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Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)

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(13. März 2000)

Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmens- besteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) am 22. März 2000

Teil 1

Grundsätzliche Bewertung

1. Positive Perspektiven 1.1 Unternehmenssteuerreform

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat niedrige Unternehmenssteuersätze immer als Wert an sich bezeichnet. So liegt es beispielsweise auf der Hand, dass insbesondere bei ausländischen Investoren der Fokus auf den Steuersätzen liegt und nicht auf häufig recht komplizierten Bewertungsvorschriften usw.

Die Absenkung der Steuersätze und auch der Netto-Steuerentlastung erfolgt in einem überschaubaren Konzept, wobei der DGB an dieser Stelle keinerlei Bewertung für die einzelnen Ansatzpunkte formuliert:

- Für Kapitalgesellschaften wird der Einbehaltungs- und Ausschüttungssatz auf 25 Prozent abgesenkt, so dass zuzüglich Gewerbesteuer eine Gesamtbelastung von nur wenig über 35 Prozent, also der Zielmarke der Unternehmerverbände (einschl. Gewerbesteuer) entsteht (der Solidaritätszuschlag sollte als Sonder- belastung des Sondervorganges ”Deutsche Einheit” außer Betracht bleiben).

- Personengesellschaften können für die Körperschaftsteuer optieren.

- Für nicht optierende Unternehmen erfolgt die Entlastung über eine Gewerbesteueranrechnung.

- Für Unternehmen mit Erträgen bis zum Gewerbesteuerfreibetrag wirkt sich die Absenkung des Einkommensteuertarifs entlastend aus.

Um an dieser Stelle gleich den immer wieder vorgebrachten allgemeinen Klagen, der Mittelstand komme zu kurz, entgegenzutreten, sei auf die Berechnung des Bundes- ministeriums der Finanzen verwiesen mit dem Ergebnis:

- Ohne das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 verteilt sich die Gesamtentlastung (Entstehungsjahr) von 43,6 Mrd. DM mit 22,3 Mrd. DM auf

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Privathaushalte, mit 11,1 Mrd. DM auf den Mittelstand und mit 10,1 Mrd. DM auf Großunternehmen.

- Einschließlich des vorgenannten Steuerentlastungsgesetzes verteilt sich die Gesamtentlastung von 73,0 Mrd. DM mit 54,3 Mrd. DM auf Privathaushalte, mit 17,1 Mrd. DM auf den Mittelstand und mit 1,6 Mrd. DM auf Großunternehmen.

Insgesamt ist das ein deutlich überproportionaler Anteil der KMU.

1.2 Reform des Einkommensteuertarifes

Bei der Reform des Einkommensteuertarifes ist das Bemühen der Bundesregierung um eine soziale Komponente an der stufenweisen Erhöhung des Grundfreibetrages auf rund 15.000 DM bis 2005 ebenso abzulesen wie an der Absenkung des

Eingangssteuersatzes auf 15,0 Prozent in 2005.

Der DGB begrüßt es besonders, dass in dem Reformkonzept keine Maßnahmen vorge- sehen sind, die per saldo zur Höherbelastung großer Arbeitnehmergruppen führen würden. Der DGB begrüßt ausdrücklich die Aussage des Bundesministers der

Finanzen im Ge-spräch mit Der Spiegel (Nr. 2/2000, Seite 78), wo es zur Frage einer stärkeren Besteuerung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen beispielsweise wörtlich heißt (Zitat):

- ”Zu Gunsten der kleinen Gruppe von Spitzenverdienern würde die

Krankenschwester oder der Drucker massiv benachteiligt. Das ist nicht nur das Gegenteil von Gerechtigkeit; das ist wirklich eine Sauerei. Das machen wir nicht mit.”

(Zur Frage des sogenannten Spitzensteuersatzes siehe Seite 7)

1.3 Tendenziell günstige gesamtwirtschaftliche Auswirkungen Das Vorziehen der erst für das Jahr 2002 vorgesehenen Reform des

Einkommensteuer-tarifes um 1 Jahr auf das Jahr 2001 sowie die für die Jahre 2003 und 2005 veröffentlichten weiteren Entlastungsmaßnahmen beim

Einkommensteuertarif werden konjunkturelle Impulse auslösen und geben Konsumenten und Investoren mittelfristige Planungssicherheit.

