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(1)

113

Die Namen der aramäischen Nation und Sprache.

Von Th. Nöldeke").

Das Alte Testament nennt Aram D'H« als eines der semiti¬

schen Hauptvölker (Gen. 10, 22). Ausserdem bringt es diesen Namen

in Verbindung mit einzelnen Orten und Gegenden Syriens, diesseits

und jenseits des Eupbrats ; es spricht von pis«i D"!« , Naia ü"!»

u. s. w., und mit D'j'^nD D'iN bezeichnet es Mesopotamien, von deni

ein Theil oder wohl nur ein einzelner Ort D'H« tib heisst Aram

redet eine eigne Sprache nin'^N, welche 2' kön. 18, 26 = Jes.

36, 11 in Gegensatz zur , jüdischen" (hebräischen) gebracht wird,

und aus Esra 4, 7; Dan. 2, 4 sehen wir , dass dies die Sprache

ist, die auch wir noch im wissenschaftlichen Sprachgebranch die

„aramäische" nennen, und welche bei den Griechen die „syrische"

hiess, eine Sprache , die wir in allen den Gegenden finden , welche

von den Hebräern ausdrucklich zu Aram gerechnet werden, jedoch

aucb noch in anderen. Der Name ist also eine wahre Nationalitäts¬

bezeichnung, nicht an geographische oder politische Gränzen gebunden.

Nach aller Wahrscheinlichkeit nannte sich die Nation selbst so *). Sagt

uns doch Posidonius, das Volk, welches von den Griechen 2vqoi, ge¬

nannt würde, nennte sich selbst 'Agafiaiot, und diese Kunde hatte

ef gewiss nicht von Juden , sondern aus seiner Vaterstadt Apamea

(Strabo 42). Und dazu haftet der Name Beth Armäje „Aramäer-

land" noch zur Säsänidenzeit und später an einer Gegend am untern

Tigris, der eigentlichen Kernprovinz des Reiches, worin Seleucia,

Ktesiphon, Köche und Mähüzä lagen. Wie schon Michaelis im Lexieon

syr. (S. 69) erkannte, deckt sich |*3aV/ nicht mit 'Aaavgia^

obgleich es Tobit 14, 4*) dafttr steht. Es wird unterschieden von

1) Kurz und mehr populär habe ich die Gegenstäude dieses Aufsatzes zum Theil behandelt im „Ausland" 1867 Nr. 33 und 34.

2) Vgl, über diese Ortsnamen meinen Artikel „Aram" in Schenkel s _ Bibel- Lexikon.

3) Ueber die Unwahrscbeinlicbkeit der beliebten Deutang des Namens

„Aram" als „Hochland" vgl. die beiden eben citierten Artikel.

4) Einmal steht da, wohl fehlerhaft, bloss )«2oi/.

Bd. XXV. 8

(2)

114 Nöldeke, die Namen der aramäischen Nation und Sprache.

B§th Garme „Garamaea" (Assem. I, 353), d. h. dem Lande,

welches nördlich vom untern Zäb begränzt wirdund von Maisän

. ü - > .

„Mesene" (ib. III, 1, 501) d. h. dem HyatOSyM. Es wird also et-

<• y '

wa das si^i sein, das eigentliche Babylonien oder dessen nörd¬

licher Theil. Dass dies Gebiet ziemlich gross war, geht daraus

hervor, das es einen eignen Marzbän hatte (Assem. I, 558). Es

versteht sich von selbst, dass diese Benennung hier nicht auf jtl-

dischen oder biblischen Einflüssen beruht ; sie bezeichnet das überaus

wichtige Land als Sitz einer aramäischen Bevölkerung im Gegensatz

zu den Herrschern, welche grade von hier aus das iränische Reich

lenkten. Wenn nun nach arabischen Angaben Köfa oder das 'Iräq

^jU-.^^..» „Syrerland" hiess (Balädori 276, 5; Jaq. s. v. ^Lä*»^_^~), und das Bundehesh 51, 17 (Justi) von ^.jLä*»j_j.*« am Euphrat spricht,

so ist das doch wohl die persische Uebersetzung jenes Naraens.

Derselbe findet sich schon in dem alten Martyrologium, das Wright

herausgegeben hat, S. 10, ferner vgl. Assem. III, 1, 391; Martyr.

I, 72 = Assem. I, 186; Land, Anecd. I, 5, 11 (wo J«<dV/

= ]i-^j KV «Chaldaea" gesetzt wird); ebend. Z. 4 v. u. (wo in

|«a:DVji jvoNsoj J'J»i^ *^äs letzte Wort natürlich in ^aaV/ umzuän¬

dern); Joh. Eph. 214 und 383. Alle diese Stellen betreffen die

Säsänidenzeit. Erwähnt wird der Name noch im Jahre 220 d. H.

bei Mai, Nova coli. X, 274a und sogar noch später in einer Un¬

terschrift im mandäischen Qolasta, wo sich aus der Menge von

Varianten — die letzten Schreiber kannten den Namen nicht mehr

— mit Sicherheit (oder N"«»^«) «■'■'NKiN"!« r-'a il NT11-1N73 „Mä¬

hüzä im Aramäerlande" als Mese Lesart erkennen lässt *). Ein

1) Die genauen Gränzen von Garamaea nacii West und Süd Icann ich

nicht feststelleu. Sicher ist es aber eine Verwirrung, wenn arabische Schrift¬

steller von imM.^ in Mosul und sogar in Syrien (vgl. Hamza ed. Gottwaldt fo, rl und bei JäqÖt 1, 26) sprechen. Dieser Missbrauch wird, wio vieles Derartige , auf Ibn Wahsiyä zurückgehn , der einmal mit klaren Worten die SiUl^s» richtig mit den Bewohnern von L_/«j>Lj , ]2D»,^fck«3 identificiert (Chwolsohn, Bab. Liter. 178) und Beide dann wieder unterscheidet (ebend. 44.

Anm. 81). Bei den &5.«Li»i in Syrien (die Ibn Wahsijä nicht zu haben scheint) könnte man freilich an eine Verwechslung mit den s*j&.tj> im Nu- sairiergebirge denken (siehe Baladori 159 ff.). Jedenfalls ist es unerlaubt , mit Chwolsohn G a r.i miq a als identisch mit den Assyriern zu betrachten.

2) Qoi. ed. Euting 50a, 19. NiiNJSNnN niS haben zwei Handschriften;

NiiN73nN (ohne niS) hat eine; zwei geben NiiNHTl '3 („Römerland"), eine

«•iiNa-lN 'a („Araberland"), eine Ni-'N73nNp 'S („Land der Ersten"). Auch der Name NTIHNTJ ist mehrfach entstellt.

(3)

Nöldeke, die Nainen der aramäischen Nation und Sprache. ]15

Mann aus dieser Gegend heisst ji»V , vgl. Assem. I, 353 ff., wo un¬

ter den „Persern" (Leuten aus dem persischen Reich) neben Männern aus Chüzistän, Beth Garme u. s. w. auch ein „Aramäer" ist. Wenn der mehrfach bei Assem. genannte J.>r»</ oo / einmal (I, 354)

i-SoV fckO jao/ heisst, so ist das wohl ein Fehler und zu lesen

'j jao/. Der j«2oV JjJ^ als ein besonderer Dialect

(vgl. Larsow, de dial, linguae syr. reliq. S. 9 ff.) ist gewiss auch die Mundart dieser Gegend.

Kein Gewicht lege ich darauf, dass Harrän )oV geheissen

haben soll (vgl. Payne-Smith s. v.); das ist vermuthlich nur eine

Abstraction aus dem Namen |.jdV/ , der hier „Heidenstadt"

bedeutet ; siehe unten.

