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Archiv "Vorsorgeuntersuchung beim Kehlkopfkrebs — Effektiv oder ineffektiv?" (15.10.1981)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Das Kehlkopfkarzinom gehört mit ei- nem Anteil von 2 bis 2,5 Prozent zu den zehn häufigsten Organkrebsen des Mannes. An der Gesamtheit aller Kopf- und Halskarzinome ist es mit 40 bis 50 Prozent beteiligt. Die Mor- talität bei fortgeschrittenem Larynx- karzinom beträgt ungefähr 50 Pro- zent, während sie für die Frühsta- dien unter 20 Prozent liegt. Deswe- gen ist von verschiedenen Seiten an- geregt worden, auch für den Kehl- kopfkrebs eine generelle Vorsorge- untersuchung, wie sie für Mamma- und Prostatakarzinomen seit Jahren besteht, einzurichten. Dadurch wür- den sich der Anteil an frühen Krebs- stadien relativ erhöhen und die ver- stümmelnde Laryngektomie in vie- len Fällen durch funktionserhalten- de Kehlkopfteilresektionen ersetzen lassen.

Bei diesen Überlegungen muß ein- mal zwischen Früherkennungsmaß- nahmen, die auf den Nachweis von Vor- und Frühstadien des Krebses abzielen, und der eigentlichen Vor- sorgeuntersuchung, mit der Ge- schwülste in der symptomlosen, so- genannten präklinischen Phase dia- gnostiziert werden sollen, unter- schieden werden. Zum anderen sind die Besonderheiten des jeweiligen Tumors, auf den das Vorsorgepro- gramm zugeschnitten ist, zu berück- sichtigen. Das Kehlkopfkarzinom unterscheidet sich aber vom Mam- ma- oder Prostatakrebs dadurch, daß es sich vielfach über bekannte

Vorstadien, die von Kleinsasser (10b)*) in Anlehnung an die gynäko- logische Terminologie systemati- siert worden sind, entwickelt.

Diese Vorstufen verursachen fast immer Frühsymptome in Form von Heiserkeit oder Dysphagien und be- reiten, sofern der Erkrankte sie be- achtet, keine großen diagnostischen und therapeutischen Probleme. Die übrigen Kehlkopfkarzinome entste- hen auf dem Boden scheinbar ge- sunder Schleimhaut. Die Krankheits- anamnese ist kurz, die auftretenden Symptome sind hier nicht mehr Aus- druck einer Präkanzerose, sondern bereits des manifesten Karzinoms.

Nur für diese Gruppe der Kehlkopf- krebse könnte ein Vorsorgepro- gramm sinnvoll sein.

Im folgenden soll nach den Kriterien O Selektion und Teilnehmerverhal- ten der Anspruchsberechtigten, Q sinnvolles Zeitintervall zwischen zwei Untersuchungen und

• lnzidenz des Kehlkopfkrebses überprüft werden, ob sich mit einem Vorsorgeprogramm die Mortalität des Kehlkopfkarzinoms senken und die Zahl der Kehlkopfexstirpationen zugunsten der Teilresektionen ver- mindern läßt. Geeignete diagnosti- sche Techniken zur zuverlässigen Entdeckung von Präkanzerosen und

Anhand bisher publizierter Resultate aus Krebsvorsorge- Modellen bei Kopf- und Hals- karzinomen sowie eigener Un- tersuchungen wird überprüft, ob eine generelle Vorsorgeun- tersuchung beim Kehlkopf- krebs zur Senkung der Morta- lität und zur Abnahme der verstümmelnden Laryngekto- mien zugunsten funktionser- haltender Kehlkopfteilresek- tionen führen würde. Unter Berücksichtigung des aus an- deren Vorsorgeprogrammen bekannten Teilnehmerverhal- tens, der unterschiedlichen

Wachstumsgeschwindigkeit der Tumoren, der tatsächli- chen geringn Inzidenz des Kehlkopfkrebses und der Tat- sache, daß ein Teil der Larynx- karzinome sich über Vorstu- fen mit eindeutigen klinischen Symptomen entwickelt, er- scheint die systematische Krebsvorsorge für den Kehl- kopf nicht sinnvoll. Statt des- sen wird vorgeschlagen, Öf- fentlichkeit und Ärzte wieder- holt und nachhaltig auf die Frühsymptome des Kehlkopf- karzinoms hinzuweisen. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die positive Motivation des Er- krankten.

manifesten Karzinomen sowie den Frühstadien angemessene Behand- lungsmethoden dürfen dabei vor- ausgesetzt werden.