Allerdings wird diese positive Aussage relativiert durch restriktive Effekte des Sparpaketes der Bundesregierung (siehe folgendes Kapitel).

2. Bedenkliche Perspektiven

2.1 Rückgang öffentlicher Investitionen

Aus dem Monatsbericht Nr. 4/1999 der Bundesbank, Seite 32, kann entnommen werden, dass auf die Gemeinden zwar der höchste Anteil öffentlicher Investitionen entfällt, der Bund aber der wichtigste Financier öffentlicher Investitionen und die Gebietskörperschaft mit dem größten Volumen an eigen finanzierten

Investitionsausgaben ist. Dabei ist der Anteil der gesamten öffentlichen

Sachinvestitionen von Bund, Ländern und Gemeinden an den gesamtwirtschaftlich

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getätigten Investitionen von 12,2 Prozent in 1993 auf 8,4 Prozent in 1998 gefallen.

Die Deutsche Bundesbank weist darauf hin, dass der Volkswirtschaft Deutschlands Schäden drohen, ”wenn die von der Wirtschaft benötigte öffentliche Infrastruktur auf Grund unterlassener Investitionen veraltet” (Monatsbericht Nr. 4/1999, Seite 33).

Im ”Zukunftsprogramm 2000” der Bundesregierung verringern sich die Investitionen des Bundes im Jahresvergleich 2002 zu 1999 um 5 Mrd. DM und über den

Gesamtzeitraum kumuliert um 11,3 Mrd. DM.

2.2 Einschränkungen im Sozialbereich

Auch die im ”Zukunftsprogramm 2000” der Bundesregierung vorgenommenen Ein- schränkungen im Sozialbereich sind zusammen mit rückläufigen öffentlichen

Investitionen mit den positiven Impulsen der mittelfristig konzipierten Steuerpolitik als restriktiv wirkende Maßnahmen zu saldieren.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ”echte” Einsparungen beim Bund und auf andere Haushalte abgewälzte ”Einsparungen” einen rechnerischen

Gesamtnachfrageausfall von 26 Mrd. DM bewirkten, der zwar einerseits nach den Erklärungen des Bundesministeriums der Finanzen Voraussetzung für die

Steuersenkungen ist, andererseits aber in den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen diesen Steuersenkungen gegengerechnet werden muss.

Laut einer dpa-Meldung vom 12. Februar 2000 erklärte der Bundesminister der Finanzen:

- ”Bei langsamer steigenden Staatsausgaben müssen wir intensiver überlegen, was uns wichtig ist. Zusätzliche Ausgaben wie etwa beim BAföG oder beim

Erziehungsgeld können daher nur über Einsparungen an anderer Stelle finanziert werden. Für den Haushalt heißt das: Im Topf darf gerührt werden; aber es kommt keine neue Suppe dazu.”

Dieser Satz wäre im Hinblick auf Steuersenkungen zu ergänzen mit dem Hinweis: Aber es darf auch nicht immer weniger Suppe werden, in der gerührt werden darf!

2.3 Unsicherheiten im Finanzierungstableau

Die vorstehenden Relativierungen und Abwägungen von Steuersenkungen einerseits und Rückgang öffentlicher Investitionen bzw. Einschränkungen im Sozialbereich andererseits erhalten besonderes Gewicht durch erhebliche Unsicherheiten im Finanzierungstableau auf den Seiten 148 bis 160 des Gesetzentwurfs der

Bundesregierung. Diese Unsicherheiten betreffen im besonderen Maße die in den Ziffern 25 sowie 34 und 36 ausgewiesenen Steuerausfallzahlen zur Reform der

Unternehmensbesteuerung. Während im sogenannten ”Entstehungsjahr” hier jeweils ein Nettoausfall von knapp 9 Mrd. DM ausgewiesen wird, beziffert sich dieser

Steuerausfall in den vier folgenden Kassenjahren auf durchschnittlich 18 Mrd. DM jährlich. Diese Diskrepanz wird auch in den zur Erklärung angeführten Fußnoten nicht mit hinreichender Klarheit konkretisiert.