Aber man sieht, der Name war für Volk und Sprache von

Damascus bis jenseits des Tigris verbreitet. Und dennoch ist der¬

selbe fast schon verschwunden, als die aramäische Nationalität noch

weit von ihrem Untergang war. Die Griechen haben den Namen

„Aramäer" nie eigentlich gekannt; ausser Posidonius (dem Strabo

folgt) nennt ihn uns nur noch ein andrer Orientale, Josephus (Ant. 1,

6, 4). Dass Homer bei den"Egefißot oder in den Worten eiv 'Agifioig

an sie dächte, ist sehr unwahrscheinlich. Die Griechen nannten das

Volk „Syrer". Scbon Seelen (de Dis Syris, prol. cap. l) erklärte

2vQioi oder ^vqoi für eine Verkürzung aus 'AaavQioi. „Syrer"

nannten die Griechen nämlich zuerst die Unterthanen des assyrischen

Reichs schlechtweg, ohne Rücksicht auf Nationalität, fixierten dann

aber diesen Namen (im Gegensatz zu der volleren Form, die sie

für die Tigrisgegenden gebrauchten) auf die nordwestlichen Semiten¬

länder und bezeichneten damit endlich die in diesen vorherrschende

Nationalität, so dass nun allerdings ^vqoi, = 'Agafiaioi, war. Was

ich hier kurz behaupte, habe ich ausführlich in einem dieser Tage

im „Hermes" erscheinenden Aufsatz dargelegt, auf den ich die Leser

verweisen muss. Auch die Aramäer selbst uabmen mit der Zeit

diesen griechischen Namen, „Syrer" an. Bei aller Üebermacht

griechischer Herrschaft und Bildung wäre das wohl unmöglich ge¬

wesen, wenn nicht ein noch gewaltigeres Moment hinzugetreten wäre,

der Religionswechsel. Quatremcre (Jour. As. 1835 F6vr. 122 f.)

nabm nun einfach an, die neubekehrten aramäischen Christen hätten

sich des Namens ihrer heidnischen Volksgenossen geschämt und des¬

halb gemeint, dass sie mit der neuen Religion auch einen neuen

Namen annehmen müssten, als welchen sich das im Neuen Testa¬

ment vorkommende 2vqoi, dargeboten bätte. Aber damit ist dieser

Vorgang nicht hinreichend erklärt. Vielmehr ist hier der jü di sch e

Sprachgebrauch zn berücksichtigen, worauf schon Bocbart (Phaleg

2, 5) hinweist. Die Juden nannten fast alle ihre heidnischen Nach¬

barn, weil dieselben von Alters her oder seit Kurzem aramäischer

Zunge waren, ohne Rücksicht auf ihre Abstammung „Aramäer";

8*

(4)

116 Nöldeke, die Namen der aramäischen Nahen und Sprache.

Josephus gebraucht in ähnlicher Weise JSvqoi (vgl. z. B. Ant. 13,

15, 4; Bell. Jud. 2, 18). So bekam bei den Juden der Name „Ara¬

mäer" die Bedeutung „Heide". Dieser Sprachgebrauch ist bei ibnen

allgemein, vgl. Buxtorf und Levy s. v. So gebraucbt u. A. Ismael

niniN für „Heidinn" (Jer. Meg. 4, 10 [75 c] ')). So hat ferner eine

schon in der Mischna Meg. 4, 10 verworfene Uebersetzung smiTJlN

für „Heidenthum" (Lev. 18, 21), und auch das officielle Targum

zum Pentateucb gebraucht dieses Wort (Lev. 25, 47). Mit vielen

andern jüdischen Ausdrücken *) behielten die syrisehen Uebersetzer

des Neuen Testaments auch diesen bei; die Peschita sagt i«2oV

Gal. 2, 14 = "EXlrtv, Plur. j^^V/ Acta 19, 10, 17 u. s. w. =

"Ellrivsg; Gal. 2, 14 = i&vixüg. Ebenso hat die dem

jüdischen Sprachgebrauch noch näher stehende palästinische Ueber¬

setzung der Evangelien ^»V» J"'^- 20, Marc. 7, 27 =

"EXXtjveg *). Einen Namen , der nach biblischer Autorität „Heiden"

bedeutete, konnte man aber doch nicht weiter führen, und da lag

es allerdings nahe, das durch profanen und heiligen Gebrauch der

Griechen empfohlene 2vqoi, (J.JVqod) zu adoptieren. Als nun all¬

mählich Syrien, Mesopotamien und selbst die Länder jenseits des

Tigris ganz oder fast ganz dem Christenthum gewonnen waren, da

gab es überall nur „Syrer", nicht mehr „Aramäer". Wurden die

Anhänger des alten Glaubens in Harrän „Aramäer" genannt, so

bedeutete das eben bloss „Heiden", wie diese Stadt ja auch wobl

als 'EXXrjvonoXi^ „Heidenstadt" bezeichnet ward.

Nicht bloss die Schriftsprache der aramäiscben Christen (der

Dialect von Edessa*)) ward „syrisch" genannt, sondern auch die

Juden nannten so — ■'OUD liiöb avQißri — die aramäische Sprache

ohne Rücksicht auf den Unterschied der Mundarten. So heisst es

im Talm. Jerus. Sota 7, 2 (21c): pnv '1 Qiön i^ans ia bNinia 'i

»^'r, n-iainaan D-iNiaiaT niinaia -isiTa bp •'ono piab «ni nVö

a-Tis D-'N-'asa .smnnia iai lab» ib Nip-»! a-ris nnna .njjN

•^bTib D-'Tiaart iiaTii a-inD ci'^ainaa .pnb, pin-ri nsia

r 173 IN (vgl. Beres. R. sect. 74). Hier wird also die Würde dieser

Sprache aus dem Gebrauch von „syrischen" Wörtern und Stellen in

allen drei Bibeltheilen, Gen. 31, 47; Jer. 10, 11; Dan. 2, 4 nachge¬

wiesen ; das Biblisch-Aramäische heisst schlechtweg „syrisch", piab Nin lono „das ist ein syrischer (aramäischer) Ausdruck" (näralich

^Dbn, als käme es von DD3, dessen Impt Dia) sagt Mechiltha zu Ex.

1) Dafür setzt Jer. Sanh. 9, 11 (27 b) in demselben Ausspruch das Ver¬

ständlichere n^lS „Heidinn", Bab. Meg. 25a niniD „Samariterinn" (vgl.

Sanh. 82 a).

2) Vgl. Perles, Melet. Pesch. 21 ann. b.

3) Siehe diese Ztschr. Bd. XXI, 517.

4) Auch ^¥OfJ 6kOJ \isi^ „Sprache von Mesopotamien" genannt (Euseb.

de Stella ed. Wright 7, 4*).

(5)

Nöldeke, die Namen der aramäischen Nation ttnd Sprache. Wl

12, 4 (vgl. Jerus. Pes. 5, 3 [32a]-, Bab. Pes. 61a); bier handelt

es sich um die aramäische Vulgärsprache Palästina's. Ebenso ist

es Jer. Nedar. 10, 10 (42a) und Ex. R. 42 (gegen Ende), wo A.

Brüll, Fremdsprachl. Redensarten in d. Talmuden S. 33 nach Rapo¬

ports Vorgange die Entstellungen TiDailiD und pur'no in liDDi-nö

avQiari verbessert. Wenn nach Jer. Meg. 1, 11 (7 lb); Sota 7, 2

(2lc); Esther R. 3 in fine (wo ^OnD in iDIiD zu verändern) piab

lOno für die Todtenklage (niibs) geeignet ist , so ist das wohl ein

Ausdruck der öfter geäusserten Abneigung gegen diese Sprache, die

man nicht entbehren konnte und die doch DiriDisa bp war. Ueb¬

rigens scheint diese aus dem Griechischen stammende Bezeichnung

der Sprache bei den babylonischen Juden nicht üblich gewesen zu

sein. Wenn daher im Babeli steht bNiiai yiNS iai ihn

qOTi a-i niDiT« Tiiob IN 'cnpfi psjb i« Nb« n»b lono p«b

1D1D iiusb IN laiipM pab IN ™b i»"iN pwb baaa Sota 49 h (vgl.

Baba k. 82b unten) „Rabbi sagt: wozu soll im Lande Israel's die

syrische Sprache dienen ? entweder gebrauche man die heilige Sprache

(Hebräisch) oder die griechische. Rab Joseph sagt : wozu in Babel

die aramäische Sprache? entweder die heilige Sprache oder die

persische", so soll damit nicht, wie man wohl gemeint hat, ein

Gegensatz des palästinischen („syrischen") und babylonischen („ara¬

mäischen") Dialects ausgedrückt werden, sondern der Babylonier

Rab Josef benennt die Sprache wie es in Babel, der Palästinenser

Rabbi , wie es in seiner Heimath üblich ist. Der strenge Paralle¬

lismus beider Aussprüche über die Verwerflichkeit der Vulgärsprache, die zu heiligen Zwecken durch die hebräiscbe, sonst durch die Reichs¬

sprache zu ersetzen wäre, ist wohl ein bischen mit auf künstliche Nach¬

hülfe zu schreiben, die in solcben Fällen öfter anzunehmen. So finden

wir im Babeli noch mehrmals i?3lN p«b z. B. Sanh. 38b; Baba b. 8».

Aber die Palästinenser gebrauchten wohl nnr „syrisch", und ihnen

folgt Jehuda b. Qorais, der das Aramäische des Alten Testaments

wie des Onkelos und Jonatban ^L}^ nennt; vermuthlicb tbun das

auch die andern arabisch schreibenden Juden. Dass die lebende

Sprache auch der nicht jüdischen Bewohner Palästina's (vor der

arabischen Zeit) „syrisch" genannt wurde, zeigt Quatremere (a. a.