Weiter wird angenommen, daß die Akzeptanz der fachspezifischen Un- tersuchungsmethoden durch die Bevölkerung groß ist und daß die Untersuchungsmethoden selbst ei- ne hohe Sensitivität und Spezifität besitzen. Die besonderen Probleme, die mit den Überlegungen zur Effek- tivität von Vorsorgeuntersuchungen verknüpft sind (14), sollen unberück- sichtigt bleiben.

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Vorsorgeuntersuchung beim Kehlkopfkrebs — Effektiv oder ineffektiv?

Uwe Ganzer und Karl-Heinz Vosteen

Aus der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten (Direktor: Professor Dr. Karl-Heinz Vosteen) der Universität Düsseldorf

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 42 vom 15. Oktober 1981 1987

(2)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Kehlkopfkarzinom

1. Selektion und Teilnehmerverhalten

Der Kehlkopfkrebs betrifft ganz überwiegend Männer, das Morbidi- tätsmaximum liegt um das 60. Le- bensjahr. Als gefährdet gelten Män- ner vom 45. Lebensjahr an. Entspre- chend dem Anteil dieser Altersgrup- pe mit 15,3 Prozent an der Gesamt- bevölkerung (15) müßte jeder nie- dergelassene Fachkollege jährlich bei rund 5000 Männern nach einem okkulten Kehlkopfkarzinom fahn- den. Wenn man einschließlich Doku- mentation und etwaiger Gewebsent- nahmen nur 10 Minuten pro Patient veranschlagt, würde er bei einem 8- Stunden-Tag und 5 Arbeitstagen pro Woche etwa die Hälfte aller jährlich zur Verfügung stehenden Arbeitsta- ge ausschließlich mit Vorsorgeun- tersuchungen beschäftigt sein. Be- reits aus organisatorischen Gründen ist diese Art der Vorsorge daher nicht durchführbar.

Sie wäre zur Zeit überhaupt nur des- wegen möglich, weil lediglich ein geringer Teil der Vorsorgeberech- tigten die Untersuchungen in An- spruch nimmt. Am Vorsorgepro- gramm zum Ausschluß des Prostata- karzinoms nehmen zum Beispiel we- niger als 20 Prozent der berechtig- ten über 45jährigen Männer teil (2).

Dies ist nicht zuletzt darauf zurück- zuführen, daß sich Krebsvorsorge- programme an symptom- und be- schwerdefreie Bevölkerungsgrup- pen wenden. Der Leidensdruck, der den Patienten normalerweise zu sei- nem Arzt führt, fehlt bei dem ange- sprochenen Personenkreis. Die glei- chen Beobachtungen sind auch von anderen Autoren (16, 18) publiziert worden: 80 Prozent der Teilnehmer an der Erlanger Vorsorgestudie über Kopf- und Halstumoren litten an or- ganbezogenen Symptomen, und 43 Prozent von ihnen waren wegen die- ser Beschwerden bereits in ärztli- cher Behandlung.

Demnach nehmen im wesentlichen diejenigen, die von vornherein häufi- ger zum Arzt gehen, auch das Vor- sorgeprogramm in Anspruch, wäh- rend der Personenkreis, für den die

Untersuchung gedacht ist, bisher nicht dazu motiviert werden konnte (11).

Unterstellt man, daß an einem Unter- suchungsprogramm für den Kehl- kopf ebensoviel vorsorgeberechtig- te Männer teilnehmen würden wie an dem für die Prostata und berück- sichtigt man die Zahl der niederge- lassenen HNO-Fachärzte, dann su- chen zur Zeit etwa gleichviel Männer dieser Altersgruppe den Ohrenarzt wegen irgendeines anderen Leidens auf wie sich an einer generellen Kehlkopfkrebs-Vorsorge beteiligen würden. Der HNO-Arzt kann also be- reits heute auch ohne offizielles Vor- sorgeprogramm bei dem Teil der ge- fährdeten männlichen Bevölkerung, der einer Vorsorge grundsätzlich positiv gegenübersteht, nach Kehl- kopfkarzinomen fahnden. Es ist nicht zu erwarten, daß sich der An- teil vorsorgewilliger Männer über 45 Jahren in nächster Zeit drastisch steigern läßt. Dies wäre nur mit staatlich dirigistischen Maßnahmen möglich. Dann wäre aber, wie oben gezeigt, das Kehlkopf-Vorsorgepro- gramm aus organisatorischen Grün- den nicht mehr zu verwirklichen.