Es verbleiben also erhebliche Unsicherheiten bei den tatsächlichen finanziellen Auswirkungen speziell der Unternehmenssteuerreform insbesondere dann, wenn man die enormen Ausfallpotentiale aus der Steuerbefreiung von Gewinnen aus der

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Veräußerung von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften durch

Kapitalgesellschaften berücksichtigt, für die offenbar eine Art Pauschalbetrag von 4,2 Mrd. DM jährlich angesetzt wurde. Hinzu kommt das enorme Ausfallpotential aus der weitaus zu großzügigen Regelung für den Übergang bei Altkapital vom bisherigen Vollanrechnungsverfahren zum Verfahren mit einer Definitivbelastung. Hier drohen Steuerausfälle, die mit einer hinreichenden Bedienung von Ausgabenprioritäten nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Förderung von Humankapital in all ihren Facetten nicht vertretbar sind.

Teil 2

Bewertung wichtiger Einzelmaßnahmen

1. Zum Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Ziffer 40 EStG)

Hier soll nicht über Bewertungskriterien der beiden Körperschaftsteuersysteme, Anrechnungsverfahren versus Halbeinkünfteverfahren, also über Fragen wie Europatauglichkeit, Missbrauchanfälligkeit usw. diskutiert werden. Das

Anrechnungsverfahren wurde 1977 nicht vom DGB, sondern von anderer Seite angestoßen.

Tatsache ist, dass die definitive körperschaftsteuerliche Vorbelastung von 25 Prozent durch den Vorteil der nur hälftigen steuerlichen Erfassung der Dividende erst bei einem individuellen Steuersatz des Anlegers von 40 Prozent kompensiert wird. Für Anleger mit einem darüber liegenden Steuersatz ist das Halbeinkünfteverfahren günstiger, für Anleger mit einem darunter liegenden Steuersatz, also für Kleinanleger, ist es dagegen ungünstiger als das Anrechnungsverfahren.

Daran ändert auch im Prinzip der im neuen § 32 b EStG vorgesehene Progressions- vorbehalt nichts. Abgesehen von der damit verbundenen Komplizierung läuft der Progressionsvorbehalt spätestens in der oberen Proportionalzone weitestgehend und zunehmend ins Leere.

Auch der Hinweis auf die Verdoppelung des Sparerfreibetrages durch das

Halbeinkünfteverfahren kann die relative Benachteiligung von Kleinanlegern nicht heilen. Diese Freibetragsverdoppelung kommt allen Anteilseignern zugute.

Die Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes auf die künftigen Börsenkurse können auch nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden. Hier stecken immer Risiken, die zu allererst für Kleinanleger gefährlich werden können. Aber selbst eine vom

Steuersenkungsgesetz angestoßene günstige Kursentwicklung käme ebenfalls allen zugute und würde an der relativen Benachteiligung von Kleinanlegern nichts ändern.

In dem ”Bericht der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung” (im folgenden ”Brühler Empfehlungen” genannt) heißt es deshalb auf Seite 18:

”Gegebenenfalls könnten für Kleinanleger neue Modelle zur Förderung des Beteiligungssparens entwickelt und eingeführt werden” (BMF-Schriftenreihe Heft 66).

Die Vorsitzende des BT-Finanzausschusses hat zu dieser Problematik im HANDELSBLATT von Sa./So., dem 26./27.06.1999 den sehr bemerkenswerten

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Vorschlag gemacht, die vom Unternehmen gezahlte definitive Körperschaftsteuer bei Kleinanlegern (dazu gehören auch viele Belegschaftsaktionäre) bis zur Höhe des Sparerfreibetrages anrechnen zu lassen. Dazu müssten Kleinanleger ihrem

Freistellungsantrag bei der Bank eine Erklärung hinzufügen, aus der hervorgeht, ob sie mit ihren Dividendeneinkünften innerhalb oder oberhalb des Sparerfreibetrages liegen.

