SPEKTRUM LESERBRIEFE
Ruanda
Zu dem Aufruf der Hilfsorganisati- on Core, sich für einen Einsatz von zwei Wochen zur medizinischen Be- treuung der Flüchtlinge in den Mas- senlagern von Zaire zu melden:
Katastrophen- tourismus
Die Kampagne von Care, ein halbes Jahr lang alle 14 Tage 250 Ärzte, Medizinstu- denten und Pflegepersonal nach Goma zu fliegen, um dort die ruandischen Flücht- linge zu behandeln und zu impfen, kann nur als giganti- scher Katastrophentouris- mus bezeichnet werden. Me- dizinisches Personal unvor- bereitet jeweils für einen hal- ben Monat in ein afrikani- sches Flüchtlingslager zu ent- senden, ist für alle Beteilig- ten unverantwortlich. Alle verantwortungsvollen Hilfs- organisationen, die in der Katastrophen- und Entwick- lungshilfe tätig sind, hätten von diesem Unternehmen abgeraten.
Hier wird mit dem Idea- lismus und der Hilfsbereit- schaft vieler Menschen Schindluder getrieben. Spen- den- und — durch die Mithilfe der Bundeswehr — auch Steu- ergelder werden sinnlos ver- geudet.
Blinder Eifer schadet nur.
Die 2 500 Helfer werden in Zaire keine Hilfe, sondern eine Belastung sein. Sie wer- den weit mehr als die gleiche Anzahl Flüchtlinge an Was- ser verbrauchen, das so kost- bar ist und nicht ausreichend zur Verfügung steht. Das Opfer eines kostenlosen Kurzurlaubs wiegt mangeln- de Kenntnisse der medizini- schen Verhältnisse in Afrika im allgemeinen und in Flüchtlingslagern im beson- deren nicht auf. Impfungen gegen Typhus und Cholera sind tropenmedizinisch obso- let, gegen Ruhr gibt es keine Impfung. Sauberes Wasser, ausreichende Ernährung, Latrinen und die Rückkehr nach Ruanda sind die richti- ge Prävention. Qualität kann
durch Quantität nicht ersetzt werden. Wenige Ärzte und Krankenschwestern mit tro- penmedizinischer Erfahrung längerfristig — wenn möglich aus afrikanischen Ländern — rekrutiert, wären eine effek- tive Hilfe für die Flüchtlinge,
— aber nicht spektakulär!
Man könnte noch viele Beispiele für die verfehlte Strategie, Prioritätensetzung, Organisation und Personal- einsatz aufzählen; nicht zu vergessen ist die Tatsache, daß Care vor Ort über kei- nerlei logistische Vorausset- zungen verfügt.
Das Unternehmen muß als Desaster enden. Damit wird Care nicht nur seinem Image großen Schaden zufü- gen, sondern auch verant- wortungsvollen Hilfsorgani- sationen, denn mit diesem Desaster liefert Care Kriti- kern neue Argumente, daß mit Spendengeldern verant- wortungslos umgegangen wird.
Dr. med. Sabine Job, Dipl.
Tropentechn., Georgstraße 22, 51145 Köln
Ausschreibung
Zu dem Leserbrief „Von Bewerber- liste gestrichen" von Dr. Jutta h- auet in Heft 27/1994:
Unterstützung der alten Garde
Solch ein Hohn über den wirklichen Widerstand, wie von Frau Dr. Raquet darge- stellt, sollte überhaupt kei- nen Platz ohne Gegendar- stellung in Ihrer seriösen Zeitschrift finden. Die Dame hört einen Vortrag mit einer Diskussion an und meint, den Vortragenden zu ken- nen. Sie, als Kinderärztin, nimmt sich das Recht, Prof.
Vogel als Neurochirurgen zu beurteilen. Hinter den Zei- len muß man leider eine ver- deckte Stimme zur Unter- stützung der alten Garde vermuten. Siehe den Absatz
„Es erfordert Mut...". Wenn das jemand liest, der wirklich Widerstand mit allen Risiken
und Folgen geleistet hat, dem steigt die Adrenalinausschüt- tung maximal
Vielleicht erleben wir noch am politischen Feld, daß die Genossen Krenz und Gysi als Widerstandskämpfer dargestellt werden.