Eine weitere Möglichkeit, die Vor- sorgeuntersuchung beim Kehlkopf- krebs praktikabel zu gestalten, wäre die Beschränkung auf sogenannte

Befund n n'A

Akute Laryngitis 44 0,88 Chronische

Laryngitis 55 1,09 Leukoplakie/

Präkanzerose 14 0,28 Reinke-Ödem 8 0,16 Polypen, Zysten 15 0,30 Funktionelle

Dysphonie 27 0,54 Manifestes

Karzinom

Tabelle 1: Pathologische Zusatzbefunde am Kehlkopf bei 5005 lärmschwerhöri- gen Industriearbeitern

Risikogruppen. Risiken für das Kehl- kopfkarzinom sind nach allgemeiner Ansicht alle inhalativen Noxen, wie beispielsweise Rauchen, Staub- und Hitzearbeit. Wir haben deswegen die HNO-Untersuchungsbefunde von et- wa 5000 unselektierten „Risikopa- tienten" unter dem Gesichtspunkt der Krebsvorsorge ausgewertet (5).

Es handelte sich dabei ausnahmslos um lärmschwerhörige Industriear- beiter, die fast alle (86 Prozent) älter als 40 Jahre waren und die Klinik ausschließlich zur Diagnose ihrer Hörstörung aufgesucht hatten. Alle hatten in Betrieben mit Staub- und Hitzeentwicklung, das heißt im Berg- bau, in der Weberei und in der Me- tallindustrie gearbeitet. Angaben über die Rauchgewohnheiten waren in den Unterlagen nicht vorhanden.

Man kann aber wohl davon ausge- hen, daß der durchschnittliche An- teil an Rauchern in diesem Kollektiv nicht niedriger ist als in der Gesamt- bevölkerung.

Wie aus Tabelle 1 ersichtlich, fanden sich in diesem Untersuchungsmate- rial keine manifesten Larynxkarzino- me. Der Anteil an möglichen Präkan- zerosen betrug 0,28 Prozent. Auch nach Hinzunahme der chronischen Laryngitis als möglicherweise fakul- tative Präkanzerose (8), konnten nur 1,4 Prozent suspekte Kehlkopfverän- derungen nachgewiesen werden.

Diese Zahlen stehen im Gegensatz zu bisher publizierten Resultaten von Reihenuntersuchungen (7, 16, 17, 18). Bei den knapp 23 000 von Faragö untersuchten Personen fan- den sich in der tabakstaubexponier- ten Risikogruppe sogar weniger Kar- zinome als in dem unselektierten Bevölkerungsteil.

Die große Häufigkeit von sogenann- ten Präkanzerosen steht darüber hinaus in keinem Verhältnis zur tat- sächlichen lnzidenz des manifesten Kehlkopf karzinoms (Tabelle 3).

Ebenso wie unsere retrospektive Studie unterstreichen die bisher veröffentlichten Ergebnisse die Schwierigkeit, aus begrenzten Rei- henuntersuchungen mit besonders motivierten Patienten die Notwen- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

1988 Heft 42 vom 15. Oktober 1981

(3)

Land/Region lnzidenz pro 100 000 Män- ner (weiß)

Bundes- republik Deutschland Canada Dänemark Deutsche Demokrati- sche Republik England Finnland Indien Israel Japan Jugoslawien Polen Puerto Rico Rumänien Schweden Süd-Afrika USA

8,0- 8,9 2,5- 5,0 4,7

5,7 3,4- 4,6 6,6- 7,1 6,9 0,6-10,0 2,0- 3,7 5,2 1,1- 7,6 4,3 14,1 3,0 3,4 0,7- 8,9

Zu kleine Fallzahl 600 333 333

Toth 1966

Corbeck 1981 5 005 0

8,9 Bundesrepublik

Deutschland 1974, einschließ- lich Saarland

Autor/Jahr Unter- suchte Per- sonen

lnzidenz/

100 000 P.

Karzinom

lnzidenz/

100 000 P.

Prä- kanzerose

Anmerkung

Allgemeine Vor- sorge d und

12 979 54 400

Faragö 1968

Risikogruppe d und

9

Steiner et al.

