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Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Referentenent-wurf des Bundesministeriums für Gesundheit stellungnahme

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Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand

Abteilung Sozialpolitik

Robert Spiller

Referatsleiter Gesundheitspolitik Europäische Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

robert.spiller@dgb.de Telefon: +49 30 - 24060-311 Telefax: +49 30 - 24060-226 Henriette-Herz-Platz 2 D - 10178 Berlin www.dgb.de

Marco Frank

Referatsleiter Gesundheitspolitik Pflegeversicherung

marco.frank@dgb.de Telefon: +49 30 - 24060-289 Telefax: +49 30 - 24060-226 Henriette-Herz-Platz 2 D - 10178 Berlin www.dgb.de

Verantwortlich: Markus Hofmann, Abteilungsleiter Sozialpolitik, DGB- Bundesvorstand

1. Einordnung

Mit dem durch das Bundesministerium für Gesundheit am 10.01.2020 der Öffent- lichkeit vorgestellten Referentenentwurf sollen die bisher getrennt voneinander ge- regelten und organisierten Versorgungsbereiche der Notfallversorgung in ambulan- ten und stationären Einrichtungen sowie durch die Rettungsdienste der Länder in ein strukturiertes und verbindliches System der integrierten Notfallversorgung überführt werden. Als ausschlaggebende Gründe für dieses Vorhaben werden durch den Ge- setzesentwurf einerseits die bereits angestoßenen Reformen zur Neuorganisation der ambulanten ärztlichen Notfallversorgung, die unter anderem den Ausbau des ver- tragsärztlichen Bereitschaftsdienstes, die Einrichtung einer bundesweiten Notdienst- nummer, die Einrichtung von Portalpraxen in Kooperation mit Krankenhäusern sowie die Etablierung von Terminservicestellen unter der Rufnummer 116 177 zur besseren Patientenorientierung beinhalten angeführt.

Andererseits wird diesen Reformen das Erfordernis, den hohen Inanspruchnahme- zahlen von Notfallambulanzen der Krankenhäuser auch bei leichteren Erkrankungen und Verletzungen entgegenzuwirken und eine bedarfsgerechte Inanspruchnahme dieser Versorgungsstrukturen zu erreichen, gegenübergestellt. Im Jahr 2018 haben ca. zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger die Notfallambulanzen der Krankenhäu- ser aufgesucht, während rund neun Millionen Patientinnen und Patienten die Bereit- schaftspraxen der Vertragsärzte aufsuchten, von denen ca. 700 in der Nähe oder direkt in Krankenhäusern angesiedelt sind. Ebenfalls wird die Notwendigkeit einer Entlastung der Rettungsdienste der Länder aufgrund steigender Fallzahlen, eines wachsenden geriatrischen Notfallaufkommens und einer diesen Trends nicht entspre- chenden Finanzierungsgrundlage der Rettungsdienste, deren Leistungen bisher un- zureichend im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung abgebildet seien, als aus- schlaggebend für den entstandenen Reformbedarf aufgeführt. Als Ergebnis dieses Vernetzungsprozesses der ambulanten, stationären und rettungsdienstlichen Notfall- versorgung zu einem System der integrierten Notfallversorgung soll somit mehr Ori- entierung für Patientinnen und Patienten, kürzere Wartezeiten, ein sinnvoller und

stellungnahme

Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Referentenent- wurf des Bundesministeriums für Gesundheit

Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung

07.02.2020

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effizienter Einsatz personeller und finanzieller Ressourcen und im Ergebnis eine ver- besserte Gesamtqualität der Notfallversorgung stehen.

Das Bundesministerium für Gesundheit orientiert sich mit dem vorliegenden Referen- tenentwurf in zentralen Punkten am Gutachten des Sachverständigenrates zur Be- gutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Dieser hatte die bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung 2018 verschiedene Herausforderungen und Zukunftsperspektiven für eine Weiterentwicklung der verschiedenen Versorgungsbe- reiche in Deutschland analysiert und sich dabei auch der Frage einer sektorübergrei- fenden Ausgestaltung der Notfallversorgung vertieft gewidmet.1

