jahren der Präsenz des Religionsunterrichts in der öffentlichen Schule unentgeltlich arbeiteten und die Laien-Religionslehrer von Pfarreien entlohnt wurden. Die entsprechenden Beträge der Lehrer der anderen Fächer werden für die Gehaltszahlung von Religionslehrern verwendet.

2. Die Katholische Kirche in Polen darf freie Schulen aller Stufen einrichten und führen. Gemäß dem Konkordat von 1993 ist dem polnischen Staat der Unterhalt der Päpstlichen Akademie für Theologie Krakau (heute: Päpstliche Universität Johannes Paul II.) und der Katholischen Universität Lublin auferlegt. Diese beiden Universitäten werden zur Gänze vom Staat finanziert. Drei andere Hochschuleinrichung, die Päpstliche Theologische Fakultät in Breslau, die Päpstliche Theologische Fakultät in Warschau und die Akademie Ignatianum in Krakau werden zum Teil vom Staat finanziert. Darüber hinaus sind an einigen der staatlichen Universitäten (Kattowitz, Oppeln, Allenstein, Thorn, Posen und Stettin) theologische Fakultäten eingerichtet. An der staatlichen Kardinal-Stefan-Wyszynski- Universität in Warschau bestehen drei Fakultäten, die unter kirchlicher Aufsicht stehen. Die katholischen Schulen der Primar- und Sekundarstufe können aus dem Staatshaushalt oder aus Mitteln der lokalen Verwaltung finanziert werden.

3. Gemäß der Polnischen Verfassung (Art. 53, Abs. 2) sind katholische Geistliche als Seelsorger in Krankenhäusern, beim Militär, in der Untersuchungshaft, in örtlichen Dienststellen der Polizei, beim Zoll, Personenschutz der Regierung und bei der Staatlichen

6 CBOS BS/63/2012.

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Feuerwehr tätig. Die Seelsorger werden oft aus öffentlichen Mitteln entlohnt. Außerdem wird auch das am 21. Januar 1991 gegründete Katholische Militärbischofamt vom Staat finanziert.

Gemäß dem Konkordat kann der Staat auch für Renovierung der katholischen Kunstwerke aufkommen.

Steuerbefreiungen

Das Einkommen der Katholischen Kirche aus nichtwirtschaftlicher satzungsmäßiger Tätigkeit ist steuerfrei. Außerdem ist die Katholische Kirche nicht verpflichtet, einen Einkommensnachweis zu führen. Die Immobilien der Katholischen Kirche, die für Wohn- und Wirtschaftszwecke benutzt werden, unterliegen grundsätzlich der Besteuerung. Die anderen kirchlichen Immobilien werden nicht besteuert. Auch bei der Veranlagung der Spender kann die Besteuerungsgrundlage u.a. um den Betrag der Spende für religiöse und gemeinnützige Zwecke (z.B. karitative oder pädagogische Aktivität und Tätigkeit im Umweltschutz ) vermindert werden.

Kirchenfonds

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg stammen 78% des Kircheneinkommens aus kirchlichen Pfründen7. Aber schon 1944 plante die kommunistische Regierung, im Rahmen der Bodenreform auch das kirchliche Eigentum zu übernehmen. 1946 wurden alle kirchlichen Verlage, drei Jahre später (1949) Krankenhäuser, 1952 Stiftungen, noch später Schulen und Kindergärten verstaatlicht. 1950 wurde der Landbesitz der Religionsgemeinschaften (nicht nur der Katholischen Kirche) verstaatlicht. Die Enteignung umfasste den Landbesitz der Glaubensgemeinschaften (Bistümer, Ordensgemeinschaften, Pfarreien) und die Pfründen der Pfarrer mit einer Fläche von über 50 Hektar (im Bistum Posen, in Pommern und Schlesien über 100 Hektar). Insgesamt wurden 127 169 Hektar Land und 3437 Gebäude der Katholischen Kirchliche vom Staat übernommen8.

Der Kirchenfonds ist 1950 eingerichtet worden, um die Kirchen für Enteignungen zu entschädigen. Nach dem Gesetz von 1950 soll der Kirchenfonds die Kosten für die Erhaltung und Wiederherstellung der Kultstätten, finanzielle und medizinische Hilfe für Priester, Krankenversicherung, Subventionierung von Religionsgemeinschaften und Rente der Priester decken. Der Kirchenfonds sollte die Kirche entsprechend ihrem Einkommen aus den übernommenen Immobilien abfinden.

