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Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechtes - BT-Drucksache 13/2440 - Allgemeine Bewertung

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Stellungnahme

des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)

zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechtes - BT-Drucksache 13/2440 -

Allgemeine Bewertung

Der DGB betrachtet mit großer Sorge die steigende Anzahl der Sozialhilfeempfänger und der Menschen in Not. Die hohen Sozialhilfeaufwendungen belasten zugleich in hohem Maße die Finanzkraft der Kommunen.

Insgesamt enthält der Gesetzentwurf nur einige wenige sinnvolle - zum Teile überfällige - Vorschläge, wie die Rechtsangleichung in den neuen Ländern. Zentrale Elemente des Gesetzentwurfs werden hingegen vom DGB strikt abgelehnt. Dies gilt beispielsweise hinsichtlich der nochmaligen Verschärfung der Arbeitsverpflichtung im Sozialhilferecht und die langfristigen Eingriffe in die Bedarfsorientierung der Regelsatzentwicklung.

Die Einschnitte der letzten Jahre in den Sozialgesetzen haben die soziale Absicherung beeinträchtigt mit starken unmittelbaren Aus-wirkungen auf die Sozialbedürftigkeit. In erster Linie ist hier zu erwähnen die zunehmend unzureichende Absicherung bei Arbeitslosigkeit insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit und die Kürzungen bei der Integration von

Aussiedlern. Die (Wieder-)Eingliederung dieses Personenkreises erfolgt häufig über die Sozialhilfe, was eine erhebliche Zunahme der Aufwendungen, besonders in einigen Regio- nen, zur Folge hatte.

Unbefriedigend ist auch die Betreuung von Arbeitslosen durch die Sozialämter, da die Sozialämter weder die Erfahrung, die nötigen Instrumentarien zur Wiedereingliederung Arbeitsloser noch die finanziellen Mittel zur Verfügung haben. Insofern setzt der Gesetz- entwurf mit der Verbesserung des Instrumentariums zwar an der richtigen Stelle an, bleibt jedoch auf halbem Wege stehen, soweit die arbeitsmarktpolitischen Hilfen ausgebaut werden sollen. Es muß erreicht werden, daß Arbeitslose überwiegend durch das Arbeitsamt betreut und eingegliedert werden und nicht durch die Sozialämter.

Die bisherigen politischen Reaktionen auf die steigende Sozialhilfebedürftigkeit haben nicht an den Ursachen angesetzt. Die Kürzungen der Leistungen bzw. die "Deckelung" des allein schon preisbedingten Anstiegs ändert nichts an den Ursachen des Bezugs von Sozialhilfe, sondern verlagert und privatisiert nur die Folgen. Die immer wieder geänderten gesetzlichen Bestimmungen der Sozialhilfe zielten nicht auf eine konzeptionelle Antwort auf die verän- derte Bedeutung von Sozialhilfe, sondern darauf, die Abwicklung der Sozialhilfe

"handhabbar" zu machen. Durch Erhöhung des Lohnabstandes wird zwar der Beschäftigungsdruck erhöht, die Ursachen werden aber nicht bekämpft.

Die vorgesehenen Kürzungen der Arbeitslosenhilfe werden erneut Arbeitslose zu Sozialhilfeempfängern machen.

1. Reformbedarf unübersehbar

Im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) hat sich seit langem ein Reformbedarf aufgestaut.

Leitgedanke muß insbesondere die Stärkung der Prävention und eine bessere Integration der arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger in den Arbeitsmarkt sein. Diese Reformansätze müssen Sozialhilfebedürftigkeit möglichst verhindern bzw. rasch überwinden. Im Un- terschied zu den vorgelagerten Sicherungssystemen,- wie Arbeitslosen- und

Krankenversicherung - sind Elemente der Vorbeugung und der sozialen Rehabilitation im BSHG bisher nur rudimentär vorhanden.

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Lediglich der Ende 1992 vorgelegte Gesetzentwurf des damaligen Bundesministerium für Familien und Senioren sah einige Ansatzpunkte vor. Dieser von der Fachöffentlichkeit weitgehend begrüßte und unterstützte Entwurf verschwand wieder sehr schnell in der Versenkung.

Der DGB teilt die Einschätzung, daß das steigende Massengeschäft der Sozialhilfe "nicht nur die individuelle Prüfung von Bedarf ... erschwert, sondern auch die persönliche Hilfe in der Praxis an den Rand gedrängt (wird). Ohne persönliche Hilfe sind aber im Einzelfall

Problemlösungen oft kaum möglich, wird Langzeitabhängigkeit von Sozialhilfe nicht im möglichen und nötigen Maße entgegengewirkt". Dem Individualisierungsprinzip muß daher aus Sicht des DGB künftig wieder größere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Der DGB unterstützt die Forderung des Gesetzentwurfs, "die bewährten Grundprinzipien der Sozialhilfe, wie den Nachrang der Sozialhilfe, die Bedarfsdeckung und die

Einzelfallgerechtigkeit ... zu stärken." Es ist jedoch nicht erkennbar, wie insbesondere das Bedarfsdeckungsprinzip gestärkt werden soll. Vielmehr sieht der DGB die Gefahr, daß dieses für die Leistungsgewährung zentrale Prinzip ausgehöhlt zu werden droht. Es sei daran erinnert, daß das Bundesverfassungsgericht das Existenzminimum als dasjenige Ein- kommen definiert, das zur Schaffung der Mindestvoraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. (BVerfGE 82, S. 85 und S. 206 ff.)

Der Gesetzentwurf bestätigt, daß "die Deckung des Bedarfs ... vielfach von

situationsbedingten, insbesondere haushaltsbedingten Anpassungen abhängig (war)." Eine Sozialhilfepolitik nach Kassenlage beeinträchtigt sehr schnell das Bedarfsprinzip.