Die in diesem Gutachten befürwortete und in den Referentenentwurf übernommene Idee der Neuordnung der Notfallversorgung findet sich auch als Vorhaben im Koali- tionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD wieder, in dem von der Verbesserung und gemeinsamen Sicherstellung der Notfallversorgung mittels Schaffung gemeinsamer Finanzierungsverantwortung zwischen Landeskrankenhausgesellschaften und Kas- senärztlichen Vereinigungen sowie Aufbau von Notfallleitstellen und integrierten Notfallzentren die Rede ist. 2 Ein wesentlicher Unterschied zu dieser Beschreibung und auch zum Diskussionsentwurf zur selben Thematik, den das BMG am 12.07.2019 vorgelegt hatte, findet sich im vorliegenden Referentenentwurf in der nun aus Sicht des BMG nicht mehr anzustrebenden Grundgesetzänderung. Diese war zuvor im Kontext der Ausweitung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf den Bereich der Rettungsdienste, die bisher Sache der einzelnen Bundesländer sind, durch die Weiterentwicklung der Rettungsdienste zu einem eigenständigen Leistungsbe- reich der GKV als Ziel formuliert worden, in der Folge jedoch auf massiven Wider- stand der Bundesländer gestoßen. In der nun vorliegenden Form des Referentenent- wurfs soll die Zustimmungspflicht durch den Bundesrat durch die Streichung der avisierten Grundgesetzänderung entfallen.

Weitere Kontroversen und Konfliktlinien zeichneten sich im Rahmen der Veröffentli- chung des Referentenentwurfs unter anderem ab durch die Kritik der Deutschen Krankenhausgesellschaft an einer künftigen Teilung der fachlichen Leitung der INZ mit den Kassenärztlichen Vereinigungen, an der weiterbestehenden Zuordnung des Sicherstellungsauftrags zur ambulanten Versorgungsebene und an der beabsichtig- ten finanziellen Sanktionierung von Krankenhäusern, die Notfallversorgungsleistun- gen ohne INZ-Zertifizierung erbringen. Krankenhausseitig wurde insbesondere be- mängelt, dass die verfassungsrechtliche Zuordnung der Krankenhausplanung zur

1 https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/user_upload/Gutachten/2018/SVR-Gutach-

ten_2018_WEBSEITE.pdf Die Ausgestaltung der sektorübergreifenden Notfallversorgung wird dort ab. S. 547 untersucht.

2 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode, S. 100.

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Länderverantwortung dadurch beschädigt werden, dass künftig Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen aufgrund ihrer Stimmenmehrheit im gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) darüber entscheiden würden, in welchen Krankenhäusern INZ künftig Notfallversorgungsleistungen übernehmen würden, während die Kran- kenhäuser die wirtschaftliche Planung und Tragfähigkeit sicherzustellen hätten.

Die vorab erfolgte Monierung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dass durch eine Reform möglicherweise ein eigenständiger dritter Sektors für die Notfallversor- gung durch Einrichtung organisatorisch und wirtschaftlich eigenständiger integrierter Notfallzentren an Krankenhäusern geschaffen werden, führte offenbar dazu, dass dieses Vorhaben nicht durch den Referentenentwurf konkretisiert wurde. Seitens der Bundesärztekammer wurde vor einem Mangel an ärztlichem und medizinischem Fachpersonal gewarnt, der durch die Einrichtung dieser neuen Ebene hervorgerufen bzw. verstärkt werden könne.

Aus Sicht des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften ist es bei der angestrebten Reform entscheidend, die höchstmögliche tatsächliche Versorgungsqualität für die Versicherten und damit Patientinnen und Patienten als maßgebliches Kriterium an- zustreben und diese auch im Rahmen sektorübergreifender Versorgungsgrundsätze zu verfolgen. Darüber hinaus muss mit der Neuordnung der Notfallversorgung eine Entlastung der Beschäftigten in diesem Bereich einhergehen. Gleichzeitig sind eine diesem Ziel angemessene Verwendung der Versichertenrücklagen seitens der Kran- kenkassen sowie eine Wahrung des Primats der Selbstverwaltung bei der Ausgestal- tung von Versorgungsaufträgen und deren Rahmenbedingungen grundsätzlich si- cherzustellen.