0. 251 f.) aus Hieronymus u. s. w. vgl. noch Euseb. Theoph. 4, 6

(S. 3, 10 f); 4, 8 (S. 3, 13); 5, 26, 3; 5, 46 (S. 2, 3 v. u.).

Wir sahen nun aber, dass der babylonische Talmud wenigstens

die Sprache noch „aramäisch" nennt, was ja auch alttestamentlicher

Gebrauch ist. So haben denn selbst die Syrer nocb manchmal

von der „syrischen Sprache" überhaupt, denn hier war

ja keine Verwechslnng mit „heidnischer Sprache" möglich. Zu den

p pOP

ziemlich zahlreichen Beispielen bei Payne-Smith s. v. füge

noch hinzu Land, anecd. 1, 30, 6 ^ ^-p>.o>i « J.'j>r\\ joogcdi

(6)

118 Nöldeke, die Namen der aramäischen Nation und Sprache.

l^i^iJJ |«2000)» Jü^ „ weltliche Gesetze , tibertragen aus dem Römi¬

schen in's Aramäische" (dagegen Trans. Mariae ed. Wright S. 8

J ■ .« ftor\ |jQ^ ^ fcüQSu «es ward übersetzt aus dem Griechischen in's Syrische" und so sebr oft); Martyr. II, 170: „Prokop (um 300)

hatte das Amt eines Dolmetschers aus dem Griechischen in's Ara¬

mäische"; vgl. nnten S. 131). Alle diese Stellen sind ziemlich alt.

Eine blosse gelehrte Floskel ist es jedoch, wenn noch späte Schrift¬

steller wie Salomon von Basra (Assem. III, 1, 314) und Barhebr.

(gramm. metr. 2 v. 8) von „aramäischer Sptache" reden.

Hier machen nun aber die Syrer einen Unterschied in der Aus¬

sprache. Nach mehrfachen Angaben der Glossenschreiber (am besten

zu übersehen bei Payne-Smith) heisst „Aramäer, aramäisch" (vom

Volksnamen) )1»V, fc^^JjoVt dagegen „Heide, heidnisch" j^i?,

Daneben finden wir freilich, dass auch die östlichen Syrer (die

l'l-.. i ,v% oder „Nabatäer") im Allgemeinen j^V? heissen, vgl. ausser

Payne-Smith noch Larsow, de dial. 10 nach Bar Ali und Petr. Nov.

Femer sagt Barhebr. (nach Payne-Smith), die östlichen Syren läsen

2 Reg. 18, 26 fewjaaiV Denselben Gegensatz haben nun auch die

jüdischen Quellen. Im Onkelos wird der „Aramäer" iiNWIN punc-

tiert (Gen. 25, 20 u. s. w.), ein „Heide" inmin (Lev. 2V, 47). So

sprechen auch die Aethiopen, zu denen syrische Missionäre manchen

Ausdruck aus ihrer Sprache gebracht haben, ärämäwi (aramäi,

ärämi) = „Heide, heidnisch"*), also mit kurzen Vocalen vorn.

Hier liegt nun eine meines Wissens bisher ganz übersehne Schwie¬

rigkeit. Larsow in der oben citierten Schrift, die sich nicht über¬

all dnrch besondere Schärfe der Auffassung auszeichnet, meint jl»»'/

p 0""

wäre bloss eine mundartliche „chaldäische" Ausspracbe von

Aber wo hat ein solcher Wechsel im Aramäischen ein Analogon?

Larsow dachte wohl an die doppelte Aussprache des-i_(Z'qäfä)

als d oder 6. Ja, wäre der Unterschied zwischen jioV/ (ohne Vocal

des r) und JioV?, dann wäre die Sache sehr einfach; wir sähen

dann in letzterer Form nur eine Vocalverkürzung : armäje statt

armäje, wie in dem beliebten, wenn auch nicht correcten, "V.»-vi\\ *

statt ^vn\'v j Vttb? statt VJby u. s. w. Aber der zweite Radical

1) Leider Iiabe ich jetzt nicht einmal eine Urmiaer Ausgabe zur Hand, nm nachzusehen, wie die hier punctiert. VVer Gelegenheit hat, über die Puncta¬

tion von I^SSV/ und l^jsDl/ in guten nestorianischen Bibelhand¬

schriften Untersuchungen anzustellen, würde mich durch Mittheilung seiuer Resultate in dieser Zeitschrift oder sonstwo ausserordentlich verpflichten.

2) Vgl. Dillmann's Lexieon s. v. Einmal kommt das Collectiv a r m äj ä ohne a nach dem r vor (ebend. vgl. Gramm. S. 249).

(7)

Nöldeke, die Namen der aramäischen Nation und Sprache. 119

der längeren Form hat ja auch einen langen Vocal, von dem in

der andern keine Spur ; die Ausstossung jenes d (ö) wäre ohne Bei¬

spiel. Es ist wirklich auffallend, dass noch Niemand bis jetzt ge¬

sehen hat, dass mit den gewöhnlichen Lautgesetzen die eine Form

aus der andern nicht erklärt werden kann. Als Grundform des

Namens dürfen wir äräm ansehn. Dafür spricht das masorethische

DIN (wofür allerdings DIN zu erwarten wäre wie St. estr. DIN,

Gentilicium ittlN (mit secundärer Verdoppelung wie in DiVffi) neben

dem adverbial gebrauchten niMIN (wie Di'na'i). Dieser Forin würde

im Syrischen )o»p entsprechen Davon ist ganz correct gebildet

^^h}, iNWlN (wie jovi' 'äräb). Von dem zweiten ä wird

ursprünglich als Rest ein ganz flüchtiger Vocal (Schwa mob.) übrig

geblieben sein wie der, welcher in ]^0)y, J^AA n. s. w. (aus dahabä, tal abä) die Aspiration des dritten Radicals bewirkte *), ein Laut, der

in den oben angegebenen äthiopischen Formen aramäwi u. s. w. und

im Mandäischen ni^NMNIN (siehe oben S. 114) noch als a erscbeint ').

So mit kurzem a vorne sprachen nun auch, wie wir sehen, die im

1) Allerdings erscheint im Syrischen der kurze Vocal in anlautender offener Silhe , der nach jedem andern Consonanten zu Schwa mob. verflüchtigt würde, nach / gewöhnlich ohne Rücksicht auf den Ursprung als e, doch erhält sich zuweilen aueh hier a, vgl. p/ , )o)S/, „Erde",^Qo/ „iss",^^*o/

,, gegessen" u. s. w. Dass das a hier nicht (wie in andern Fällen allerdings) durch Verdopplung geschützt wird , zeigt das Rukkäch mehrerer der genannten Formen. (Nicht hierher gehört f-"^/ „verloren", welches nicht ^jjts sondern

• • • "-

J-otS ist, eine Bildung, die bei Verbaladjectiven neben intransitiven Verben sehr verbreitet ist, vgl. ^^1./ u.s. w.). Die Nestorianer sprechen noch in einigen Fällen a, wo die westlichen Syrer e haben; vgl. Barh. zu Jes. 24, 4,

p

dessen Angabe durch die Punctation JJ/^JJ/ ej ula vit in der Uimiaer Aus-

• e

gäbe bestätigt wird. Die andern aramäischen Dialecte theilen die Vorliebe für anlautendes 'e statt 'a noch weniger, wemi aueh in ihnen beide Anlaute mehr¬

fach schwanken (wie im Hebräiscben N und N), zum Zeichen, dass die Aus¬

sprache des Vocals hier nicht sebr klar war.

2) Siehe meine neusyr. Grammatik S. 90.

S >

3) Aehnlich zeigt die arabisierte Fonn OjXi/o u. s. w. noch die ursprüng¬

liche Vocalisation des zweiten Radicals, welche im Hebräischen ril5bn Safe des 5 bewirkt, während für das Syrische schon LOS^SO obne Aspiration vor¬

geschrieben wird.

(8)

120 Nöldeke, die Namen der aramäisclien Nation und Sjirache.

Allgemeinen conservativeren Bewohner des Ostens ihren eignen Volks- - o t

namen. Auch die Araber haben in der Form ^jL«,! (ob j,L,«^! oder

. -E

ilU^i , weiss ich nicht) keine Spur des langen nach dem r. Also

ist armäje resp. aramäje als der wahre Name des Volkes anzu¬

sehn. Die andere Form ärämäje oder nach der andern Aussprache

örömöje ist eine künstliche Nebenform, bloss gemacht, um die

Bezeicbnung der Nation von der der Götzendiener zu unterscheiden.

