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Archiv "Gutachterliche Beurteilung: Lähmung der Stimmbandnerven nach Schilddrüsenresektion" (08.01.2001)

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E

ine Läsion des Nervus recurrens hat im Rahmen einer Schilddrüsenre- sektion besonderes Gewicht. Vom Patienten und vom Arzt wird die post- operative Heiserkeit als ein für das wei- tere Leben besonders gravierendes Er- eignis empfunden. Gutachterlich stellt sich dann in der Regel die Frage, ob sich dem Operationsbericht die bei der Ope- ration anzuwendende Sorgfalt entneh- men lässt, und ob im Speziellen der Ner- vus recurrens dargestellt wurde. Seit es

Operationen an der Schilddrüse gibt, gibt es strenge Befürworter der Darstel- lung und Operateure, die eine Darstel- lung tunlichst ablehnen. Bünte (1) hat in einem Editorial das Pro und Kontra for- muliert: „Bekommt man den Nerven nicht zu Gesicht, kann man ihn nicht verletzen. [...] Der Nerv muss dargestellt werden, um ihn sicher schonen zu kön- nen.“

Wheeler (13) nannte es ein funda- mentales chirurgisches Prinzip, jede vi- tale Struktur, die bei einer Operation in Mitleidenschaft gezogen werden könn- te, subtil zu präparieren. Der Nervus

laryngeus recurrens stelle zu dieser all- gemein gültigen Forderung keine Aus- nahme dar.

Der Anteil der bei der Gutachterkom- mission der Ärztekammer Nordrhein in den Jahren 1975 bis 1998 eingegangenen Anträge nach Schilddrüsenoperation be- trägt bei einer Gesamtzahl von 19 515 Anträgen 0,98 Prozent (191 Patienten) (11). Dabei ergab sich eine Behandlungs- fehlerquote für alle Anträge von 14,1 Prozent. In etwa 50 Prozent der Fälle handelte es sich um die Überprüfung bei Recurrens- parese (Tabelle 1).

Die Anträge wegen ver- muteter Unterlassungen be- ziehungsweise Schäden außerhalb des Stimmband- nervenschadens gehen aus der Tabelle 2hervor. Bei 70 Patienten wurde kein Be- handlungsfehler festgestellt, bei 23 Patienten wurde ein vermeidbarer Behandlungs- fehler ermittelt. In der großen Mehrzahl war ein Recurrensschaden kein Behandlungs- fehler (Tabelle 3), lediglich bei vier Pati- enten hatte der Antrag auf Feststellung eines Behandlungsfehlers Erfolg (Tabel- le 4).

Im Einzelnen handelte es sich um eine beidseitige Parese, wobei die Operation an der linken Seite bei einer Rezidivstru- ma gar nicht notwendig war. In einem Bescheid des Jahres 1993 handelte es sich ebenfalls um eine Rezidivstruma mit vor- her bekannter Parese rechts, wobei hier die sorgfältige Schonung des verbliebe- nen linken Recurrens bei der Zweitope- ration nicht dokumentiert wurde. Bei ei- nem Fall des Jahres 1996 wurde bei einer Struma uninodosa mit subtotaler Resek- tion rechts und Keilexzision links die Nichtdarstellung des Nervus recurrens M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 1–2½½½½8. Januar 2001 AA43

´ Tabelle 1CC´

Anträge nach Schilddrüsenoperationen

Befund Behandlungsfehler Patienten Prozent

(Anzahl)

Recurrensparesen positiv 4 2,1

negativ 94 49,2

Non-Recurrens positiv 23 12,0

negativ 70 36,7

Gesamt 191 100

Behandlungsfehlerquote: 14,1%

Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein 1976–1998

Gutachterliche Beurteilung

Lähmung der

Stimmbandnerven nach Schilddrüsenresektion

Hans-Friedrich Kienzle Herbert Weltrich

Zusammenfassung

Durch zahlreiche Untersuchungen konnte in den vergangenen zehn Jahren belegt werden, dass die Sichtschonung des Nervus recurrens zu einer verminderten Morbidität im Sinne von bleibenden postoperativen Recurrensparesen beiträgt. Hieraus ergibt sich die Forderung nach orientierender Darstellung des Nervus re- currens, die bislang gutachterlich noch nicht aufgegriffen wurde. Es ist zu erwarten, dass sich diese Haltung der Gutachter künftig än- dern wird, weshalb die generelle Sichtscho- nung empfohlen wird. Dies spiegelt sich auch in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie zur Operation gutartiger Schilddrü- senerkrankungen wider.