Grundsätzlich unterstützt wird das Ziel des Gesetzentwurfs, die Sozialhilfe "stärker auf die Überwindung von Sozialhilfebedürftigkeit auszurichten." Diese Ziele werden jedoch nur völlig unzureichend umgesetzt.

Da die Sozialhilfe der Entstehung von Sozialhilfebedürftigkeit nur sehr begrenzt

entgegenwirken kann, ist mittelfristig insbesondere ein Ausbau der Arbeitsmarktpolitik und der vorrangigen Sicherungssysteme erforderlich; dies gilt ebenso hinsichtlich eines ver- besserten Familienlastenausgleichs, der Steuerfreistellung des Existenzminimums und der Erhöhung des Wohngeldes. Dies ist Grundvoraussetzung, damit die Sozialhilfe wieder ihre Funktion als Einzelfallhilfe für Menschen erfüllen kann, die in akute Not geraten sind. Um Sozialhilfebedürftigkeit verstärkt zu vermeiden, reicht eine isolierte Reform des BSHG nicht aus.

2. Hilfe zur Arbeit

Die angestrebte Ausdehnung der arbeitsmarktpolitischen Hilfen für Sozialhilfeempfänger ist grundsätzlich nicht neu. So sieht das FKPG von Mitte 1993 bereits befristete Lohn- und Einarbeitungszuschüsse durch Sozialhilfeträger vor. Entgegen der Zielsetzung des Gesetzentwurfs hat die Bundesregierung allerdings die Vereinbarung zwischen BA und kommunalen Spitzenverbänden blockiert, mit der die seit dem 1. SKWPG (1994) bestehende Regelung zur Kostenteilung zwischen BA und Sozialhilfeträgern inhaltlich gefüllt werden sollte. Dabei verpflichtet § 2 AFG die BA, "Erwerbstätige, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erschwert ist, beruflich einzugliedern". Dieser Personenkreis ist weit größer als die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld und -hilfe.

Wenn die arbeitsmarktpolitischen Hilfen tatsächlich ausgebaut werden sollen, muß zunächst der Verschiebebahnhof zwischen AFG und Sozialhilfe dringend gestoppt werden.

So sinnvoll eine bessere Verzahnung zwischen Arbeitsmarktpolitik und Sozialhilfe ist, so ist die angestrebte Finanzierung problematisch; obwohl die Kommunen vielerorts an ihre Grenzen hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkeiten für Sozialhilfeempfänger stoßen, sollen sie die mit dem Ausbau der Arbeitsmarktpolitik für Sozialhilfeempfänger verbundenen Lasten weitgehend alleine tragen. Wie aber sollen die Sozialämter ohne finanzielle Hilfe insbesondere des Bundes nochmals hunderttausend zusätzliche Arbeitsplätze für besonders

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benachteiligte Personen schaffen, zumal sie kein geeignetes Ersatzarbeitsamt sind und werden können. Es ist daher dringend erforderlich, daß Bund und Länder finanzielle Hilfe bereitstellen, um die angestrebten arbeitsmarktpolitischen Hilfen auch tatsächlich

durchführen zu können. Zugleich müssen Sozialhilfeempfänger stärker in den Genuß der arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente des AFG kommen können, wie Weiterbildung und ABM; diese Mittel müssen aus Steuermitteln finanziert werden.

Es entsteht der Eindruck, daß die vorgesehenen Maßnahmen nicht in erster Linie dem Ziel dienen, Sozialhilfeempfänger langfristig in den Arbeitsprozeß einzugliedern, sondern vorwiegend den Sinn haben, die Arbeitsbereitschaft zu testen, um auf diese Weise durch Kürzungen oder Rausdrängen aus dem Sozialhilfebezug Leistungen einzusparen. Das BSHG ist grundsätzlich als Instrument für die Hilfe zur Arbeit ungeeignet, weil es von seinem Charakter her eine Unterstützung darstellt für Personen, die durch die vorgelagerten

Sicherungssysteme nicht mehr erfaßt werden.

Um die Arbeitsmarktchancen zu verbessern, sollte die Hilfe zur Arbeit grundsätzlich auf zwei Jahre verlängert und auch die Infrastruktur von Trägergesellschaften für

Sozialhilfeempfänger sowie der Aufbau kreisübergreifender Beschäftigungsgesellschaften gefördert werden.

Strikt abgelehnt wird die vorgesehene Kürzung der Sozialhilfe um 25% bei Ablehnung von Arbeitsangeboten, die keinesfalls zumutbar und zusätzlich sein müssen, wie dies das AFG vorschreibt. Der Zwangscharakter der Vorschrift läßt dem Sachbearbeiter jeden

Handlungsspielraum. Gezielte Einzelfallhilfe wird dadurch erschwert. Durch die Formulierung

"um mindestens 25%" kann die Kürzung im Extremfall sogar zur Beeinträchtigung des physischen Existenzminimums führen.

Es besteht dringender Nachbesserungsbedarf; zweifelsfrei muß im BSHG sichergestellt werden, daß die Arbeitsangebote der Kommunen zusätzlich sind, tarif-, arbeits- und

sozialrechtliche Bestimmungen berücksichtigt und die Zumutbarkeitskriterien des AFG nicht von der Sozialhilfe unterlaufen werden können.

Die bereits geltende und die vom Gesetzentwurf vorgesehene Regelung sehen dies aber keinesfalls vor. Vielmehr sollen auch künftig Arbeitsgelegenheiten in Form sog.

Gemeinschaftsarbeiten und damit unter Weiterzahlung der Sozialhilfe zuzüglich einer Mehr- aufwandsentschädigung von 1,50 bis 3,00 DM pro Stunde sowohl bei privaten Unternehmen wie freien und öffentlich-rechtlichen Trägern organisiert werden.

