In welchem quantitativen Ausma konnen wir darauf setzen, dass die beste-
hende Arbeitslosigkeitbereits durch eine positive konjunkturelle Entwicklung re-
duziert wird, ohne hohere Preissteigerungsraten inKaufnehmen zu mussen, und
welcher Teil der Arbeitslosigkeit kann nur durch Maanahmen verringert werden,
welche die vorhandenen Funktionsstorungen auf Arbeits- und Gutermarkten be-
seitigen? Genau diese aktuelle Frage versucht dieNAIRU zu beantworten.
Die Abkurzung NAIRU steht fur \Non-Accelerating Ination Rate of Unem-
ployment"undhatsichfasteingeburgert,obwohleigentlichdieArbeitslosenquote
gemeint ist, bei deren Hohe die Inationsrate in einer Volkswirtschaft konstant
bleibt, die \inationsstabile Arbeitslosenquote" mithin. Prinzipiell stellt sie ein
wichtiges Diagnoseinstrument fur die Wirtschaftspolitik dar, gabe es nicht eine
Reihe vongravierenden Problemen.
DerNutzendesNAIRU-Konzeptserschlietsichvielleichtausfolgender
Uberle-
gung:Jenachdem,welchen Ursacheneine bestehendeArbeitslosigkeitzuzuschrei-
ben ist, kann diese sowohl mitHilfe einer gesamtwirtschaftlichen Stabilisierungs-
politik zu bekampfen versucht werden, insoweit mithin \konjunkturelle" Unter-
beschaftigung vorliegt, wobei das Ziel der Geldwertstabilitat aber nicht verletzt
werdendarf,diePreissteigerungenalso{wieesbeispielsweisedieEuropaischeZen-
tralbank anstrebt{ nicht
uberjahrlich2v.H. steigensollten.Gleichzeitigmussen
auchangebotsseitigeManahmenergrienwerden,umden Beschaftigungsaufbau
voran zu treiben, insoweit dieser durch Funktionsstorungen auf Arbeits-, Guter-
undvielleichtauchKapitalmarktenbehindertwird,Beschaftigungshemmnissealso
beispielsweise inFormeiner
uberzogenen Lohnpolitik,eines inexibleninstitutio-
nellen Regelwerkes, zu hoher Steuern oder fehlender Fremdnanzierungsmoglich-
keiten. Eine solche Kombination von nachfrage- und angebotsseitigen Manah-
men { abhangig vom jeweils herrschenden Typ einer Arbeitslosigkeit{ ist nichts
Neues und allemal besser als die Proklamation von Alleinvertretungsanspruchen
bestimmter wirtschaftspolitischer \Schulen". Die entscheidende Frage lautet je-
doch: Bis zu welchem Wert wird sich die derzeitige Arbeitslosigkeit hierzulande
auf Grund einer positiven konjunkturellen Entwicklung bei stabilen Preissteige-
rungsraten zurukbilden und ist es damit getan? Oder wird die Konjunktur nicht
viel zur Reduktion unserer Arbeitslosigkeit beitragen konnen, so dass wir unser
AugenmerkhauptsachlichaufdieVerbesserungderFunktionsfahigkeitallerMark-
te setzen sollten,um so dieSchaung neuer Arbeitsplatze zu stimulieren?
ZurBeantwortungkannmanversuchen,dieNAIRUalsdenobenbeschriebenen
Grenzwert einer Arbeitslosenquote zu ermitteln. Auf den erstenBlickscheint das
nicht schwer zu sein. Die Crux liegt darin, dass eine Reihe von Annahmen fur
die Schatzung getroen werden mussen, welche in ihrer Gesamtheit die NAIRU-
Schatzwerte nicht unbeeinusst lassen, sodass sichbeialler Muhe, diese Annah-
men gut zu begrunden, ein gewisses Ma an arbitrarem Spielraum ergibt, was
die Eignung der NAIRU als Diagnoseinstrument naturlich mindert. Beispiele fur
raten (des privaten Konsums oder des Bruttoinlandsprodukts), die Behandlung
vonInationserwartungen (furdiees inder Regel keine ausreichenden Zeitreihen
gibt),dieSetzung einer\tolerablen"Preissteigerungsrate, dieDenitionder ma-
geblichen Arbeitslosenquote (registrierte oder auch \verdeckte" Arbeitslose, mit
oder ohne Langzeitarbeitslose), die Auswahl weiterer erklarender Faktoren, die
auf den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeitund Ination einwirken (Roh-
stopreisschocks, Erhohung indirekter Steuern, Produktivitatseekte) oder die
Moglichkeit, dass sich kurzfristige konjunkturelle Unterbeschaftigung auf Grund
von Entmutigungs- und/oder Stigmatisierungseekten allmahlich in langfristige,
verharteteArbeitslosigkeitverwandelt(\Hysterese-Eekt"),umnureinigeAspek-
te anzusprechen.
Trotz aller Vorbehalte ist in diesem Discussion Paper ein neuer Anlauf zur
Schatzung der NAIRU fur Westdeutschland unternommen werden. Dabei sind,
hierzulande bei dieser Fragestellung erstmalig,
okonometrische Verfahren ange-
wandt werden, welche die Schatzung einer zeitvariablen NAIRU mit Hilfe des
Kalman-Filterszusammen mit einem Kondenzintervallauf der Grundlage eines
residualbasiertenBootstrap-Verfahrenserlauben.WiedieResultateverdeutlichen,
istdieNAIRU imZeitablaufbeachtlichangestiegenundbelauftsichamEnde der
Schatzperiode, Ende des Jahres 1998,auf einen Wert, der etwa zwischen 7,9v.H.
und 8,5 v.H. liegt. Der Anstieg ist wohl auf Inexibilitaten bei der Entwicklung
der Lohne und Lohnstrukturen sowie beim institutionellen Regelwerk auf den
Arbeits- und Gutermarkten zuruckzufuhren. An diesen Fehlentwicklungen muss
also angesetzt werden, soll die Arbeitslosigkeit ohne Inkaufnahme hoherer Preis-
steigerungsraten - unddas ware ohnehin bestenfallsnurkurzfristig moglich,aber
nichtakzeptabel-bekampftwerden,dieKonjunkturwirdunssovielnichthelfen.
Diese Botschaft istklar, auch wenn Detailsder Konzeption und Schatzung einer
NAIRU zu Recht strittigsind.
Der Beitrag enthalt eine Neuschatzung der inationsstabilen Arbeits-
losenquote (NAIRU) fur Westdeutschland 1980 bis 1998. Nach einer Dar-
stellungdeskonzeptionellenRahmensderNAIRUeinschlielichverschiede-
nerVarianten, welche beispielsweiseexogenenSchocks unddemHysterese-
Phanomen Rechnung tragen, erfolgt eine Diskussion verschiedener metho-
discherProbleme.ErstmaligwerdenfurWestdeutschland danneinezeitva-
riable NAIRU mit Hilfe des Kalman-Verfahrens sowie dazugehorige Kon-
denzbander unter Verwendung der residualbasierten Bootstrap-Methode
geschatzt. Demnach liegt die westdeutsche NAIRU Ende des Jahres 1998
im Intervall zwischen7.9 und 8.5 v.H. Zahlreiche methodische Vorbehalte
sprechen indes dafur, diese und andere NAIRU Schatzungen mit Vorsicht
zu interpretieren.
Abstract
This paper is devoted to a new estimation of the non-accelerating in-
ation rate of unemployment (NAIRU) for the West German Economy
1980 to 1998. The noveltyof thepaperis theestimationof atime-varying
NAIRU for West Germany employing the Kalman method together with
condenceintervalsbasedontheapplicationofaresidualbasedbootstrap.
As a result, the NAIRU for 1998 is estimated to lie between 7.9 and 8.5
percent. However, based on a presentation of the theoretical framework
and a discussionof seriousmethodologicalproblemsthe paperemphasizes
several caveats which leave some doubts aboutthe usefulness of thevalue
of NAIRU estimates asguidesforeconomic policy.
Inhaltsverzeichnis
1 Einfuhrung 1
2 KonzeptionellerRahmen der NAIRU 3
3 Methodische Probleme und Daten 12
4 Darstellung und Diskussion der Schatzergebnisse 16
4.1 Schatzungder Phillipskurve . . . 16
4.2 Konstante versus zeitvariable NAIRUs . . . 23
4.3 Kalman-Schatzung und Bootstrap . . . 26
5 Schlubemerkungen 29
JEL - Klassikation: C22, E24, E31
Anschrift des Autors:
Prof. Dr. Wolfgang Franz*
Zentrum fur Europaische Wirtschaftsforschung (ZEW)
Postfach103443
68034 Mannheim
Tel: 0621 - 1235 -100
Fax: 0621 - 1235 -222
e-mail: franz@zew.de
*ZentrumfurEuropaischeWirtschaftsforschung(ZEW),MannheimundUniversitatMann-
heim.DanielRadowskibinichfurseineunermudlicheundfachkundigeUnterstutzungzugroem
Dank verpichtet. Die auerordentlichhilfreichen und konstruktivenHinweise und Ratschlage
von Herbert S. Buscher, Bernd Fitzenberger, Francois Laisney und Peter Winker (alle Uni-
versitat Mannheimund/oderZEW) sowieJoachimMoller undThomasBeiinger(Universitat
Regensburg) und Jurgen Wolters (Freie Universitat Berlin) halfen, Schlimmereszu verhuten.
Furalle verbliebenenUnzulanglichkeitenist-leider-alleinderAutorverantwortlich.
James K.Galbraith (1997)
I have becomeconvinced that the
NAIRU is a useful analytic concept.