Nach 1989 wird ein langer Prozess der Rückforderung des kirchlichen Eigentums durchgeführt. Bis heute wurden 62 357 Hektar Land und 490 Gebäude der Katholischen

7 D. Walencik, Nieruchomości Kościoła katolickiego, s.375.

8 D. Walencik, Nieruchomości Kościoła katolickiego, s. 229.

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Kirche immer noch nicht zurückgegeben9. Nach Dariusz Walendzik ist der Kirchenfonds keine Entschädigung, sondern eine Art Treuhandagentur (Trust agency). Solange der Staat über dieses Eigentum verfügt, ist der Kirchenfonds zusständig10. Von Anfang an hat aber der Kirchenfonds seine Finanzmittel nur als staatliche Subvention erhalten. Aus der Staatskasse fließen in ihn jedes Jahr bis zu 24 Millionen Euro, das heißt 0,03 Prozent des Haushalts.

Dieser Betrag wurde als Teil des öffentlichen Haushalts ausgewiesen. Ab 2010 deckt er nur einen Teil die Versicherung der Priester. Diese jährlichen staatlichen Zuwendungen aus dem Fonds weckten jedoch in den Medien starke Emotionen. 2012 war die Mehrheit der Polen (57%) mit der Umgestaltung des Kirchenfonds aufgrund einer neuen Steuer-Spenden- Regelung11 einverstanden.

3. Gemeinnützige Organisationen und die Katholische Kirche in Polen

Alle Rechtsubjekte der Katholische Kirche gliedern sich in folgende vier Kategorien:

1) juristische Personen der Katholischen Kirche, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Hoheitsakte bestehen, z.B. Diözesen, Pfarreien; 2) katholische Institutionen, die als juristische Personen vom Staat rechtlich anerkannt werden, z.B. kirchliche Schulen, Verlage oder Stiftungen; 3) Laien-Stiftungen und Laien-Gesellschaften, dieals nicht-katholisch eingerichtet, aber von der Katholischen Kirche anerkannt werden (gemäß dem 2012 erlassenen Motu proprio Intima Ecclesiae natura von Benedikt XVI.). Außerdem gibt es 4) Katholische Mitgliederorganisationen, die keine staatlichen Rechtssubjekte sind, sondern als Teil der kirchlichen juristischen Personen (z.B. Pfarrei) funktionieren.

In Polen gibt es etwa elftausend juristische Personen, besonders Pfarreien, Ordensgemeinschaften und Bistümer. Es gibt zweitausend Katholische Institutionen und mehr als sechzigtausend Katholische Mitgliederorganisationen. Die Zahl der von Laien getragenen Stiftungen und Gesellschaften ist bis heute nicht bekannt.

Nach polnischem Recht sind die kirchlichen Rechtssubjekte (ausgenommen Laien- Stiftungen und Laien-Gesellschaften) keine Nichtregierungsorganisationen (NGO) im engeren Sinne. Aber wenn es um die sogenannte „gemeinnützige Tätigkeit“ geht, können die kirchlichen Rechtssubjekte auch mit Nichtregierungsorganisation gleichgesetzt werden. Nach dem „Gesetz über gemeinnützige Tätigkeit und das Volontariat“ (Ustawa o pożytku publicznym i wolontariacie) vom 24. April 2003 darf auch die Katholische Kirche gemeinnützige Tätigkeit unternehmen. Die gemeinnützige Tätigkeit, die ganz breit definiert

9 D. Walencik, Nieruchomości Kościoła katolickiego, s. 378.

10 D. Walencik, Nieruchomości Kościoła katolickiego, s. 379.

11 CBOS BS/63/2012.

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wurde, umfasst besonders Sozialhilfe, Integration, karitative Aktivitäten, Unterstützung und Verbreitung von nationalen Traditionen, Pflege und Entwicklung des polnischen Nationalbewusstseins, Aktivitäten für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, Erfindung und Innovation, Implementierung von neuen technischen Lösungen, Entwicklung lokaler Gemeinschaften, Hochschulbildung, Erziehung, Erholung für Kinder und Jugendliche, Kultur, Kunst, Ökologie und Naturschutz, Tourismus und Entwicklung der Demokratie. Die religiöse Aktivität ist also keine gemeinnützige Tätigkeit im üblichen Sinne.