Gemeinschaftsarbeit gegen Mehraufwandsentschädigung ist nur in sehr geringem Umfang akzeptabel. Zur Wiedereingliederung in großem Stil, wie in dem Gesetzentwurf beabsichtigt, ist dieses Instrument ungeeignet. Es besteht die Gefahr, daß die Sozialhilfeempfänger zu

"Billiglöhnen" beschäftigt werden. Der Staat greift dadurch auf unerträgliche Art und Weise in das Tarifgefüge ein und erschwert die Wettbewerbsfähigkeit regulärer Arbeitsplätze.

Die Sanktionsmöglichkeiten auch für die problematischen Arbeitsgelegenheiten sollen vielmehr noch verstärkt werden. So sollen Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung mehr haben. Zugleich würde durch den befristeten und degressiven Zuschuß zum Arbeitsentgelt sowie die geplante 'Saisonarbeitnehmerhilfe' die Bereitschaft zur Annahme niedrig entlohnter Tätigkeiten und untertariflicher Arbeitsbedingungen noch erhöht. Dies lehnen wir entschieden ab. Damit würde die ohnehin zu beobachtende Tendenz zu unstetigen Erwerbsverläufen noch verstärkt. Bei der angestrebten Aufnahme einer

Saisonbeschäftigung steht keinesfalls im Mittelpunkt, dauerhaft von Sozialhilfe unabhängig zu werden. Selbst bei Lohnkostenzuschüssen an Betriebe muß keinesfalls sichergestellt werden, daß sozialversichtungspflichtige Arbeitsverhältnisse begründet werden. Der nochmalige Ausbau der disziplinarischen Mittel verschärft den Druck zur Aufnahme von Billiglohntätigkeiten. Lehnt ein Sozialhilfeempfänger künftig eine nicht sozi-

alversicherungspflichtige Arbeit ab, muß der Regelsatz um 25 % gekürzt werden. Nimmt er eine solche Billiglohntätigkeit an, kann er ohne negative Sanktionen nicht mehr aussteigen.

Selbst Widerspruch und Klage sollen nicht einmal aufschiebende Wirkung haben. Mit der zusätzlichen Aufgabenverlagerung auf die Sozialhilfeträger wächst zugleich der Druck auf die Kommunen, verstärkt Billiglohntätigkeiten anzubieten. Die Kombination von Zwang und

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Anreiz setzt weniger auf zusätzliche reguläre Beschäftigung als auf die Ausweitung ungeschützter Beschäftigung.

Der DGB sieht die Gefahr, daß noch mehr Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger zur

Annahme irgendeiner Arbeit gezwungen sein könnten und das Verarmungsrisiko trotz Arbeit steigen könnte. Es ist daher von zentraler Bedeutung, daß die angestrebten arbeits-

marktpolitischen Hilfen grundsätzlich an sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gebunden werden.

3. Lohnabstand und Bedarfsprinzip

Der DGB akzeptiert grundsätzlich einen gewissen Zusammenhang zwischen unteren Lohngruppen und der Sozialhilfe; dies darf aber keinesfalls dazu führen, ein

menschenwürdiges Existenzminimum in Frage zu stellen. Der DGB wendet sich jedoch entschieden gegen eine zu weitgehende Interpretation des Lohnabstandsgebots, wie dies jetzt beabsichtigt ist. Stück für Stück wird der gesetzliche Lohnabstand verschärft, noch ehe die vormaligen Verschärfungen wirksam geworden sind.

Zunächst ist die Orientierung an einem Fünf-Personen-Haushalt nicht sachgerecht. Bei dieser Personengruppe handelt es sich um eine Minderheit, die nicht als Modellfall gelten kann. Unter allen Privathaushalten in der Bundesrepublik können nur drei Prozent diesem Haushaltstyp zugerechnet werden. Sowohl bei den Sozialhilfeempfängerhaushalten als auch bei den Haushalten mit geringem Einkommen ist dieser Haushaltstyp nur sehr selten vertre- ten. Die Vergleichsrechnung erfolgt daher auf beiden Seiten unter Bezugnahme auf eine statistisch marginale Bevölkerungsgruppe.

Die Wirkung wird verschärft dadurch, daß Mehrbedarfszuschlag bei Erwerbstätigkeit fallengelassen wird, der ja gerade als Arbeitsanreiz dienen sollte.

Der Eindruck, den der Gesetzentwurf zu erwecken versucht, als führe die Neudefinition des Lohnabstandes zu keinerlei Verschärfungen, ist objektiv falsch. Erstmalig soll vielmehr gesetzlich ein 15%iger Einkommensabstand für eine fünfköpfige Familie fixiert werden. Der gesetzliche Mindestabstand würde sich damit nahezu verdoppeln.

Bisher beträgt der für die Beibehaltung des Abstandes zu berücksichtigende Freibetrag maximal 50 % des Regelsatzes eines Erwerbstätigen. Bezogen auf den für den Vergleich relevanten Haushaltstyp entspricht dies einem Mindestabstand von etwa 8 %. Zugleich wird die Bezugsbasis für die Ermittlung des 15 %igen Einkommensabstandes verändert.

Während bisher die niedrigere Sozialhilfe gleich 100 gesetzt wurde und das

Erwerbseinkommen somit wenigstens 115 % erreichen mußte, wird jetzt das größere

Haushaltseinkommen des Erwerbstätigen gleich 100 gesetzt, so daß die Sozialhilfe allenfalls 85 % erreichen darf. Dieser Wechsel des Basiswertes führt - bezogen auf das

Sozialhilfeniveau - nicht zu einem Abstand von 15 %, sondern zu einem Abstand von 17,68 %. Erschwerend kommt hinzu, daß die statistischen Angaben nur eine

Scheingenauigkeit widerspiegeln. Sowohl hinsichtlich des zugrunde liegenden

Erwerbseinkommens als auch der Definition des Sozialhilfehaushaltes sind Manipulationen möglich.