Man sprach nämlich den D'^^5 des Alten Testamentes (den man natür¬

lich als eine Person auffasste) nach der durch die Analogie der

hebräischen Gramraatik geforderten (und gewiss auch in jüdischen

Schulen vertretenen) Weise üin yoS} wie BT N )oj(' und bildete davon

wie jaabj/. Dass aber diese Form, nicht auf volksthüm-

lichem Wege entstanden, ergiebt sich scbon daraus, dass keiue

aramäische Nominalbildung ist. Der riN'B'nN des Onkelos lehnt sich

noch deutlicher an das hebräische iMIN än.' Natürlich mussten aus

dieser doppelten Vocalisation des Nauiens viele Verwechslungen in

der Aussprache hervorgehen, vgl. die Wörterbücher. Andrerseits ist

es oft zuweilen unsicher, ob wir \ „Aramäer" oder „Heiden"

übersetzen müssen. So z. B. bei Jacob von Sarftg, wenn er den

Abgar |.jDiV ;i5 ') nennt (Cureton, anc. doc. 97, 12)-, vermuthlich soll es hier allerdings „der Sohn der Heiden" sein.

Der Name der Aramäer war den Arabern nicht ganz unbekannt.

Bei Schriftstellern wie Hamza, Mas'üdi u. s. w. ist es freilich ein

bloss gelehrter Name *), aber dass er ursprünglich auch einmal volks¬

thümlich bei den Arabern war, scheint sich daraus zu ergeben, dass

wir allerlei Traditionen über die ^.^^L«^! haben, die nicht wobl

allein durch Aramäer selbst vermittelt sein können. Ibn Alkalbi

erzählte von den ^ ,^*iuo^! und ihrem König Bäbä (nbb) im 'Iräq,

die mit den Ardawäniern (den letzten Arsaciden) kämpften und zu-

1) j«2Dy/ ist liier dreisylbig gebraucht, doch entscheidet das nicht über die Aussprache, da ja eine anlautende Silbe, aus ( und einem Vocal bestehend, nicht gezählt zu werden braucht, also auch ärämäje für dreisilbig gelten kann.

2) Ganz auf jüdisch biblische Nachrichten geht zurück und also völlig werthlos für uns ist natürlich , was die Araber über |»l.«< f-ji f)\ DIW 12 DIN sagen ( vgl. z. B. Ibn Qutaiba 14 ; Jaq. II , 588, 7). Der Qämüs giebt die

t

hebräische Aussprache in seiuer Form |»l^t (wie i-jLiS") ganz genau wieder. —

Anch die Zusammenstellung vou Aram mit dem des Korans ist schwer¬

lich richtig. *

(9)

Nöldeke, die Namen der aramäischen Nation und Sprache. 121

letzt wie diese vom Gründer des Sasanidenreichs überwunden würden

(Ibn-Al'atir I, 244, 275; vgl. Albakri in der Einleitung, wo aus

Versehen geschrieben ist). Diese Aramäer sind vielleicht

gradezu die Bewobner des oben besprochenen |.Jo¥/ NoDiese

Nachricbten mögen im Einzelnen nicht viel besser sein als die von

Tadmor und der Zabba, aber sie beruhen jedenfalls auf mebr popu¬

lärer als gelehrter Tradition. Doch war der Name der Aramäer

zur Zeit der grossen Eroberungen der Araber offenbar schon ganz

in den Hintergrund getreten. Die Gelebrten wissen nichts Rechtes

mehr damit anzufangen ; sie verwechseln ihn oft mit dem der Arme¬

nier f,.,.«,l) eine Verwechslnng, vor der freilich die Syrer selbst

ß 9",

warnen müssen (Payne-Smith s. v. |*»v> ^ß^- das Beispiel dieser

Verwecbslung oben S. 114). Stellen, in denen die ^^aJU^I citiert wer¬

den, giebt Quatremere a. a. 0. 118 f ; sie liessen sich jetzt noch etwas

vermehren. Was die Bildung dieser arabischen Form betrifft, so

gleicht sie der von j^Lj^, j.Lj^j*), J.lwxif^, J,!j*c u. s. w. Obwohl

die uns bekannten aramäischen Formen pbV, ^-ioCD, |iia<'u. s. w.

kein ä n enthalten, so zweifle ich doch nicht daran, dass die Araber hierbei (wie in J,L*-jj =^A^oS u. s. w.) wirklich aramäische Formen

auf änäi nachahmten (vgl. Ewald, gramm. arab. § 264).

Weit besser als den Namen der „Aramäer" kennen die Araber

den der ^^ß^'i^y^ , Sie gebrauchen diesen ganz als Nationalitäts¬

bezeichnung nicht bloss von den Bewohnern Syriens, sondern auch

denen Babyloniens und Assyriens, auch von der Sprache vgl. z. B.

Jaq. s. V. ^JlÄ*»JJ.*»; „Sürastän ist das 'Iräq : ^y^*jLjj**.J! ^-^ij L^Jl^

S.JLj^vuJi |»4i*Jj _LaA-i.j'l Sj, ferner s. v. ^1^^ wo Hamza als Quelle

t -Ol

citiert wird. Ibn Muqaffa gebrauchte den Namen liU^*» für die ara¬

mäische Grundlage der Huzwares-Schrift (QuatremCre a. a. 0. 225 f );

er wie Hamza (der wohl aus ihm schöpfte) haben hier nicht die

Mundart von Edessa, sondern die von Babylonien im Auge. liLij«-

von der Sprache finden wir u. A. noch bei Jaq. s. v. I^^Lj (Bigoia),

das er nach einem leicht erklärbaren Irrthum für den syrischen

Nanien von Haleb hält.

1) Mas'fldi XI, 161 nennt den Bäba „König der Nabatäer".

2) So punctiert mit Kecht das Lubb-allubäb.

(10)

122 Nöldeke, die Namen der aramäischen Nation und Sprache.

Daneben haben aber die Arab'er noch einen ganz eignen Namen

für die Aramäer. Sie nennen sie näralich „Nabatäer" (Ja*j , Ja^+i ,

oO - - - . '

JjLji , der Einzelne heisst , aber auch oder JjLj ^)),

' *

Quatremere, der diesen Sprachgebrauch zuerst klar an's Licht ge¬

bracht hat, stellte bekanntlich die Ansicht auf, die Nabatäer wären

Aramäer aus Babylonien, welche Colonien nach dem 'Westen ge¬

schickt und dort das Eeich von Petra gegründet hätten. Diese

Ansicht hat zwar auf den ersten Blick Manches für sicb, aber schon

ihr Urheber sieht sich zu allerlei künstlichen Annahmen genöthigt,

um sie gegen sehr nahe liegende Einwürfe zu vertheidigen. In¬

zwischen ist vortreffliches neues Material zur Beurtheilung dieser

Fragen gewonnen, und Quatremere's Hypothese ganz unhaltbar ge¬

worden. Die NaßtttaioL in Petra sind entschieden Araber *).

QnatremCre's Ausrede, sie würden bloss Araber genannt, weil sie in

Arabien wohnten, ist hinfällig. Die Könige der Nabatäer heissen

grade vorwiegend Könige „der Araber" und zwar nicht etwa bloss

bei Schriftstellern, denen jene Gegenden ganz unbekaunt waren,

sondern auch bei Josephus, der doch wohl zwischen Arabern und

Syrern zu unterscheiden wusste. Ja einige Gegenden jenseits des

Jordans und des todten Meers, welche sonst allgemein zu Syrien

gerechnet wurden, sind erst, seitdem sie den Nabatäern unterworfen

waren, als Theil Arabiens betracbtet worden (so wurden aucb Bostra

und das Haurän schwerlich in älterer Zeit zu Arabien gezählt).

Also haftet der Name „Araber" grade an den Nabatäern selbst.

Nnn wissen wir jetzt auch, dass nicht bloss die Nabatäerkönige

ausnahmelos rein arabische Namen führen , sondern dass auch fast

in ihrem ganzen Reich (rait Einsehluss der Sinaihalbinsel) bis in

die ersten Jahrhunderte unsrer Zeitrechnung hinein fast nur arabische

Personennamen vorkoraraen, und zwar wesentlich von derselben Art

wie die bisher bekannten aus dem 6. nnd 7. Jahrhundert Endlicb

ist die auf Münz- und Steininschriften erscheinende Form des

Volksnamens lua: mit auslautendem u entschieden arabisch. Wir

können aus diesen Umständen sicher scbliessen, dass die Nabatäer

von Petra arabiscben Stammes waren. Aber freilich wissen wir

ferner, dass sie nicht bloss lange vor Christus in Staatssachen mit

fremden Mächten syrisch correspondierten — daraus folgte sogar für

die Schriftsprache, die sie unter sich anwandten, noch gar Nichts,

denn das Aramäische diente damals mehrfach als Staats- und Diplo¬

matensprache —, sondern auch, dass sie sich noch später in ihren

eignen Inschriften ausschliesslich des Araraäischen bedienten. Ich

1) So sagt wenigstens der QämCls. Letztere Form wäre wie ^.^L*j ^ (»Lii.