Joseph Stiglitz (1997)
1 Einfuhrung
RundeinDreivierteljahrhundertistseitderPionierarbeitvonIrvingFisher(1926)
uber \A Statistical Relation between Unemployment and Price Changes\ ver-
gangen. In diesem Zeitraum liegen so ziemlich alle Hohen und Tiefen, die ei-
ne
okonomisch-statistische Relation im Hinblick auf ihre Wertschatzung in der
Wissenschaftund
Oentlichkeitjemalserleben kann: Nach IrvingFishersnahezu
vergessenemBeitragalsPhillipskurveauferstanden,gefeiertalswesentlicherBau-
stein des Keynesschen Systems und Teil des Pichtprogramms jedes Kurses in
Makrookonomie,weithinakzeptiertalsSpeisekarte,ausdersichdiePolitikgema
ihren Praferenzen eineKombinationvon Arbeitslosigkeitund Inationaussuchen
konne, von der \Neuen Klassischen Makrookonomik\ und insbesondere der Hy-
pothese rationaler Erwartungen unter Beschu genommen und mit hamischen
Bemerkungen wie \econometric failure on a grand scale\ sowie bestenfalls ge-
eignet fur ein\sorting through the wreckage\ (Lucas und Sargent (1978), S. 57
und 49) davongejagt und wie ein Boxkampfveteran in der achten Runde nahezu
ausgezahlt. Nach intensiven Restaurierungsarbeiten bendet sichdie Phillipskur-
ve indessen wieder - in der neunten Runde - mit passablen
Uberlebenschancen
im Ring, wie nicht nur zahlreiche neuere Untersuchungen in hochst angesehenen
wissenschaftlichen Publikationsorganen belegen, 1
sondern auchdie Beobachtung,
dass - nach Angaben von Joseph Stiglitz (1997) - in den Vereinigten Staaten in
Pressekonferenzen desWeienHausesnachdemaktuellenSchatzwertder NAIRU
gefragt wird, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil sich der Council of Economic
Advisors dieses Analyseinstruments bedient.
2
Im Gegensatz dazu scheint es in Deutschland still um die NAIRU geworden
zu sein. Das Thema gilt hierzulande wissenschaftlich als wenig \cool\, weil\ab-
gescht\, wie eine nicht reprasentative Befragung jungerer
Okonomen ergab, al-
so hochstens noch Nostalgikern in der Profession vorbehalten. Immerhin gibt es
auch heutzutage Berechnungen der NAIRU, wie beispielsweise von so angesehe-
1
Eine unvollstandige Auswahl allein derletzten drei Jahre umfat: Ball (1997),Blanchard
und Katz(1997),DiNardo und Moore (1999),Gordon (1997, 1998),Katzund Kruger(1999),
Staiger,StockundWatson(1997a,b).DasangeseheneJournalofMonetary Economicswidmet
ein Sonderheft (Vol. 44(2), 1999)dem Thema: TheReturnof thePhillips Curve(ohneFrage-
zeichen!).
2
\AnnualReportofthe CouncilofEconomicAdvisors\desJahres 1996,S. 51.,enthalten
im\EconomicReportofthePresident\,Februar1996,Washington,D.C.
eine NAIRU fur den EURO-Raum des Jahres 1998 in der Groenordnung von
10 v.H. ermittelte, 3
und der Deutschen Bundesbank, deren Direktoriumsmitglied
H.Remspergerunlangstberichtete:\Accordingtothe Bundesbank'scalculations,
which may like other calculations be regarded with some degree of uncertainty,
the NAIRU has risen in Germany almost throughout the entire period since the
end oftheseventies. Inwestern Germany,itislikelytohavebeen above8percent
towards the end of the 90s\.
4
Diese erstaunliche Wiederauferstehung des Themas, seinederzeitige Aktualitat
undeinigemethodischeInnovationenbeiderSchatzungeinerzeitvariablenNAIRU
einschlielichihrer Kondenzintervallebilden dieMotivation, sich indiesem Bei-
tragerneutmitderNAIRUzubeschaftigenundherauszunden,obesNeuigkeiten
vonder NAIRU (inDeutschland) zu vermelden gilt.
Die Nutzlichkeiteiner empirisch zuverlassig ermittelten Groenordnung furdie
NAIRU -sosiedenn existiert- liegtauf der Hand.Siegibt dieHohe der Arbeits-
losigkeitan, ab deren Unterschreitung mit steigenden Inationsraten zu rechnen
ist und vice versa, das heit sie stellt einen Indikator dafur dar, inwieweit vom
Arbeitsmarktein(dis-)inationarerDruckausgeht.Andersundvereinfachendaus-
gedruckt: Liegt der tatsachlichbeobachtete Wert der Arbeitslosenquoteoberhalb
der NAIRU, dann kann sichdie bestehende Arbeitslosigkeitnicht nurauf Grund
besserer Angebotsbedingungen, sondern zudem im Zuge einer hoheren gesamt-
wirtschaftlichen Nachfrage nach Gutern und Dienstleistungen zuruckbilden, oh-
ne dass mit anziehenden Preissteigerungsraten zu rechnen ist. Wird dann aller-
dings der NAIRU-Wert erreicht, kann die Arbeitslosenquote nur noch mit Ma-
nahmen reduziert werden, welche die vorherrschenden angebotsseitigbestimmten
Funktionsstorungen auf Arbeits- und Gutermarkten beseitigen, immer das Er-
fordernis einer stabilen Preissteigerungsrate unterstellt. Noch anders formuliert:
DieNAIRUstellt eineungefahreGrenzliniezwischeneiner\konjunkturellen\ und
\strukturellen\ Arbeitslosigkeitdar, wie (wenig) aussagekraftiginsbesondere das
letztere Adjektiv auch sein mag. Stimmtalso die beobachtete Arbeitslosigkeitin
etwa mit dem NAIRU-Wert
uberein, dann mu die Wirtschaftspolitik bei einer
Bekampfung der Arbeitslosigkeit oenkundig und ausschlielich zu Manahmen
greifen, diedieFunktionstuchtigkeitder institutionellenRegelwerkeeinschlielich
des Lohnndungsprozessesverbessern. VordiesemHintergrund liefertdieKennt-
nis der empirischen NAIRU der Wirtschaftspolitik brauchbare Informationen.
Allerdings macht es die NAIRU ihren (potentiellen) Sympathisanten nicht ge-
rade leicht. Das beginnt schon bei dem abschreckenden Akronym NAIRU (\non
accelerating ination rate of unemployment\), das zudem noch in die Irre fuhrt,
weildieArbeitslosenquotegemeintist,beiderdieInationratealssolcheundnicht
etwa deren Veranderung konstant bleibt, also die\inationsstabileArbeitslosen-
3
Vgl.FabianiundMestre(2000)
4
Remsperger(2000),S.15
einmal abgesehen, besteht ironischerweise inder Literatur Einmutigkeitdaruber,
dass sich die Phillipskurve, aus der die NAIRU hergeleitet wird, zumindest aus
empirischer Sicht des
ofteren als Fehlschlag erwiesen hat. Nicht nur machten im
Vergleich zur tatsachlichen Entwicklung von Arbeitslosigkeit und Inationsraten
teilweisegravierende Fehldiagnoseneine unzureichendeSpezikation derPhillips-
kurve und damit der NAIRU deutlich, wie die jungste Diskussion in den Ver-
einigten Staaten zeigt. Daruber hinaus verlor die NAIRU auf Grund zahlreicher
Versionen,wieetwadieschock-und/oderhysteresebereinigten NAIRU-Varianten,
ihreEignungalsfurdieWirtschaftspolitikleichtvermittelbaresundhandhabbares
Analyseinstrument.
InderTatsinddieDatenwenigkooperativ,wennesumdenerstenBlickaufdie
empirische NAIRU geht.Abbildung 1stellt furWestdeutschland und dieZeitpe-
riode1970bis1998dieJahreswertederArbeitslosenquotedenender Veranderung
der Inationsrate der Verbraucherpreise gegenuber. Als NAIRU ergabe sichdann
der Wert der Arbeitslosenquote, der einen Ordinatenwert von Null aufweist, al-
so konsistent miteiner zeitlich stabilen Inationsrate ist. Oenkundiggibt es im
SchaubilddieseneinenWertnicht.Wennsie
uberhauptexistiert,dannhatsichdie
NAIRU imZeitverlaufdervergangenendreiDekadenverschoben undbelauftsich
anscheinend in der Groenordnung des vonder Deutschen Bundesbankgeschatz-
ten Wertes.
2 Konzeptioneller Rahmen der NAIRU
Die theoretische Konzeption, auf der die NAIRU beruht, ist zu haug dargelegt
worden, alsdass nicht eine kurze Rekapitulation genugte.
5
Ein Modell in Form der folgenden dynamischen Regressionsgleichung (ARX-
Modell) bildetden Ausgangspunkt der
Uberlegungen.
a
1 (L)p
t
=a
2
(L)w
t +a
3 (L)X
t +a
4 (L)z
t +"
1t
: (1)
Hierin bezeichnen groe (kleine) Buchstaben das Niveau (logarithmierte Ni-
veau) einer Variablen,L den Lag-Operator(und diedazugehorigen KoeÆzienten
diePolynomeimLag-Operator),denDierenzenoperatorersterOrdnung,t den
Zeitindex und " einen Storterm mit "
t
N(0;
2
"
). Die Variablen p
t
und w
t
stellensomitdieWachstumsratendesPreisniveausP beziehungsweisedesLohnni-
veaus W dar, wahrenddieVariable X
t die
Uberschunachfrage auf dem Arbeits-
oder Gutermarkterfassen sollund sonormiert ist, dass mitX
t
=0 ein ausgegli-
chener Markt deniert ist. Der Vektor z
t
beinhaltetmogliche Schockvariablen,
die bei gegebener
Uberschunachfrage X
t
die Inationsrate p
t
beeinussen; sie
5
Vgl.z.B.Franz(1987),FranzundGordon(1993)unddiedortangegebeneLiteratur.
Dierenz der Inationsrate der Verbraucherpreise in Westdeutschland 1970 bis
1998 a
Inationsrate
Arbeitslosenquote
a) Vgl.Abschnitt3furDenitionen
sind ebenfalls so normiert, dass bei einem Wert von Null von diesen Storungen
kein Einu auf dieInationsrate ausgeht.