Es ist sehr problematisch, den Abstand zwischen verfügbarem Arbeitnehmereinkommen und der Hilfe zum Lebensunterhalt festzuschreiben. Die der Berechnung zugrunde gelegten Einkommens- und Kostenkomponenten sind starken Veränderungstendenzen unterworfen.

So hat sich z.B. gezeigt, daß die Mietsteigerungen deutlich höher waren als das reale Arbeitnehmereinkommen. Die Mieten schlagen sich aber als Komponente des

Sozialhilfebedarfs in stärkerem Maße nieder als im Wohngeldanspruch des Arbeitnehmers, da die Mietbelastung durch das Wohngeld nur abgemildert wird. Eine fixierte Relation hätte daher folgende Konsequenzen:

1. Entweder wird die Relation zwischen Regelsätzen und Nettoarbeitseinkommen konstant gesetzt. In diesem Falle wäre zwar garantiert, daß die Regelsätze sich parallel zur

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Einkommensentwicklung, nicht aber stärker oder schwächer entwickeln würden. Wenn aber gleichzeitig die Entwicklung der Mieten stärkere Zuwächse aufweist, wird bei geltendem Recht die Relation zwischen Sozialhilfebedarf und verfügbarem Haus- haltseinkommen schrumpfen. Damit wäre das Ziel, die "Abstandsdiskussion" zu entschärfen, nicht erreicht.

2. Oder es wird wie vorgesehen die Relation zwischen dem gesamten Bedarfsniveau der Hilfe zum Lebensunterhalt und dem verfügbaren Haushaltseinkommen konstant gesetzt.

Unter der Voraussetzung einer stärkeren Mietentwicklung würde dies aber zu strukturellen Verschiebungen innerhalb des Sozialhilfeanspruchs führen, insofern tendenziell größere Anteile auf die Miete und kleinere Anteile auf andere

Lebenshaltungsbereiche entfielen. Damit würde das notwendige Existenzminimum real schrumpfen.

Dies ist nicht hinnehmbar, da die zur Deckung der nicht wohnungsbedingten

Lebenshaltungskosten vorgesehenen Beträge so bemessen sind, daß sie nicht mehr als das existentiell erforderliche Minimum abdecken. Dies würde dem im BSHG geltenden Grundprinzip der Bedarfsdeckung in eklatanter Weise widersprechen.

Mit der Neudefinition des Lohnabstandes besteht die Gefahr, daß längerfristig negative Strukturveränderungen das Bedarfsprinzip vollends aushebeln. Einschnitte bei der

Sozialhilfe haben andererseits negative Wirkungen auf die Erwerbstätigen. So ist die Lohn- und Einkommensteuer um so höher, je niedriger die Sozialhilferegelsätze sind.

Zugleich drohen im Zusammenwirken mit arbeitsmarktpolitischen Einschnitten

Voraussetzungen geschaffen zu werden, die Lohnstrukturen weiter nach unten zu drücken.

Über die relativ geringen finanziellen Ersparnisse hinaus ist diese ordnungspolitische Wei- chenstellung ein Zentralaspekt der Auseinandersetzung um die Höhe der Sozialhilfe.

Wie die regierungsamtlichen Untersuchungen zum Lohnabstandsgebot zeigen, besteht kein Handlungsbedarf hinsichtlich einer erneuten gesetzlichen Konkretisierung. Damit

Bedarfsdeckungsprinzip und Lohnabstandsklausel längerfristig nicht im Gegensatz zu einander geraten, muß nach wie vor sichergestellt werden, daß die Sozialhilfe in bestimmten Fällen höher sein kann als das durchschnittliche Nettoarbeitsentgelt unterer Lohngruppen.

Bisher teilte die Bundesregierung diese Position und unterstützte "Bestimmun-gen, die für den Einzelfall den Vorrang der Bedarfsdeckung vor der Einhaltung des angemessenen Abstandes der Regelsätze zum Arbeitseinkommen ausdrücklich hervorhebt. Die

Bundesregierung hält einen solchen Vorrang in der Sache deshalb für unverzichtbar, weil für die Bemessung des Arbeitsentgeltes grundsätzlich die erbrachte Arbeitsleistung und nicht der Lebensbedarf der von diesem Arbeitseinkommen abhängigen Bedarfsgemeinschaft maßgebend ist." (BTD 10/6055 S. 16) Diese richtige Erkenntnis muß auch heute gelten.

Geringere Einkommensabstände als 15% und je nach familiärer Situation auch

Überschneidungsbereiche für große Familien dürfen nicht ausgeschlossen werden, zumal die Lohnpolitik nicht differenziert genug auf die Bedarfssituation dieses Personenkreises eingehen kann. Aus fiskalischen Gründen darf vom Grundsatz des Bedarfs des

Leistungsberechtigten kein Abstrich gemacht werden. Der notwendigen Sicherung des sozio- kulturellen Existenzminimums muß verfassungsrechtlich Vorrang eingeräumt werden. Die jetzt angestrebte Regelung schließt eine finanzpolitisch motivierte Festlegung der

Regelsätze künftig keinesfalls aus und eröffnet Interpretationsspielraum für die Definition des Lohn-abstandsgebots. Der DGB regt daher an, die Festlegung der Regelsätze einer

unabhängigen Kommission zu übertragen, keinesfalls darf die Festlegung der Regelsätze im Jahre 1999 ausschließlich der Exekutive überlassen bleiben.

Die Einrichtung eines Sozialhilfebeirates wird begrüßt. Neben den Fachleuten aus Verbänden und Wissenschaft sollte aber auch den Gewerkschaften eine Beteiligung in diesem institutionalisierten Gremium ermöglicht werden. Dies nicht zuletzt deshalb, weil mit der Ausgestaltung der Sozialhilfe zentrale sozial-, arbeitsmarkt- und lohnpolitische Aspekte tangiert werden.