2. Zur Einschränkung der degressiven AfA (§ 7 Abs. 2 Satz 2 EStG)

Der DGB hält die Einschränkung der degressiven AfA auf höchstens 20 Prozent für ein sehr geeignetes Instrument zur Gegenfinanzierung, deren Auswirkung auf die Investi- tionstätigkeit nicht überschätzt werden darf:

In der Bundesrepublik gab es seit 1952 29 Jahre mit einem degressiven AfA-Satz von unter 30 Prozent und 19 Jahre (seit 1981) mit einem AfA-Höchstsatz von 30 Prozent.

Ein Einfluss auf die Dynamik der Ausrüstungsinvestitionen lässt sich empirisch nicht nachweisen. Diese sind offenbar von anderen Faktoren, und zwar insbesondere von der konjunkturellen Entwicklung, abhängig (siehe Wittmann in: WSI-Mitteilungen 12/1996, Seite 782 ff.).

Es leuchtet im übrigen unmittelbar ein, dass die steuerliche Belastungswirkung einer Variation der Abschreibungssätze umso weniger schwankt, je niedriger der jeweils belastende Steuersatz ist, und diese Steuersätze werden mit dem

Steuersenkungsgesetz bekanntlich sehr deutlich gesenkt.

3. Herabsetzung der Beteiligungsgrenze bei der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG)

Bei der Definitivbelastung von 25 Prozent im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens kann die Besteuerung beim Anteilseigner, der nicht ”wesentlich beteiligt” ist, dann umgangen werden, wenn der Anteilseigner seine Beteiligung vor der

Gewinnausschüttung veräußert, er sich dabei die in der Gesellschaft angesammelten offenen Rücklagenvergüten lässt und der Veräußerungsgewinn nicht steuerpflichtig wäre.

Aus diesem Grund hält der DGB die Herabsetzung der Grenze für eine ”wesentliche Beteiligung” von mindestens 10 Prozent auf mindestens 1 Prozent für sachgerecht.

Die gegen diese Maßnahme vorgebrachte Kritik stützt sich in erster Linie auf die im Steuersenkungsgesetz ebenfalls vorgesehene Steuerfreiheit für Veräußerungs-

gewinne von Beteiligungen zwischen Kapitalgesellschaften. Dieser Kritik-Begründung fehlt im Konzept des DGB die Grundlage, da der DGB die von anderen Kritikern

befürwortete Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen strikt ablehnt (siehe Stellungnahme zu § 8 b KStG).

4. Zur Reform des Einkommensteuertarifes (§ 32 a EStG) – hier:

Spitzensteuersatz

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Mit der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Absenkung des Spitzensteuer- satzes auf schließlich 45 Prozent muss das ”Ende der Fahnenstange” an dieser Stelle erreicht sein.

Der DGB wendet sich gegen Forderungen nach einer weiteren Senkung des

Spitzensteuersatzes auf Größenordnungen von 35 oder auch 40 Prozent. Mit einer solchen Maßnahme wären weitere Steuerausfälle in der Größenordnung von

15 Mrd. DM bzw. 7,5 Mrd. DM verbunden. Solche Steuerausfälle müssen vor dem Hintergrund erheblicher Defizite in der Bundesrepublik bei ”harten” und ”weichen”

Infrastruktureinrichtungen gesehen werden, deren Finanzierung Priorität haben muss vor weiteren Steuerausfällen durch eine weitere Absenkung des Spitzensteuersatzes.

Eine solche weitere Absenkung kann auch nicht mit dem Argument begründet werden, dass die sogenannte Spreizung zwischen dem ESt-Spitzensteuersatz einerseits und dem Körperschaftsteuersatz andererseits verringert werden müsse. Einschließlich der Gewerbesteuer beträgt der Ertragssteuersatz bei der Körperschaftsteuer rund 38 Prozent. Das macht eine ”formale” Spreizung zum ESt-Spitzensteuersatz von 45 Prozent von 5 Prozentpunkten aus, wobei zu beachten ist, dass bei

einkommensteuerpflichtigen Gewerbebetrieben die Gewerbesteuer pauschal auf die Einkommensteuer angerechnet werden soll. Diese Spreizung von 7 Prozentpunkten ist zum einen damit zu rechtfertigen, dass die durchschnittliche Steuerbelastung am Beginn der zweiten, oberen Proportionalzone des Einkommensteuertarifes ab 2005 nicht mehr als 27,7 Prozent beträgt. Während beim progressiven