Oenkundig lassen sich ohne weitere Annahmen aus Gleichung (1) weder eine
Preisgleichung noch eine Lohngleichung identizieren, denn beide sind \alterna-
tive rotations of the same equation".
6
Beispielsweise mussen auf Grund theore-
tischer
Uberlegungen jeweils fur die Lohngleichung und die Preisgleichung Aus-
schlurestriktionen fur die erklarenden Variablen z
t
oder X
t
auferlegt oder die
(zeitgleichen) KoeÆzienten von w
t
in der Preisgleichung und von p
t
in der
Lohngleichung mit einer Nullrestriktion versehen werden. Obwohl beide Vorge-
hensweisen nichtfrei vonProblemensind, folgtdieLiteraturzur NAIRUeher der
ersten,sogenannten \strukturellen"Alternative.
7
DadieStabilitatderInations-
raten (das heit p
t
=p
t 1
fur allet) im Mittelpunkt der
Uberlegungen steht,
6
FranzundGordon(1993),S.728unterBezugnahmeaufeinenKommentarvonSims(1987).
7
Vgl.FranzundGordon(1993)furdieHerleitungeines\strukturellen"Modells.
haug verzichtet. Vielmehrsetzt manin eine Preisgleichung -in der Regel basie-
rend auf dem Konzept einer Zuschlagskalkulation auf die variablenKosten - eine
Lohngleichungein,welche meistensdieArbeitsmarktsituationund Verhandlungs-
macht beider Tarifvertragsparteien als erklarende Variablen enthalt. Dies ergibt
eine (wegen der eigentlich endogenen Variable U
t
: partiell) reduzierte Form der
Art:
p
t
=a(L)p
t 1
b(L)(U
t U
)+c(L)z
t +"
t
: (2)
Im Unterschied zu Gleichung (1) ist a
1
(L) jetzt so normiert worden, dass das
erste Element von a
1
(L) wieder gleich eins ist und die restlichen Elemente mit
a(L) bezeichnet werden. Mit den zeitlich verzogertenWerten von p
t
sollen in
derRegelPreisrigiditatenund/oderantizipiertezukunftige Inationsratenaufder
Basis adaptiverErwartungen erfat werden. Die
Uberschunachfrage X
t
wird als
Abweichung der tatsachlichen Arbeitslosenquote U
t
vonihrem friktionellen (oder
\naturlichen") Wert U
speziziert.
8
Im Moment wird fur U
zeitliche Konstanz
unterstellt,MoglichkeiteneinerzeitlichenVariabilitatvonU
werdenspater eben-
so erortert wie die Berucksichtigung anderer Indikatoren fur die
Uberschunach-
frage X
t
, wie etwa ungleichgewichtige Werte eines Kapazitatsauslastungsgrades.
Der Vektor der Schockvariablen z
t
enthalt zusatzlich alle Variablen, die von der
Lohnseite bei gegebenem Wert von (U
t U
) dieInationsrate p
t
beeinussen
(bei Gultigkeit der obigen Normierung). Gleichung (2) spiegelt Gordons (1997)
\triangle model" wider: Preisrigiditaten (via a(L)p
t 1
), Nachfragebedingungen
(via U
t U
) und Angebotsschocks (via z
t ).
Haug wird in der LiteraturU
bereits mitder NAIRU gleichgesetzt, wahrend
U
in Gleichung (2) hier alsfriktionelle oder \naturliche" Arbeitslosenquote ein-
gefuhrtwurde. SofernvondenimVektor z
t
enthaltenen Variablenkeine Storun-
gen ausgehen, mithin z
t
=0 gilt,besteht in der Tat kein Unterschied zwischen
beidenInterpretationen. DennGleichung (2)lat sich wie folgtumformulieren:
p
t
=d+a(L)p
t 1
b(L)U
t +"
t
(3)
mit
d=b(1)U
; (4)
sodasichausGleichung(4)derWertfurU
alsU
=d=b(1)ergibt.Einenanalo-
genWerterhaltmanbeiexpliziterBefolgungdesNAIRU-Konzeptsals\inations-
8
DergleichzeitigeEinuvonU
t
aufp
t
darf zurVermeidungvonSimultanitatsproblemen
kausal nichtin dieentgegengesetzteRichtungverlaufen.Haugwirddahervondem gleichzei-
tigen Einuabgesehen.DasselbegiltnaturlichauchfurdenVektorz
t .
im Lag-Operator der vergangenen Inationsraten den Wert eins annimmt, also
fura(1)=1,und furStabilitatder Inationsraten(dasheitp
t
=p
t 1
)liefert
das Auosen von Gleichung (3)nachU
t
den Wert der NAIRU:
9
U NS
=d=b(1): (5)
U NS
bezeichnetwegenz=0dieNAIRUohneBerucksichtigungetwaigerStorun-
gen (\no shock-NAIRU").
10
Die \naturliche Arbeitslosenquote" und die NAIRU
sind hingegen nicht mehr identisch, wenn moglichen Schocks Rechnung getragen
wird. Furz 6=0 ergibt sichnamlichals NAIRU
U N
t
=(d+c(L)z
t
)=b(1): (6)
Die tatsachliche Arbeitslosenquote mag unterhalb der NAIRU liegen und die
Inationsrate sich demzufolge erhohen, obwohl die tatsachliche Arbeitlosenquo-
te den Wert der \naturlichen" Arbeitslosenquote
ubersteigt.Die nur allmahliche
Annaherung der NAIRU U N
t
an die naturliche Arbeitslosenquote in Form der
NAIRU U NS
wird inder Literaturtreend mit\speed limit eect" bezeichnet.
11
DerUnterschiedzwischenU N
t
einerseitsundU NS
beziehungsweise U
andererseits
liegt wirtschaftspolitischinterpretiertdarin,dass die\no shock-NAIRU" U NS
bei
dem Erfordernis einer stabilen Inationsrate - wie hoch die tolerable Inations-
rate auch angesetzt werden mag - die Inationswirkungen von Angebotsschocks
z
t
auer Betracht lat, alsobeispielsweise nicht fordert, dass der allein aus einer
Erhohung indirekter Steuern resultierende Schub auf die Inationsrate ebenfalls
mit Hilfe einer restriktiven Politik und einer damit einhergehenden Arbeitslosig-
keitzuruckgefuhrtwerdenmusse,wohingegendieNAIRUunterEinbeziehungvon
Schocks U N
t
>U NS
diese wirtschaftspolitische Vorgehensweise nahelegt.
DerMoglichkeiteinerzeitvariablenNAIRUkannreinformaldadurchRechnung
getragen werden, dassU
inGleichung(2) miteinemZeitindext versehen undin
Abhangigkeit vergangener Werte von U
t
\erklart" wird. In einer denkbar einfa-
chen Versionergibt sich fur U
t
zum Beispielein autoregressiver Proze des Typs
(\random walk without drift")
U
t
=U
t 1 +
t
(7)
9
Fur a(1)6=1hangtder Wertder NAIRU vonder HohederInationsrate ab,esseidenn,
dieInationsratenwerdenbeiderBerechnungderNAIRUmitdemWertNullversehen.DieRe-
striktion a(1)=1istnaturlicheinetestbareundzutestendeHypothese.Insoweitmita(L)p
t
adaptiverwarteteInationsrateerfatwerdensollen,istdieAnnahmea(1)=1nichtunproble-
matisch. Vgl.bereitsSargent(1971)undAbschnitt4.
10
Vgl.FranzundGordon(1993),S.731.
11
Vgl.beispielsweiseGiornoet al.(1997)undGruenetal.(1999).
E
t
=0; (8)
wobei die Varianz von
t
alskonstant angenommenwird:
12
2
t
=Q: (9)
Fur Q = 0 stellt die Arbeitslosenquote U
t
wieder eine Konstante dar, wahrend
sie fur Q > 0 mehr oder weniger starken Schwankungen unterliegt, weil sich
Erklarungsgroen verandert haben, dienicht inz
t
enthaltensind, seien sieunbe-
obachtbar oder nicht mebar.
Eine zeitliche Variabilitat der NAIRU lat sich
okonomisch insbesondere mit
dem Hysterese-Phanomenbegrunden, namlichindiesem Zusammenhang mitder
Hypothese, die NAIRU werde ganz oder teilweise von den Vergangenheitswerten
der tatsachlichen Arbeitslosigkeit bestimmt, wofur es eine Reihe von Grunden
geben mag,wie unter anderem dieDequalikation,StigmatisierungundEntmuti-
gung langerfristig Arbeitsloser, sowie Rigiditaten im institutionellen Regelwerk
des Arbeitsmarktes, welche die Anreize zur Arbeitsplatzsuche verringern (wie
moglicherweise eine lange Dauer der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosen-
unterstutzung).
13
In diesem Zusammenhang hat Ball (1999, 1997) Schatzungen
vorgelegt, nach denen die NAIRU in OECD Landern der Jahre 1980 bis 1990
imZusammenwirken einerDisinationspolitikund eben dieserRigiditatengestie-
gen sei. Hysterese in dieser Form hiee, dass die Entwicklung der NAIRU nicht
unabhangig von dem Zeitpfad der Inationsraten ist und die Kausalitat damit
umgekehrt wird. Dieser Aspekt soll hier nicht weiter verfolgt werden, sondern
spateren Untersuchungen vorbehalten sein.
Im denkbar einfachsten Falllat sich Hysterese formalals
U
t
=
U +(U
t 1 U
)+
t
(10)
mit
t
N(0;
2
t
) (11)
erfassen. U
t
ist nunmehr eine quasi-gleichgewichtige, weil zeitpfadabhangige \no
shock-NAIRU", wohingegen
U
diebekannte gleichgewichtige \no shock-NAIRU"
darstellt,welche imlangfristigen Gleichgewichtvorherrscht.
14
12
DurchdieAnnahmea(L)1wirddiesin derRegelgewahrleistet.
13
Vgl.u.a.Franz(1990).