1976

Einschließlich chronische Laryngitis 9 718 41 2 305

5 171 116

Schnieder 1979 3 176 0 2 279

1 378

Risikogruppe, nur (5'

Einschließlich chronischer Laryngitis Nur d 812

2 437

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Kehlkopfkarzinom

Tabelle 3: Manifeste Kehlkopfkrebse und Präkanzerosen aus publizierten Reihenun- tersuchungen (5, 7, 12, 16, 17, 13). Die angegebenen Zahlen wurden auf 100 000 Personen (P.) hochgerechnet, um die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen lnzidenz und der aus den Untersuchungsresultaten abgeleiteten scheinbaren Häufigkeit zu verdeutlichen

Tabelle 2: lnzidenz des Kehlkopfkarzi- noms bei Männern in verschiedenen Ländern beziehungsweise Regionen (1, 3, 4, 13)

digkeit einer allgemeinen Vorsorge- untersuchung für das Kehlkopfkarzi- nom abzuleiten.

2. Zeitintervall

In welchen Abständen sollen Krebs- vorsorgeuntersuchungen durchge- führt werden? Die Einjahresinterval- Ie sind willkürlich gewählt und si- cher nicht immer sinnvoll. In den USA ist beispielsweise die Mortali- tätsrate am Mammakarzinom trotz unwesentlich ansteigender Morbidi- tät und systematischer Massenrei- henuntersuchungen über mehr als 30 Jahre nur geringfügig zurückge- gangen (6). Dieser Befund wider-

spricht aber den Vorstellungen über eine Krebsvorsorge, bei deren Ein- richtung ja davon ausgegangen wird, daß sich mit steigender Zahl der früh erkannten Geschwülste ein deutlicher Rückgang der Sterbefälle erreichen ließe. Den scheinbaren Widerspruch haben Gutsch et al. (9) mit dem biologischen Verhalten und der unterschiedlichen Wachstums- geschwindigkeit des Mammakarzi- noms erklärt. Ihre Überlegungen treffen auch und in besonderem Ma- ße auf das Kehlkopfkarzinom zu: Für Geschwülste, die über Vorstadien ablaufen und bis zu deren invasiver Ausbreitung meistens Jahre verge- hen, sind jährliche Untersuchungs- intervalle sicherlich ausreichend.

Kehlkopf krebse ohne Vorstufen aber - und das ist die Mehrzahl - entwickeln sich sehr oft innerhalb weniger Monate (10a). Für sie ist das Einjahresintervall zwischen zwei Un- tersuchungen zu lang. Es besteht al- so eine Diskrepanz zwischen der Wachstumsgeschwindigkeit der Tu- moren und den bisher üblichen Vor- sorgeintervallen.

Darauf ist zurückzuführen, daß bei Reihenuntersuchungen langsam wachsende Geschwülste mit relativ günstiger Prognose offenbar we- sentlich häufiger entdeckt werden als rasch proliferierende mit ent- sprechend schlechter Prognose.

Letztere werden überwiegend im DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 42 vom 15. Oktober 1981 1989

(4)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Kehlkopfkarzinom

Rahmen der kurativen Medizin dia- gnostiziert. Deshalb entsteht bei ei- nem Vergleich von Überlebensstati- stiken der präventiven und der kura- tiven Medizin der Eindruck, daß die Überlebenswahrscheinlichkeit durch Vorsorgeuntersuchungen ver- bessert werden kann. Das ist in dem erhofften Ausmaß bisher jedoch nicht möglich gewesen.

Eine Verminderung der Sterberate beim Kehlkopfkrebs ließe sich viel- leicht dann erreichen, wenn es ge- länge, die Untersuchungsabstände der Wachstumsgeschwindigkeit der einzelnen Geschwülste anzupassen.

Das ist aus methodischen Gründen jedoch nicht durchführbar.

3. Häufigkeit des Kehlkopfkrebses Schließlich muß bei Überlegungen zur Notwendigkeit von Vorsorgeun- tersuchungen auch die Häufigkeit des Tumors, nach dem gefahndet werden soll, berücksichtigt werden.

Genaue Zahlen über die Inzidenz des Kehlkopfkarzinoms kann es trotz funktionierender Krebsregister in einigen Ländern natürlich nicht geben, da sie von geographischen Gegebenheiten und besonders von der Geschlechts- und Alterszusam- mensetzung der Bevölkerung ab- hängt. Im Durchschnitt ist mit 2 bis maximal 10 Kehlkopfkarzinomen pro 100 000 Männer jährlich zu rech- nen, in der Bundesrepublik Deutsch- land liegt die lnzidenzrate bei 8 bis 8,9/Männern jährlich (1, 3, 4, 13) (Ta- belle 2).