Schlüsselwörter: Operation, gutartige Schild- drüsenerkrankung, Sichtschonung des Nervus recurrens, gutachterliche Bewertung

Summary

Expert Valuation of Surgery for Thyroid Benignant Diseases

Within the last decade there is growing evidence that in operations of benign thyroid diseases the preservation of the recurrent laryngeal nerves by intraoperative identification is manda- tory to decrease morbidity due to permanent postoperative recurrent nerve paresis. This de- mand for orientated intraoperative dissection of the recurrent laryngeal nerves has not been expressed by experts yet. It is expected that in future expert opinions will change. Therefore the general identification of the recurrent laryngeal nerve will be recommended. This is also expressed in the manual of the German Society of Surgery for operations of benign thyroid diseases.

Key words: operation, benign thyroid diseases, recurrent laryngeal nerve, expert valuation

Chirurgische Klinik (Chefarzt: Prof. Dr. med. Hans-Fried- rich Kienzle) des Krankenhauses Köln-Holweide, Kliniken der Stadt Köln

(2)

als Fehler bewertet. In einem Fall des Jahres 1997 handelte es sich wiederum um ein Strumarezidiv, wobei die Operati- on nur rechts erforderlich war und die nicht notwendige Operation auf der lin- ken Seite eine Parese nach sich zog (Ta- belle 4).

In zahlreichen Entscheidungen von Obergerichten wurde die Recurrenspa- rese nach sachverständiger Beratung durch einen medizinischen Gutachter als schicksalsmäßig und eingriffsimmanen- tes Risiko beurteilt, wenn aus dem Ope- rationsbericht konsequentes Handeln und das Bemühen um Sichtschonung des Nerven oder bei Nichtdarstellung die entsprechende Begründung hervorging.

Auch Gutachter, die selbst für eine regel- mäßige Darstellung des Nervus recur- rens eintraten, haben die Nichtdarstel- lung vor Gericht als zulässigen Standard vorgetragen. Dementsprechend wurde die Recurrensparese in den angegebenen Fällen als nicht behandlungsfehlerhaft beurteilt (Textkasten).

Bei der Durchsicht der Literatur er- geben sich nahezu ebensoviele Befür- worter einer Recurrensdarstellung wie es Operateure gibt, die eine solche Dar- stellung aus Prinzip ablehnen (Literatur beim Verfasser).

Zimmermann (15) stellte in den

„Standards“(7) 1995 fest, dass bis heute keine zweifelsfreie Entscheidung dar- über gefallen sei, ob der Nerv bei der Operation dargestellt werden müsse, um ihn sicher schonen zu können, oder ob fernab von ihm operiert werden soll, um ihn nicht zu verletzen. Stelzner (10) stützt die Argumente einer nicht prinzi- piellen Darstellung, wenn man nur ana- tomisch der vorderen Grenzlamelle fol- ge. Die Präparation auf der vorderen Grenzlamelle gestatte auch eine totale Thyreoidektomie, ohne die Epithelkör- perchen und den Nervus recurrens zu behelligen. Selbst große Strumaknoten und retroviszerale Entwicklungen ver- formen und verdicken die vordere Grenzlamelle, sie bedecken sie und ver- drängen den Nervus recurrens, der, wenn man innerhalb der Grenzlamelle bliebe, auch dann nie in Gefahr komme.

Das gelte sogar für papilläre Karzinome, führt Stelzner aus.

Richtungweisend in der Frage der Re- currensdarstellung war die Arbeit von Zornig und Bay im Chirurg 1989 (16).