14
DiesesU
wirdin der angelsachsischenLiteratur \contemporaneousNAIRU"genannt,im
Gegensatzzu
U
,der\steadystateNAIRU".Vgl.Franz(1987)sowieFranzundGordon(1993).
Einsetzen der Gleichung (10) in Gleichung (2), mit U
t
anstelle von U , ergibt
nach einigenUmformungen:
p
t
=a(L)p
t 1
b(L)[(1 )(U
t U
)+U
t
]+c(L)z
t +"
t
+b(L)
t (12)
Drei Fallelassen sichunterscheiden.
1. =1:DieserFallistdurch(\volle")Hysteresegekennzeichnet.DieVerande-
rungder Inationsratehangtvonder zeitlicherstenDierenzder Arbeitslo-
senquotesowie denanderenBestimmungsgroeninGleichung (12)ab,nicht
abervomNiveau der Arbeitslosigkeit.Hysterese bedeutet mithin,dass kein
eindeutiger Wert der NAIRU bestimmt werden kann, weilsie in Abhangig-
keitvondervergangenenArbeitslosigkeitfreischwankt, oder andersformu-
liert, der heutige Wert der NAIRU erklart sich daraus, wie man zu diesem
Wert gekommen ist. Eine Regressionsgleichung analog zu Gleichung (12)
liefertdann fur(U
t U
) eineninsignikanten KoeÆzienten.
2. = 0: Dieser Fall entspricht mit Ausnahme des Storterms der Ausgangs-
situation in Gleichung (2), das heit, es gibt denitiv keine Pfadabhangig-
keit der NAIRU. In der Regressionsgleichung erweist sich der KoeÆzient
beiU
t
(einschlielich der zeitlich verzogertenWerte) als nicht signikant,
die Ermittlung der NAIRU erfolgt analog der Vorgehensweise wie in den
Gleichungen (4)und (5).
3. 0 < < 1: Hier liegt als mittlere Situation Persistenz vor.
15
Sowohl das
Niveau der Arbeitslosigkeitwie auchderen Veranderung lieferneinen signi-
kanten Erklarungsbeitrag, so dass sich die quasi-gleichgewichtige NAIRU
vondergleichgewichtigenNAIRUentfernenkann.JegroerderWertvon,
umso mehrunterschreitetdiequasi-gleichgewichtige NAIRU ihrengleichge-
wichtigen Wert, 16
mitanderen Worten,dieArbeitslosigkeitkann beiVorlie-
gen vonPersistenz auf eine niedrigere Schwelle zuruckgefuhrt werden, ohne
dass dies mitsteigenden Inationsraten einhergeht, weilsich mitdieser Re-
duktion gleichzeitig einTeil der verfestigtenArbeitslosigkeit auost, indem
beispielsweiseStigmatisierungs-undEntmutigungseekteverringertwerden.
MageblichfurdieUnterscheidunginkonjunkturelleundfunktionsstorungs-
bedingteArbeitslosigkeitistindiesemFallmithindiequasi-gleichgewichtige
NAIRU.Nachwievorkannjedochdiegleichgewichtige\shock-NAIRU"oder
15
Siewirdin derLiteratur mitunter als\partielleHysterese"bezeichnet.
16
Diequasi-gleichgewichtigeNAIRUberechnetsichunterdengemachtenAnnahmenals:[d+
c(L)z
t
b(1)U
t
]=[b(1)(1 )] fur vorgegebene Werte von U
t
(also beispielsweise den
durchschnittlichen WerteneinerBeobachtungsperiode)
U
t
=0undanalogzurVorgehensweise wie inden Gleichungen(4)und (5)
ermitteltwerden.
Die in Gleichung (10) dargestellte Zeitpfadabhangigkeit von U
t
mag als zu re-
striktiv speziziert angesehen werden,dienteindessen vornehmlichder klarenden
Unterscheidung zwischen Hysterese und Persistenz und kann ohne weiteres ver-
allgemeinert werden.
U
t
=
U +
K
X
i=1
i (U
t i U
)+
t
(13)
Analoges Einsetzen der Gleichung (13) in Gleichung (2), wiederum dort mit U
t
anstelle vonU
, ergibtnunmehr:
p
t
=a(L)p
t 1
b(L)[(1 K
X
i=1
i )(U
t U
)+
K
X
j=1 K
X
i=j
i U
t+1 j
]+c(L)z
t +"
t
+b(L)
t :
(14)
Zur Illustration fur drei Lags heit dies fur den Term in eckigen Klammern in
Gleichung (14):
[(1
1
2
3 )(U
t U
)+(
1 +
2 +
3 )U
t +(
2 +
3 )U
t 1 +
3 U
t 2 ] (15)
DieobendargestellteFallunterscheidunglatsichanalogaufGleichung(14)
uber-
tragen.
Wiebereitserwahnt,existierenandereMoglichkeitenzurApproximationderun-
beobachtbaren
UberschunachfrageX
t
inGleichung(1),wiebeispielsweisedieAb-
weichung des tatsachlichen Kapazitatsauslastungsgrades G
t
von seinemmiteiner
Stabilitatder Inationsraten kompatiblen, gleichgewichtigen Wert G
(konstant)
oderG
t
(zeitvariabel).ErsetzenmithinG
t
undG
dieVariablenU
t
beziehungswei-
seU
inGleichung(2),latsichnaturlichunmittelbarkeineNAIRUimSinneeiner
inationsstabilen Arbeitslosenquoteermitteln, sondern ein\inationsstabilerKa-
pazitatsauslastungsgrad".
Okonomisch gesehen mu dies nicht notwendigerweise
alsNachteilangesehen werden,gegebenenfallsalsVorteil, wenn namlichG
t einen
hoherenErklarungswert alsU
t
aufweist(einschlielichallfalligerLag-Verteilungen
von G
t
beziehungsweise U
t
). Gleichwohl entfalltdie Moglichkeit, unmittelbar die
einleitendhervorgehobene TypisierungderArbeitslosigkeitvorzunehmen,und ein
inationsstabiler Kapazitatsauslastungsgrad durfte selbst einer kundigen
Oent-
lichkeitnochschwierigerzuvermittelnseinalsdieNAIRU. AlsAuswegbietetsich
die Spezikation und Schatzung einer Relationzwischen U
t
und G
t
inmehr oder
weniger deutlicher Anlehnung an das Okunsche Gesetz an. Als Problem erweist
sich hierbei allerdings die in zahlreichen empirischen Studien festgestellte zeitli-
che Veranderung des Okunschen Gesetzes.
17
Franz und Gordon (1993) ermitteln
17
Vgl.hierzubeispielsweiseBuscheretal.(2000)undSchalketal.(1997).
NAIRU-Gleichungen enthalten zum Teil mittelwertbereinigte Werte von G
t an-
stellevonU
t
,gleichzeitigwirdeineRegressionmitU
t
alsabhangigerVariablerund
einem Lag-Polynom von mittelwertbereinigten Variablen G
t
sowie Zeittrends als
erklarende Variable geschatzt. Vor dem Hintergrund dieser
Uberlegungen erfolgt
in diesemBeitrag inAbschnitt 4 eine Diskussiondes Erklarungswertes von G
t .
Nach dieser Darstellung des konzeptionellen Rahmens bleibt noch zu klaren,
wie aus theoretischer Sicht dieInationsrate p
t
sowie dieArbeitslosenquote U
t
deniert werden sollten,und welche Variablen imVektor z
t
von Bedeutung sind.
Bei derInationsratep
t
ergibtsichinsoweiteinKorrekturbedarf, alsalleexo-
genenDeterminantenderPreisbestimmung,dasheitFaktoren,diebeigegebenen
Werten der Arbeitsmarktsituation (U
t U
) die Inationsrate beeinussen, ent-
weder aus den Werten p herausgerechnet oder in den Vektor z
t
aufgenommen
werden, unabhangig davon, ob diese exogenen Storungen von der Preisbestim-
mung oder der Lohnndung herruhren. Im ersten der zuletzt genannten beiden
Falleist dieKerninationsrate dieaus theoretischer Sicht magebliche Variable,
welche die Preissteigerungsraten p R
fur Nahrungsmittel und importierte Roh-
stoe als (weitgehend) exogene Determinanten der Preisentwicklung ausschliet.
Alternativ kann die Inationsrate p R
als ein Element des Vektors z dienen
und als abhangige Variable dann dieVeranderungsrate eines Konsumentenpreis-
index oder des BIP-Deators verwendet werden. Diese
Uberlegung gilt mutatis
mutandisebenfallsfurden Einu indirekterSteuern.
Aus derLohngleichung,welche im\strukturellen" Ansatzin diePreisgleichung
eingesetzt wird, konnen vor dem Hintergrund unterschiedlicher, aber sich nicht
notwendigerweisegegenseitig ausschlieendertheoretischerModellezusatzlichzur
Variablen (U
t U
) ebenfalls eine Reihe von erklarenden Variablen identiziert
werden. Beispielsweise mogen der Anspruchslohn der Arbeitnehmer und damit
die Lohnforderungen zunehmen, wenn sich der als exogen angesehene Keil zwi-
schen Konsumlohn und Produktlohn verbreitert oder die Arbeitslosenunterstut-
zung grozugiger bemessen wird.