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Zu den beabsichtigten Gesetzesänderungen führen wir im einzelnen folgendes aus:

Zu Art. 1: Änderung des Bundessozialhilfegesetzes:

§ 10

Die Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege eignen sich prinzipiell nicht für Wettbewerb, wie er in der übrigen Wirtschaft üblich ist. Die Hoffnung, über die Zulassung privater

Mitbewerber zu Kostensenkungen zu kommen, ist trügerisch. Zunächst ist damit zu rechnen, daß durch Kapazitätsausweitungen zusätzliche Nachfrage am Markt geschaffen wird. Da Pflege und Betreuung an definierte Mindeststandards gebunden ist, kann Wettbewerb nur über die erzwungene Absenkung der Löhne erfolgen. Zusätzlich wird die Zahl der

geringfügig Beschäftigten ohne Sozialversicherung zunehmen.

Dennoch hält der DGB eine verbesserte Kostentransparenz und eine erweiterte

Verantwortung der Einrichtungen für die Kosten für erforderlich. Dieses Ziel kann durch beschränkten Wettbewerb unterstützt werden. Damit Wettbewerb nicht zur Absenkung der Pflege- und Betreuungsstandards führt, müssen Qualitätsmaßstäbe und Qualitätssicherung eingeführt werden. Weiter erwartet der DGB, daß bei Einführung von Wettbewerb tarifliche oder ortsübliche Standards eingehalten werden. Die Konkurrenz darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten und auf dem Rücken der zu betreuenden Personen ausgetragen werden.

§ 15 a und b

Es ist sinnvoll, präventiv Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit zu verhindert. Der vorgeschlagene Maßnahmekatalog und die Übernahme von Mietschulden ist nach

Auffassung des DGB geeignet, das Problem zu mildern. Es sollten allerdings weitere Erfah- rungen mit diesem Instrumentarium berücksichtigt werden. Dies gilt auch hinsichtlich der vorgeschlagenen Regelung, daß die Gerichte den Sozialämtern Mitteilung machen über Räumungsklagen. Die Hilfsmöglichkeiten der Sozialämter können nur dann vorbeugend greifen, wenn sie rechtzeitig Informationen erhalten.

§ 16

Bisher wurde nur bei Verwandten oder Verschwägerten unterstellt, daß eine gegenseitige Unterstützung bei einer sozialen Notlage stattfindet. Die vorgesehene Regelung erweitert diese Vermutung auf alle Wohnverhältnisse und kehrt die Beweislast bei Wohnge-

meinschaften praktisch um.

Es führt zu nicht gerechtfertigten Härten, wenn pauschal unterstellt wird, daß eine

gegenseitige Unterstützung stattfindet. Häufig versuchen gerade Personen mit niedrigem Einkommen durch gemeinsame Wohnung bzw. durch einen gemeinsamen Haushalt ihre Kosten zu senken, ohne daß sie in einem persönlichen Zusammenhang stehen. Die

vorgeschlagene Regelung kann zu einer Benachteiligung der Wohngemeinschaften führen.

Die vorgeschlagene Lösung erschwert die Gründung von Wohngemeinschaften und ver- hindert damit auch eine effektive Nutzung des vorhandenen Wohnraumes. Eine Umkehr der Beweislast auf alle Fälle gemeinsamen Wohnens lehnt der DGB auch deshalb ab, weil die Sozialämter auch von nicht hilfsbedürftigen Mitgliedern einer Wohngemeinschaft Auskünfte bei Arbeitgebern und Finanzbehörden einholen könnten. Begrüßt wird, daß pflegebedürftige Personen von dieser Regelung ausgenommen werden.

Aus Sicht des DGB sollte die Inanspruchnahme von Unterhaltsverpflichteten vielmehr begrenzt werden. Gegenwärtig sind in zeitlich unbeschränktem Maße Verwandte bis zum 2.

Grad unterhaltsverpflichtet. Da gesellschaftlich bedingte Risiken nicht auf der Ebene des privaten Unterhaltsrechts privatisiert werden dürfen, sollte dort, wo gesellschaftliche Ursachen in erster Linie verantwortlich sind, für den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt die Inanspruchnahme Unterhaltsverpflichteter eingeschränkt werden.

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§ 20 a Abs. 2

Das Instrument des Einarbeitungszuschusses, wie es § 20a vorsieht, kann dazu beitragen, arbeitslose Sozialhilfeempfänger in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Maßnahmen zur Wiedereingliederung sind angelehnt an die Regelungen des Langzeitarbeitslosen- programms. Diese haben sich im wesentlichen bewährt.

Abs. 2

Es muß allerdings sichergestellt sein, daß nur Arbeiten zu tariflichen Bedingungen gefördert werden. Der erste Satz des Abs. 2 sollte wie folgt geändert werden: "Die Träger der

Sozialhilfe können Arbeitgebern, die Hilfeempfänger in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu tariflichen Bedingungen einstellen, Zuschüsse gewähren...." Dabei sollte sichergestellt werden, daß Arbeitgeber verpflichtet werden, den Zuschuß zurückzuzahlen, falls das Beschäftigungsverhältnis kurz nach Beendigung der Zuschußgewährung beendet wird.

Da voraussichtlich nicht genügend besetzbare Beschäftigungsverhältnisse in der freien Wirtschaft zur Verfügung stehen, sollten ergänzend auch die Sachkosten außerbetrieblicher Träger finanziert werden. Auf die Erfahrungen der Beschäftigungsgesellschaften

insbesondere in Ostdeutschland sollte zurückgegriffen werden. Die

Beschäftigungsgesellschaften sollten ausdrücklich als Arbeitgeber genannt werden.