Kurz zu meiner Person — ich habe 20 Jahre unter kom munistischem Regime gelebt.
Dr. Guido Horka, Rotdorn- weg 12, 82024 Taufkirchen
Arzneimittel
Zu dem Beitrag „Die Arzneimittel- und Heilmittelbudgets" von Dr.
med.
Lothar
Krimmel und Magda Reiblich in der Rubrik „Die KBV in- formiert" in Heft 19/1994:Gemeinsam wehren
.. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Körperschaf- ten, die unzulänglichen Ge- setze so verträglich wie mög- lich für ihre Mitglieder umzu- setzen. Dies war sicherlich das Ziel der Information der KBV. Daß dabei auch nach Schuldigen Ausschau gehal- ten wird, wenn als besser er- kannte Lösungen nicht um- gesetzt werden können, ist verständlich. Zu Recht be- klagen die Ärzte, daß die Möglichkeit der Ablösung des Budgets durch Richt- größenprüfungen nicht mög- lich ist.Die Apothekerschaft hat bereits im Jahr 1989 einen Vertrag nach Paragraph 300 SGB V mit den Spitzenver- bänden der Krankenkassen ausgehandelt und paraphiert.
Der Vertrag wurde von ei- nem namhaften Krankenkas- senverband nicht unterzeich- net und scheiterte. Im Jahr 1991 ist ein zweiter Vertrag vom Deutschen Apotheker- verband und den Spitzenver- bänden der Krankenkassen ausgehandelt und paraphiert worden. Derselbe Kranken- kassenverband hat wiederum seine Unterschrift verwei- gert. Ein dritter Anlauf 1993 endete mit der Aushandlung eines wieder unterschriftsrei- fen Vertrages, der diesmal
im Februar 1994 von ande- ren Krankenkassenverbän- den abgelehnt wurde.
Die Apothekerschaft hat trotz der enormen Belastun- gen, die ihr mit der Erfüllung des Paragraphen 300 SGB V aufgeladen werden, nie Zweifel daran aufkommen lassen, daß sie die Auftra- gung eines bundeseinheitli- chen Kennzeichens leisten wird. Die Schuld, daß es noch keinen Vertrag nach Pa- ragraph 300 SGB V gibt, kann ein objektiver Betrach- ter nicht der Apotheker- schaft zuschieben.
Formulierungen wie
„willkürliche Festlegung der Apothekerverbände", „den Apothekerverbänden die Konsequenzen ihrer starrsin- nigen Haltung aufzeigen"
und „nicht zuletzt aufgrund der Verweigerungshaltung der Apothekerverbände"
nehmen eine Schuldzuwei- sung an den falschen Adres- saten vor. Allein die Spitzen- verbände der Krankenkassen tragen die Verantwortung für den fehlenden Vertrag nach Paragraph 300 SGB V.
Apotheker und Ärzte sind von dem patientenver- achtenden Gesundheits-Re- formgesetz und Gesundheits- strukturgesetz in schlimmster Weise gebeutelt. Wehren wir uns gemeinsam gegen die un- zumutbaren Belastungen der Gesundheitspolitiker, die Gesundheitspolitik zur herz- losen Fiskalpolitik verkom- men lassen.
Klaus Gehb, Geschäftsfüh- rer des Landesapothekerver- bandes Baden-Württemberg e. V, Hölderlinstraße 12, 70174 Stuttgart
Chipkarte
Aufruf zur.. Überweisung mit Chip- karte und Uberweisungsschein:
Mehr Kommunikation
Die Berichte der letzten Monate zum Thema Facharzt- hopping oder -shopping in der ärztlichen Presse gingen am Kernpunkt vorbei. Es A-2366 (6) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 37,'16. September 1994SPEKTRUM LESERBRIEFE
entstand der fatale Eindruck der gegenseitigen Mißgunst.