Die Organisationen, die gemeinnützigen Zielen dienen, auch die kirchlichen juristischen Personen, werden offiziell als „gemeinnützige Organisationen“ (OPP) bezeichnet und können einen entsprechenden Status genießen. 2010 gab es in Polen 80400 Nichtregierungsorganisationen12, von denen 8100 (9%) als gemeinnützige Organisationen (OPP) bezeichnet wurden. Nur 100 (5%) von allen 2000 kirchlichen Organisationen gelten als gemeinnützige Organisationen (OPP). Eine solche Organisation (OPP) muss folgende Voraussetzungen des Gesetzes vom 24. April 2003 über gemeinnützige Organisationen und Volontariat erfüllen: Verfolgung gemeinnütziger Zwecke seit mindestens 2 Jahren, Transparenz von Maßnahmen und interne Kontrolle in der Organisation. Aber die gemeinnützigen Organisationen (OPP) genießen auch verschiedene Privilegien: Sie können staatliche Immobilien zu Vorzugsbedingungen nutzen, Steuerbefreiungen in Anspruch nehmen, Informationen über ihre Tätigkeit in öffentlichen Medien kostenlos verbreiten und 1% der Einkommensteuer natürlicher Personen bekommen.

1%- Spende

Die 1%-Spende für gemeinnützige Organisationen soll von jedem Steuerpflichtigen persönlich in seine Steuererklärung eingetragen werden. Die Steuerpflichtigen wählen eine Organisation aus der Liste der gemeinnützigen Organisationen (OPP). Ab 2004 bis 2006 konnten die Steuerpflichtigen 1% ihrer Jahress teuer berechnen und den Betrag alleine an gemeinnützige Organisationen überweisen. Anhand der Überweisungsbestätigung konnte der Betrag dann von der Einkommensteuer abgesetzt werden. Seit 2007 beschäftigt sich das Finanzamt mit der Überweisung von 1%-Spenden.

Von Jahr zu Jahr wächst die Neigung zur Unterstützung von gemeinnützigen Organisationen. 2004 hatten nur 70 000 Personen 42 Millionen PLN an gemeinnützige Institutionen gespendet, 2007 waren es 5,1 Millionen Personen und 296 Millionen PLN, 2011 bereits 11,2 Millionen Personen und 457 Millionen PLN. 2012 haben 45% aller

12 Główny Urząd Statystyczny, Trzeci sektor w Polsce, Warszawa 2013.

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Steuerpflichtigen (d.h. 11,5 Millionen) 480 Millionen PLN überwiesen. Das meiste Geld haben die Bewohner der großen Städte - wie Warschau, Krakau, Posen oder Breslau - und Schlesiens überwiesen. 2012 haben die Organisationen in der Woiwodschaft Masowien (das Gebiet um Warschau) 45% des Gesamtbetrags der 1%-Steuer-Spende bekommen. 2012 hat durchschnittlich jeder Spender 42 PLN von seiner Jahressteuer überwiesen.

In der Liste der Organisationen, die den höchsten Geldbetrag bekommen haben, sind auch katholische Organisationen: Fundacja Dzieł Nowego Tysiąclecia (Bischöfliche Stipendienstiftung, 2012 auf Platz 21 mit 2,9 Millionen PLN), Caritas Polen ( 2012 auf Platz 23 mit 2,6 Millionen PLN).

Bis 2006 bekamen die Organisationen die 1%-Steuer-Spende von Steuerpflichtigen direkt auf ihr Bankkonto. Seit 2007 beschäftigt sich das Finanzamt mit der Überweisung von 1%-Spenden. Die Personaldaten der Steuerpflichtigen werden an die Organisationen weitergegeben, wenn der Steuerpflichtige es wünscht. In den Reihen der Nichtregierungsorganisationen wird stark diskutiert, ob man die 1%-Spenden-Regelung wirklich für Wohltätigkeit halten darf. Obwohl die 1%-Spende für die größten Organisationen eine neue Finanzierungsquelle darstellt, sind die Sozialwissenschaftler und die Nichtregierungsorganisationen nicht wirklich davon überzeugt, dass dieses Geld als private Zuwendung betrachtet werden kann. Marek Rymsza (Chefredakteur der Zeitschrift für Nichtregierungsorganisationen in Polen) argumentiert, dass die 1%-Spende ein Teil der staatlichen Steuer ist und somit dem Staat gehört13. Obwohl die 1% -Spende freiwillig ist, funktioniert sie als staatliche Unterstützung der Nichtregierungsorganisationen. Aufgrund dieser Logik hat das Finanzamt, nach der Einführung der 1%-Spende-Regelung verschiedene Steuerbefreiungen für die Organisationen begrenzt. Nach statistischen Daten ist seit 2004, also seit der Einführung der 1%-Spende-Regelung, auch die Zahl anderer privater Spenden für die Organisationen gesunken. Nach Marek Rymsza kann der Staat durch die 1%-Spende- Regelung die Finanzen der Nichtregierungsorganisationen kontrollieren. Ein anderes Problem hängt mit der Verteilung dieser Spendengelder zusammen. Diese Regelung bevorzugt die größten Organisationen, ganz besonders diejenigen, die Zugang zu Medien haben.