Ob derVektorzauerdem-wieinmanchenStudien -dieFortschrittsrate der
(trendmaigen) Arbeitsproduktivitat v
t (v
T
t
) enthalt,musich aus den theo-
retischen
Uberlegungen ergeben. Zur Rechtfertigung einer Berucksichtigung von
v
t
konnte zunachst argumentiert werden, bei der Preisbestimmung erfolge die
Zuschlagskalkulation auf dieLohnstuckkosten, alsosei(w
t v
t
)die relevante
erklarende Variable fur die Inationsrate p
t
(von zeitlichen Verzogerungen ab-
gesehen); auerdem spiele der durch v
t
bestimmteVerteilungsspielraumbei der
Lohnbestimmung eine entscheidende Rolle, so dass in der Bestimmungsgleichung
furw
t
derunabhangigenVariablenv
t
Rechnungzutragensei.Jedochistfurdie
Hohe des Verteilungsspielraumes die trendmaige Zunahme der Arbeitsprodukti-
vitat,alsov T
t
,dierelevanteGroe,daProduktivitatsfortschrittealleinaufgrund
einesBeschaftigungsabbaus(die\Entlassungsproduktivitat")nichtzurVerteilung
Regel voll ausgeschopft wird, besitzt die Variable v T
t
in der Lohnbestimmung
einenKoeÆzienteninHohevoneins.UnterderAnnahmekonstanterSkalenertrage
inderCobb-Douglas-ProduktionstechnologiegehtinderPreisbestimmungdieVa-
riable(w
t v
T
t
)jedochebenfallsmitdemselbenKoeÆzientenwert voneinsein,
so dass v T
t
inder beschriebenen reduzierten Form keinen Erklarungsbeitrag fur
p
t
liefert,esseidenn,eine dergemachtenAnnahmenseiverletzt:w
t
verandert
sich im Vergleich zu v T
t
unter- oder
uberproportional, dieZuschlagskalkulation
erfolgt auf der Basis von (w
t v
t
) anstelle von (w
t v
T
t
) oder die An-
nahme konstanter Skalenertrage giltin der Realitatnicht. Dies sind - wegen der
Schatzung ineiner reduzierten Form - inihrer Gesamtheit testbare Hypothesen.
ImHinblickaufdieDenitionderVariablenU
t
sindzumindestInsider-Outsider-
UberlegungeninsBlickfeldzu nehmen. Langzeitarbeitslosemogen unter anderem
aufgrund der Abschreibung ihres Humankapitals weniger als Verdranger der Ar-
beitsplatzbesitzer in Betracht kommen. Um dieser Moglichkeit Rechnung zu tra-
gen, konnen entweder Quotenfurkurzfristig oder langfristigArbeitslose deniert
oder die Arbeitslosigkeitkann als gewichtete Summe aus Kurz- und Langfristar-
beitslosenquoten,U k
beziehungsweise U l
, aufgefat und deniert werden:
U
t
=U k
t + U
l
t
: (16)
EinsetzenvonGleichung(16)inGleichung(12)erlaubtdannmitHilfederIden-
tizierungdesParameters Aussagen
uberdasGewichtderLangfristarbeitslosen
aufdieLohnbildung.DieHypotheseeiner\outsiderineectiveness"lat einenge-
ringen, wenn nicht sogar insignikanten Parameterschatzwert fur erwarten.
Zusammenfassend ergeben die vorangegangenen Ausfuhrungen folgende Vari-
anten einer NAIRU:
1. Zunachstgilteszwischeneiner\noshock-NAIRU"undeiner\shock-NAIRU"
zu unterscheiden, also beide Varianten der NAIRU empirisch zu ermit-
teln, wenn auch die Entscheidung daruber, welche exogen schockbeding-
ten Storungen der Inationsrate noch mit dem Erfordernis einer stabilen
Inationsrate vereinbar sind, der Wirtschaftspolitik, insbesondere der (eu-
ropaischen)Geldpolitikzusteht.
18
2. Des weiterenmudie
okonomische Analyseklaren, inwieweitvoneinerzeit-
lichvariablen NAIRU auszugehen ist und ob gegebenenfalls das Hysterese-
Phanomeneinen signikanten Erklarungsbeitragzu liefernimStande ist.
Analytisch bedeutet dies, dass folgende Varianten des NAIRU-Konzepts
okono-
metrischzu testen sind. Ausgangsgleichung ist
p
t
=a(L)p
t 1
b(L)(U
t
~
U
t
+c(L)z
t +"
t
; (17)
18
Zusatzlich stellt sich das Problem des Zeithorizonts fur die Zielgroen einer Geldpolitik.
Estrella undMishkin(1998)schlagen einverandertesNAIRUKonzeptvor,beidem sich Ina-
tionsstabilitataufden jeweiligenZeithorizontderGeldpolitikbezieht.
wobei U
t
alternativ mit
~
U
t
=U
Gleichung (2) (18)
~
U
t
=U
t
=U
t 1 +
t
Gleichungen (2)und (7) (19)
~
U
t
=U
t
=
U +(U
t 1
U)+
t
Gleichungen(2)und (10) (20)
anzusetzen ist. Zusatzlich sind die Restriktion bezuglich der Polynome im Lag-
Operatorund dieSignikanzder importiertenRohstopreise, des Steuerkeilsund
der Produktivitatals Bestandteilevonz
t
zu testen.
Abschlieend macht bereits diese kursorische Darstellung des konzeptionellen
Rahmens \der" NAIRU zwar ihren Facettenreichtum deutlich, jedoch kann von
einemeinfachzuhandhabendenunderstrechtvoneinemleichtvermittelbarenIn-
dikator keine Redesein. Allerdings bedeutet dies keineswegs schon den Abgesang
auf die NAIRU als Diagnoseinstrument etwa zur Abgrenzung einer konjunktu-
rellen Arbeitslosigkeit von einer solchen, die auf Funktionsstorungen der Markte
beruht. Gleichwohlstehen vorder adaquaten Umsetzung dieses Konzeptes in die
wirtschaftspolitische Praxisbeachtliche Hurden.
3 Methodische Probleme und Daten
Ein
okonometrischer Test des NAIRU-Konzeptssieht sichmitbetrachtlichen me-
thodischen Schwierigkeiten konfrontiert, welche neben den im vorhergehenden
Abschnitt aufgezeigten theoretischen Einschrankungen Anla zu einer nicht un-
berechtigten Skepsis gegenuber der Aussagefahigkeit einer (geschatzten) NAIRU
geben. Im wesentlichen resultieren die Unsicherheiten
uber zuverlassige NAIRU-
Werte aus drei Problemen.
Erstens herrscht Unkenntnis
uberdas \wahre"Modellder Bestimmung der In-
ation, und die empirische
Uberprufung bezieht sich auf einen Test miteinander
verbundenerHypothesen.DerinGleichung(17)dargestellteAnsatzverbindetHy-
pothesen unter anderem
uber die Lohn- und Preisbestimmung und die Bildung
vonErwartungen.Selbsteinenachublichen Testkriterien\erfolgreiche"Schatzung
kannim Extremfalldas Ergebniseines Zusammenspiels jeweilsfalscher Hypothe-
sen sein.
Zweitens sind eine Reihe von Variablen nicht oder (als Zeitreihe) nur unvoll-
kommen beobachtbar und mebar. Dies betrit gerade die zentralen Variablen
Arbeitslosigkeitund Ination.
BekanntlichreprasentiertdiestatistischausgewieseneArbeitslosenquotenurun-
zulanglichdieUnterauslastungdesFaktorsArbeit,zumeinen,weileigentlichnoch
werdenmuten,wieetwaTeilnehmeranarbeitsmarktpolitischenManahmenein-
schlielichvorzeitigerRuhestandler.ZumanderenenthaltendieoÆziellenArbeits-
losendaten eine nicht bekannteAnzahl von \sozialleistungsinduziertenArbeitslo-
sen".Esliegtdahernahe,nachAlternativenzurArbeitslosenquotealserklarender
Variablezu suchen. EineMoglichkeitstellt dieVerwendungdes Kapazitatsauslas-
tungsgrades dar.
DieDaten
uberdenhierverwendetenKapazitatsauslastungsgradGentstammen
der innovativen Studie von Flaig und Ploetscher (2000).
19
Der Kapazitatsauslas-
tungsgrad wird dort inForm der Lucke zwischen tatsachlichem und potentiellem
Output speziziert und zwar unter Verwendung eines bivariaten Zeitreihenmo-
dells, welches nicht nur das reale Bruttoinlandsprodukt, sondern ebenfallsdie im
Rahmen des ifo-Konjunkturtestes ermittelten Geschaftserwartungen von Unter-
nehmen desverarbeitendenGewerbes, derBauindustrie sowie desGro-und Ein-
zelhandels verwendet und in dieKomponenten Trend, Zyklusund Saison zerlegt.
Nach Angaben von Flaig und Ploetscher (2000) zeigen ihre Resultate, dass diese
Vorgehensweise \reduces uncertainty of the estimated output gap considerably
and leads to better prediction properties"(S. 13).
Bei der Wahl der geeigneten Inationsrate ergibt sich als Problem, dass die
Lohnbestimmung aus der Sicht der Arbeitnehmer und der sie vertretenden Ge-
werkschaften eher den Konsumlohn (unter Verwendung eines Konsumentenprei-
ses) imBlickfeld hat, wahrendaus der Sicht der Unternehmen und bei der Preis-
bestimmungeherderProduktlohndieGrundlagebildet,das heitdieAbsatzprei-
se, approximiert durch einen Produzentenpreisindex oder allgemeiner durch den
BIP-Deator(ohneBruttowertschopfung des Staates),dierelevanteVariabledar-
stellen. Wie Abbildung 2 verdeutlicht, bestehen nicht unerhebliche Unterschiede
zwischen den Zeitreihen beider Inationsraten, so dass die Entscheidung fur ei-
ne der beidenPreissteigerungsraten dieSchatzergebnisse mageblichbeeinussen
kann.
DavonabgesehentendierendiestatistischausgewiesenenPreisreihenmitzuneh-
mendem zeitlichenAbstandvonden jeweiligenNeuberechnungen (unter anderem
des Wagungsschemas) zu einer
Uberschatzung des tatsachlichen Kaufkraftverlu-
stes. Dieses Problem ist indessen nur insoweit relevant, wie die beteiligten Wirt-
schaftssubjekte ihre Entscheidungenauf derkorrektenPreisentwicklung basieren.
Um die Schatzergebnisse dieser Studie mit denen fruherer Analysen besser ver-
gleichen zu konnen, liegt den folgenden Berechnungen die Inationsrate auf der
Basisdes PreisindexfurdieLebenshaltungallerprivatenHaushaltezugrunde.Da
diese Vorgehensweise nicht freivoneiner gewissenWillkurist,werdenalternative
Schatzungen aufder Grundlagedes BIP-Deators(ohneStaat)durchgefuhrt und
diskutiert.