Einkommensteuertarif zwischen Grenz- und Durchschnittsentlastung unterschieden werden muss, wobei auch der mit seinem Einkommen an den Spitzensteuersatz heranreichende Steuerpflichtige durch die Gestaltung des Tarifs als Teilmengentarif eine erhebliche Grundentlastung erfährt, ist der Körperschaftsteuer-satz zugleich der durchschnittliche Steuersatz. Zum anderen können alle diejenigen, die die angeblich zu große Spreizung beklagen, diese Spreizung auch dadurch verringern, dass der Körperschaftsteuersatz über 25 Prozent angehoben wird z. B. auf 28 Prozent. Einen solchen Körperschaftsteuersatz hat die Unternehmenssteuer-

reform-Kommission als ”in einer ersten Stufe bereits richtungsweisenden Schritt”

bezeichnet.

5. Option zur Körperschaftsteuer (§ 4 a KStG)

Das Optionsmodell ist in den ”Brühler Empfehlungen” sehr eingehend auf sein Für und Wider hin untersucht und beschrieben worden. Es wurde dabei folgendes Fazit gezogen:

- ”Vor einer endgültigen gesetzgeberischen Umsetzung bedarf es daher einer

gründlichen Prüfung durch praxisnahe Planspiele, ob das Modell administrierbar ist und ob es zu einer weiteren Komplizierung oder in seinen tatsächlichen

Auswirkungen sogar zu einer Vereinfachung des Steuerrechts beiträgt” (a. a. O., Seite 82).

Planspiele sollen also entscheiden über die Handhabbarkeit des Optionsmodells. In der SÜDDEUTSCHE ZEITUNG Nr. 39/Seite 31 vom 17.02.2000 wird zu den Plan- spielen/Optionsmodell berichtet (Zitat):

- ”Ernsthaft gefährdet ist das von Eichel geplante Optionsmodell, wonach sich Per- sonengesellschaften wie eine Kapitalgesellschaft besteuern lassen können. In den Planspielen des Finanzministeriums hat es sich als unpraktikabel erwiesen.”

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Trifft diese Meldung so zu, dann wäre damit ja wohl das Schicksal des Optionsmodells besiegelt.

6. Steuerfreiheit von Gewinnen aus der Veräußerung von Beteiligungen zwischen Kapitalgesellschaften (§ 8 b KStG)

Der DGB lehnt die Steuerfreiheit für Gewinne bei der Veräußerung von Beteiligungen unter Kapitalgesellschaften ab. Nach seiner Auffassung sprechen deutlich mehr Argumente gegen die Steuerfreiheit als Pro-Argumente:

Pro-Argument:

Die Gewinne aus der Veräußerung von Inlandsbeteiligungen müssen gleichbehandelt werden mit Gewinnen aus Auslandsbeteiligungen.

Gegenargument:

Die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne bei Auslandsbeteiligungen ist nicht vom Himmel gefallen. Sie wurde eingeführt im Rahmen des Standortsicherungsgesetzes 1994. Diese Regelung steht eigentlich im Widerspruch zu gerade von Unternehmer- seite geführten Klagen über das Ungleichgewicht in der Auslands-/Inlands-Investi- tionsbilanz der Bundesrepublik Deutschland. Denn die genannte Steuerfreiheit kann Auslandsbeteiligungen tendenziell nur gefördert haben, und zwar ohne zwingenden Bezug zu anderen Rahmendaten der deutschen Volkswirtschaft. Darüber hinaus ist diese Steuerfreiheit in einen Kontext mit Doppelbesteuerungsabkommen gesetzt worden, die natürlich im Hinblick auf die Besteuerung von Inlandseinkünften von in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Einkünften gegenstandslos sind.

Fazit: Die Gleichbehandlung kann auch durch Rückgängigmachung der hier behandel- ten Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen bei Auslandsbeteiligungen hergestellt werden.