Ich hätte aber gern einen sicheren Beleg dafür. * *

2) Zum Folgenden vgl. meine Ausführung in dieser Ztschr. XVII, 706 f,

(11)

Nöldeke, die Namen der aramäischen Nation und Sprache. 123

glaube kaum, dass man meine früher gegebne Erklärung dieses Um¬

standes zu künstlich finden wird: das Arabische galt damals noch

als ein rohes Patois, das zum schriftlichen Gebraucb ganz ungeeignet

wäre. Fände man in jenen Gegenden nur griechische Inschriften,

so schlösse Niemand daraus, dass hier eine griechisch redende Be¬

völkerung gelebt hätte, sondern man würde darin nur das überwiegende

Ansehen des Griechischen als Culturspracbe erkennen. Eine ähn¬

liche Stellung nahm nun aber damals das Aramäische weit und breit

in Vorderasien ein.

Nun liegt aber freilich die Annahme nahe, dass es die Naba¬

täer nicht immer bei dem schriftlichen Gebrauch des Aramäischen

bewenden liessen, sondern dass die in den benachbarten gebildeten

Ländern allein herrschende Sprache allmählich auch im mündlichen

Verkehr bei ihnen überhand nahm, wie sie das in Palästina gethan

hatte. Der starke Cultureinfluss, welcher sich in der Annabme des

Aramäischen als Schriftsprache zeigt, konnte ja am Ende auch die

Folge haben, dass die als rohe Araber in die Welt eingetretnen

Nabatäer nach und nach aramaisiert wurden. Dieser Process mag

sehr beschleunigt sein durch den Verlust eines festen Halts seit der

Zerstörung ihres Reichs. Dass die Nabatäer zuletzt wirklich ara¬

mäisch sprachen, scheinen uns jüdiscbe Nachrichten sicher zu stellen.

Jer. Ned. 1, 2 (37») heisst es: nddd NBOnb p^lp pjii iNrrns pb^N

„jene Nabatäer, die für nson („Scherbe") NSOD ^) sagen" (vgl. Jer.

Naz. 1, 1 [51»]). Hier ist doch von rein aramäischen Wörtern

die Rede*). Ferner werden uns in palästinischen Quellen mehrere

entschieden aramäische Wörter als „in Arabien" gebräuchlich ange¬

führt, siehe Brüll, Fremdsprachl. Redensarten S. 41 ff. Dabei müssen

wir gewiss an's Nabatäerland denken, denn im Inneren Arabiens

gebrauchte man sicher keine solchen Wörter wie N^sp („Schauer")

= NiaJM, Nni'iy („Beute") = «nta u. s. w. Das stärke Schwanken

der Laute des Nabatäernamens in jüdischen Quellen, das nur zum

Theil aus Textverderbnissen zu erklären ist, deutet endlich auch

darauf hin, dass er von ihnen selbst auf aramäischeWeise gesprochen

wurde. Ich meine hierbei nicht so sehr den Wechsel des dritten

Radicals D mit n, der sich vielleicht schon auf einer nabatäi¬

schen Münze findet'), als den des a mit e und \ Dieser weist

1) Sie spraclien wohl das H (^) wie 5 (^).

2) Denkbar wäre freilich immer noch, dass sie eben nur im Verkehr mitf Aramäern deren Sprache zu gebrauchen suchten und sie schrecklich radebrech- teii, während sie unter sich arabisch sprachen.

3) Das hängt nämlich von der Voraussetzung ab , dass die Münze bei de Luynes, Monnaies des Nabat. tab. XV nr. 11 vollkommen genau abgebildet ist;

dann steht da allerdings, wie Levy in dieser Ztschr. XIV, 371 annimmt, IHiS für das sonst stets 11235 geschriebene Wort. Aber wenn man bei dem dritten Buchstaben unteu nur einen kleineu Stricb ergänzt, so erhält man ein ertiäg- liches U.

1 2

(12)

124 Nöldehe, die Namen der aramäischen Nation und Spraehe.

nämlich entschieden darauf hin, dass man den zweiten Consonan¬

ten nach aramäischer Weise aspirierte (mit Rukkäch oder Räfe

sprach); das hätte man wohl kaum gethan, wenn das Volk nicht

selbst so gesprochen. So haben wir neben üa3, iNt335 Jes. 60, 7;

Targ. Ezech. 27, 21; Jer. Schebiit 6, 1 (36b) ^ndi: (iNDirs) Targ.

Jer. Gen. 10, 13; Targ. 1 Chron 1, 11; Gen. R. 44 in fine, 48;

Schabb. 121b; ^Nm: Ab. zara 36» und iNns: Jer. Sanh. 9, 11 (27b).

Jer. Baba b. 8, 8 (16b), wofür Baba b. 56» corrumpiert NmnDS steht").

Durcb die Zerstörung des nabatäischen Reichs hatte die unver¬

ständige Eroberungssucht Trajan's selbst einen der Dämme weggerissen,

weiche der Ueberschwemmung durch die Barbaren wehrten. Nun

begannen sich frische arabische Stämme auf die ehemals zu jenem

Staat gehörigen Theile des alternden Weltreichs zu stürzen. Da

fanden diese Araber ihre ursprünglichen Stammverwandten, die

Nabatäer, ganz verändert; sie waren jetzt Ackerbauer mit aramäi¬

scher Sprache. So gewöhnten sich nun die echten Araber, alles

aramäisebe gemeine Volk „Nabatäer" zu nennen. Ihn Alkalbi sagt

bei Jaq. s. v. i>.j^ (III, 634, 16) „alle Bewohner der beiden Länder (Syriens und des 'Iräq), die weder Hirten (Beduinen), noch Soldaten

tw O )

(_5l\as>.) bei den Arabern, sind Nabatäer". Von den Bewohnern

grosser Städte wird dieser Ausdruck ursprünglich kaum gebraucht ;

fast immer sind Nabatäer Bauern und zwar stets aramäischer Zunge.

Der Name hat daher leicht etwas Verächtliches, wie ja der Beduine

selbst auf den arabischen Felläh tief herabsieht; übrigens drückt

sich ja schon in dem ismiD pb^N der jüdischen Quellen Gering¬

schätzung aus. Nach der Zerstörung ihres Reichs werden eben die

wahren Nabatäer materiell und geistig heruntergekommen sein.

Nun müssen wir aber zunächst zeigen, dass der Name „Naba¬

täer" aucb wirklich in älterer Zeit von den Arabern auf die Land¬

bevölkerung Syriens angewandt ist In der Miskät-almasäbih (ed.

Dihli a/o 1268) S. 297 wird nach Muslim (den ich leider jetzt

uicht selbst nachschlagen kann) erzählt: x^l ä^^c (.IxiJ ^

t uC ^ca^ w

j t_j.*ASl l>LSi\ ^y, J.C |.L.i.JL ^y*^^ ^

g^Ji -^ßS ^ y^i IAS» U JLäs f-'^^'ij J'^ i_r.*^Jt

Diese Nabatäer in Syrieu, die wegen nicht bezahlter Grundsteuer

gepeinigt werden , sind natürlich nicht erst weither dahin ge¬

bracht, sonderu die Folter wird an Ort und Stelle vollzogen ^\

Schon zu Muhammeds Zeit kommen /[.ixJi Jw*! ^ 2a*-y oder _bLi!

1) Ob der i^lDDJ Ned. 91b wirklich ein ,, Nabatäer" ist, bezweifle ich.

2) Ich könnte zu dieser Tradition zweierlei Scholien geben, die aber nichts von Bedeutung enthalten.

1 2

(13)

Nöldeke, die Namen der araTnäischen Nation und Sprache. 125 c

|.LiJI JsLajI „Nabatäer aus Syrien" in Geschäften nach Medina

(Buchäri II S. 45 n. 46). Ebenso erwähnt die lange Tradition des

Ka'b b. Mälik bei Ibn Hisäm 911 ; Muslim (ed. Caleutta a/o 1265)

£ u. , «

II, 625 einen |.L.iJ! JaJ ij^'^^ der Lebensmittel nach Me¬

dina bringt, nm sie dort zu verkaufen. Nach Balädori 185 wurden

in Malätia nach dessen Zerstörung zur Zeit des Ibn Zubair ange-

*

siedelt JaxjJf ^^^'lil ^yi\ die Letzteren sind wohl

die Väter der dortigen Syrer , zu denen Barhebraeus gehörte und

aus deren Vulgärdialect er Einiges mittheilt (Quatremcre a. a. 0.

265). So siedelt der letzte Omaijade Marwän b. Muhammed „Per¬

ser, Slaven und christliche Nabatäer" in Alch'asüs östlich vom Gaihän

(Pyramus) an (Balädori 166). Derselbe Schriftsteller erwähnt

(S. 162) zur Zeit des 'Abd-almalik L4ij'i^lj sufLiail ^y

d. h. Einwohner von Antiochia und Bauern aus dessen Umgegend.