Kirchliche Steuer-Spende

Seit 2001 beschäftigt sich die Konkordatskommission mit dem Thema Kirchenfinanzierung14. Von Anfang an optierten die Bischöfe gegen die Einführung der

13 M. Rymsza, Czym są alokacje jednoprocentowe w systemie podatku dochodowego od osób fizycznych?, Kwartalik Trzeci Sektor, 24/2011, s. 2-10.

14 http://ekai.pl/wydarzenia/temat_dnia/x61705/historia-dwunastu-lat/?print=1

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Kirchensteuer für Katholiken nach deutschem Muster. Als Vorbild wurden die ungarischen Regelungen hingestellt. 2011 erklärte der damalige Generalsekretär der Polnischen Bischofskonferenz Stanislaw Budzik, dass die Katholische Kirche einer 1%- Spendenregelung zustimmte. In den Medien wurde das als „revolutionäre Neuerung“

bezeichnet. Die starke Präsenz dieses Themas in den Medien ergab sich zweifellos aus der damaligen politischen Situation, insbesondere im Zusammenhang mit den Wahlen. Im März wurde eine Sonderkommission unter der Leitung von Kardinal Kazimierz Nycz und Michal Boni, dem Minister für Verwaltung, einberufen, die eine Abschaffung des Kirchenfonds und ein neues Finanzierungssystem vorbereitet. Der Steuerzahler wird in seiner Steuererklärung eine Religionsgemeinschaft wählen, welcher der Staat einen Teil der eingezogenen Steuer überweisen soll.

Die individuellen Steuerzahler, das heißt die natürlichen Personen, die Einkommensteuer zahlen, könnten – so der Plan - einen Teil ihrer Steuer den Religionsgemeinschaften widmen. Im Zuge der Finanzreform sollte der Staat seine partiellen Zahlungen der Sozialversicherungsbeiträge für einen Teil der Geistlichen aller Konfessionen stoppen. Nach der Meinung der Bischöfe sei der Kirchenfonds ein „Relikt der 50er Jahre“.

Die Bischöfe erklärten, dass die Reform mehr Transparenz bringen und die finanzielle Unabhängigkeit der katholischen Kirche von staatlichen Zuschüssen stärken soll. Das neue Finanzierungsmodell könnte daher nach Ansicht von Beobachtern dazu beitragen, dass sich die Kirchen künftig stärker um die Gläubigen bemühen.

Am Anfang wünschten sich die Religionsgemeinschaften einen Satz von einem Prozent der Einkommensteuer. Aber die Regierung hatte im März 2012 zunächst nur eine Kirchensteuer von 0,3 Prozent der Einkommensteuer vorgeschlagen. Danach hat die Katholische Kirche erklärt, sie sei auch mit einem Satz von 0,5 oder 0,6 Prozent zufrieden.

Wie viel Geld die freiwillige Steuer den Konfessionen bringt, ist völlig offen. 2012 sagten 47% der Polen, dass sie der Katholischen Kirche einen Teil ihrer Steuer überweisen15. Aber die katholische Bischofskonferenz rechnet laut früheren Angaben ihres Generalsekretärs Wojciech Polak damit, dass ihr „in den ersten Jahren nicht mehr als 25 Prozent“ der Polen in der Steuererklärung Geld zuwenden. Deshalb will die Regierung laut Minister Boni bis Ende 2016 die Einnahmen auf das Niveau des Kirchenfonds aufstocken, falls sie geringer liegen.

Vorerst bedarf die Steuer-Spende-Regelung eines staatlichen Äquivalents (garantierten Betrags), falls das Steuer-Spende-Einkommen die Höhe des Kirchenfondsbetrag von 2012

15 CBOS BS/63/2012.

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(109 Millionen PLN) nicht erreicht. Die Bischofskonferenz vertritt die Ansicht, dass ein Vertrag über diese neuen Regelungen zwischen der Bischofskonferenz und der Regierung notwendig war. Die ganze Debatte wurde im Kontext der ökonomischen Krise durchgeführt.