2. Schaffung eines Gemeinsamen Notfallleitsystems (§ 133 b SGB V) Mit der Schaffung eines gemeinsamen Notfallleitsystems (GNL) soll eine zentrale te- lefonische Lotsenfunktion für die Koordinierung lebensbedrohlicher oder schwerwie- gender Notsituationen sowie weiterer Versorgungsfälle etabliert werden. Dabei sol- len die bereits getrennt voneinander bestehenden Rufnummern 112 der Rettungsleitstellen und 116 117 der Kassenärztlichen Vereinigungen in der Form zweier unterschiedlicher Systeme weiterbestehen bleiben. Das GNL soll als Verfahren zur standardisierten Ersteinschätzung über die Disponierung medizinischer Notfall- rettung, Krankentransporte sowie telemedizinischer oder aufsuchender notdienstli- cher Versorgung entscheiden. Hervorgehoben werden bei dieser Disponierung insbe- sondere die Anforderungen digitaler Vernetzung und zentraler Steuerung als auch Echtzeitübertragung der zur Verfügung stehenden Versorgungsdaten. Zur Ausstat-

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tung der in den Rettungsleitstellen und bei den Leistungserbringern der medizini- schen Notfallrettung erforderlichen Softwarelösungen soll die gesetzliche Kranken- versicherung mit Mitteln in Höhe von 25 Millionen Euro aufkommen.

Im Einzelnen sieht der Gesetzesentwurf unter § 133 b Abs.1 vor, dass aus Sicht des Versicherten oder Dritten zunächst die Entscheidung zu treffen ist, welche der beiden Rufnummern gewählt werden soll. Nach Abs. 2 wird auf der Grundlage des sodann zu erfolgenden, softwaregestützten und standardisierten Ersteinschätzungsverfah- rens die unmittelbar erforderliche medizinische Versorgung in der gebotenen Versor- gungsstruktur vermittelt. Digitale Unterstützungsangebote für Hilfesuchende in me- dizinischen Notsituationen können ebenso wie die Einbeziehung digitaler Anwendungen angeboten werden. Abs. 3 konkretisiert, dass das GNL in der verbind- lichen Zusammenarbeit der Träger der Rettungsleitstellen der Rufnummer 112 und der Kassenärztlichen Vereinigung (KVA) mit der Rufnummer 116 117 besteht. Möch- ten Träger einer Rettungsleitstelle ein GNL bilden, ist die KVA dazu verpflichtet. Das GNL wird dabei als organisatorische und technische, insbesondere digitale Verbin- dung, die sich auf die Kooperation in medizinischen Notsituationen beschränkt und nicht die weiteren Aufgaben der beiden Rufnummern betrifft, verstanden. In Abs. 4 werden die Bestandteile dieser Verbindung aufgelistet: Hierzu sollen die interaktive Nutzung digitaler Dokumentationen zur Übertragung der zur Weiterversorgung er- forderlichen Daten ebenso gehören wie eine Echtzeitübertragung vorhandener Ver- sorgungskapazitäten von Rettungsmitteln, Bereitschaftsdiensten, INZ und in Frage kommenden Krankenhäusern. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll schließlich in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 16 das Nähere zur Kooperationsver- pflichtung und zur digitalen Vernetzung unter besonderer Berücksichtigung der An- forderungen an die Informationssicherheit bestimmen, wobei er sowohl die Gesell- schaft für Telematik als auch geeignete Dritte beratend hinzuziehen kann.

Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist die Idee eines gemeinsamen Not- fallleitsystems zu begrüßen. Mit ihr wird die Allokation von zur Verfügung stehenden Rettungsmitteln sowie die schnelle und transparente Ersteinschätzung mit dem Ziel der schnellen medizinischen Versorgung in der passenden Versorgungsstruktur po- tentiell vorangebracht. Dies ist aufgrund der strukturellen Unterfinanzierung vieler Krankenhäuser bzw. ihrer sachfremden Ersatzfinanzierung der Investitionskosten- durch die SV-Träger, der damit einhergehenden Bedeutungszunahme von ausrei- chend zur Verfügung stehenden Rettungsmitteln bei zeitgleicher erfolgreicher Etab- lierung des Modells der Portalpraxen innerhalb der letzten Jahre und nicht zuletzt durch die zunehmende Inanspruchnahme von Notaufnahmen und Rettungsfahrten erforderlich.