Er erzäblt, dass sich in der Stadt Gurgüma unweit Antiochia unter

andern Fremdlingen „Nabatäer" befanden (S. 159). Zu einem by¬

zantinischen Feldherrn finden sich in der Zeit 'Abd-almaliks „viele

Gur^ümier, Nabatäer und flüchtige Sklaven" (ebend. 160). Von

jenen heisst es zuletzt: „und die Nabatäer kamen (wieder) in ihre

Dörfer"; es sind also Bauern des nördlichen Syriens. Im Kitlb-

al'ojün (Fragm. bist. ar. ed. de Goeje et de .long I, 59, 13) wird

es den Omaijaden vorgeworfen, dass sie mit ihren „Kopten und

Nabatäern" die heiligen Stätten des Higäz verunreinigt hätten. Letz¬

tere können nur die Syrer im Heere Jazid's und 'Abd-almalik's sein,

denn die Leute aus dem 'Iräq waren nicht dabei. Ebenda (S. 65

paenult.) heisst es von einem Mann aus Mar'as: „du bist einer von

den Nabatäern der Araber". Ein Dichter spricht in einer Satire

auf 'Amr b. Alwalid b. 'Oqba b. Abi Mu'ait von den Ja-k^i bei

Hüwärin, 2 Tagereisen diesseits Palmyra (Jaq. s. v. ^^Jiy^Sy Ich

denke, diese Zeugnisse genügen, um festzustellen, dass die Araber

in der Zeit Muhammed's und der Omaijaden die Bezeichnung „Na¬

batäer" auch von Bewohnern Syriens gebrauchten. Icb könnte diese

Beweisstellen durch solche, die Quatremere anführt, sowie noch durch

andere vermehren ; aber in diesen reden die Schriftsteller von Naba¬

täern Syriens nicht aus unmittelbarer Beobachtung oder lebendiger

Ueberlieferung, sondern aus gelehrter Kunde, ja theilweise aus blosser

Theorie. Nur das erwähne ich noch, dass nach einem von Quatre¬

mere angeführten Schriftsteller ein Quartier von Damascus ^.^y]aj^\

hiess, weil es ausschliesslich von Nabatäern bewohnt war. Jaq. s. v.

und ^^jia**j erwähnt hiervon Nichts. Kann auch an jener

Deutung etwas Richtiges sein, so stammt der Name mit seiner

griechischen Endung {Naßaxaiotvl) doch gewiss aus vorarabischer

(14)

126 Nöldeke, die Namen der aramäischen Nation und Sprache.

Zeit, vielleicht noch ans der Periode, in welcher Daraascus dem

Nabatäerkönig unterworfen war ^).

Es hiesse Wasser in's Meer tragen, wollte ich nun noch be¬

weisen, dass die Araber anch die aramäische Landbevölkerung des

'iräq „Nabatäer" genannt haben. Zu Quatremere's Belegen hierfür

liesse sich noch eine reiche Nachlese geben, aber wer sich irgend

mit der betreffenden Literatur beschäftigt hat, kennt jenen Sprach¬

gebrauch auch so schon. Ich will d^her nur ein paar besonders

interessante Stellen anfübren. Schon Näbiga (ed. Derenburg 29, 19

S. 100; ed. Ahlwardt 19, 19 S. 21) erwähnt ia**ÄJi ^^slyi „die

Kähne *) der Nabatäer "; das kann sich nur auf die Flüsse oder

Kanäle des 'Iräq oder Mesopotamiens beziehen, denn in Syrien giebt

es keine eigentliche Schifffahrt. Von der Fahrt der Nabit auf dem

Chaboras (also in Mesopotamien) spricht auch ein andrer alter Dichter

bei Jaq. s. v. yji^S . Als Landbewohner im 'Iräq und speciell in

dem Sumpfgebiet werden Nabatäer genannt schon zur Zeit des

IJaggä^ (Mubarrad's Kämil 286). Und so bezeichnet man noch weit

später die Mandäer als Leute fremder Religion und aramäischer

Sprache mit dem Naraen „Nabatäer" (Jaq. s. v. ^ vgl. Gött.

Gel. Anz. 1869 S. 487). Schon in ziemlich früher Zeit muss man

also den Namen Nabatäer nicht bloss auf das aramäische Landvolk

von ganz Syrien, sondern auch auf das der östlichen Länder ausge¬

dehnt haben. Und so sagt man denn auch von der alten aramäischen

Bevölkerung von 'Omän und Bahrain, das seien Nabatäer gewesen

(Quatremöre a. a. 0. 127).

Da nun Babylonien seit dem Sturz der in Damascus residieren¬

den Omaijaden wieder das Hauptland des Reiches wurde und sich

hier die Schulen der Grammatiker erhoben, so erklärt es sich leicht,

dass man die aramäische Landbevölkerung dieser Gegenden mehr

beachtete als die Syriens. Der grelle Gegensatz der üppigen Gross¬

städte und des auf seine Sprache stolzen Araberthums gegen die

geknechteten, nicht muslimischen Landbewohner mit ihrera verachteten

Jargon trat stark hervor. Wenn daher ein Grammatiker oder son¬

stiger Gelehrter von der Sprache der „Nabatäer" Notiz nimrat, so

meint er durchweg die der Aramäer Babyloniens. Wir könnten jetzt

zu den von Quatremere gegebenen Proben der nabatäischen Sprache

noch raanche andre fügen , namentlich aus dera von Sachau heraus-

1) Wenn Jaq. s. v. (j«wLjIj_1j vom afrioanischen Tripolis sagt

Ü-kb^^Lj m3S y ^jiji Ss -hLiS L^J^i>-jj so haben wir da offeübar

eine Verwechslung mit dem phönicischen Tripolis. Bei diesem gab es frei¬

lich keine Berbern , aber bei jenem auch keine Nabatäer.

o )

2) Das Wort j^Sj* (jiCLO«jO, xi(ixuv^ot) ist am Euphrat heimisch geworden, vgl. Orient u. Occident I, 692.

(15)

Nöldeke, die Namen der aramäisclien Nation und Sprache. 127

gegebnen Gawäliqi. Soweit diese als „nabatäisch" angeführten Wörter

nicht gemein aramäisch sind, zeigen sie deutlich die Züge der baby¬

lonischen Dialecte, als deren Repräsentanten wir das Aramäische des

Talmud Babeli und das , Mandäische kennen. Andere christliche

Schriftsteller, die arabisch schreiben, gebrauchen so den Namen

„nabatäisch" von den aramäischen Mundarten des Ostens-, vgl. die

bekannte Stelle des Barhebr. über die aramäischen Dialecte (hist.

dyn. ed. Pococke 16 f.). Aber wir wiederholen, dass die specielle

Anwendung des nabatäischen Namens auf die Sprache der östlichen

Länder ihren Grund lediglich darin hat, dass in diesen für gelehrte

Araber mehr Gelegenbeit war, die Landbevölkerung zu beobachten.

Die hervorragende Stellung des 'Iräq hat es denn auch bewirkt, dass

man schliesslich beinahe vergass, dass es auch in Syrien „Nabatäer"

gab und bei diesem Namen fast immer nur an Bewohner des 'Iraq

und namentlich der Sumpfgegenden dachte, in denen sich die alte

Bevölkerung in ihrer Eigentbümlicbkeit am längsten hielt.

Was nun die arabischen Gelehrten über das Verhältniss der

Nabatäer zu den ^y^Ajl«,! oder den ^yjlijM sagen, die sie theils

für identisch, tbeils nur für nahe verwandt erklären (vgl. u. A.

Mas'üdi II, 78 94), das hat für uns wenig Bedeutung; hier fehlten

ihnen die Grundkenntnisse und die zn richtigen Beobachtungen nöthige

Objectivität Noch viel weniger Werth haben natürlich die ver¬

schiedenen Ansichten über die Abstammung des Nabat u. s. w. von

einer der Personen der Genesis. Aber, als geschichtliche Angaben

betrachtet, sind die Behauptungen von Leuten wie Ibn Wahsijä über

die einstige Herrlichkeit der Nabatäer kaum von grösserem Gewicht.