Gerade in schwierigen Zei- ten sind wir gefordert, mehr miteinander zu kommunizie- ren und zusammen Lösun- gen zu finden..
Wenn ein Patient mit sei- ner Chipkarte zum Facharzt geht, weil er Schmerzen im Bereich des Ohres hat, die- ser ihn dann weiter zum Neurologen schickt, der wie- derum zum Röntgenologen überweist und kein Schritt mit dem Hausarzt abgespro- chen wird, dann ist das wenig sinnvoll. Eine kurze Rück- frage beim Hausarzt hätte die Diagnose gesichert. Wir sind alle gehalten, weiterhin mit Überweisungen zu arbei- ten, damit beim Hausarzt die notwendigen Berichte zu- sammenlaufen und die medi- kamentösen und ärztlichen Maßnahmen koordiniert werden können. Leider be-
Strahlenmedizin
Zu dem Beitrag „US-Menschenver- suche mit radioaktiven Stoffen: Die Hintergründe — Basis für die Dosis- abschätzung einer Plutonium-In- korporation zu Lebzeiten" von Prof. Dr. med. Horst Kuni in Heft 33/1994:
Sachlich
Für diesen. Artikel ge- bührt Prof. Dr. Horst Kuni aus Marburg großer Dank.
Mit ruhiger Sachlichkeit wer- den hier Fakten veröffent- licht, die in ihrem menschen- verachtenden Ausmaß die Aussage der US-Energiemi- nisterin Hazel R. O'Leary unterstreichen: „Das einzige, woran ich denken konnte, war Nazideutschland".
Das besondere Verdienst von Horst Kuni liegt auch darin, daß er als Strahlenme- diziner die Schlußfolgerung zieht, auf dem Gebiet des Strahlenschutzes wissen- schaftliche Erkenntnisse bes- ser in den Arbeitsschutz um- zusetzen. Seit den Zeiten von Wilhelm Konrad Rönt- gen mußten die sogenannten
kommt der Hausarzt nur noch in den seltensten Fällen einen Arztbericht, wenn kein Überweisungsschein vor- liegt. Es ist unzumutbar, hin- ter selbstverständlichen Facharztberichten her zu te- lefonieren. Berichte nach Krankenhausaufenthalten gehen nicht mehr automa- tisch nachrichtlich an den Hausarzt. Vom Facharzt ver- ordnete Medikamente entge- hen der Dokumentation.
Ohne Facharztberichte ist die Beantwortung von Versi- cherungs-, Krankenkassen- und Versorgungsamtsanfra- gen Stückwerk. Die Kommu- nikation zwischen den Arzt- gruppen leidet empfindlich.
Langfristig wird das bewähr- te und notwendige Vertrau- ensverhältnis zerstört. Las- sen Sie es bitte nicht soweit kommen.
Dr. Karl Mast, Altensteiger Straße 11, 71034 Böblingen
„Grenzwerte" kontinuierlich gesenkt werden. Kuni sagt:
„Die Auswirkungen werden weit über den Umgang mit Plutonium hinausreichen", der jetzt schon absehbar „für den Schutz von Beschäftigten und Bevölkerung nicht zu verantworten ist." Ein beach- tenswerter und notwendiger Aufsatz.
Klaus Waterstradt, Volker- straße 34, 23562 Lübeck
Geschlecht
Zu den Leserbriefen „Nicht ange- zeigt" von Dr. Ernst Stratmann und
„Verkrampft" von Dr. Paul Kappier in Heft 31-32/1994:
Bravo
Bravo und vielen Dank, Herr Kollege Stratmann, Herr Kollege Kappier! Herz- lich gut hat es getan, zu einer Thematik, die sich offen- sichtlich im Sinne einer nicht mehr zu bremsenden Eigen- dynamik immer mehr ver- krampft, einmal etwas ganz Unverkrampftes zu lesen.