Es müssen die gleichen Kriterien, wie im Arbeitsförderungsgesetz gelten. Ein "Sonderrecht"

für Sozialhilfempfänger wird abgelehnt und ist mit unserer Verfassung nicht vereinbar.

Abs. 3

Es muß unser Meinung nach genauer definiert werden, wie die beruflichen

Qualifizierungsmaßnahmen organisiert sind. Grundsätzlich ist der DGB der Auffassung, daß eine berufliche Qualifizierung nur über das Arbeitsamt erfolgen sollte. Die Träger der

Maßnahmen müssen der Qualitätskontrolle des Arbeitsamtes unterzogen werden, die im

"Qualitätserlaß" der Bundesanstalt für Arbeit vorgesehen sind. Sondermaßnahmen

ausschließlich für Sozialhilfeempfänger werden abgelehnt. Zugleich sollten die Maßnahmen der Hilfe zur Arbeit in stärkerem Maße Qualifizierungselemente beinhalten.

Abs. 4

Der Zuschuß der nach Abs. 4 gezahlt werden soll, darf nicht dazu führen, daß die Sozialhilfeempfänger gezwungen werden, untertarifliche Beschäftigungsverhältnisse einzugehen. Zuschüsse an Sozialhilfeempfänger müssen das Ziel haben, den

Hilfeempfänger in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine verbesserte Freibetragsregelung muß die bisherige Regelung ergänzen und nicht ersetzen. In der jetzt geplanten

Ausgestaltung dieser Regelung sehen wir die Gefahr, daß untertarifliche Billiglöhne gefördert werden. Lehnt der Sozialhilfeempfänger eine solche Maßnahme ab, würde der Regelsatz in einer ersten Stufe um 25% gekürzt. Nimmt er hingegen eine zunächst bezuschußte

Billiglohntätigkeit an, kann er sie auch nach 6 Monaten nicht mehr ohne negative Sanktionen wieder aufgeben. Löst er dieses Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund, wird ihm die Sozialhilfe für bis zu 12 Wochen gekürzt (§ 25 Abs. 2, Nr. 3, Ziff.b). Eine niedrigere Entlohnung allein wird nicht als wichtiger Grund angesehen.

Die Subventionierung von "Billigarbeitsplätzen" muß unterbunden werden. Sie dienen nicht dem Sozialhilfeempfänger sondern dem Arbeitgeber, indem der Sozialhilfeempfänger den Zuschuß über eingesparten Lohn an den Arbeitgeber weitergibt.

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Auch in diesem Fall muß gelten, daß nur Arbeiten ausgeführt werden, die unter tariflichen Bedingungen stattfinden.

Bei niedriger Bezahlung ist zu erwarten, daß eine unzureichende soziale Absicherung erfolgt, so daß bei erneuter Arbeitslosigkeit erneut Sozialhilfebedürftigkeit eintritt.

Abs. 5

Auch bei der Saisonarbeit nach Abs. 5 muß sichergestellt sein, daß nur Arbeiten verrichtet werden, die einer tarifvertraglichen Regelung unterworfen sind. Pflichtarbeit, insbesondere bei belastenden oder unüblichen Bedingungen, wird abgelehnt und kann nicht akzeptiert werden.

Diese Regelung soll nach dem Gesetzentwurf so ausgestaltet werden, daß die Bereitschaft zur Annahme niedrig entlohnter Tätigkeiten erhöht wird. Dies gilt keinesfalls nur bezüglich des Saisongewerbes, sondern auch für die übrigen Niedriglohntätigkeiten auf dem

Arbeitsmarkt und bezüglich prekärer Arbeitsmarktnischen. Im Begründungstext wird ausdrücklich formuliert, daß "Anreize für jede Art von Beschäftigung" geschaffen werden sollen. Von "Hilfe zur Arbeit" kann daher keine Rede sein; unzweifelhaft dominiert hier das disziplinarische Element.

Diese Regelung wird vom DGB strikt abgelehnt.

§ 20 b

Die Kooperation zwischen Sozialhilfeträgern und Bundesanstalt für Arbeit ist unabdingbar.

Allerdings ist die vorgesehene Finanzierungsregelung unbefriedigend. Die Sozialhilfeträger werden nur Maßnahmen durchführen, wenn sie mittelfristig eine finanzielle Entlastung erwarten. Maßnahmen, die aus persönlichen oder arbeitsmarktpolitischen Gründen sinnvoll sind, unterbleiben. Deswegen muß die Arbeitsverwaltung einen größeren Handlungsspiel- raum erhalten und federführend die Wiedereingliederung der Hilfeempfänger betreuen.

Der DGB schlägt vor, daß bei Bildungsmaßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt grundsätzlich eine Kostenteilung zwischen Bundesanstalt für Arbeit und den Sozialhilfeträgern erfolgt, die entstehenden Kosten der Bundesanstalt müßten allerdings aus Steuermitteln erstattet werden. Die Übernahme aus Beiträgen ist ausgeschlossen.

Die Entscheidung über Bildungsmaßnahmen für diese Personengruppe muß ausschließlich nach arbeitsmarktpolitischen Grundsätzen erfolgen und nicht nach finanziellen. Durch sinnvolle und zeitnahe Bildungsmaßnahmen kann diese Personengruppe schneller als bisher in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Durch die erweiterte Finanzierung würde eine erhebliche Ausweitung der Maßnahmen erfolgen können. Es ist nicht akzeptabel, wenn der Gesetzentwurf davon ausgeht, daß sich an der bisherigen Kostenregelung in Zukunft nichts ändern soll.

Soweit die Durchführung der Maßnahmen nach § 19 ff. anderen Stellen übertragen wird, muß die Einhaltung von tarif-, arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen sichergestellt werden.

§20c

Die Bildung von Arbeitsgemeinschaften wird unterstützt.