Drittens sind die wahren Parameter unbekannt, woraus sich der stochastische
19
IchdankeGebhardFlaigfurdie MoglichkeitderNutzungdieserDaten.
Deators (ohne Bruttowertschopfung des Staates) in v.H. (jeweils bezogen auf
das Vorjahresquartal)
Charakter der NAIRU erklart. Um dieser Stochastik bei der Interpretation der
NAIRURechnungzutragen,sindKondenzintervallefurdieNAIRU-Schatzwerte
hilfreich. Die Ermittlungsolcher Kondenzbander istinsoweit nicht oenkundig,
als sich die NAIRU als nichtlineare Funktion der Schatzwerte der Parameter d,
b(L)undc(L)berechnet.
20
VordemHintergrunddieserNichtlinearitatenschlagen
Staigeretal.(1997a,b)zweialternativeMethodenzurSchatzungderKondenzin-
tervallevor.Zum einen wird gemader
ublichen \Delta-Methode" beispielsweise
der Quotient d=b(1)mitHilfe einer Taylorreihe ersterOrdnung approximiert und
die asymptotische Varianz dieser Funktion zur Konstruktion der Kondenzinter-
vallebenutzt. ZumanderengebendieAutorenplausibleWertefurdieNAIRUU
vorundvergleichendieResidualquadratsummensorestringierterSchatzungenmit
denen ohne Restriktionen. Mit Hilfe eines F-Testes konnen sie dann vorgegebene
NAIRU-Werte bis zu einem bestimmten Wert bei gegebener Irrtumswahrschein-
lichkeitnicht verwerfen und erhalten soKondenzintervallefurdieNAIRU.
Obwohl diese Vorgehensweise auf Grund einer Reihe von einschneidenden An-
nahmennichtunproblematischist,ziehenStaigeretal.(1997a,b)dienaheliegende
Bootstrap-Methode als Alternativeoder Erganzungnicht inBetracht. Eine Inno-
vationdiesesPapiersliegtfolglichdarin,NAIRU-SchatzwertefurWestdeutschland
einschlielichvon Bootstrap-Kondenzintervallen vorzustellen.
Im einzelnen liegt den Schatzungen folgende Vorgehensweise zugrunde. Der
Schatzzeitraum bezieht sich auf Quartalswerte fur Westdeutschland der Jahre
1970 bis 1998 (insgesamt mithin 116 Beobachtungen), zeitlich verzogerte Wer-
te in der Regression liegen vor 1970/1. Alle Wachstumsraten beziehen sich auf
das Vorquartal, nicht auf das Vorjahresquartal. Wachstumsraten auf der Basis
der Vorjahresquartale hatten zwar den Vorteil, dass ein quartalsmaiges Saison-
20
Vgl.Gleichungen(4)und(5).
dies mit einer Reihe von Nachteilen erkauft, etwa in Form bestimmter Basis-
oder
Uberhangeekte. Auerdem mute beider Verwendung zeitlich verzogerter
WachstumsratenaufderBasisvonVorjahresquartalenberucksichtigtwerden,dass
zwei zeitlich aufeinanderfolgendeWachstumsraten derselben Variablejeweils drei
Elemente gemeinsam haben; dies kann in Gleichung (17) zu verzerrten Parame-
terschatzwerten fuhren.
21
DiehierverwendetenWachstumsratenaufVorquartalsbasismacheneineSaison-
bereinigungerforderlich. Diemitden
ublichen Saisonbereinigungsverfahren meis-
tenseinhergehendezeitlicheGlattungderVariablenkanndieDynamikverfalschen
und (zusatzliche) Autokorrelation zur Folge haben. Daher wird der Saisongur
durch 0,1-Saisondummies Rechnung getragen, welche allerdings insoweit zeitlich
variieren, als fur die beiden Teilperioden 1970/1 - 1982/4 und 1983/1 - 1998/4
unterschiedliche KoeÆzientender Saisondummieszugelassen sind,wobeidieAus-
wahlder beidenZeitperiodennachmehreren Tests aufderBasisdes hochstenEr-
klarungswertes (gemessen an der Residualquadratsumme) erfolgte. Zur Vereinfa-
chungderBerechnungderNAIRUwerdendieSaisondummiesalsS
i S
4
;i=1;2;3
deniert; sie gleichen sich damit im Jahresdurchschnitt aus und das fur die Be-
rechnung der NAIRU wichtige Absolutglied enthalt keinen Saisoneinu.Um die
Prasentationder Schatzergebnisse nicht zu
uberfrachten, werden dieSaisonvaria-
blen in den folgenden Tabellen nicht ausgewiesen. Mit wenigen Ausnahmen sind
ihre KoeÆzienten statistisch signikant.
Eine weitere Dummy-Variable inden Schatzgleichungen nimmtfur1991/3 den
Wert eins an und ansonsten Werte von null.Mit dieser Dummy-Variablensollen
sowohl ein Sprung des Verbraucherpreisindex (im September 1991) um etwa 1.5
Punkte wie auch ein irregularer Verlauf des Steuerkeils erfat werden, der wohl
auf Modikationen bei der statistischen Erfassung des Bruttoeinkommens aus
unselbstandiger Arbeit zuruckzufuhren ist. Diese Dummy erweist sich bei allen
Schatzungen alssignikant;sieerhohtdieErklarungskraftder Schatzung(gemes-
sen am Standardfehler der Regression), ohne den Wert und die Signikanz der
ubrigen RegressionskoeÆzienten mehr als vernachlassigbar zu beeinussen. Der
besseren
Ubersichtlichkeithalber wird sienicht ausgewiesen.
DieSchatzungzeitlicherVerzogerungenerfolgtmitHilfedes Almon-Verfahrens,
wobeisicheinLag-PolynomdrittenGradesalsexibelgenugerwiesundzusatzlich
eineEndpunktrestriktionauferlegtwurde.
22
Der\Preis"desAlmon-Verfahrensist
allerdings eine zusatzliche Autokorrelation der Residuen. Schatzungen unter Va-
riationendieser beiden Vorgaben erbrachten indes keine nennenswerten Verande-
rungen der Resultate.
21
Wie dieStorterme inGleichung (12)zeigen,istdie SchatzungderGleichung (17)ohnehin
mit demProblemeinerAutokorrelationbehaftet.
22
Vgl. beispielsweise Greene(1993), S. 519. fur eine komprimierte Darstellungdes Almon-
Verfahrens.
lage von hier durchgefuhrten ADF-Tests einen Integrationsgrad von eins auf,
wahrenddierelativeAbweichung der Entwicklung der Rohstopreise von der des
BIP-Deators 23
ebensowie dieersteDierenzdesSteuer-undPreiskeilsI(0)sind.
Diese Information ist zusatzlich zur Denition und Quellenangabe der Variablen
in Tabelle1 enthalten.
4 Darstellung und Diskussion der Schatzergeb-
nisse
4.1 Schatzung der Phillipskurve
Tabelle 2 enthalt ausgewahlte Ergebnisse der Schatzung einer Phillipskurve auf
der Grundlage der in den vorigen Abschnitten dargestellten
Uberlegungen. Die
drei ersten Spalten verzichten auf zeitliche Verzogerungen der erklarenden Va-
riablen (mit Ausnahme der verzogerten endogenen Variablen), wahrend in den
folgendendreiSpaltendieRelevanzsolcherLag-Verteilungen
uberpruftwird.Wie
der Box-Pierce-Test und der White-Test zeigen, leiden vieleRegressionen erwar-
tungsgemass unter erheblicher Autokorrelation und Heteroskedastizitat, worauf
nocheinzugehen ist.
DieSpezikationenbeginnenmitderdenkbareinfachstenVersioneinerPhillips-
kurve in Spalte (1), welche gleichwohl knapp drei Viertel der Varianz der Preis-
steigerungsrate des privaten Verbrauchs bereits zu erklaren im Stande ist und
einen hochsignikanten negativen Einu der Arbeitslosenquote aufweist.
24
Al-
le Schatzresultate anderten sich imubrigen, sofern uberhaupt, nurunwesentlich,
wenn die Arbeitslosenquoteum eineZeitperiodeverzogertwurde- umVerzerrun-
genaufGrundeinerdenkbaren Simultanitatzu vermeiden -oder wennderinverse
Wert der Arbeitslosenquote als erklarende Variable verwendet wurde, um etwai-
gen Nichtlinearitatendieses Einusses Rechnung zu tragen.Spalte (2)belegt den
signikantpositivenEinu der relativen Rohstopreisesowie des Keils zwischen
ProduktlohnundKonsumlohn.HingegenbringteinTest derimvorigenAbschnitt
diskutierten Hypothese einer \outsider ineectiveness"keine gravierende Verbes-
serung der Schatzergebnisse und zwar unabhangig davon, ob, wie in Spalte (3),
23
Trotz der Konsumentenpreissteigerungsrate als abhangiger Variable wird die Abweichung
derInationsratederRohstopreisevonderdesBIP-Deatorsgewahlt,weildamitdervonden
RohstopreisenausgehendePreisdruckbeiderVerwendung derRohstoe alsZwischenprodukt
imProduktionsprozessdirektererfatwird.
24
Hierbeiistallerdingsder\Erklarungswert"derLagsundDummieseingerechnet.Auerdem
istzubedenken, dasswegendesIntegrationsgradesderArbeitslosenquotein Hohe voneinsdie
ublichet-Verteilungnurbedingtanwendbarist.