Diese Männer suchten, ohne wirkliche Kenntniss von der Grösse

des alten Babels zu haben, den Arabern durch kübne Erdichtungen

zu imponieren. Ein „Nabati" zu sein galt als ein Schimpf; darum

suchte der „Nabatäer" Ibn Wahsijä zu zeigen, dass grade die Nabat

von Babel aus die Welt beherrscht und erleuchtet hätten, während

doch dieser Name erst lange nach dem Untergange Babel's in jenen

Gegenden zuerst vernommen ist. Ganz willkürlich gebraucht er den

Namen, um ihm mehr Glanz zu geben, als CoUectivbenennung für

viele alte Völker, mit Inbegriff der Kanaaniter u. s. w. ; lauter Dinge,

von denen keine alte Quelle das Geringste melden konnte. Bei dem

hohen Werth, den die damaligen Araber auf Reinheit und Eleganz

der Sprache legen, erklärten diese Männer auch, das Nabatäisch der

alten Babylonier wäre äusserst ^/-^^ gewesen, was freilich von dem

1) ls'j er u~'^' crj Ja^iÜ ^ jjv_kjLi^^! ^j-, u-LaJI

7 a .

^ (j^L^ J^Jj it^^l fc^t . Ich lese (JwL« lVJj statt des unverständ¬

licheu ;__)iLOj.J, vgl. Ibn Qutaiba 15 ijiL^ä aJj tjt Ja*Äj| .

2 *

(16)

128 Nöldehe , die Namen der aramäischen Nation und Sprache.

der heutigen Dorfbewohner nicht gelten könnte Solche Behaup¬

tungen, mit der Miene tiefer Gelehrsamkeit vorgetragen , hatten lei¬

der viel Einfluss auf die arabiscben Gescbichtsscbreiber. Sie haben

sich aufbinden lassen, dass die Herrscher von Babel und Nineve

Nabatäer gewesen ; ja sogar die Kajänier der persischen Sage werden

zu solchen gemacht (siehe Jaq. s. v. o^Sji ÜI ) 69"^ i ^9). Wir

müssen dem gegenüber immer wiederholen, dass der Name Nabatäer

als Bezeichnung der Aramäer Babyloniens sehr jung ist und von den

Arabern ausgeht.

An die Besprechung dieser Volksnamen wollen wir noch einige

Worte über andere Namen der aramäischen Sprache knüpfen. Die

Mischna nennt das Aramäische des Alten Testaments als (wenigstens

ursprünglich und im Allgemeinen) identisch mit der Sprache, in

welcher man die heilige Schrift dem Volke verdolmetschte (inain),

schlechtweg Dia-in. Siehe Jadaim 4, 5 bNi:i3iST NiTSiiö DiJ^n

üiT^n HN Nnü?3"„das Targum (die aramäischen Abschnitte) im Esra

und Daniel verunreinigt die Hände (ist kanonisch)". Schabbat 11 ö*»

steht so minsffiT bN-'aiaiai N-iTSaia ma-in ; das „Targum" im Peuta¬

teuch sind, wie dann erklärt wird, die aramäischen Worte Nminiö u"'

1) Fihrist bei Chwolsohn , Bab. Lit. 11 Anm. und Hä^ Chalfa I, 71.

Sicher beruhen diese Angaben auf Behauptungen von „ Nabatäern ". — Ich kanu nicht leugnen, es macht auf mich einen gradezu komischen Eindruck, wenn Quatremfere a. a. O. 2l;0 ff. von französisch-academischem Standpunct aus untersucht , wie weit wohl die Sprache der Babylonier elegant und correct ge¬

wesen. Die babylonischen Bauern haben nach ihm schon in alten Zeiten des

dialectes ou plutöt des patois corrompus et remplis de formes

irreguliires geredet, die sich dann immer mehr verschlechterten. Ja er entdeckt schon im Aramäischen der Bibel, das er für ,, chaldäisch" hält, allerlei ,, Anomalien" ; also schon in der Blüthezeit des babylonischen Reichs die Sprache

n'etait pas ä beaucoup pres aussi regulier dans sa marche et

dans ses formes grammaticales que le langage de la Syrie. Als

Beleg führt er die Einschiebung eines "j in gewissen Wörtern und die- Form ytft = yy au. Hier lässt sich nun leicht zeigen , dass allen diesen Formen syrische gegenüberstehn, die ebenso wenig ursprünglich, also ebenso ,, incorrect", sind wie sie. „er weiss" mit Qussäi des d, also Verdopplung, ist nicht regulärer als S'Ti' ; bei 3>N entspricht die Verwandlung des anlautenden 3> in N einem Gesetz, das im Syrischen noch strenger durchgeführt wird als im Jüdisch- Aramäischen (dass nämlich eiu ursprüngliches 3* nicht neben einem andern, wel¬

ches einem y ^Jo entspricht, stehn bleiben darf, vgl. [begegnen] =:ijfOjC neben yU* u. s. w.). Ob b3, das Quatremfere als dritten Beleg giebt, wirklich

= byS , ist mir noch zweifelhaft. Aber wären selbst die Babylonier schon früh mit der Erweichung und Ausstossung der rauhen Kehllaute vorgegangeu, so wäre das doch wahrlich noch keine Verschlechterung der Sprache. Allein in der ganzen Auffassung Quatremfere's zeigt sich ein leider auch sonst nicht seltenes Verkennen der Berechtigung einer fortwährenden Sprachentwicklung, die unglückliche Anschauung aller spontaner Sprachveränderungen als patho¬

logischer Vorgänge.

1 2 *

(17)

Nöldeke, die Namen der aramäischen Nation und Sprache. 129

Gen. 31, 47. Vgl. Sof. 1, 10 NbN N'ir; rr^isy MbiD nmnn bs

main^) Di-iST M3 is-'ia „die ganze Tora ist hebräisch, nur dass

einige Targum- (aramäische) Worte darin sind", das sind wieder

jene beiden Worte NrmniB U''. So heisst es Schabbat 115 mehr¬

mals pab bas IN main D'^mna vn „sind sie Targum (aramäisch)

oder in irgend einer andern Sprache geschrieben". Den richtigen Gegensatz hierzu bildet Nlp72 „Schrift" für die eigentliche Sprache

der heiligen Bücher, das Hebräische; daher heisst es Megiila S*»

N-ip73 nanDffi maim main lanD-ij Nipjj „Schrift, die sie Targum,

und Targum, das sie Schrift schreiben" d. h. „hebräische Stellen,

die man aramäisch und aramäische Stellen (des Alten Testaments),

die man hebräisch schreibt (gelten nicht als kanonisch)" Diese

Bezeichnung der Sprache ist offenbar rein schulmässig; aus jüdischen Schulen ist sie aber tbeilweise aucb den Christen bekannt geworden.

In der von Lagarde herausgegebnen arabischen Catena zur Genesis

(Materialien zur Kritik und Geschichte des Pentateuchs II) heisst

die aramäische Sprache öfter ^^^ill , vgl. S. 81, 33: nach der

Sündfluth habe es zuerst uur eine Sprache gegeben |,^ä*J ciolij

[.j:>-jiJb jC^jL^j«,; ebenso 91, 22 „bis Noah ^.^iuAi lyiJ^sÄj \yl<

|.^i-.xJl JLLi^..«..JI , ünd so noch rait liLj^..., zusammengesetzt 2, 13; 72,

2; kürzer 68, 4 blJC** |.^i.^ÄjL Lj^l „sie hatte den araraäi¬

schen Namen NbD'^n". Deutlich erklärt wird dieser Sprachgebrauch 91, 20 qL>w.J k^^mJj ^j.Aj!jA«J!« slöLjj*« ojU^ |».^jüj»JI^ _^.f.ÄjiJ f,y^jjiiS . Uebrigens ist auch in dieser Schrift j-l^j^ die eigentliche Bezeichnung des Araraäischen.

Eine leider sehr grosse Verbreitung hat der irreführende Name

„chaldäische Sprache" gewonnen, mit welchem freilich Verschiedne

Verschiednes bezeichnen. Weil den chaldäischen Weisen Dan. 2, 4

aramäische Worte in den Mund gelegt sind und weil man das Bnch

Daniel als ein Erzeugniss der babylonischen Gefangenschaft ansah,

so hat man sich gewöhnt, das Biblisch-Aramäische und dann alles

Aramäische, das in jüdischen Schriften vorkommt, „chaldäisch" zu

nennen. Ich weiss nicht, ob Jemand vor Hieronymus diese Ans¬

drucksweise kennt; bei diesem koramt sie öfter vor (z. B. zu Dan.