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Dabei wird aus Sicht des DGB in der konkreten Ausgestaltung durch den Referenten- entwurf jedoch ein wesentliches Erfordernis für eine verbesserte Koordinierung und Vernetzung ignoriert. Mit dem beabsichtigten Fortbestehen beider Rufnummern und der damit erforderlichen Entscheidung des Versicherten, welche Nummer zu wählen ist, wird die Verantwortung für die Beurteilung des jeweils medizinisch angemesse- nen Versorgungszweiges den Versicherten überlassen. Trotz der vorgesehen Steue- rungsfunktion für Patienten, mit der beide Rufnummernsysteme ergänzt werden sol- len, bleibt die schwierige und mitunter wertvolle Zeit verspielende Erstentscheidung zwischen einer der beiden Nummern den Anrufenden überlassen. Dass abseits ein- deutig zu beurteilender Fälle medizinische Laien in der Lage sind, eine sachlich rich- tige Entscheidung zu treffen, um ihre Gesundheit oder die Gesundheit ihrer Nächsten auf dem richtigen Versorgungsweg zu erhalten, ist jedoch unwahrscheinlich. Um die Orientierung der Versicherten hier zu erleichterten, ist es erforderlich, eine einheitli- che Schnittstelle entweder durch Zusammenlegen beider Rufnummern zu einer Ruf- nummer oder durch Bestehenlassen beider Rufnummern bei Einrichtung einer ein- heitlichen Koordinationsfunktion hinter beiden Rufnummernsystemen umzusetzen.

Auch das Problem der getrennten Disponierung kann mit der Zusammenlegung bzw.

einheitlichen Koordinierung gelöst werden. Für die GNL ist ein bundesweit einheitli- ches Ersteinschätzungssystem zu implementieren.

Der DGB kritisiert die in §133 b Abs. 4 vorgesehene Möglichkeit zur Einbindung „ge- eigneter Dritter“ als Ergänzung der Einbindung der Gesellschaft für Telematik nach

§ 291b durch den Gemeinsamen Bundesausschuss. In dieser offenen Begriffsdefini- tion wird mit Blick auf den großen Stellenwert der geplanten Einbindung digitaler Vernetzungen, digitaler Unterstützungsangebote und digitaler Anwendungen nach Abs. 2 die Möglichkeit für eine regelmäßige Beteiligung privatwirtschaftlicher Ak- teure an Beratungsprozessen geschaffen. Einer solchen Beteiligung ist durch die Klar- stellung auszuschließen, dass „die Gesellschaft für Telematik sowie unabhängige Sachverständige für Datenschutz und Informationssicherheit aus Wissenschaft, For- schung und öffentlich- rechtlicher Trägerschaft beratend hinzugezogenen werden können“. Die bundesweit einheitliche Rahmenvorgabe für Kooperationsvereinbarun- gen durch den G-BA wird darüber hinaus grundsätzlich als sinnvoll erachtet.

In der vorliegenden Form geht der Referentenentwurf nicht auf das Erfordernis ein, die Ersteinschätzung nur durch qualifiziertes medizinisches Fachpersonal durchführen zu lassen. Es darf an dieser Stelle keinesfalls zur Auslagerung einer wichtigen Lotsen- funktion an fachlich nicht geeignete Dritte kommen. Vor diesem Hintergrund sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen, die zuständigen Landes- behörden sowie die Träger der Rettungsleitstellen dazu zu verpflichten, die notwen- digen finanziellen Mittel zur ausreichenden Besetzung der GNL mit qualifiziertem

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medizinischem Fachpersonal regelmäßig aufzubringen. Bei der Vergütung der Leis- tungen der medizinischen Notfallrettung ist sicherzustellen, dass die tatsächlichen Betriebskosten vollständig abgedeckt werden. Vorhalte- und Investitionskosten sind durch die Länder im erforderlichen Umfang sicherzustellen, damit die zweckentspre- chende Verwendung der Betriebskosten, insbesondere die bedarfsgerechte Personal- kostenfinanzierung, gewährleistet wird. Hier ist eine klare Abgrenzung zwischen der Verantwortung der Kassen für den Betrieb und die Verantwortung der Länder für Vorhalte- und Investitionskosten der Infrastruktur für den Rettungsdienst erforderlich.