Und etwas Lustiges dazu; ich
habe jedenfalls Tränen ge- lacht.
Könnten doch die Ärzte und Ärztinnen nur wenigsten ein wenig darüber schmun- zeln, so wäre das Problem dahin und das Thema so neu- tral wie sein grammatikali- sches Genus.
Dr. med. Andreas Weber, Am Lust 23, 94227 Lindberg
Kassenarztrecht
Zu dem Beitrag „Höhepunkt über- schritten" in Heft 31-32/1994:
Selbsttrost
. . . Wenn diese Herren (gemeint sind die ärztlichen Funktionäre, die Red.) bis heute nicht gemerkt haben, wohin Herr Oldiges und sei- ne Mannschaft, einschließlich unseres lieben Kollegen, Herrn Dr. med. Eckart Fied- ler, uns Ärzte hinbugsieren wollen, dann ist wohl auch mit einem Symposion nicht mehr zu helfen.
Tröstlich ist nur die Fest- stellung der Symposionteil- nehmer, daß uns niemand die Freiberuflichkeit nehmen wolle. Das ist leicht einzuse- hen, denn von dieser Freibe- ruflichkeit ist uns ja nur noch das persönliche Existenz- und Krankheitsrisiko einschließ- lich aller Pflichten und Risi- ken als Kleinunternehmer ge- blieben. Diesen schäbigen Rest noch als Freiberuflich- keit zu bezeichnen, grenzt schon fast an Verhöhnung der niedergelassenen Ärzte- schaft, die jeden Tag ihr Be- stes für den Patienten tut.
Der Titel „Höhepunkt überschritten" soll wohl ein Selbsttrost sein und soll sich hoffentlich auf die Naivität oder Blindheit unserer Kör- perschaftsfunktionäre bezie- hen. Er erinnert fatal an jenes markige Politikerwort: „Ge- stern standen wir noch vor ei- nem Abgrund, aber heute ha- ben wir einen großen Schritt nach vorn getan."
Dr. Arnold Cremer, Spatzenhalde 5/1, 88239 Wangen
Gesundheitspolitik
Zu dem Supplement zu Heft 24/1994: „Gesundheitspolitisches Programm der deutschen Arzte- schuft":
Sachfremde, mental- ideologische Blockaden verstellen den Blick
Dieses Grundsatzpro- gramm soll also uns als Arz- ten den Weg in die nächsten Jahre weisen und gleichzeitig Öffentlichkeit und Politik über die unverzichtbaren Es- sentials ärztlicher Tätigkeit unmißverständlich in Kennt- nis setzen. Da bleibt für mein Verständnis von ärztlicher Tätigkeit im Bereich „Not- falldienst, Rettungsdienst und Katastrophenschutz"
aber einiges in nebulös un- verbindlichen Ansätzen stecken: Uneingeschränkte Zustimmung zur Funktions- stelle „Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes"! Uneinge- schränkt auch meine Zustim- mung zur Verankerung des
„Leitenden Notarztes" im Rettungsdienst; aber warum die strikte Beschränkung auf den Einsatz unterhalb der Katastrophenwelle?
Wo bleiben die Forderun- gen zur ärztlichen Tätigkeit in der medizinischen Kata- strophenhilfe — nicht nur Re- bentischs Standardwerk weist hier richtungsweisend den Weg?
Es bleibt mir hartnäckig der Eindruck, daß hier wohl sachfremde, mental-ideologi- sche Blockaden den Blick für objektiv Erforderliches ver- stellen.
Wichtig ist mir, jetzt deut- lich als Ärzteschaft auch zu diesem Teilbereich ärztlicher Tätigkeit Stellung zu neh- men, um nicht wieder — wie noch vor gut zehn Jahren — später weinerliches Gejam- mere über fehlende Berück- sichtigung ärztlicher Belange hören zu müssen.
Dr. med. Joachim Habers, Notarzt und Zugführer im Sanitätsdienst, Jülicher Straße 77, 52070 Aachen >
A-2368 (8) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 37, 16. September 1994