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Archiv "Der Schneider von Ulm: Kein zweiter Ikarus" (17.06.2011)

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riumph oder Katastrophe? Das war am 31. Mai 1811 in Ulm eigentlich gar keine Frage. Denn Albrecht Ludwig Berblinger, der tragisch geendete Schneider von Ulm, hatte bereits erfolgreiche Pro- beflüge absolviert. Augenzeugen be- richteten, dass er an einem früheren Weinberg von Gartenhaus zu Gar- tenhaus geflogen sei.

Geboren wird Berblinger 1770 in Ulm. Sein Brot verdient er als Schneidermeister. Doch in seiner Freizeit beschäftigt sich der Schnei- der von Ulm mit Tüfteleien. Im

„Ulmer Intelligenzblatt“ annonciert er Kinderwagen mit Rädern und ein Klavier für Anfänger. Ob er diese Artikel selbst entwickelt hat, ist un- gewiss. Möglich wäre es. Das be- legt auch sein Brief an die Regie-

rung in München. Ulm gehörte zwi- schenzeitlich zu Bayern. Darin bit- tet Berblinger 1809 um die Erlaub- nis, für seine neueste Erfindung werben zu dürfen: eine Fußprothe- se. Herstellung ja, Werbung nein, lautete die ernüchternde Antwort.

Bis in die heutige Zeit bilden Berb- lingers Entwicklungen die Grund - lage der Prothesenherstellung. Der Ulmer Erfinder, den das Elend der Soldaten, die versehrt aus den napo- leonischen Kriegen zurückkehrten, angetrieben hatte, wendet sich ent- täuscht einem noch größeren Betäti- gungsfeld zu: der Fliegerei.

Im Gegensatz zu anderen Him- melsstürmern, die sich mit Hilfe von Heißluftballons in die Höhe ziehen lassen, gleitet der Ulmer mit starrem Flügel von einem erhöht liegenden Szenenbild aus

der komischen Oper von Gustav Prissel „Der Schnei-

der von Ulm“, Zeichnung von Wer- ner von Breit- schwert, 1867. Die Ausstellung „Abhe-

ben – die Vision vom Fliegen“ (mit umfangreichem Be-

gleitprogramm) ist bis 13. November im Stadthaus Ulm zu sehen. www.

berblinger.ulm.de

Standort hinab. Mit Nachbauten seiner Konstruk- tion aus geleimtem Holz, Seide und Schnüren mit zwölf Quadratmetern Tragfläche, die durch einen Kupfer- stich belegt ist, konnte bei einem Flugwettbewerb 1986 bewiesen werden, dass sie flugtauglich war.

Die ersten Gleitflüge der Geschichte waren folglich dem Schneider ge- glückt. Bis zu einer Rehabilitierung vergingen 80 Jahre. Dann sollte Otto Lilienthal den Hängegleiter wiederentdecken.

Warum aber ging an jenem 31.

Mai alles schief? Die Fallwinde am Ufer der Donau waren schuld. Aber wie sollte der tapfere Schneider von deren Tücken auch wissen? Die Ge- setze der Thermik waren noch nicht entdeckt. Mulmig war Berblinger schon zumute dort oben. Hatte er doch auf die 13 Meter hohe Adler- bastei ein sieben Meter hohes Holz- gerüst bauen lassen, von dem er ab- fliegen wollte. Seiner auf Erfahrung basierenden Planung zufolge muss- te er aus einer Höhe von 20 Metern starten, um die knapp 40 Meter brei- te Donau überqueren zu können.

Die von ihm ermittelte Gleitzahl be- trug nämlich eins zu zwei. Um glei- ten zu können, brauchte er aber Auf- winde, die ihn tragen. Auf die war- tete Berblinger aber vergeblich.

Und warum hat der Ulmer seine Künste nicht am Michelsberg de- monstriert, wo er sie doch erfolg- reich getestet hatte? Die Antwort lässt sein Scheitern noch tragischer erscheinen. Die Stadtväter wollten dem dicken König die Fahrt vor die Tore der Stadt nicht zumuten. Dem Absturz als Flieger folgt der gesell- schaftliche. Verarmt stirbt er 1829.

Erst spät schloss die Stadt Ulm Frieden mit ihrem so lange unge- liebten Sohn. 175 Jahre nach dem schicksalhaften Tag richtete sie den erwähnten Flugwettbewerb aus.

Und seit 1988 wird der Berblinger- Preis für innovative Ideen in der Luftfahrt ausgelobt, so auch in die-

sem Jubiläumsjahr. ■

Ulrich Traub

Fotos:Stadtarchiv Ulm

DER SCHNEIDER VON ULM

Kein zweiter Ikarus

Vor 200 Jahren stürzte Albrecht Ludwig Berblinger, der unter anderem auch eine Fußprothese erfunden hatte, in die Donau.

Deutsches Ärzteblatt

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Heft 24

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17. Juni 2011

K U L T U R

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