Pro-Argument:

Ohne Steuerfreiheit entstehe eine doppelte Besteuerung von bereits bei der Beteili- gungsgesellschaft besteuerten offenen Reserven.

Gegenargument:

Hier wird offenbar eine Analogie zur Durchschüttung von Dividenden hergestellt. Ein Veräußerungsgewinn ist aber etwas ganz anderes als eine Dividende im allgemeinen und als eine durchgeschüttete Dividende im besonderen.

Beteiligungen sind selbständige Wirtschaftsgüter. Gewinne daraus sind auch als eigenständiger Zufluss zu besteuern. Jeder Zusammenhang, ja selbst eine Analogie zur Besteuerung von Reserven der Beteiligungsgesellschaft und daraus abgeleiteter Notwendigkeit der Vermeidung einer Doppelbesteuerung sind an den Haaren herbei- gezogen und eignen sich allenfalls für akademische Diskussionen, aber nicht für politische Entscheidungen. Wie wenig das Argument von der ”doppelten Besteuerung”

überzeugen kann und wie sehr Beteiligungen ”selbständige Wirtschaftsgüter” sind, zeigen beispielsweise die sogenannten Internet- oder Technologiewerte und deren Börsenkursentwicklung. Allein auf Grund von Zukunftserwartungen lösen sich diese Börsenkurse und damit die sogenannte Börsenkapitalisierung total von den dahinter stehenden Substanzwerten ab. Niemand wird behaupten, dass solche

Zukunftserwartungen irgendwo bereits besteuert worden wären und es deshalb z. B.

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bei der Besteuerung des Veräußerungsgewinns bei einer Yahoo-Aktie zu einer Doppelbesteuerung kommen würde.

Pro-Argument:

Die Steuerfreiheit ist ein Befreiungsschlag gegen verkrustete Unternehmensstrukturen.

Gegenargument:

Im HANDELSBLATT vom 15.02.2000 werden unter der Überschrift ”Eichel betreibt Legendenbildung” folgende Gegenargumente formuliert (Zitat):

- ”Die deutschen Unternehmen ... haben zum Teil radikale Umstrukturierungen auch im Hinblick auf ihren Beteiligungsbesitz vorgenommen. Beispiele für diese Umstrukturierung gibt es zuhauf: Der Chemiekonzern Hoechst wurde zu einem Life-Science-Unternehmen umgebaut, die Metallgesellschaft, die Preussag, und viele andere deutsche Unternehmen haben sich völlig neu positioniert, und sie haben sich dabei selbstverständlich auch von Beteiligungsbesitz getrennt. Dabei waren die steuerlichen Rahmenbedingungen kein Hinderungsgrund.

Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Dass Banken und Versicherungen sich in den vergangenen Jahren nur in kleinerem Umfang von Beteiligungen getrennt haben, liegt keineswegs nur an den geltenden steuerlichen Rahmenbedingungen. Es gibt eine Vielzahl von strategischen Beteiligungen, von denen sie sich auch dann nicht trennen würden, wenn die Veräußerungsgewinne steuerfrei blieben.

Unternehmerisches Handeln ist eben nicht allein von der Höhe der Steuersätze abhängig. Im übrigen weisen Experten aus den Steuerabteilungen der Banken - allerdings hinter vorgehaltener Hand – darauf hin, dass Veräußerungsgewinne schon heute unter Ausnutzung aller steuerrechtlichen Möglichkeiten nur mit 15 Prozent besteuert würden.”