Spätestens seit dieser Zeit läuft die Dis- kussion sehr deutlich in Richtung Dar- stellung. Grundlage der Empfehlung wa- ren Untersuchungen des eigenen Kran- kenkollektivs, wonach die primäre Pa- reserate bei Ersteingriffen nach Recur- rensdarstellung auf die Hälfte (4,2 Pro- zent) gesenkt werden konnte. Anderer- seits weist eine sehr sorgfältige Arbeit,

ebenfalls aus dem Jahre 1989 aus Klagen- furt (14) besonders darauf hin, dass der postoperative Zeitpunkt der Feststellung einer Recurrensparese enorm wichtig ist.

Unmittelbar postoperativ ergab sich in Klagenfurt bei 974 operierten Schilddrü- senlappen (nervs at risk) eine Pareserate von 1,8 Prozent (18 von 974). Nach der langfristigen laryngoskopischen Ver- laufskontrolle hatte sich das Ergebnis aber signifikant verbessert. 99,6 Prozent aller N. recurrentes (970 von 974) zeigten

laryngoskopisch eine unauffällige Funk- tion. Nur bei 0,4 Prozent (4 von 974) hat- te die Operation eine dauernde Funk- tionseinschränkung zur Folge. Eine ab- schließende Beurteilung der Therapie- ergebnisse allein auf der Basis über- wiegend unmittelbar postoperativ erho- bener Laryngoskopiebefunde ist daher nicht möglich.

Im Rahmen einer prospektiv rando- misierten Studie hat Koch (5) das Pro- blem der Recurrensfreilegung ausführ- lich diskutiert: „Trotz einer Vielzahl von Literaturmitteilungen über Technik und Taktik von Schilddrüsenoperationen gibt es bis heute keine Methode zur sicheren Vermeidung einer Recurrensparese“. Im Falle eines Morbus Basedow und eines Karzinoms sei zu Recht die operative Freilegung des Nervus recurrens vor der Resektion zu fordern. Ob diese Forde- M E D I Z I N

A

A44 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 1–2½½½½8. Januar 2001

´ Tabelle 2CC´

Anträge nach Schilddrüsenoperationen

Keine nachgewiesenen Behandlungsfehler

Befund Patienten

(Anzahl)

Postoperative Tetanie verschiedener Schweregrade 24

Narbenprobleme im weitesten Sinne 9

Wundinfektion, Fadenunverträglichkeit 8

Belassen knotiger Reste 5

Eingeschränkte Radikalität bei Karzinom 3

Postoperative Blutung, Hämatom 3

Horner-Syndrom 2

Schluckstörung 2

Thrombose V. subclavia, zu ausgedehnte Resektion, Serombildung, psycho- 14 somatische Störung, Operationsausweitung ohne Einwilligung, Heiserkeit,

präoperativer epileptischer Anfall, Zahnverlust bei Rezidivoperation, Kopf- und Nackenschmerzen, Thrombophlebitis Arm, Hypoglossus-Parese, Tod durch unabhängiges Leiden, thyreotoxische Krise

Gesamt 70

Nachgewiesene Behandlungsfehler

Ungenügende Resektion 9

Lagerungsschaden (Plexus, Ulnaris) 4

Operative Fehler (Nachblutung, Umstechung A. carotis int., zurück- 6 gelassener Tupfer, Rachenverletzung durch Laryngoskop, unsachgemäße

Schnittführung, unterlassene Hämatomausräumung)

Postoperative Unterlassungen (Antibiotikabehandlung, Benachrichtigung 4 vom Hausarzt [3x]) („Sicherungsaufklärung“)

Gesamt 23

außer Recurrensschäden, 1976–1998, GA-Kommission ÄK Nordrhein

(3)

rung aber für alle Arten von Schilddrü- senoperationen gelte, sei umstritten, so Koch weiter. Die prospektiv angelegte randomisierte Studie beschränkte sich auf die Primärresektion der endemi- schen Knotenstruma (5). In beiden Gruppen der Studie von Koch (Darstel- lung oder nicht) lag die transiente Recur- renspareserate bei 0,5 Prozent, das heißt

ein Vorteil für die Darstellung des Ner- vus recurrens ließ sich nicht sichern. Im Verlauf der Studie hatte sich gezeigt, dass bei vorsichtiger kapselnaher Präparation die vordere Grenzlamelle auch bei großen substernalen und an der Ober- fläche zerklüfteten Knotenstrumen er- halten werden kann. Dies gilt nach Koch auch für inzidentell auftretende Zucker- kandl-Organe mit lateral angehobenem Nervus recurrens, die in der Studie von Koch sechsmal (0,76 Prozent) festgestellt wurden. In beiden Gruppen von Koch (je zwei Recurrensparesen) haben sich alle vier Recurrensparesen wieder komplett zurückgebildet.

