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Archiv "Gesundheitsreform auf amerikanisch Clintons große Herausforderung" (29.01.1993)

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anscheinend schon in Vergessenheit geraten ist.

Das Handlungskonzept des Vor- standes, gleich zu Beginn der Legis- laturperiode erarbeitet und von ei- ner großen Mehrheit getragen, sollte den Weg in die Zukunft weisen. Völ- lig überraschend für alle kam dann jedoch die deutsche Einheit und mit ihr eine Fülle von Aufgaben für die ärztliche Selbstverwaltung. Vorrang mußte jetzt der Aufbau der ambu- lanten Versorgung in den neuen Bundesländern haben. Das Ergebnis ist bekannt: In nur zwei Jahren gab es im Osten Deutschlands mehr als 15 000 niedergelassene Ärzte — ein Übergang, der im Gegensatz zu fast allen anderen Bereichen nahezu rei- bungslos gelang.

Seehofer blieb stur

Und dann kam Seehofer. Der KBV-Vorstand sah sich plötzlich ei- ner politischen Einheitsfront von Regierungskoalition und Opposition gegenüber, die blind und taub gegen- über allen Argumenten und Alterna- tiven war. Seehofer hatte ein festes Sparziel, und daran hielt er stur fest.

Verbesserungen aus ärztlicher Sicht ließen sich nur punktuell durchset- zen. Wo aber die KBV-Führung mit eigenen Vorschlägen schlimmere Entwicklungen verhindern wollte, kamen Querschüsse ausgerechnet aus den eigenen Reihen. Ein Stich- wort in diesem Zusammenhang: die Gliederung in eine hausärztliche und fachärztliche Versorgung.

Der KBV-Vorstand um Oesing- mann wollte und will das Primärarzt- modell verhindern und die freie Arztwahl bewahren. Und dennoch ist es die Diskussion um das Hausarzt- konzept der KBV, die neben dem GSG die Wahlen zu den KV-Vor- ständen dominiert. Anders ist bei- spielsweise die Abwahl Kossows kaum zu erklären.

Nach den letzten KV-Wahlen in diesen Wochen wird im März der Vorstand der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung gewählt. Dr. Ulrich Oesingmann wird erneut für das Amt des Ersten Vorsitzenden kandi- dieren, wie.. er auf Anfrage dem Deutschen Arzteblatt bestätigte. JM A

D

as amerikanische Gesund- heitssystem sieht bisher keine gesetzliche Krankenversiche- rung vor. Die meisten Amerikaner sind durch vom Arbeitgeber finan- zierte private Krankenversicherun- gen geschützt oder durch die vom Staat getragenen Programme Medi- care und Medicaid für Alte und Ar- me. Doch die jeweiligen Versiche- rungen sind sehr unterschiedlich; sie decken oft nur einen Teil der Lei- stungen ab. Häufig werden Zahn- arzt- oder Medikamentenkosten nicht übernommen, längere Kran- kenhausaufenthalte sind nicht abge- deckt. 1990 zahlten die Krankenver- sicherungen 217 Milliarden Dollar aus. 136 Milliarden Dollar mußten die Amerikaner aus der eigenen Ta- sche dazugeben.

Die Ursachen für die Kostenex- plosion im amerikanischen Gesund- heitswesen sind vielfältig. Da die Un- ternehmen für die Versicherung ih- rer Beschäftigten aufkommen, gibt es wenig Anreiz, Kosten einzuspa- ren. Für Patienten, Ärzte und Kran- kenhäuser gleichen die Krankenver- sicherungen einem Selbstbedie- nungsladen. Das führt zu teilweise unnötig aufwendigen Behandlungen, unangemessenem Medikamenten- konsum und Überkapazitäten bei medizinischen Apparaten und Kran- kenhausbetten. Prävention spielt kaum eine Rolle.

Unzureichende und kostenintensive

Gesundheitsversorgung

Die Krankenfürsorge verursacht damit auch für die Unternehmen er- hebliche Kosten. Bei großen Firmen mit vielen älteren Beschäftigten — für die höhere Versicherungsbeiträ- ge gezahlt werden müssen — steigen die Gesundheitskosten rapide an.