Weitere Gegenargumente:

Wer tatsächlich ”hohe Steuerverluste” bei der Beteiligungsveräußerung beklagt, muss sich bewusst sein, dass diese nur dann anfallen, wenn auch hohe

Veräußerungsgewinne entstehen. Im übrigen:

In den 70er Jahren hatten wir einen Körperschaftsteuersatz von 56 Prozent zuzüglich Gewerbesteuer. Wir stehen kurz vor der Einführung eines Steuersatzes, der

einschließlich Gewerbesteuer nicht weit oberhalb der von den Unternehmens- verbänden immer wieder propagierten Wunschformel ”35 Prozent inklusive

Gewerbesteuer” liegt. In einer solchen Situation müsste selbst die Ermäßigung des Steuersatzes auf Veräußerungsgewinne auf große Bedenken stoßen, geschweige denn ihre völlige Steuerbefreiung. Bekanntlich ist das Bundesfinanzministerium ja von seinem ursprünglichen theoretischen Konstrukt abgerückt, demzufolge bei voller Besteuerung von Veräußerungsgewinnen keine Veräußerungsvorgänge durchgeführt und deshalb auch keine Steuer anfallen würde. Abgesehen davon, dass das

Bundesfinanzministerium mittlerweile selbst jährliche Steuerausfälle von 4,2 Mrd. DM schätzt, liegt dem DGB zum einen eine Liste mit 300 Veräußerungsvorgängen seit Ende 1997 vor. Nicht alle diese Vorgänge sind mit ihren Transaktionsvolumen ausgezeichnet; aber immerhin gibt es 6 Fälle mit einem Transaktionswert von immerhin 26 Mrd. DM. Im Internet stellt das Bundesfinanzministerium selbst auf hunderten von Textseiten konkrete Fälle von Unternehmensübernahmen zur Verfügung. Niemand wird behaupten, dass es hierbei nicht zur Auflösung und

Versteuerung stiller Reserven, und zwar nach dem geltenden Steuerrecht, gekommen wäre.

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Die Kehrseite der Steuerbefreiung ist die Nicht-Abzugsfähigkeit von entsprechenden Verlusten. Damit wird derjenige belohnt, der mit Gewinn entsprechende Veräuße- rungsgeschäfte tätigt, während derjenige, der solche Geschäfte mit Verlusten beendet, auch noch steuerlich bestraft wird. Er könnte die Verluste nicht mehr mit anderen Ge- winnen verrechnen.

Schlussbemerkung:

In den Beratungen der Brühler Steuerreformkommission ist der Gedanke einer Steuerfreiheit von Gewinnen bei der Veräußerung von Beteiligungen zwischen Kapitalgesellschaften nicht ein einziges Mal aufgekommen – so fern lag dieser

Gedanke offenbar. Dies ist auch nicht verwunderlich; denn zu unserem Steuersystem hat neben dem Niederstwertprinzip immer als logische Konsequenz das

Realisierungsprinzip gestanden. Wer das Niederstwertprinzip verteidigt, darf das Realisierungsprinzip nicht vernichten.

7. Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren

(Neben der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen bei Beteiligungen zwischen Kapitalgesellschaften ist die von der Bundesregierung konzipierte Variante der Über- gangsregelung mit Ausnahme vielleicht der Umgliederung von EK 45 in EK 40 die großzügigste aller denkbaren Möglichkeiten. Die Bundesregierung geht nach dem Prinzip vor:”first in – first out”, d. h.: Jede Gewinnausschüttung – auch solche aus laufenden Gewinnen – wird behandelt, als wäre es eine Gewinnausschüttung aus alten Rücklagen. Hiermit überreicht die Bundesregierung den Kapitalgesellschaften

gleichsam einen Barscheck, den sie bei ihrem zuständigen Finanzamt einlösen können.

Die ”Brühler Empfehlungen” enthalten demgegenüber ein total gegensätzliches Konzept, das auf dem Prinzip beruht: ”last in – first out”. Dieses Ergebnis kam nach Abwägung aller Gründe und intensiver Diskussionen zustande, bei der sogar auch die völlige Streichung aller Steuerguthaben bei Beginn des neuen Systems eine Rolle spielte.

Die vorgenannte großzügige Variante der Übergangsregelung wird ergänzt dadurch, dass eine Heraufschleusung von EK 02 erst dann fällig wird, wenn überhaupt keine anderen verwendbaren Eigenkapitalanteile mehr vorhanden sind.