Goretzki (3) kommentierte die Arbeit von Koch und stellte trotz einiger Kri- tikpunkte fest, der besondere Wert der prospektiv randomisierten Arbeit liege im Studiendesign und in der Tatsache, dass jeder Gutachter, der im Falle ei- nes nicht dargestellten Nerven und einer postoperativen Recurrensparese die kla- gende Partei, die meist ein schuldhaftes

und nicht lege artis durchgeführtes ope- ratives Vorgehen unterstellt, mit dieser Studie von der zu akzeptierenden Frei- heit des unterschiedlichen operativen Managements überzeugen kann.

Koch und Mitarbeiter äußern sich aber nicht zum Problem der Restknoten.

Nach Buhr (6) ist das Belassen von Rest- knoten – und damit die Rezidiv- häufigkeit – abhängig von der Opera- tionstechnik und der Ausdehnung der Operation. Die Häufigkeit von Rezidiv- knoten war bei 300 untersuchten Patien- ten nach Darstellung des Nervus recur- rens um 50 Prozent geringer (4,7 Pro- zent). Offenbar ist die Radikalität beim

Ersteingriff durch Recurrensdarstellung größer als dies ohne Nervdarstellung der Fall ist.

Auch Dralle (2) stellt die Forderung auf, dass trotz unterschiedlicher Ansich- ten zur Frage der Recurrensdarstellung sich die wesentlichen Argumente für prinzipielle Darstellung aus der Notwen- digkeit ergeben, sie bei allen totalen Lap- penresektionen, also vor allem bei der to- talen Thyreoidektomie zu praktizieren, aber auch bei den meisten partiellen Lobektomien, die zu individuellen, be- fundorientierten Resektionen eine Hi- lusdarstellung erforderlich machen. Mit der Zunahme der totalen, aber auch der partiellen Lobektomien und dem Rückgang von Enukleationen und sub- totalen, das heißt ventralen Schilddrü- senresektionen, bei denen befundunab- hängig der dorsale Schilddrüsenanteil belassen wird, hat auch das technisch be- dingte Erfordernis der Recurrensdarstel- lungen zugenommen.

Wahl (12) stellte in einer sorgfältigen Studie 1998 fest, dass eine Identifikation des Nerven ohne Mobilisation die gün- stigsten Resultate bezüglich einer Recur- rensparese aufweist.

Leider sind viele der publizierten Ar- beiten nicht vergleichbar, weil weder die Nomenklatur (Identifizierung, Darstel- lung, Freilegung, Mobilisation et cetera) noch der Studienansatz übereinstimmen.

Eine Tendenz ist aber erkennbar: „Iden- tifizierung“ ohne langstreckige Darstel- lung („Sichtschonung“) ergibt die gün- stigsten Resultate. Die heute gültige For- derung nach einer form- und funktions- gerechten Schilddrüsenchirurgie führt weg von der früher meist durchgeführ- ten subtotalen Resektion beidseits unter Belassung eines paratrachealen Rests, ob knotig oder nicht, zu oft sehr ausgedehn- ten Resektionen auch bei endemischen Knotenstrumen. Häufig liegen die knoti- gen Anteile gerade im Ausbreitungsge- biet der A. thyreoidea inferior und damit im Verlauf des N. recurrens. Allein schon die Zunahme der ausgedehnteren Re- sektionen wird häufiger eine Identifizie- rung (ohne Mobilisation) erforderlich machen. Röher (9) hat zu den Behand- lungsfehlern bei Operationen an der Schilddrüse sehr umfassend Stellung ge- nommen.