Viele kleinere Firmen bieten des- halb erst gar keine Krankenversiche- rung mehr an.

Den Krankenkassen wirft Clin- ton vor, daß sie durch ihre mächtige Stellung gegenüber Firmen und ein- zelnen Versicherungsnehmern kaum noch im Wettbewerb stehen und so die Versicherungspreise in die Höhe treiben. Da in den Verträgen indivi- duelle Gesundheitsrisiken oder be- reits bestehende Krankheiten häufig vom Versicherungsschutz ausge- schlossen werden, sei außerdem die Absicherung für viele Menschen lückenhaft.

Auch dem Staat reißt die Ge- sundheitsversorgung immer größere Löcher in das ohnehin überstrapa- zierte Budget. Die zum Teil vom Bund und zum Teil von den Einzel- staaten finanzierten Programme Me- dicare und Medicaid machen mehr als zehn Prozent des Bundeshaushal- tes aus. Das Medicare-Programm für über 65jährige bietet aber trotz stei-

Gesundheitsreform auf amerikanisch

Clintons große Herausforderung

Seit Bill Clinton am 20. Januar die Nachfolge von George Bush als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika angetreten hat, verstreicht eine 100 Tage dauernde Frist. Eine Frist, die sich Clin- ton selbst im Wahlkampf gesetzt hat, um eine der größten Heraus- forderungen seiner Amtszeit anzugehen: die Reform des amerika- nischen Gesundheitswesens. 817 Milliarden Dollar haben sich die Amerikaner 1992 nach Hochrechnungen ihre Gesundheit kosten lassen. Das sind 13,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und da- mit wesentlich mehr als in jedem anderen Industrieland. Mehr als doppelt so schnell wie die Inflationsrate wuchsen die Kosten in den vergangenen Jahren. Gleichzeitig sind rund 35 Millionen US- Amerikaner ohne jegliche Krankenversicherung. Clinton hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Kostenexplosion zu bremsen und einen Versicherungsschutz für alle Amerikaner zu erreichen.

A1 -162 (18) Dt. Ärztebl. 90, Heft 4, 29. Januar 1993

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Harte Zeiten für die Versicherungen

Harte Zeiten kommen nach Clintons Vorstellungen auf die Ver- sicherungen zu. Sie sollen verpflich- tet werden, eine günstige Basisversi- cherung anzubieten, mit der die me- dizinische Grundversorgung abge- deckt ist. Auch Risikopatienten sol- len diese Versicherung in Anspruch nehmen dürfen. Clinton will den Versicherungsanbietern öffentlich geförderte Abnehmer-Gruppen ent- gegensetzen. Sie sollen ihre Privat- versicherungen gemeinsam einkau- fen und damit ebenfalls mehr Käu- fermacht bekommen.

Für die Unternehmen heißt die Zauberformel „play or pay": Entwe- der sie bieten ihren Beschäftigten ei- ne Krankenversicherung an, oder sie zahlen ihnen einen Zuschuß, damit sie sich über die oben genannten Ab- nehmer-Gruppen selbst versichern können. Arbeitslose könnten einen solchen Zuschuß durch den Staat er- halten und wären damit nicht wie bisher quasi von der Krankenversi- cherung ausgeschlossen.

Der neue Präsident hat sich viel vorgenommen. Das amerikanische Magazin „US News & World Re- port" schreibt von „Clinton's Big Test" und vergleicht die Reform mit der Umwandlung der sowjetischen Planwirtschaft in ein marktwirt- schaftliches System. Allerdings ge- hen Clintons Reformpläne eher in die umgekehrte Richtung. Fachleute vermuten, daß die vorgesehenen massiven staatlichen Eingriffe auf harten Widerstand von Pharma- und Versicherungslobbyisten stoßen wer- den. Auch wird bezweifelt, ob die Einsparungen durch die Reform so groß sind, daß 35 Millionen Ameri- kaner zusätzlich versichert werden können, ohne daß die Kosten weiter in schwindelnde Höhen steigen.