Die nach Abs. 6 vorgesehene Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen, mit ei- ner Summe von 25 Millionen Euro für die einmalige Finanzierung der Anschaffungs- kosten von Softwarelösungen für die Rettungsleitstellen und die Leistungserbringer der medizinischen Notfallrettung aufzukommen, lehnt der DGB ab. Die Ausgestal- tung der Rettungsdienste und der ambulanten Versorgung ist Aufgabe der Länder sowie die KVA, weshalb diese auch die Finanzierung der vorgesehenen Anschaf- fungskosten sicherzustellen haben. Zudem erscheint es problematisch, eine Art An- schubfinanzierung für die Errichtung von gemeinsamen Notfallleitsystemen und digi- taler Vernetzung derselben aus dem Topf der solidarisch getragenen Krankenversicherung zu nehmen– zugunsten einer Aufgabe, die primär in Landesho- heit steht.

3. Einrichtung Integrierter Notfallzentren – INZ (§ 123 SGB V)

Kernstück der Reform der Notfallversorgung soll der Aufbau zentraler, rund um die Uhr erreichbarer Einrichtungen der medizinischen Notfallversorgung werden. Diese integrierten Notfallzentren (INZ) sollen an dafür geeigneten Krankenhaustandorten eingerichtet und von den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) gemein- sam mit den Krankenhäusern betrieben werden. Der Sicherstellungsauftrag soll dabei bei den KVen bleiben. Damit soll die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Verbes- serung der Notfallversorgung und ihre gemeinsame Sicherstellung durch Kranken- hauslandesgesellschaften und KVen eingelöst werden.

Der DGB begrüßt grundsätzlich die geplante Regelung im Sinne der Versicherten, die künftig jederzeit bedarfsgerecht und zielgerichtet in die für sie notwendigen Behand- lungsmöglichkeiten weitergeleitet werden sollen. Bislang bleibt eine adäquate Ver- sorgung oft dem Zufall überlassen, je nachdem wohin sich der Hilfesuchende wendet.

Die drei völlig unterschiedlich organisierten Sektoren des Rettungsdienstes, der Not- aufnahmen in den Krankenhäusern und des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes koope- rieren nur bedingt miteinander – oft zum Nachteil der Patientinnen und Patienten.

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Mit der nun vorgeschlagenen Lösung muss der Hilfesuchende nicht mehr länger selbst entscheiden, wohin er sich wendet, sondern erhält eine zentrale Anlaufstelle, die eine qualitativ hochwertige Versorgung gewährleistet. Kürzere Wartezeiten er- möglichen zudem eine schnellere Versorgung. Wichtig bleibt dabei eine dezentrale Versorgung statt einer Konzentration von INZ in den Städten, damit die schnelle Ver- sorgung auch im ländlichen Raum sichergestellt und für die Versicherten erreichbar ist.

In den INZ soll zunächst eine qualifizierte Ersteinschätzung des Versorgungsbedarfs der Patienten auf der Grundlage eines für alle INZ einheitlichen Verfahrens nach den Vorgaben des G-BA stattfinden. Ebenfalls sollen hier die medizinisch erforderliche Notdienstliche Versorgung sowie diagnostische Maßnahmen vorgenommen werden.

Auf deren Grundlage wird künftig entschieden, ob und wie eine stationäre Aufnahme erforderlich ist, wobei ambulante Versorgungsmöglichkeiten vorrangig Anwendung finden sollen.

Allein im Jahr 2018 haben ca. zehn Millionen Menschen die Notfallambulanzen der Krankenhäuser aufgesucht, oftmals ohne dass es sich dabei um einen Notfall gehan- delt hat. Kosten in Milliardenhöhe sowie eine Überlastung der Notfallstrukturen wa- ren die Folge. Gleichzeitig wurden und werden damit dringend benötigte Kapazitäten und Mittel für echte Notfälle gebunden. Dadurch, dass die INZ nur an solchen Klini- ken entstehen sollen, die qualitativ und quantitativ dafür geeignet sind, soll künftig eine hochwertige Versorgung im Notfall gewährleistet sein. Die bisherigen Vorläufer der INZ, die sog. Portalpraxen sollen dazu genutzt werden, um die vertragsärztlichen Notdiensteinrichtungen und die Notfallambulanz des Krankenhauses zusammenzu- führen und entsprechend auszubauen, wobei die Anzahl der INZ durch den G-BA festzulegen sein wird. Um Parallelstrukturen zu verhindern, muss auf die Integration der Notaufnahmen der Krankenhäuser in die INZ abgezielt werden. Hierfür ist der Sicherstellungsauftrag neu zu regeln und darf nicht bei der Kassenärztlichen Vereini- gung verbleiben.