Es kommt somit auf den Operations- bericht und damit auch auf die Doku- M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 1–2½½½½8. Januar 2001 AA45

´ Tabelle 3CC´

Anträge nach Schilddrüsenoperationen

Keine nachgewiesenen Behandlungsfehler

Pathologie Parese Patienten

(Anzahl)

Knotenstruma gutartig einseitig 43

beidseitig 21

Hyperthyreose einseitig 5

beidseitig 3

Rezidiv einseitig 9

beidseitig 9

Karzinom einseitig 3

beidseitig 1

Gesamt 94

Recurrensschäden, 1976–1998, Gutachterkommission ÄK Nordrhein

´ Tabelle 4CC´

Anträge nach Schilddrüsenoperationen

Nachgewiesene Behandlungsfehler

laufende Nummer Grund der Beanstandung

88/690 Parese beidseits, linke Seite: Operation nicht notwendig (Rezidivstruma) 93/369 Rezidivstruma, bekannte Parese rechts, keine Dokumentation der sorg-

fältigen Schonung links bei Zweitoperation

96/547Struma uninodosa, subtotale Resektion rechts, Keilexzision links, Nichtdarstellung der Recurrens als Fehler bewertet

97/721 Rezidivstruma, Operation rechts erforderlich, links nicht, Parese links Recurrensschäden, 1976–1998, Gutachterkommission ÄK Nordrhein

(4)

mentation an. Jeder Schilddrüsenopera- teur sollte im Operationsbericht Darstel- lung oder Nichtdarstellung, Identifizie- rung oder Nichtidentifizierung, oder be- wusstes Nichtaufsuchen begründen, um nicht einen Behandlungsfehler unter- stellt zu bekommen, nur weil die Do- kumentation nicht eindeutig oder zu dürftig ist.

Trotz der in der Literatur noch immer nicht abgeschlossenen Diskussion brin- gen die Leitlinien der Deutschen Ge- sellschaft für Chirurgie zur Therapie der benignen Struma (4) deutlich zum Aus- druck, dass „die schonende, das heißt nicht skelettierende Nervendurchblu- tung, erhaltende intraoperative Darstel- lung des Nervus recurrens das Schä- digungsrisiko mindert und dass diese Darstellung immer dann durchgeführt werden sollte, wenn die Präparations- beziehungsweise Resektionsnähe zum möglichen Verlauf des Nervus recurrens eine Darstellung erforderlich macht, um die anatomische und funktionelle Inte- grität des Nerven bestmöglich zu scho- nen. Bei allen Primäreingriffen, deren Präparations- und Resektionsebene vor der vorderen Grenzlamelle liegt, und bei allen Reoperationen, die mit einer Präparation im möglichen Nervenver- lauf einhergehen, sollte die Resektion unter Darstellung des Nervus recurrens durchgeführt werden. Der Nervus re- currens sollte grundsätzlich bei der (fast) totalen Lappenresektion bezie- hungsweise Hemithyreoidektomie und totalen Thyreoidektomie dargestellt werden. Die Nichtdarstellung des Ner- vus recurrens auf der operierten Seite sollte begründend dokumentiert wer- den“(4).

Dem entspricht auch die Empfehlung der Gutachterkommission Nordrhein

im Rheinischen Ärzteblatt 3/96 zur Pro- phylaxe von Läsionen des Nervus recur- rens bei Schilddrüsenoperationen. Es wird dabei darauf verwiesen, dass Röher (7) in „Standards der Struma- chirurgie“ mitgeteilt hat, dass die Forde- rung nach Darstellung und kontrollier- ter Sichtschonung des Recurrensnerven Gültigkeit erlangt habe. In jedem Falle müsse der Chirurg den allgemeinen Grundsätzen über die notwendige Do- kumentation des Operationshergangs entsprechend die einzelnen Operations- schritte, die dabei festgestellten Befun- de, und damit sein Bemühen um die Schonung des Nerven dokumentieren, fordert Röher. Danach seien zum Bei- spiel aufzuzeichnen eine etwaige Freile- gung (so genannte „Sichtschonung“) oder die Gründe des bewussten Ver- zichts darauf. Die Gutachterkommissi- on weist ausdrücklich darauf hin, dass unterlassene Aufzeichnungen zu Be- weisnachteilen für den Arzt führen kön- nen (vergleiche dazu grundsätzlich BGH vom 18. März 1986, AHRS 6450 Nr. 31 und vom 24. Januar 1989, AHRS 6450 Nr. 49).