Das in den ”Brühler Empfehlungen” enthaltene Prinzip ”last in – first out” macht be- triebswirtschaftlich Sinn: Es wäre nämlich sichergestellt, dass nur über die

Ausschüttung aus laufenden Gewinnen hinausgehende Ausschüttungen herunterge- schleust werden könnten. Hier werden betriebswirtschaftliche Zwänge der Finanzie- rung von Investitionen aktiviert. Unternehmen, die ihre Investitionen über Rücklagen finanziert haben und keine andere Finanzierung wünschen, würden auch im Vollan- rechnungsverfahren diese Bestände der Investitionsfinanzierung aus betriebswirt- schaftlichen Gründen nicht ausschütten. Sie erhalten also mit dem von der Bundes- regierung gewählten Prinzip ”first in – first out” ein steuerliches Bonbon, das sie sich selbst nicht erträumt haben.

Zusammenfassung der Stellungnahme zum Regierungskonzept

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Der DGB befürwortet das Steuersenkungsgesetz insgesamt, hat jedoch auch grundsätzliche Bedenken wegen erkennbarer Risiken im Finanzierungstableau, die sich ggf. ungünstig auf die Finanzierung von prioritären Maßnahmen auf der Ausgabenseite auswirken können.

Der DGB kritisiert uneingeschränkt die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen bei Beteiligungen zwischen Kapitalgesellschaften und die weitaus zu großzügige Variante für eine Übergangsregelung vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren.

Der DGB empfiehlt eine Begünstigung von Kleinaktionären beim Halbeinkünfte- verfahren.

Auch bei Änderung des Gesetzentwurfes im Sinne dieser DGB-Stellungnahme verblieben einerseits noch genügend steuerliche Vorteile. Andererseits würde die Finanzierung der öffentlichen Haushalte erleichtert.

Teil 3

Zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU (Drucksache 14/2688)

1. Einkommensteuertarif (II., 1. und 2.)

Diese Vorschläge sind dem Regierungsvorschlag nachempfunden und in typischer Oppositionsmanier nach dem Grundsatz ”eine Schaufel drauflegen” konzipiert.

Die sogenannte ”Spreizung” ist bei dem vorgeschlagenen Spitzensteuersatz von schließlich 35 Prozent zuzüglich Gewerbesteuer gegenüber dem Körperschaft- steuersatz von 30 Prozent zuzüglich Gewerbesteuer mit 5 Prozentpunkten nicht viel geringer als die Spreizung beim Regierungstarif mit 8 Prozentpunkten als Unterschied von 45 Prozent ESt-Spitzensteuersatz und 37 Prozent Körperschaftsteuersatz ein- schließlich Gewerbesteuer.

2. Ermäßígter Steuersatz bei Betriebsveräußerungen

Der DGB lehnt die Wiedereinführung des hälftigten Steuersatzes bei Betriebs-

veräußerungen ab. Diese Begünstigung wurde bei der seit 1999 in Kraft befindlichen Steuerreform als Eckpfeiler von Steuervermeidungsmodellen richtigerweise

eingeschränkt. Es verwundert allerdings, dass im Unionskonzept die Wiederein- führung des hälftigen Steuersatzes für Abfindungen nicht erwähnt wird.

3. Unternehmensumstrukturierungen/Veräußerungsgewinne

Der DGB ist für die Beibehaltung der vollen Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Die Wiedereinführung einer Supersubvention nach dem Vorbild des § 6 b EStG in seinen früheren Fassungen wird abgelehnt.

4. Definitive Abgeltungssteuer auf Zinsen

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Eine solche Maßnahme ist wohl nur europaweit sinnvoll. Wir erleben aber, dass selbst eine 20%ige Quellensteuer bisher in der EU keine Chance hat.

Die Einführung eines Sondersteuersatzes für eine bestimmte Einkunftsart verstößt gegen den synthetischen Einkommensbegriff, dessen Beibehaltung von der Union unter dem Motto ”Gleichbehandlung aller Einkunftsarten” (I., Ziffer 4.) an die Adresse der Bundesregierung allerdings eingefordert wird.

Es bleibt auch unklar, ob eine solche Abgeltungssteuer mit späterer Anrechnung bei der Einkommensteuerveranlagung oder definitiv gestaltet werden soll.

Unklar ist auch die Beibehaltung oder Nichtbeibehaltung des Sparerfreibetrages.

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