Integra{
Variable tionsgrad Denition Quellen
Arbeitslosen-
quote
I(1) registrierteArbeitslosebezogenaufdieSummevon
Erwerbstatigen (Inlandskonzept) undregistrierten
Arbeitslosen
1,2
Quote der
kurzfristig
Arbeitslosen
I(1) registrierte Arbeitslose minus Langzeitarbeitslose
(=Dauer der Arbeitslosigkeit mindestens 1 Jahr)
bezogen auf die Summe aus Erwerbstatigen (In-
landskonzept) und den kurzfristig Arbeitslosen;
Langzeitarbeitslosebis 1995/2 durch lineareInter-
polation aufQuartalswerteumgerechnet
1,3
Outputlucke I(0) Dierenz zwischentatsachlichem undpotentiellem
Output bezogen auf denpotentiellenOutput
6
Inationsrate I(1) Wachstumsrate des Preisindex fur die Lebenshal-
tung allerprivatenHaushalte (1995=100)
4
Relative In-
ationsrate
der Rohsto-
preise
I(0) Wachstumsrate des Index derEinfuhrpreise (Roh-
stoe insg.)(1995=100) minusWachstumsrate des
BIP-Deators (vgl. Text)
4,5
Veranderung
Steuer- und
Preiskeil
I(0) Erste Dierenz des folgenden Quotienten: Brut-
toeinkommen aus unselbstandiger Arbeit deatio-
niert mit dem BIP-Deator (1995=100) dividiert
durch die Nettolohn- und gehaltssumme deatio-
niert mit dem Preisindex fur die Lebenshaltung
aller privaten Haushalte (1995=100); ab 1995/1
furdieWachstumsratenderEinkommensvariablen:
Deutschland,vorher:Westdeutschland
2,4
Trendbe-
reinigter
Produkti-
vitatsfort-
schritt
I(0) Abweichung der Wachstumsrate der Arbeitspro-
duktivitat (aufStundenbasis)von entsprechendem
Trend (ermittelt mit Hilfe des Hodrick-Prescott-
Filters mit einem Wert des Glattungsparameters
in Hohe von 1600)
2
Quellen(Nummernin derletztenSpalte):
(1): Amtliche Nachrichten derBundesanstaltfurArbeit,lfd. Jahrgange;
(2): Deutsches Institut fur Wirtschaftsforschung (DIW), Vierteljahrliche Volkswirt-
schaftliche Gesamtrechnung;
(3): Sachverstandigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung,
Jahresgutachten, lfd. Jahrgange;
(4): Monatsberichte derDeutschenBundesbank, lfd. Jahrgange;
(5): Statistisches Bundesamt:
http://www-zv.statistik-bund.de/zeitreih/dok/sgz1101.htm;
(6): Flaig undPloetscher(2000).
Tabelle2:OLS-Schatzgleichungenfurdie Phillipskurve 1970/1bis 1998/4
Abhangige Variable: Wachstumsrate des PreisindexfurdieLebenshaltung
Erklarende Varia-
blen
Lags (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)
verzogerte endoge-
ne Variable b)
1-5 0:575
(6.2)
0:485
(6.1)
0:546
(7.4)
0:359
(3.6)
0:308
(2.3)
0:266
(2.3)
1:000
(-)
Arbeitslosenquote 0 0:078
(4.9)
0:079
(5.7)
- 0:093
(6.3)
0:089
(4.8)
- 0:020
(1.6)
Arbeitslosen-
quote b)
0-16 - - - 0:095
(5.3) -
Quotederkurzfris-
tig Arbeitslosen
0 - - 0:110
(5.6)
- - - -
Arbeitslosen-
quote b)
0-19 - - - - 0:667
(2.5)
- -
relative Rohsto-
preissteigerungs-
raten
0 - 0:011
(4.8)
0:011
(4.9)
- - - 0:009
(3.2)
relative Rohsto-
preissteigerungs-
raten b)
0-4 - - - 0:016
(4.0)
0:017
(4.2)
0:018
(4.6) -
Keil/100 0 - 0:050
(2.6)
0:050
(2.6)
0:062
(3.2)
0:063
(3.2)
0:065
(3.5)
0:042
(1.8)
Konstante*100 - 0:781
(5.0)
0:842
(6.3)
0:818
(6.3)
1:025
(6.6)
1:092
(5.3)
1:129
(6.2)
0:089
(1.1)
R 2
0.727 0.805 0.804 0.800 0.811 0.818 0.713
SEE*100 0.349 0.295 0.295 0.298 0.290 0.284 0.357
SSR*100 0.128 0.088 0.090 0.091 0.084 0.082 0.130
LM(4) c)
5:66
(0.22)
4:31
(0.37)
4:06
(0.40)
4:64
(0.32)
6:73
(0.15)
6:88
(0.14)
10:94
(0.03)
LM(8) c)
9:18
(0.33)
9:54
(0.30)
9:96
(0.27)
14:02
(0.08)
20:25
(0.01)
20:52
(0.01)
23:59
(0.00)
LM(12) c)
14:70
(0.25)
17:13
(0.14)
17:24
(0.14)
19:44
(0.08)
24:26
(0.02)
24:71
(0.01)
28:04
(0.01)
White d)
20:2
(0.123)
27:8
(0.047)
29:6
(0.029)
26:2
(0.124)
24:9
(0.353)
24:7
(0.262)
30:0
(0.118)
CUSUM 2 e)
stabil instabil instabil stabil stabil stabil stabil
a) t-WerteinKlammern;R 2
istdasumdieAnzahlderFreiheitsgradebereinigteBe-
stimmtheitsma,SEE der Standardfehler der Regression undSSR die Residual-
quadratsumme.Die Saisonvariablensindnicht ausgewiesen,sie sindmitwenigen
AusnahmenstatistischsignikantundalsS
i S
4
;i=1;2;3konstruiert,vgl.Text.
b) Summeder KoeÆzienten.
c) Lagrange-MultiplierTest aufAutokorrelation4., 8.und12.Ordnung,p-Wertein
Klammern(H
0
:keine Autokorrelation).
d) TestvonWhiteaufHeteroskedastizitat(ohneInteraktion),p-WerteinKlammern
(H
0 :
2
t
= 2
furallet).
e) Regressionen wurden ohne die Dummy 91/3 gerechnet; mogliche Instabilitaten
tratenindesgenauzu jenem Zeitpunktauf.
eineextremeVarianteGrundlagederSchatzungenist,beidernamlichalleinkurz-
fristig Arbeitslose einen Einu besitzen, nicht aber Langzeitarbeitslose, oder ob
ein gewichteter Durchschnitt aus den Quoten beider Gruppen von Arbeitslosen
als erklarende Variable konstruiert wird (in der Tabelle nicht ausgewiesen). Vor
dem Hintergrund dieser Schatzergebnisse und um diespatere NAIRU Diskussion
nicht mitunterschiedlichen Fristigkeitender Arbeitslosigkeitzu belasten,solldie-
ser Aspekt hier nicht weiter verfolgtwerden.
25
Auallig und im Hinblick auf das NAIRU-Konzept unerfreulich ist der signi-
kantuntereins liegendeWertder SummeallerKoeÆzientenderverzogertenIna-
tionsraten,gleichgultigwelche Lag-Langegewahltwird.DiesesResultateinersich
im Zeitablaufvon selbst abbauenden Inationsrate inWestdeutschland erscheint
indessen nur bedingt uberraschend, daeine Beziehung zwischen der Inationsra-
teund ArbeitslosenquotejeweilsalsI(1)-VariableineinerstabilenLag-Verteilung
resultiert 26
unddes weiterenzahlreiche fruhereStudienzurPhillipskurveinWest-
deutschland ebenfalls KoeÆzientenschatzwerte unter eins erbrachten, haug in
der Groenordnung von 0.7 bis 0.9, mitunter aber - wie in den Spalten (1) bis
(3) in Tabelle 1 - auch rund 0.5.
27
Zwar mag der genannte Schatzwert etwas in
25
Die Starke der von der Arbeitslosigkeit ausgehenden Eekte auf die Inationsraten mag
vonderGroenordnung(nichtabervomVorzeichen)herbetrachtet zwischen Unter-undVoll-
beschaftigungssituationendierieren.Eisner(1997)prasentiertSchatzungenfurdieVereinigten
Staaten, welche einersolchen Asymmetrie Rechnung tragen,indessen die Grenzliniezwischen
beiden Arbeitsmarktsituationen in Form einervorgegebenenNAIRU exogenvorgeben, sodass
diesemAnsatz hiernichtgefolgtwird. GeeigneterzurErfassungdiesesAspektesscheinendann
ehermakrookonometrischeModelletemporarerGleichgewichte(\Ungleichgewichtsmodelle")zu
sein,vgl.dazuFranz,GoggelmannundWinker(1998).
26
Wenn a(1)= 1 ware ein KoeÆzientder Arbeitslosenquote nichtsignikant vonNull ver-
schiedenzuerwarten,dadie ersteDierenz derInationsratenI(0)ist.
27
Vgl. dazubeispielsweise dieStudien vonMoller (1996)mit einem KoeÆzientenschatzwert
in Hohe von 0.72 fur die Zeitperiode 1961/2 bis 1994/4 (dort S. 35) sowieFranz (1987) mit
KoeÆzientenschatzwerten zwischen 0.78 und 0.92 (dort S. 111) und von Franz und Hofmann
(1990)mitKoeÆzientenschatzwertenzwischen0.46und0.83(dortS.220).
sus BIP-Deator),jedoch wiesenVersionen analog zu denenin Tabelle 1mit der
Inationsrate des BIP-Deators als endogener Variable ebenfalls signikant un-
ter eins liegendeSummen allerLag-KoeÆzientenauf.Zubeachten istferner, dass
hohereKoeÆzienteninfruheren StudienmoglicherweiseaufeineFehlspezikation
der Wachstumsraten zuruckgefuhrt werden konnen, wenn namlich die endogene
Variable und die um eine Zeitperiode verzogerte endogene Variable teilweise die-
selben Beobachtungen wiederspiegeln; dies ist bei Verwendung von Wachstums-
raten bezogen auf das Vorjahresquartal (anstelle, wie hier, auf das Vorquartal)
besondersoenkundig, 28
kannaberebensobeiWachstumsratenaufder Basisvon
JahresdurchschnittenderFallsein,mitderGefahr einerVerzerrung desbetreen-
den RegressionskoeÆzienten inRichtungaufdenWerteins. Wiedem auchimmer
sein mag, es bleibt zu thematisieren,dass die hier mit der Verwendung von zeit-
lichverzogertenWertenimplizierteHypotheseeineradaptivenErwartungsbildung
zukunftiger Preissteigerungsraten schon problematischsein kann,vondem Eekt
von Lohn- und Preisrigiditaten, den diese Lag-Verteilungebenfalls widerspiegeln
soll, erst gar nicht zu reden.