Doch die Wähler erwarten Er- gebnisse. Bei Umfragen haben fast 70 Prozent der Clinton-Befürworter seine Gesundheitsreformpläne als wahlentscheidenden Punkt genannt.

Sollte die Reform mißlingen, kann sie zum ersten großen innenpoliti- schen Stolperstein für den neuen Präsidenten werden. WA Nach seinen Vorstellungen soll

eine neu zu schaffende „Nationale Gesundheitsbehörde", besetzt mit Vertretern der Verbraucher, der Anbieter von medizinischen Leistun- gen, der Regierung und der Wirt- schaft, zunächst ein Gesundheits- budget festsetzen. Damit soll von vornherein festgelegt werden, wie hoch die öffentlichen und privaten Gesundheitsausgaben im Bund wie auch in den Einzelstaaten insgesamt sein dürfen. Das Budget soll dabei nicht stärker vegrößert werden, als die Löhne durchschnittlich steigen.

Alle Beteiligten müßten darum be- müht sein, das vorgegebene Ausga- benlimit einzuhalten.

Die Kosteneinsparungen will Clinton durch einen geregelten Wettbewerb erreichen. Dabei sollen diverse lokale Netze, gebildet von Versicherungen, Krankenhäusern, Kliniken und Ärzten untereinander konkurrieren. Die einzelnen Netze bekommen einen staatlich festgeleg- ten Teil des gesamten Gesundheits- budgets, mit dem sie auskommen müssen. So werden Anreize geschaf- fen, weniger zu verschwenden und durch den Abbau von Verwaltungs- kosten und freien Betten- und Gerä- tekapazitäten Geld einzusparen. Ge- genüber Pharmafirmen und Herstel- lern medizinischer Geräte wären sol- che Zusammenschlüsse mächtiger und hätten damit mehr Einfluß auf die Preise.

gender Kosten einen immer geringe- ren Leistungsumfang. Inzwischen machen die Zuzahlungen der Be- rechtigten aus der eigenen Tasche einen größeren Anteil an ihrem Ein- kommen aus als ihre Aufwendungen für die Gesundheit vor der Einfüh- rung des Programms in den sechziger Jahren. Rund 65 Prozent der älteren Menschen decken diese Kosten in- zwischen durch eine zusätzliche pri- vate Krankenversicherung ab.

Da das Durchschnittsalter der Bevölkerung wächst und die Arzt- und Medikamentenkosten drastisch ansteigen, steigen auch die Aufwen- dungen des Bundes für Medicare ra- sant. Mit einem Ausgabenzuwachs von zwölf Prozent pro Jahr liegt die Kostensteigerung weit über der In- flationsrate.

Deutsches Gesundheits- system als Vorbild

Obwohl in den Vereinigten Staaten mehr Geld für das Gesund- heitswesen ausgegeben wird als in je- dem anderen Land, haben 35 Millio- nen Amerikaner überhaupt keinen Versicherungsschutz. „In den letzten vier Jahren haben durchschnittlich 100 000 Menschen pro Monat jegli- che Gesundheitsfürsorge verloren", sagte Clinton in einer Wahlkampfre- de bei einer Pharmafirma in New Jersey.

Alle Amerikaner mit einer Min- destversicherung auszustatten, ist deshalb eines der vorrangigen Ziele der von Clinton angestrebten Re- form im Gesundheitswesen. Die zu- sätzlichen Aufwendungen, die dafür notwendig sind, will er durch eine einschneidende Begrenzung des Ko- stenzuwachses erreichen. Eines sei- ner Vorbilder ist dabei Deutschland.

„In den letzten fünf Jahren sind die Gesundheitsausgaben in Deutsch- land ein wenig geringer gestiegen als die Inflationsrate, während sie in diesem Land um über das zweifache der Inflationsrate in die Höhe gegan- gen sind", rechnete Clinton seinen Landsleuten im Wahlkampf vor.

Wenn in Deutschland die Gesund- heitsausgaben derart gering anstei- gen und dort alle versichert seien, müsse dies in Amerika auch möglich sein, so der neue Präsident.

Dt. Ärztebl. 90, Heft 4, 29. Januar 1993 (19) A1-163

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