Abschläge für Häuser ohne INZ (§120, Abs.1 SGB V)

Der DGB kritisiert, dass Häuser ohne INZ, die ebenfalls Notfallpatienten versorgen, Honorarabschläge von 50 Prozent hinnehmen sollen, wobei Portalpraxen vorerst da- von ausgenommen sind. Abschläge für Krankenhäuser ohne INZ lösen die Probleme der Notfallversorgung nicht. Gerade in ländlich strukturierten Gebieten muss im Not- fall eine gute Erreichbarkeit hochwertiger Versorgungsmöglichkeiten gewährleistet sein. Für jeden Hilfesuchenden muss die Möglichkeit einer adäquaten Erstversorgung möglich sein, ohne dass dies zu Lasten der Leistungserbringer, in diesem Falle des Krankenhauses geht. Diese würden im schlechtesten Falle wirtschaftlich intendierte

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Kompensationsmöglichkeiten erzeugen, die zu Lasten der medizinischen Versorgung und Überversorgung der Patienten ginge. Dies kann nicht vom Gesetzgeber gewollt sein.

Grundsätzlich sollte im Notfall an die INZ verwiesen werden. Sollten jedoch Notfall- maßnahmen vor Ort unabwendbar sein, so dürfen diese nicht mit Abschlägen belegt werden. Begründete Ausnahmen müssen hier im Sinne der Versicherten die Regel bestätigen.

Sektorenübergreifende Versorgung statt Streit um Mittel und Zuständig- keiten

Der DGB begrüßt die Möglichkeit, die Reform der Notfallversorgung im Sinne der sektorenübergreifenden Versorgung, und damit im Sinne der Versicherten, zu gestal- ten. Obwohl die ambulante Notfallversorgung mit den INZ räumlich an die Kranken- häuser verlagert werden soll, erhalten die Vertragsärzte den Sicherstellungsauftrag.

Die INZ sollen jedoch gemeinsam räumlich und wirtschaftlich abgegrenzt eingerichtet und mit Hilfe von Kooperationsverträgen betrieben werden. Der DGB kritisiert die offene Trägerschaft der INZ. Der Betrieb in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft ist an- gesichts des Stellenwerts der Notfallversorgung als wesentliche Aufgabe der Daseins- vorsorge geboten und eine entsprechende Klarstellung erforderlich. Eine Beteiligung aller Akteure muss zwingend gegeben sein, indem die Aufgaben, die Anzahl sowie die konkreten Standorte der INZ gemeinsam mit dem durch Vertreter der Kranken- häuser erweiterten Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach §90 über- tragen werden sollen. Indem eine qualifizierte Ersteinschätzung des Versorgungsbe- darfes der Patienten gemeinsam durch Krankenhaus und KV vorgenommen wird, kann eine abgestimmt gute und am Bedarf orientierte Versorgung gewährleistet wer- den.

Mögliche Durchgriffsrechte des Bundes

Mit der Übergabe der Verantwortung für die INZ im Rahmen des vertragsärztlichen Sicherstellungsauftrags im Gesetz, wird bei aller fachlichen Folgerichtigkeit eine wei- tere Einflussmöglichkeit des Bundes für eine Anpassung der Krankenhauslandschaft vorgenommen. Wie schon vorher mit der Einführung von Mindestmengenregelun- gen, der Zentrenbildung oder der Einteilung der Krankenhäuser durch den GBA in ein gestuftes System der Notfallstrukturen soll nun ein weiteres Kriterium mit der Aus- wahl von Einrichtungen mit einer INZ hinzukommen. Damit steigt der Einfluss des Bundes auf die Ausrichtung der Versorgungsstrukturen weiter an. Eine solche Politik darf weder zu Lasten der Versicherten, der Patienten noch des Personals gehen. Der

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DGB sieht in erster Linie die Bundesländer in der Verantwortung eine qualitativ hoch- wertige, flächendeckende und zukunftsfähige stationäre Versorgungsstruktur zu schaffen und die dafür die nötigen Investitionsmittel bereitzustellen. Leider haben viele Landesregierungen in den vergangenen Jahrzehnten diese grundgesetzlich zu- gewiesene Aufgabe nicht ausreichend wahrgenommen. Der Bund greift mit dem im Referentenentwurf enthaltenen Ansatz massiv in die Planungskompetenz der Länder ein, die die Verantwortung für die flächendeckende, bedarfsgerechte Versorgung ha- ben. Diese sind qualifiziert einzubinden, die vorgesehenen Antragsrechte im erwei- terten Landesausschuss als Planungsgremium reichen keinesfalls aus.

