DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung
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er hätte gedacht, daß sich so viele unserer Wirtschaftsprofessoren beruflich für das Gesundheits- wesen interessieren. Dreißig Ökonomen, darunter Spitzen- leute der bundesdeutschen Wirtschaftswissenschaft — so- fern sie marktwirtschaftlich bis ordoliberal orientiert ist — ha- ben die Kosten einer halben FAZ-Seite nicht gescheut, um einen dringenden Appell, die Gesundheitspolitik grundle- gend neu anzulegen, an die Gebildeten aller Stände zu richten.„Wir warnen vor einer Fortfüh- rung der bisherigen Politik", rufen uns die Professoren zu.
„Sie hat eine Stärkung büro- kratischer Planung, eine Zen- tralisierung von Entscheidun- gen und direkte staatliche Ein- griffe gebracht und muß zwangsweise, Schritt für Schritt, in eine staatliche Ein- heitsversorgung und zu einer Entmündigung der Bürger füh- ren." Die bisherigen Maßnah- men, Steuerungsdefizite im Gesundheitswesen zu beseiti-
Der Appell der Dreißig
gen, seien auf globale Dämp- fung der Leistungsexpansion gerichtet, sie führten nicht zu einer sparsameren Verwen- dung der produktiven Ressour- cen und einer wirtschaftliche- ren Leistungserstellung. Soweit die Diagnose.
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nd das Rezept? „Das Gebot der Stunde ist eine Stär- kung der Eigenverantwor- tung, der Eigeninitiative und der Eigenvorsorge". Für die an- stehende Gesetzgebung schla- gen die Professoren vor, die Anreize so zu setzen, „daß sie sozialadäquates und wirt- schaftliches Verhalten beloh- nen und sozial unerwünschtes Verhalten sowie Verschwen- dung bestrafen". Wo möglich und sinnvoll „sollten wettbe- werbliche Elemente auch in diegesetzliche Krankenversiche- rung übernommen werden".
Soweit die Rezeptur.
Wie stehen die Chancen? Am größten ist die Chance, daß auf den Professoren-Appell eine Fülle marktwirtschaftlicher Lippenbekenntnisse folgt, oh- ne daß weiteres geschieht.
Denn die Strukturen unseres Gesundheitswesens sind so verfestigt, die Machtpositionen so endgültig verteilt, die sozia- len Besitzstände so selbstver- ständlich, daß es schon gewal- tiger Kräfte bedarf, um etwas zu bewegen. Die Professoren haben solche Kräfte nicht.
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ie vertrauen wohl auf die Kraft des Gedankens. Die kann, langfristig, sogar Re- volutionäres leisten. 1833 bei- spielsweise setzten die Göttin- ger Sieben, ebenfalls namhafte Professoren, das erste Signal für die bescheidene 48er Revo- lution. Heute braucht's nicht mal eine Revolution: es reichte schon — na, wie heißt das mo- derne Ding doch gleich: eine„Wende". Norbert Jachertz
Inhaltsverzeichnis 9
Aktuelle Politik
Die Steuerreform wird zerredet 581 Familienlastenausgleich
oder Reform des Einkommensteuertarifs Der Kommentar
Deutlichere Konturen
für den „Arzt im Praktikum" 583 Nachrichten
Aus Bund und Ländern: VV der KBV: Frei- beruflichkeit und Bürokratie — KBV/Ersatz- kassen: Ausgabensteigerung wird beob- achtet — Soziale Expansion international — Dortmunder Transparenzforschung künftig partnerschaftlich? — Gastarzttätigkeit ent- spricht nicht der Weiterbildungsordnung — KV-Information am Ausstellungsstand — Ausland: Mehrsprachiger Gesundheitspaß
— Ärztezahl verdreifacht — Freie Arztwahl
geht vor Plan — Sechzehn mal jährlich in
die Poliklinik 585
Themen der Zeit
Beraten ist besser als maßregeln 587 Wirtschaftlichkeitsprüfung
als Aufgabe der Selbstverwaltung
Dr. med. Manfred Moewes
Kurzberichte
Krankenhausfinanzierung: Fallpauschale statt strikten Kostenerstattungsverfahrens empfohlen — „Qualitativer Fortschritt: ja, geistloses Mengenwachstum: nein!" — Be- reinigung des Selbstmedikationsmarktes
abgeschlossen 591, 593, 594
Die Reportage Auch Amerika
will das Medizinstudium reformieren 595 Fortsetzung und Schluß
Dr. med. Silvia Schattenfroh
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 9 vom 2. März 1984 (1) 565