§ 22

Die Einschätzung, daß bedeutende Veränderungen des längerfristigen Regelsatzes "als nicht wahrscheinlich gesehen (werden)" wird keinesfalls geteilt.

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Die geplante Festlegung bundeseinheitlicher Mindestregelsätze ist nicht erforderlich. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine feste Relation zwischen Sozialhilfe und verfügbarem Arbeitnehmereinkommen fixiert wird und eine fünfköpfige Familie zum allgemeinen Vergleichsmaßstab herangezogen wird. Wie die Bundesregierung selbst in ihrem Bericht zum Lohnabstand feststellt, kann der Einkommensabstand für kinderreiche Familien in einzelnen Bundesländern stark schwanken. Ursache dafür sind nach Auffassung der Bundesregierung "weniger die zwischen den Ländern bestehenden Unterschiede der Eckregelsätze, als vielmehr die regional unterschiedlichen Miethöhen und die Unterschiede der jeweiligen Arbeitnehmereinkommen."

Angesichts des hohen Mietniveaus z.B. in Hamburg ist der Sozialhilfebedarf hier zwangsläufig höher als in manch anderen Regionen; der Einkommensabstand zu

Niedrigerwerbseinkommen wäre damit deutlich geringer als im Bundesdurchschnitt mit der Folge, daß Sozialhilfeempfängern in Hamburg sehr schnell weniger Mittel für den

Lebensunterhalt zur Verfügung stünden als andernorts. Bei einer gleichzeitigen Fixierung des Abstandsbetrages auf 15% läuft die den Ländern eröffnete Möglichkeit einer anderen Festsetzung der Regelsätze inhaltlich leer. Zugleich steigt der tarifpolitische Druck auf die Gewerkschaften, daß Niedriglöhne grundsätzlich die Existenz einer fünfköpfigen Familie sichern sollen und müssen.

Da aller Voraussicht nach auch um die Jahrtausendwende die Löhne in Ostdeutschland noch niedriger sein werden, könnte die Festlegung bundeseinheitlicher Regelsätze zu einem Absinken des westdeutschen Durchschnitts auf ein niedrigeres gesamtdeutschen Niveaus führen.

Es vermag nicht zu überzeugen, daß die Ergebnisse der EVS die Entwicklung des bedarfsrelevanten Verbrauchs nicht ausreichend wiedergeben. Die Abkopplung der Regelsätze von der Preisentwicklung wird zu einem Einsparvolumen in mehrstelliger Millionenhöhe führen. Problematischer erscheint die Einführung eines Fort-

schreibungsmodus, der neben der Entwicklung der Nettoeinkommen auch das

Verbraucherverhalten und die Lebenshaltungskosten umfassen soll. Auch bei diesem Modus können politisch motivierte Eingriffe keinesfalls verhindert werden, zumal über das jeweils aktuelle Verbraucherverhalten so gut wie keine zuverlässigen Informationen zur Verfügung stehen.

Da die sehr kleine Gruppe der Sozialhilfeempfänger-Haushalte mit fünf Personen zum Grundmesser der Regelsatzfestsetzung gemacht wird, hat dies unmittelbare Konsequenzen für alle Sozialhilfeempfänger. Dies gilt auch für die überwiegende Zahl der Haushalte ohne Kinder bzw. mit ein oder zwei Kindern, obwohl hier bereits heute zweifelsfrei ein weit höherer Arbeitsanreiz gegeben ist. Für die nicht arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger kann der Regelsatz gleichfalls im Gegensatz zum Grundsatz einer bedarfsdeckenden Hilfe geraten.

§ 25

Die vorgesehene Kürzung der Sozialhilfe bei Ablehnung von Arbeitsangeboten um

mindestens 25% ist arbeitsmarktpolitisch nicht notwendig. Es gibt eine ausreichende Zahl arbeitswilliger Sozialhilfeempfänger, die bereit sind, Arbeit anzunehmen, während es an ausreichenden und qualifizierten Arbeitsangeboten fehlt. Bei den meisten ist die

Abhängigkeit von der Sozialhilfe nur vorübergehend.

Zwangsmaßnahmen aus disziplinarischen Gründen sind sehr problematisch, da sie das Verhältnis der Arbeitgeber zu der Gruppe der Sozialhilfempfänger zunehmend

verschlechtern und dadurch die Eingliederung in den Arbeitsmarkt für diesen Personenkreis immer schwieriger wird. Zwangsmaßnahmen tragen zur Stigmatisierung bei. Dadurch muß der Aufwand des Sozialhilfeträgers für die Eingliederung weiter erhöht werden, was die geringen Einsparungen aufzehrt, so daß keine zusätzlichen Einsparungen erzielt werden.

Die Absenkung der Sozialhilfe um 25% bei Arbeitsverweigerung kann deswegen nur in Ausnahmefällen erfolgen und muß an strenge Voraussetzung gebunden sein. Sie ist nur

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dann akzeptabel, wenn sichergestellt ist, daß die Arbeiten zusätzlich sind, Arbeit nicht unter Tarif angenommen werden muß und die Zumutbarkeit nach den Kriterien des AFG definiert wird. Dabei sind berufliche Erfahrungen und die Qualifikation der Sozialhilfeempfänger zu berücksichtigen. Nach dem Gesetzentwurf soll es hingegen dabei bleiben, "daß

grundsätzlich jede Arbeit oder Arbeitsgelegenheit zumutbar ist, sofern ihr nicht z.B.

gesundheitliche Gründe oder Kindererziehung entgegen stehen." Je nach Dauer der Verweigerung sind sogar weitere Kürzungen möglich. Dies wird von uns abgelehnt.

Abs. b)

Zumindest während des Widerspruchsverfahrens sollte die aufschiebende Wirkung erhalten bleiben, damit vermieden wird, daß Antragsteller aufgrund falscher Tatsachenfeststellung bereits eine Kürzung ihrer Bezüge hinnehmen müssen. Die Kürzung der Sozialhilfe ist ein schwerer Eingriff in die persönlichen Verhältnisse. Die aufschiebende Wirkung des

Widerspruchs muß hingenommen werden.