4. Rettungsdienst als Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversiche- rung (§ 60 SGB V)

Künftig sollen die Leistungen der medizinischen Notfallversorgung durch die Ret- tungsdienste der Länder unabhängig von der Inanspruchnahme anderer Leistungen der GKV gewährt werden. Als Leistungen der medizinischen Notfallversorgung wer- den durch den Referentenentwurf die Versorgung am Notfallort sowie Rettungsarten definiert. Hierzu soll der Anspruch auf medizinische Leistungen des Rettungsdienstes im V. Sozialgesetzbuch, § 11, Abs. 1, N. 5 verankert werden. Im Einzelnen handelt es sich dabei entsprechend des neu einzufügenden § 60 SGB V um Kostenübernah- meverpflichtungen seitens der gesetzlichen Krankenkassen für die bereits erwähnten Versorgungsmaßnahmen am Notfallort sowie Fahrten zu stationären Leistungen, Fahrten bei Verlegungen während stationärer Behandlungen, Fahrten zu vor- oder nachstationären Behandlungen oder ambulanten Operationen und Behandlungen sowie Fahrten zu notdienstlichen Versorgung in einem INZ.

Vorgesehen ist ferner, dass die gesetzlichen Krankenkassen an den Vereinbarungen über Vergütung der Leistungen der medizinischen Notfallrettung beteiligt werden.

Hierzu sollen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen Vergü- tungsvereinbarungen mit den jeweiligen Landesbehörden bzw. Trägern der Rettungs- dienste abschließen. Der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung wird durch die Möglichkeit zur Einleitung eines Schiedsverfahrens bei Nichteinigung sichergestellt.

Ebenso sollen die Krankenkassen künftig bei der Planung der Anzahl an Luftrettungs- standorten, Rettungsleitstellen, Rettungswachen und Rettungsmitteln beteiligt wer- den.

Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat der Referentenentwurf in seiner vorliegenden Form zunächst Klarstellungsbedarf hinsichtlich der notwendigen Reich- weite einer Neuregelung von Finanzierungsgrundlagen. Unabhängig von der Über- führung von Maßnahmen der Notfallversorgung in das SGB V und damit in die Zu- ständigkeit der gesetzlichen Krankenkassen bleibt das Erfordernis bestehen, die

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Finanzierungsverantwortung von Ländern und Kommunen für die öffentliche Da- seinsvorsorge klarzustellen. Ohne eine solche Klarstellung sind die notwendigen län- derseitigen Investitions- und Vorhaltekosten für die Rettungsdienste weiterhin der oftmals unzureichenden Investitionspolitik der Länder untergeordnet.

Der DGB weist angesichts dieser Problematik darauf hin, dass für eine qualitativ hochwertige gesundheitliche Daseinsvorsorge eine deutlich größere, strukturelle nachhaltige Finanzierungsbereitschaft seitens der Länder zum Erhalt, Ausbau und Betrieb stationärer Einrichtungen an der Schnittstelle zum Rettungsdienst nötig ist.

Die in den vergangenen Jahren nur zu oft Realität gewordene strukturelle Unterfi- nanzierung, die sich sowohl auf die Versorgungsqualität der Versicherten als auch auf die Beschäftigungsbedingungen und Personalschlüssel vor Ort negativ auswirkt, muss künftig ausgeschlossen sein. Der DGB fordert deshalb eine entsprechende Klar- stellung der Finanzierungsverantwortung für Investitionen und Vorhaltekosten. Dies soll auch für die durch den Referentenentwurf zusätzlich absehbaren Investitionskos- ten, etwa für Digitalisierungsmaßnahmen und zugehörige Hardware- und Software- lösungen im Bereich der Rettungsdienste gelten. Grundsätzlich kann eine Integration von Rettungsdienstaufgaben in den Leistungsbereich der GKV unter diesen Vorzei- chen einen wichtigen Beitrag zur Förderung von sektorübergreifenden Versorgungs- strukturen sowie zur Steigerung von Versorgungsqualität und bedarfsgerechter Ver- sorgung leisten.

Referenzen

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