Hervorzuheben bleibt aufjedenFall,dasseinKoeÆzientenwert untereins nicht
notwendigerweise eine Ablehnung der Hypothese einer vertikalen Phillipskurve
bedeutet.
29
Insoweit dieLags vonp
t
die erwartete Inationsrate p
t
reprasen-
tieren, einadaptivesErwartungsschema des Fisher-Cagan-Typs
p
t
= m
X
i=0 v
i p
t i
(21)
unterstellt und diePhillipskurveals
p
t
= m
X
i=0 v
i p
t
+::: (22)
speziziert wird, mute die Restriktion P
m
i=0 v
i
= 1 gelten, um an Hand des
Schatzwertes von zu entscheiden, wie steil die Phillipskurve ist. Wie Sargent
schon imJahre1971 gezeigthat,istdie Gleichheit dieserRestriktionnichtselbst-
verstandlich,eher istseinerAnsichtnacheinWertunter einszu erwarten. Akerlof
et al. (2000) geben eine andere Interpretation eines
ahnlichen Schatzresultates,
welches siefurdiePhillipskurveindenVereinigtenStaatenerhalten. EinKoeÆzi-
entenwert unter eins konne darauf zuruckgefuhrt werden, dass in Zeiten geringer
erwarteter Preissteigerungsraten diese bei der Entscheidung von Arbeitnehmern
und Firmen kaum eine Rolle spielten. Eine solche Geldillusion verschwinde erst
28
SoenthaltendiebeidenjahrlichenWachstumsraten(P
t P
t 4 )=P
t 4 und(P
t 1 P
t 5 )=P
t 5
(die Zeitindizes kennzeichnen Quartalswerte) dieselbe Information uber die Preisentwicklung
zwischenP
t 1 undP
t 4 .
29
Zumfolgendenvgl.Sargent(1971).
lipskurve erst oberhalb einer bestimmten Inationsratevertikalwerde.
Der Einu der verzogerten endogenen Variablen sinkt ferner, wenn zeitlich
zuruckliegende Eekte der relativen Rohstopreissteigerungsraten ins Blickfeld
genommen werden.Der langfristigeEinuder Rohstopreise steigtum rund die
Halfte (ebenso wie die Regressionskonstante), dafur sinkt der geschatzte Eekt
verzogerter Inationsraten des privaten Verbrauchs betrachtlich auf 0.37. Eine
Verbesserung der Gute der Schatzung lat sich indessen nicht ausmachen. Lag-
Werte des Keils erwiesen sich im wesentlichen als insignikant. Im
ubrigen er-
brachte die Berucksichtigung der Fortschrittsrate der Arbeitsproduktivitat - als
Abweichung von ihrer trendmaigen Entwicklung - keine signikanten Resulta-
te, ein Ergebnis, welches in Einklang mitden Schatzungen in Franz und Gordon
(1993)furdieZeitperiodenach1970undfurWestdeutschlandsteht(imGegensatz
zu dem partiellsignikanten Einu furdie Vereinigten Staaten).
ImvorigenAbschnittwurdefernerdieempirischeRelevanzdesHysterese-Phano-
mens angesprochen, diein der Literaturimmer noch umstritten ist.Sondet die
wohl neueste Arbeit zu diesem Thema von Reutter (2000) nur schwache Evi-
denz fur Hysterese bei der westdeutschen Arbeitslosigkeit, wahrend Balz (1999)
die GultigkeitderHysterese-Hypotheseals\nichterschuttert"ansieht.Ausgangs-
punktder TestsistGleichung(12).JedochbesadieersteDierenzderArbeitslo-
senquoteeinaus theoretischer Sichtfalsches und volliginsignikantes Vorzeichen.
Eine Ursache dafurmag diezu starkeVereinfachung der Bewegungsgleichung der
zeitpfadabhangigenArbeitslosenquoteU
t
inGleichung(10) sein.Wahltman hin-
gegen die exiblere Form in Gleichung (13), so fuhrt dies zu der Schatzgleichung
(14), deren Resultate in Spalte (5) der Tabelle 2 aufgefuhrt werden. Direkt
oko-
nomischinterpretierbar istunter Bezugnahme auf die Gleichungen (14) und (15)
nurderRegressionskoeÆzientvonU
t
,weildieRegressionskoeÆzienten der
ubri-
gen Lag-Werte von U
t
Linearkombinationen der im KoeÆzienten von U
t i
enthaltenen Parameter
i
darstellen.Davonabgesehen weisensowohldie Arbeits-
losenquote wie auch die Lag-Verteilungihrer ersten Dierenzen signikante Ein-
usseauf,mitanderenWorten,dieHypotheseeiner\vollen"Hysteresewirddurch
die Schatzung nicht gestutzt, wohingegen die Hypothese einer \Persistenz", das
heit einer \partiellen" Hysterese, nicht verworfen werden kann. DiesesErgebnis
bendet sich im ubrigen in
Ubereinstimmung mit den Schatzungen von Franz
und Gordon (1993) fur Westdeutschland, wahrend fur die Vereinigten Staaten
kaum Hystereseeekte identiziert werden konnten. Die Lag-Lange von fast funf
Jahren furdie ersten Dierenzen der Arbeitslosenquoten minimiertzwar die Re-
sidualquadratsumme, mag aber auf den ersten Blick vielleicht unrealistisch lang
wirken. Jedochsollte derlange Zeitraumbedachtwerden, indemdie Dequalika-
tion,EntmutigungundStigmatisierungderArbeitslosenundderenEekteaufdie
Lohnbestimmung und danach aufdie Inationsratezum Tragenkommenmogen.
In Spalte (6) wird das Schatzergebnis einer imVergleichzu Spalte(5)exibleren
Literatur anzutreen ist.
30
Gemessen an den statistischen Gutekriterien ergeben
sich indessen keine nennenswerten Veranderungen.
DersignikantuntereinsliegendeEinuderverzogertenPreissteigerungsraten
hat zweialternativeKonsequenzen. EntwederdieNAIRUhangtvoneinemvorzu-
gebendem Wert einer (tolerablen) Inationsrate ab (es sei denn, dieser tolerable
Wert wird mitNullangesetzt)oder das strengeNAIRU-Konzept wird den Daten
aufgezwungen, das heit, dieSummeder Lag-KoeÆzienten der endogenen Varia-
blenwirdaufdenWerteinsrestringiert.Spalte(7)enthaltdieSchatzresultateder
zweitenOptionfurdieGleichunginSpalte(2).Einesolche\Folterung"der Daten
-unter anderem wirdeine stationareVariable( 2
p
t
)durchdieArbeitslosenquote
als I(1)-Variable \erklart" - resultiert erwartungsgemass in deutlich verschlech-
terten Signikanzniveaus der erklarenden Variablen und Prufmae. Im ubrigen
zeigten Schatzungen unter Beibehaltung der auferlegten KoeÆzientenrestriktio-
nen fur andere Varianten der Phillipskurve in den Spalten (4) bis (6)
ahnliche
Resultate.
Wie inden vorangegangenenAbschnitten mehrfachangesprochen, soll dieEig-
nungderArbeitslosenquotealsIndikatorfurdie
Uberschunachfrage X
t
mitHilfe
der alternativen Berucksichtigung des Kapazitatsauslastungsgrades G
t
in Form
einer geschatzten Outputlucke
uberpruft werden. Beispielhaft seien die Ergeb-
nisse einer Schatzung der Gleichungen in den Spalten (2) und (6) der Tabelle 2
kurz vorgestellt und diskutiert. Die Schatzung einer Gleichung analog zu Spalte
(2) erbrachte einen KoeÆzienten (t-Wert) fur G
t
in Hohe von 0.042 (1.7), eine
geschatzte Summe der LagkoeÆzienten der verzogerten Inationsraten in Hohe
von0.727(8.2)undeineResidualquadratsumme(multipliziertmit100)von0.096.
Dieses Ergebnis
uberrascht nicht sonderlich, da G
t
I(0) und p
t
I(1) sind.
Modikationen dieser Version mit unterschiedlichen Lag-Strukturen fuhrten zu
keinen nennenswerten Veranderungendieser Schatzwerte. Gemessen ander Resi-
dualquadratsummeund demt-Wertdes KoeÆzienten vonG
t
fuhrtdiese Variable
im Vergleich zu den Resultaten der Version in Spalte (2) mithin nicht zu einer
Verbesserung der Erklarungsgute. Ebenfalls wenig
uberraschend (wegen der Er-
fassung der Einheitswurzel) ist der wesentlich hohere Wert der Summe der Lag-
KoeÆzientenderverzogertenInationsrate,dersichbeinahezuallenSchatzungen
unter Verwendung vonG
t
ergab,bishinzu einerVerdoppelungdes KoeÆzienten-
wertesvon0.338inSpalte(6)zuWertenzwischen0.6und0.7jenachunterstellter
Laglange von G
t
(mit verbesserten Werten der Residualquadratsummen). Wenn
hohere KoeÆzienten der verzogerten endogenen Variablen den diesbezuglichen a
priori-Vorstellungenauch naher kommenalsbeiden anderen Versionen inTabel-
le 2 mit U
t
, so besteht vor dem Hintergrund eines grotenteils unveranderten
Erklarungswertes der Schatzgleichungen auch unter Verwendung von G
t
und der
erwahnten groerenSchwierigkeitbeiderVermittlungdieserResultatekeinunbe-
30
Vgl.beispielsweiseGordon(1998).