§§ 40 und 41

Die Klarstellung des Rechtsanspruchs von Schwerbehinderten auf Hilfe zur Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte (WfB) sowie erste Schritte zur Verbesserung der ökonomischen Situation von WfB und der in ihnen beschäftigten Behinderten werden vom DGB begrüßt. Der DGB begrüßt, daß auch die Möglichkeit für Behinderte geschaffen wird, in einer "sonstigen Beschäftigungsstätte" tätig zu sein.

Der DGB begrüßt ebenfalls die Klarstellung in dem neu vorgesehenen § 41, nach der die von den Trägern der überörtlichen Sozialhilfeträger noch teilweise praktizierte sog.

Nettoerlösrückführung, d.h. die Inanspruchnahme eines Teils des Arbeitsergebnisses der WfB künftig ausgeschlossen ist. Indessen reicht dies zur Verbesserung der Entgeltzahlung an Behinderte in WfB (im Durchschnitt weniger als 200 DM monatlich!) keinesfalls aus. Die Leistungsträger müssen vielmehr von den Kosten für das Arbeitsentgelt zumindest die Kosten für den nach Art. 4 dieses Gesetzentwurfes - Änderung des

Schwerbehindertengesetzes, § 54 b, Abs. 2 zu zahlenden Grundbetrag übernehmen. Der DGB kritisiert, daß der Gesetzesvorschlag insoweit bisher nicht der klaren Empfehlung des Beirates für die Rehabilitation Behinderter und noch nicht einmal der diesbezüglichen

Formulierung im BMA-Entwurf vom 15. November 1993 für ein neues SGB IX gefolgt ist und verlangt die Aufnahme des genannten Vorschlags in den vorliegenden Entwurf.

§ 116

Diese Regelung beinhaltet eine umfassende Auskunftspflicht von Personen, die u.U. nur zufällig mit einer Person zusammenwohnen, die Sozialhilfe beantragt hat. Auskunftspflicht sollte nur bei einem konkreten Verdacht auf Mißbrauch gegeben sein, weitergehende Regelungen lehnt der DGB ab.

§ 135

Die Einrichtung eines Sozialhilfebeirats wird unterstützt. Neben den Vertretern der Sozialhilfeträgern sowie den Wohlfahrtsverbänden und der Wirtschafts- und

Sozialwissenschaften wollte diesem Gremium auch ein Vertreter der Gewerkschaften angehören.

§ 157

Die Anpassung der Rechtsvorschriften der neuen an die der alten Bundesländer wird begrüßt. Sie wird vom DGB seit langem für notwendig gehalten.

(11)

Zu Art. 4: Änderung des Schwerbehindertengesetzes

§ 54, § 54a

Die Präzisierung des Eingliederungsauftrages der WfB sowie die nunmehr auch rechtlich uneingeschränkte Öffnung der WfB für alle Behinderten im Sinne des § 54 Abs. 1 wird begrüßt. Besonders wichtig ist dabei, daß in der WfB behinderte Beschäftigte nicht nur den Anspruch auf ein Arbeitstraining, sondern auf eine angemessene berufliche Bildung erhalten sollen. Indessen bedarf es zudem auch einer Verlängerung der Förderungsmöglichkeit im Arbeitstrainingsbereich auf mindestens drei Jahre, da eine berufliche Qualifizierung in dem viel zu kurzen Zeitraum von zwei Jahren nicht zu realisieren ist. Mit Blick auf individuelle Problemlösungen unzweckmäßig (und bei dem heutigen Entwicklungsstand eines flä- chendeckenden WfB-Netzes unnötig) ist die Begrenzung des Rechtsanspruchs eines/einer Behinderten auf Aufnahme in die WfB des jeweiligen Einzugsgebietes.

§ 54b

Der DGB bedauert ausdrücklich, daß die noch im Referentenentwurf vorgesehene

Verbesserung des arbeitsrechtlichen Verhältnisses der Behinderten nicht mehr vorgesehen ist. So ist die Forderung, daß behinderte Mitarbeiter in den Werkstätten ein arbeit-

nehmerähnliches Rechtsverhältnis erhalten, bereits von mehreren Verbänden erhoben worden und wird auch vom DGB für sinnvoll gehalten. Die Nichtzulassung des

arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses ist unserer Auffassung nach mit dem Diskriminierungsverbot behinderter Menschen in Artikel 3 Grundgesetz nicht vereinbar.

Ebenfalls entfallen ist die Verpflichtung der Werkstätten, Verträge mit behinderten

Mitarbeitern abzuschließen. Auch dies hält der DGB weiterhin für erforderlich. Die zur Zeit gültige Formulierung in § 13 Abs.1 der Werkstättenverordnung ist zu wenig verbindlich, so daß nach wie vor viele behinderte Mitarbeiter in Werkstätten in einem vertragslosen Zustand arbeiten und im Streitfall ihre Rechte nicht wahrnehmen können. Insofern ist die Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten an die Arbeitsgerichte relativ wirkungslos.

Nicht hinnehmbar ist, daß auch die Regelungen über die Mitwirkungsmöglichkeiten behinderter Menschen in Werkstätten gestrichen wurde. Die Gründe sind nicht

nachvollziehbar. In der freien Wirtschaft ist es gang und gäbe, den Mitarbeitern Mitwirkungs- möglichkeiten, z.B. über einen Betriebsrat, einzuräumen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet behinderten Menschen dieses Recht verwehrt wird.

Der DGB fordert, die Regelungen, wie sie im Referentenentwurf vorgesehen waren, wieder in den Gesetzesvorschlag aufzunehmen.

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