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Archiv "Die Entfernung der Gebärmutter: Thesen zur Klärung einer umstrittenen Frage" (10.11.1977)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Die Indikation zur Entfernung der Gebärmutter hat sich im letzten Jahrzehnt erweitert.

Hierbei ist die Frage nach dem Gewicht dieses Eingriffs in Beziehung auf die Morbidität und Mortalität sowie hinsicht- lich der langfristig zu betrach- tenden individuellen Wirkung auf die operierten Frauen auf- getaucht. Die laufenden Dis- kussionen haben weder auf seiten der Laien noch bei den Ärzten zu einer einheitlichen Meinung geführt. Wir möch- ten im folgenden an Hand von Beobachtungen der Frauen- kliniken in Mannheim und Ludwigshafen einige Thesen aufstellen:

• Der Uterus ist ein Erfolgs- organ für Ovarialhormone. Er selbst bildet keine Sexualste- roide, ist aber an ihrer Meta- bolisierung beteiligt. Mögli- cherweise greift er in die Rhythmik des Zyklus modulie- rend ein.

e Der Uterus ist für die Auf- nahme einer Schwanger- schaft als Fruchthalter uner- läßlich. Nach Abschluß der Generationsphase — moderner und aus heutiger Sicht ausge- drückt: nach Erfüllung des Fa- milienplanes — wird er nicht mehr benötigt.

• Bedenken gegen die Ent- fernung der Gebärmutter las- sen sich lediglich im psycho- logischen Bereich erheben.

Sie hängen in ihrer Stärke

vom Bildungsgrad, von der Einsicht und von der präope- rativen Aufklärung ab. Die Be- denken werden von den Be- schwerden beeinflußt, welche als Folge funktioneller oder organischer Veränderungen bestehen und welche den Ent- schluß zur Operation herbei- führen.

Wie für jede Operation gilt auch für die Uterusexstirpa- tion der Grundsatz, daß eine klare Indikation beziehungs- weise ein Komplex von Indika- tionen zum Eingriff vorliegen muß, und daß er der Patientin deutlich gemacht werden muß. Hierzu gehören auch prophylaktische Erwägungen hinsichtlich einer Myombil- dung, einer Senkung und ei- nes Gebärmutterkrebses. Die Indikationsstellung wird daher nicht in allen Fällen nur vom Krankheitsbild, sondern auch von dem Verständnis der Pa- tientin für die Maßnahme be- stimmt und hängt damit weit- gehend von der Aufklärung durch Hausarzt und Operateur ab.

• Das Uteruskarzinom steht hinter dem Mammakarzinom an zweiter Stelle der Häufig- keitsskala. 3 Prozent aller Frauen zwischen dem 35. und 75. Lebensjahr erkranken an einem Gebärmutterkrebs. 50 Prozent der Erkrankten, also 1,5 Prozent aller Frauen dieser Altersgruppen, erliegen die- sem Karzinom.

O Die Zervix ist der Gebär- mutteranteil mit der höchsten Krebsgefährdung. Das Zu- rücklassen der Zervix gilt als obsolet. — Sigmund Freud hat vor mehreren Generationen der Zervix und dem oberen Drittel der Vagina besondere Bedeutung beim Sexualleben zugemessen (vaginaler Orgas- mus). Freud hat sich geirrt.

Seine Meinung ist durch die Untersuchungen von Masters widerlegt: es gibt keinen vagi- nalen Orgasmus, die Portio ist für das Sexualerlebnis uner- heblich, das obere Drittel der Vagina unempfindlich. Diese Feststellung wird entwick- lungsgeschichtlich gestützt Lind klinisch bestätigt durch die Erfahrung, daß ein in das obere Vaginaldrittel eingeleg- ter Menstruationstampon nicht mehr „gefühlt" wird.

Auch die Bedenken unserer Großväter, daß mit der Entfer- nung der Zervix die Biologie der Vagina gestört und die

„Durchfeuchtung" und die

„Durchsaftung" der Vagina leiden würde, sind überholt.

• Angesichts auch heute noch bestehender magischer Vorstellungen über die Rolle der Gebärmutter als Organ voller Weiblichkeit setzt die Hysterektomie eine eingehen- de und verständliche Aufklä- rung der Patientin in ihrer Muttersprache voraus. Der Ehemann sollte in die Aufklä- rung einbezogen werden, falls die Patientin dies wünscht oder Hinweise darauf beste- hen, daß der Ehemann ungün- stige Folgen hinsichtlich des Ehelebens befürchtet. Es ist zweckmäßig, zwischen Auf- klärung und Entschluß eine 11 1>

Die Entfernung der Gebärmutter

Thesen zur Klärung einer umstrittenen Frage

• Textfortsetzung von Seite 2690

Befragung der Patienten

Bei der erweiterten Indikationsstel- lung zur vaginalen Hysterektomie, besonders im Rahmen der Familien- planung, müssen die psychischen Auswirkungen berücksichtigt wer-

den. Aus diesem Grunde haben wir 1007 hysterektomierte Frauen im ge- schlechtsreifen Alter über die psy- chologischen und sexuellen Reak- tionen zwischen eineinhalb und acht Jahren nach dem Eingriff befragt, und ihre Antworten mit den Antwor- ten eines Kollektivs gesunder, noch menstruierender Frauen verglichen (Tabelle 3 auf Seite 2691).

