Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 51. Februar 2008 A221
K U LT U R
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s klingt unglaublich. Sechs Kinder zwischen 14 und 19 Jahren besteigen den Lhapka Ri, ei- nen 7 000 Meter hohen Berg im Hi- malaja. Unglaublich daran ist, dass alle sechs Kinder nicht sehen kön- nen. Sie sind blind geboren oder ha- ben ihr Augenlicht durch einen Un- fall verloren. In Tibet wiegt dieses Schicksal besonders schwer, da die Tibetaner glauben, dass Blindheit die göttliche Strafe für eine furcht-bare Tat in einem früheren Leben ist. So werden Blinde von der tibe- tanischen Gesellschaft geächtet. Um blinden Kindern zu helfen, hat die deutsche Lehrerin Sabriye Tenber- ken – sie ist ebenfalls blind – eine Schule in Tibet gegründet, in der sie den Kindern eine Ausbildung gibt und ihnen hilft, sich in der Welt der Sehenden zurechtzufinden.
Als sie davon hörte, dass mit Erik Weihenmayer erstmals ein blinder Mensch den Mount Everest bestie- gen hat, lud sie ihn und sein Team nach Tibet ein, damit sie den Kin- dern davon berichten. Daraus ent- stand die Idee für eine Expedition, die es in der Geschichte der Menschheit noch nicht gegeben hat:
Ein blinder Bergsteiger und sein Team führen sechs blinde Kinder
auf einen der höchsten Berge der Erde. Die Dokumentarfilmerin Lucy Walker hat die Expedition mit der Kamera begleitet. Herausgekom- men ist ein zutiefst menschlicher Film über Kinder, die ihrem Schick- sal mit Mut und Lebensfreude be- gegnen und die die Grenzen, die ih- nen von der Gesellschaft auferlegt wurden, nicht akzeptieren. Ebenso unaufdringlich wie unbeirrt beglei- tet „Blindsight“ den Kampf der blinden Kinder für ein gleichbe- rechtigtes Leben, zeigt ihre zum Teil erschütternde Lebensgeschichte und wie sie gemeinsam die Anstrengun- gen der Expedition in eine der un- wirtlichsten und gleichzeitig eine der schönsten Landschaften dieser
Erde überwinden. I
Falk Osterloh
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ie Zauberflöte“ zählt weltweit zu den erfolgreichsten Opern, die Wolfgang Amadeus Mozart komponiert hat. Seit den 70er-Jahren wurde „Die Zauberflöte“ mehr als 20-mal für Kino und Fernsehen adaptiert. Der vor allem für seine Shakespeare-Verfilmungen be- kannte Brite Kenneth Branagh hat nun die bislang aufwendigste Interpretation des klassischen Stoffs vorgelegt.Mit einem kühnen Kunstgriff versetzt er dabei die Handlung aus dem mythi- schen Ägypten in die Zeit des Ersten Weltkrieges und würzt sie mit histori-
schen Szenen, wie der Verbrüderung von britischen und deutschen Soldaten am Weihnachtstag des Jahres 1914. Aus dem Königssohn Tamino wird ein briti- scher Soldat, aus dem Tiermenschen Pa- pageno sein tollpatschiger Kamerad.
Unverändert hingegen bleiben die hu-
manitäre Ausrichtung und insbeson- dere die Kraft der Musik. Zwar werden mithilfe digitaler Computereffekte aus- ladende Landschaftsgemälde auf die Leinwand gebracht, und eine schwerelo- se Kamera verleiht dem Wunsch nach grenzenloser Freiheit in Zeiten des Krie- ges Ausdruck. Doch bei allem visuellen Überschwang verliert Branagh keine Minute das aus den Augen, worum es in der Zauberflöte geht: die Musik. Wichti- ge Rollen besetzt er nicht mit Schauspie- lern, sondern mit Opernsängern, bei- spielsweise mit dem international ausge- zeichneten Dresdner Bass René Pape.
Dadurch verliert der Film zwar an Tem- perament, doch gewinnt dafür an Tiefe.
Trotz zahlreicher Effekte richtet sich die Neuverfilmung von „Die Zauberflöte“
somit in erster Linie an Operfans und wird musikalisch auch hohen Ansprü-
chen gerecht. I
Falk Osterloh
„DIE ZAUBERFLÖTE“
Tamino im Schützengraben
Eine imposante Neuverfilmung von Mozarts Oper
bietet visuellen und insbesondere musikalischen Genuss.
„BLINDSIGHT“
Die Kraft des Willens
In dem Dokumentarfilm „Blindsight“ zeigt sich bei einer eigentlich unmöglichen Expedition, was der Mensch zu leisten imstande ist.
Foto:TAO Cinemathek Foto:Salzgeber & Co.Medien