Bei dieser Empfehlung einer generel- len Sichtschonung wird es weiterhin blei- ben (4, 8). Die Tendenz geht deutlich in Richtung genereller Darstellung. Die Bedeutung und Bewertung des in den letzten Jahren zunehmend eingesetzten Neuromonotoring des Nervus recurrens, vor allen Dingen beim Rezidiv und beim Strumakarzinom, ist noch nicht definitiv festzulegen. Die hierfür notwendigen randomisierten Studien werden zurzeit erarbeitet. Es ist vorauszusehen, dass künftig nur die Identifizierung des Ner- vus recurrens als sachgerecht und stan- dardmäßig vom Gutachter beurteilt wird, es sei denn, im Operationsbericht ist die Nichtdarstellung überzeugend be- gründet.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A 43–46 [Heft 1–2]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Hans-Friedrich Kienzle Chirurgische Klinik

Krankenhaus Köln-Holweide Kliniken der Stadt Köln Neufelder Straße 32, 51067 Köln

M E D I Z I N

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A46 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 1–2½½½½8. Januar 2001

Obergerichtliche Urteile zur Recurrensschädigung

OLG Düsseldorf 13. 8.1987, 8 U 94/86, VersR 1989, 191 L

OLG Düsseldorf 5. 5. 1988, 8 U 119/86, VersR 1989, 70 3

OLG Karlsruhe 27. 4. 1994, 2360/110 AHRS

OLG Hamm 12. 7. 1995, 3 U 230/94

OLG Hamm 8. 6. 1998, 3 U 193/97, OP 1993 Recherche durch Herrn Rechtsanwalt Dr. K. O. Berg- Textkasten

Der progrediente Krankheitsverlauf der multiplen Sklerose lässt sich bereits zu Beginn der Erkrankung durch eine Interferon-beta-1a-Therapie verlangsa- men. Die 1996 als placebokontrollierte Doppelblindstudie mit 383 Patienten angelegte Studie wurde vorzeitig abge- brochen, um die Placebogruppe nicht weiter zu benachteiligen.

Alle ausgewählten Patienten im Alter zwischen 18 und 50 Jahren hatten als An- zeichen einer möglichen MS-Erkran- kung akut ein erstes neurologisches Er- eignis erlitten, dem eine Demyelinisie- rung zugrunde liegt so beispielsweise ei- ne Neuritis N. optici, eine inkomplette Myelitis transversa, ein Hirnstamm- oder Kleinhirnsyndrom. Zusätzlich waren im MRT zwei oder mehr ältere klinisch stumme, für multiple Sklerose charakte- ristische Läsionen nachweisbar. Nach ei- ner initialen Cortisontherapie wurden 193 Patienten randomisiert und erhielten wöchentlich intramuskulär 30 µg Inter- feron beta-1a. Nach drei Jahren hatten 50 Prozent der Patienten der Placebogrup- pe aber nur 35 Prozent der Interferon- beta-1a-Gruppe eine klinisch abgrenz- bare multiple Sklerose entwickelt. Im MRT zeigt sich eine relative Volumen- verminderung, weniger neue oder sich vergrößernde Läsionen und weniger Gadoliniumanreichernde Läsionen. Da die Wirksamkeit von Interferon beta-1a auch im weiteren Krankheitsverlauf Er- folge gezeigt hat, fordern die Wissen- schaftler einen frühzeitigen Therapiebe- ginn bei Risikopatienten und weisen auf die MRT-Diagnostik als wichtigen Mar- ker zur Früherkennung der MS hin. goa Lawrence D. Jacobs et al.: Intramuscular interferon beta-1a therapy initiated during a first demyelinating event in mul- tiple sclerosis. N Engl J Med 2000; 343: 898–904.

Dr. Lawrence D. Jacobs, Departement of Neurology, State University of New York School of Medicine at Buffalo and Buffalo General Hospital, Buffalo, USA.

Interferon-beta-1a- Therapie frühzeitig bei multipler Sklerose

Referiert

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