Die Bischöfe haben auch angekündigt, dass sie bereit sind, auf einige Steuerbefreiungen für Religionsgemeinschaften zu verzichten. Von Anfang an wurde die Arbeit an der Steuer- Spende-Regelung in Eile durchgeführt. 2012 wurde angekündigt, dass schon im nächsten Jahr der staatliche Kirchenfonds abgeschafft werden solle und die Kirchen und Religionsgemeinschaften nun 30 Tage Zeit hätten, sich zu diesen Regierungsvorschlägen zu äußern und eigene Vorschläge zu präsentieren.

Aber in der Praxis ergaben sich jedoch viele Schwierigkeiten. Die eine ist mit der Unabhängigkeit der Katholischen Kirche vom Staat verbunden. Der Steuer-Spende-Betrag wäre von der staatlichen Steuerpolitik abhängig. Der Staat könnte den Kirchensteuerbeitrag durch Steueränderungen senken oder erhöhen. Über die Wahl der zu finanzierenden Religionsgemeinschaft erheben die Finanzämter Daten über religiöse Überzeugungen des Steuerzahlers. Diese Datenerhebung kann als eine verfassungswidrige Form der Verpflichtung zur Offenbarung von religiösen Überzeugungen betrachtet werden. Gemäß der polnischen Verfassung „[darf] niemand durch die öffentliche Gewalt verpflichtet werden, seine Weltanschauung, seine religiösen Anschauungen oder seine Konfession zu offenbaren“

(Art 53. Abs. 7). Eine andere Schwierigkeit betrifft glaubensverschiedene Ehen, die gemeinsam Steuer zahlen wollen. Für glaubensverschiedene Eheleute, die sich für eine gemeinsame Veranlagung entscheiden, stellt sich die Frage, auf welche Weise man den Kirchensteuerbeitrag halbieren soll.

Die neue Regelung wurde auch innerhalb der Katholischen Kirche und in anderen Religionsgemeinschaften nicht eindeutig akzeptiert. Die Ordensgemeinschaften wollten Einfluss auf die Einkommensverteilung innerhalb der Katholische Kirche haben. Auch andere kleine Glaubensgemeinschaften in Polen waren mit der neuen Regelung nicht einverstanden.

Zusammenfassung

Die Reform des Finanzsystems ist wirklich eine Herausforderung für die Katholische Kirche in Polen. Sie ist nicht nur mit der Modernisierung der Kirche und der ganzen polnischen Gesellschaft, sondern auch mit der Vergangenheitsbewältigung verbunden.

Einerseits bedarf die Finanzreform einer Entscheidung, welche Rolle die Kirche jetzt annimmt: die aus der Vergangenheit, d.h. aus der Zeit des Kommunismus, oder die neue Rolle in der demokratischen, modernen Gesellschaft. In dieser demokratischen Gesellschaft

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soll die Religion unabhängig vom Staat sein. Aber die Religion kann auch als eine gemeinnützige Institution betrachtet werden. Es entsteht die Frage, ob für die Katholische Kirche in Polen, wo die Religiosität so stark und lebendig ist, dieser funktionalistische Ansatz wirklich angemessen ist.

Bibliographie:

Rocznik Statystyczny Kościoła Katolickiego 1991-2011

D. Walencik, M. Works (red.), Finansowanie związków wyznaniowych w krajach niemieckojęzycznych i w Polsce, Uniwersytet Opolski: Opole 2012.

D. Walencik, Nieruchomości Kościoła katolickiego w Polsce w latach 1919-2012. Regulacje prawne – nacjonalizacja – rewindykacja, Katowice 2013.

L. Adamczuk i in (red.), Postawy społeczno-religijne Polaków 1991-2012, ISKK: Warszawa 2013.

M. Rymsza, Czym sa alokacje jednoprocentowe w systemie podatku dochodowego od osób fizycznych?, Kwartalik Trzeci Sektor 24/2011.

Główny Urząd Statystyczny, Trzeci sektor w Polsce, Stowarzyszenia, fundacje, społeczne podmioty wyznaniowe, samorząd zawodowy i gospodarczy oraz organizacje pracodawców w 2010 r., GUS: Warszawa 2013.

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