2, 4; Praef ad librum Judith u. s. w.). Während die Juden, so

viel ich weiss , ihre Sprache nie „chaldäisch" genannt haben ^) , ist

1) Var. main b-a

2) W'eim Josephus das aus dem Persischen stammende (Lagarde , Abhand¬

lungen S. 39) Wort l^^:!l ^joO) t<iir;>'j=r:::3N fUr ein babylonisches erklärt 'Ant. 3, 7, 2), so hat er damit noch keine Ansicht übor deu Ursprung des

IU. -KXV. 9

(18)

130 Nöldeke, die Namen der aramäisclien Nation und Sprache.

der Name wohl durch die grosse Autorität des Hieronymus im Abend¬

land geltend geworden. Er herrscht ja leider noch heute bei uns,

selbst ira wissenschaftlichen Sprachgebrauch, vor, aber er verdient

entschieden verworfen zu werden. Denn wenn die Chaldäer in alter

Zeit überbaupt semitisch sprachen, so haben sie doch ganz gewiss

nicht den Dialect der aramäischen Theile des Alten Testamentes oder

der Targume gehabt. Eher haben dann noch die östlichen Syrer

Recht, weicbe sich als „Söhne der alten Chaldäer" (Barhebr. gramm.

metr. S. 3 v. 27) anseben. Künstlich und affectiert ist das aber auch,

und noch mehr, wenn raan in Rora seit Amira wobl gradezu das

Syrische, wenigstens nach der Aussprache und Scbreibweise der öst¬

lichen Syrer, „chaldäisch" nennt. Es hängt dies rait dem Namen

„chaldäische Kirche" zusammen, den raan den mit Rora unierten

Syrern des Ostens zu geben beliebt hat. Die Uebereinstimmung der

Sprache der Ostsyrer mit dem Biblisch-Araraäischen , durch welche

man sich oft hat blenden lassen, beschränkt sich auf ein paar Aehn¬

lichkeiten in Lautsachen, aber reicht nicht im Entferntesten hin, für beide einen geraeinschaftlichen Namen „Chaldäisch" zu rechtfertigen.

Am Ersten liesse es sich noch vertheidigen, wenn man mit Barhebraeus

den aramäischen Vulgärdialect im 'Iraq, der doch wirklich von Nach¬

kommen der Babylonier geredet wurde, „chaldäisch" nennen wollte

(vgl. die citierte Stelle, hist. dyn. S. 17 und die von Martin, tra¬

dition Karkaphienne S. 5 Anm. gegebenen Worte aus der grösseren

Grammatik, wo den östlichen Syrern vorgeworfen wird, dass ihre

>' V

Sprache sich der jLo^^o nähere). Im Ganzen sind aber Stellen

orientalischer Schriftsteller, in denen von „chaldäischer Sprache" die

Rede ist, sehr selten. Bei Lagarde, Materialien II, 81, 33 cioiyj

^;;yolAKJi yS>^ |.^i>jÄJL SixiLjj»« (»4**^ meint der Antor die

Sprache der alten Chaldäer i).

Im Jobannesevangelium 5, 2; 19, 13, 17 werden aramäische

Wörter mit ißgaiari bezeichnet. Man könnte hierin ein neues

Zeichen davon sehn, wie fern der Verfasser dieses Bnehes den wirk¬

licben Verhältnissen Palästina's stand, wenn sich nicht auch bei

Josephus dieser ungenaue Gebrauch fände; denn wenn dieser sagt,

die 'Eßgaiov nennten das Pfingstfest ' Aaag&a (Ant. 3, 10, 6), so

ist das doch gewiss nichts Anderes, als wenn er sagte, so hiesse

das Wort auf hebräisch ; es ist aber eine aramäische Form Nniir».

aramäischen Dialectes der Juden in Palästina überhaupt ausgesprochen. Auch die Bezeichnung der aramäischen Sprüche Hillel's als „babylonisch" in Aboth Nathan cap. 10 ist an sich ganz in der Ordnung, denn Hillel war ja ein Ba¬

bylonler. Doch hat der Compilator dieses Tractates sie schwerlich aus alter Ueberlieferung, sondern aus Vermuthung (in demselben Capitel wird Hillel

„dummer Babylonier" angeredet).

1) Philo soll grade das Hebräische als die Sprache des aus „Ur der Chaldäer" stammenden Abraham's „chaldäisch" nennen.

(19)

Nöldeke, die Namen der aramäischen Nation und Sprache. 131

Glücklicherweise hat diese Bezeichnung einer Sprache durch den

Namen der anderen, an deren Stelle sie bei den Juden getreten

war, keine weitere Verbreitung gefunden. In den übrigen Stellen

des Neuen Testaments, in denen von „hebräischer" Sprache die Rede

ist, kann das recbt wohl in der gewöhnlichen Bedeutung verstanden

werden.

Von den Namen dieser Nation und ihrer Sprache ist im Grunde

der ursprüngliche „aramäisch" auch der einzige, der noch für den

Gebraucb der heutigen Wissenschaft streng passt. „Syriscb" deckt

■sich allerdings damit ziemlich, aber, wie wir sahen, ist dieser Name im Grunde nicbt dazu geeignet, einen einzelnen Dialect zu bezeichnen,

da er mit demselben Recht von den verschiedensten Dialecten ge¬

braucbt wird. Doch mag man immerhin bei der Sitte bleiben, den

in vieler Hinsicht wichtigsten derselben, den des westlichen Mesopo¬

tamiens, die Schrift- und Kirchensprache fast aller christlichen Syrer, speciell „syrisch" zu nennen. Den Ausdruck „nabatäisch" in andrer

Weise als zur Bezeichnung der alten Nabatäer von Petra zu ver¬

wenden, könnte nur Verwirrung erregen. Vollständig zu vermeiden

ist der Name „chaldäisch". Zur wissenschaftlichen Bezeichnnng der

einzelnen aramäischen Dialecte und Dialectgruppen müssen wir uns

mehrere eigne Termini tecbnici schaffen, da die uns von den

Orientalen überlieferten Namen nicht ausreichen und zum Theil nicbt

genau genug sind. Wissenschaftliche Beobachtung des Verhältnisses

der Dialecte zu einander war ja nicht ihre Sache.

Nachtrag zu S. 118 oben. Vrgl. noch in Rosen's Catalog

der syrischen Handschriften des Brit. Museum die Stelle aus alten

u -

Märtyreracten, näch welcher der persische Name )QjO)p (.'Lj^p) in

^aaV soviel als Iaa*. •, bedeutet fS. 93 a).

9*

(20)

132

Hebräische Redeweisen

für

besch eiden e Mein ungs- A e unser ung.

Von Dr. Zunz.

Gleichwie der Grieche ßlinuv, der Lateiner videre hat auch der

Deutsche „ sehen " von dem leiblichen auf das geistige Auge über¬

tragen, wie die Wörter ersehen, verseben, einsehen und das ver¬

wandte „es erhellt" zeigen. Aehnlich hat der Hebräer der Wurzel

MN"! nach und nach die Bedeutung von verstehen, erkennen,

beachten, zustimmen — gleich dem visum mihi est „es gefällt

mir" —, erwählen verliehen. Von biblischen Belegen sei hier

nur verwiesen auf riN-i i^b (Kohelet 1, 16), a^n üNl (das. 9, 9),

(1 Sam. 12, 24), nn« nxTin meinst du? (2 Sam. 15, 27), N-in

(Sprüche 23, 31), rtNin (Deut 12, 13), N-i'^ (Genes. 41, 33) und

IN-I (1 Sam. 16, 17) „erwählet", iD nisn (Genes. 20, 10) „was

bestimmt dich zu" Der Imperativ riNl ist fast „halt ! bedenke 1"

und mit yii verbunden „sieb ein!" So r;N-n yn (1 Sam. 24, 12;

2 Sam. 24, 13; 1 Kön. 20, 22), ■'«"n ^y-i (Jerem. 2, 19. 25, 17),

IN-n nyn (l Sam. 12, 17. 14, 38. 23, 22; 1 Kön. 20, 7. 2 Kön.

5, 7) oder ism INI (1 Sam. 23, 23; Jerem. 5, 1). Daher in feier¬

licher Rede an lyn-ii in-ii noch Vd^do-'t to-'ö-'I ansehliessen (Jes.

41, 20). Bereits Tobia i) erläutert das ns'i in Deut. 4, 5 und Kohelet 1, 16 durch „verstehen" und bemerkt, dass -- wie ira lateinischen nnd griechischen - in der hebr. Sprache „sehen" bisweilen „hören"

bedeute. So erhielt auch •'ini, aram. ■'m, die Bedeutung von auser¬

sehen, passend, tauglich, gebührend.

Demselbeu Sprachgebrauche folgt der jüngere Hebraismus, wo

nsi in folgenden Bedentungen auftritt:

überlegen (Wajikra rabba c. 10 von Aaron);

urtheilen (Mischna Keritot 3, 7. 8. 9);

dafür halten, betrachten, namentlich in der Verbindung mit

ibiO oder nur...D z. B. Mischna Kilajim 5, 2. 6, 9, Terummot

4, 10, Erubin 1, 5, Pesachim 9, 5, Kama 6, 5. 8, 1. 6, Sebachim 8, 4. 6. 9, Chullin 6, ö, Sifra 1M3 c. 6, Sanbedrm 22 a, Wajikra

1) Lekach toh oder Pesikta sutarta f. 67b, vgl. f\^c.

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