Bezogen auf den Anteil tatsächlich gefährdeter Personen finden sich in der Bundesrepublik Deutschland jährlich 25 bis 35 Kehlkopfkrebse bei 100 000 Männern über 45 Jahren.

Rechnet man die Resultate der er- wähnten Reihenuntersuchungen ebenfalls auf 100 000 Personen um — wobei es sich natürlich nur um Nä- herungswerte handeln kann —, ent- sprechen lediglich die Untersuchun- gen von Faragö (7) und Schnieder (12), der bei 3176 Personen kein Kar- zinom fand, annähernd den tatsäch- lichen Gegebenheiten (Tabelle 3).

Die aus Reihenuntersuchungen er- mittelten Häufigkeitszahlen liegen demnach deutlich zu hoch und ent- sprechen nicht der realen durch- schnittlichen Inzidenz des Kehlkopf- karzinoms.

Überprüft man nun die eingangs an ein Vorsorgeprogramm für Kehl- kopfkarzinome gestellten Anforde- rungen noch einmal, ergibt sich fol- gendes:

o Die bisher bei Reihenuntersu- chungen gefundene hohe lnzidenz- rate für das Kehlkopfkarzinom ent- spricht nicht seiner durchschnittli- chen Häufigkeit in der Bevölkerung.

Sie beruht vielmehr darauf, daß be- sonders motivierte Patienten, die darüber hinaus zum großen Teil be- reits in ärztlicher Behandlung wa- ren, das angebotene Programm in Anspruch genommen hatten.

Die tatsächliche geringe durch- schnittliche Häufigkeit des Kehl- kopfkrebses läßt den mit einem Vor- sorgeprogramm verbundenen ho- hen Aufwand nicht gerechtfertigt er- scheinen.

(f) Im Gegensatz zum Mamma- oder Prostatakarzinom verursachen Kehl- kopfkrebse, die über Vorstadien ab- laufen, bereits Symptome, ehe das invasive Karzinom manifest gewor- den ist.

Für diese Gruppe von Kehlkopf- neoplasmen fehlt also die stumme präklinische Phase und damit auch der Angriffspunkt für eine generelle Vorsorgeuntersuchung. Diejenigen Kehlkopfkrebse, die keine Vor- und Frühstadien aufweisen, wachsen in der Regel so rasch. daß sie mit jährli- chen Untersuchungsintervallen nur zum Teil erfaßt werden können.

Wegen der insgesamt geringen Häu- figkeit aller Kehlkopfkrebse zusam- men ist ein Vorsorgeprogramm für diese Gruppe allein ebenfalls nicht notwendig.

• Da Präkanzerosen und kleine in- vasive Karzinome in den meisten Fällen in gleicher Weise behandelt werden müssen, bringt ein Vorsor-

geprogramm aus therapeutischen Gründen beim Kehlkopfkrebs keine wesentlichen Vorteile.

• Die Frage, ob eine Vorsorgeun- tersuchung sinnvoll wäre, die alle Tumoren unseres Fachgebietes (Na- se und Nasennebenhöhlen, Mund- höhle, Pharynx, Kehlkopf und Spei- cheldrüsen) umfaßt, wird von uns zur Zeit ebenfalls überprüft.

Sinnvoller als die Einführung einer systematischen Vorsorgeuntersu- chung sind folgende Maßnahmen:

• Fortwährende und nachhaltige Aufklärung der Bevölkerung mit po- sitiver Motivation des einzelnen, in- dem nicht immer nur das Risiko, an Krebs zu erkranken, dargestellt, son- dern nachdrücklich auf die günsti- gen Heilungschancen bei Früher- kennung des Kehlkopfkarzinoms hingewiesen wird.

() Nicht nur dem HNO-Facharzt, sondern jedem Arzt muß immer wie- der gesagt werden, daß Dysphonien und Heiserkeit, Mißempfindungen im Hals und Schluckbeschwerden Frühzeichen des Kehlkopfkarzinoms sein können.

(i) Ungeachtet bisher fehlender wis- senschaftlicher Beweise muß die Ausschaltung von Risikofaktoren im Sinne inhalativer Noxen im persönli- chen und beruflichen Bereich ange- strebt werden.

Literatur beim Verfasser

Professor Dr. med.

Uwe Ganzer

Leitender Oberarzt der Klinik für Hals-Nasen- Ohren-Krankheiten der Universität

Moorenstraße 5 4000 Düsseldorf DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

1990 Heft 42 vom 15. Oktober 1981

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