Das Sexualleben wurde durch die Hysterektomie nicht negativ beein- flußt. Die Frauen des Vergleichskol- lektivs gaben häufiger eine Ver- schlechterung der Vita sexualis in- nerhalb der letzten vier Jahre an, als die operierten Frauen.

Die Depressionen nach einer Hyster- ektomie werden nach allgemeiner

2692 Heft 45 vom 10. November 1977 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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~ Entscheidungspause einzu- schalten. Das Gespräch soll unverständliche Fachaus- drücke vermeiden. Insbeson- dere sollte der Ausdruck "To- taloperation" wegfallen, da er verschieden definiert und häufig mit der Radikalopera- tion eines Karzinoms ver- wechselt wird. Der Begriff "to- tal" erschreckt und verwirrt.

Der Patientin muß lediglich deutlich werden, daß das Or- gan im ganzen entfernt wird, damit Beschwerden vermie- den werden.

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Es gibt ;,harte" und "wei- che" Indikationen. Bei den

"harten" lndikationen kann die Patientin durch die Fülle ihrer Beschwerden oder durch den Hinweis auf Bösar- tigkeit des Leidens überzeugt werden.

Bei den "weichen" Indikatio- nen wird das informative Ge- spräch zwischen Arzt und Pa- tientin die Grundlage für die Entscheidung geben, welche die Patientin selbst treffen muß und an Hand ihrer Be- schwerden und ihrer t>eson- deren Situation auch treffen kann.

f) Die Hysterektomie wird zu- nehmend auf vaginalem Wege durchgeführt. Der abdominale Operationsweg hat seine spe- ziellen Indikationen ~Ovarial­

tumoren, chronisch-entzünd- liche Adnextumoren, Adhäsio- nen, Voroperationen, großes Myom bei Nulliparen usw.).

Die Mortalität bei der vagina- len Operation beträgt bei 3343 Patientinnen (Mannheim) 0,06 Prozent beziehungsweise bei 2445 Patientinnen (Ludwigs- hafen) 0 Prozent.- Von insge-

Ansicht durch das traumatische Er- eignis ausgelöst, das von der Patien- tin offensichtlich als Bedrohung und Zerstörung ihrer vor der Operation angenommenen Rolle betrachtet wird. Es konnte jedoch zwischen den hysterektomierten Frauen und dem Vergleichskollektiv kein stati- stisch gesicherter Unterschied fest- gestellt werden. Die larvierte und die

samt 5788 vaginal operierten Patientinnen starben zwei:

Eine 75 Jahre alte Patientin verstarb an einem blutenden StreBulkus des Magens auf der Intensivstation, eine 65jährige Patientin starb an einem Herzinfarkt am vierten postoperativen Tag.

..,. Die Mortalität der vagina- len Hysterektomie betrug demnach bei 5788 Patientin- nen beider Kliniken von 1966 bis 1976 nur 0,3 auf 1000.

G!) Die Entfernung der Gebär- mutter macht weder alt noch dick, noch unfreundlich, noch asexuell. Die Ovarialt~tigkeit bleibt erhalten. Ein Zyklus läuft weiter ab. Die Patientin kommt nicht ins Klimakte- rium, obwohl die Menstrua- tion sistiert. Die Haare fallen nicht aus. Auch vorzeitiges Al- tern resultiert nicht. Die indivi- duellen somatischen und psy- chischen Wandlungen des Le- bensablaufs der Frau werden durch die Uterusexstirpation nicht beeinflußt. Oft erweckt sie bei einer aufgeklärten Frau das Gefühl der Befreiung durch den Ausschluß weiterer, unerwünschter Schwanger- schaften, durch den Abschluß der häufig zur Unzeit einset- zenden Menstruation und durch die Ausräumung des Krebsrisikos.

Überdies lassen sich im Kli- makterium Patienten ohne Uterus wesentlich einfacher und komplikationsloser mit Östrogenen behandeln als an- dere Patientinnen.

Auf Grund umfangreicher Be- obachtungen, Untersuchun- gen und Nachuntersuchun-

offene Depression nach Propoft ka- men in beiden Gruppen gleich häu- fig vor (Tabelle 4).

Psychologen haben gezeigt, daß bei Frauen vor der Operation sehr große Erwartungsängste bestehen kön-

nen. Diese Ängste entstehen fast im-

mer durch mangelhafte Aufklärung. Aus diesem Grund muß ein ausführ-

Zur

Fortbildung Aktuelle Medizin gen unter Berücksichtigung aller Umstände vertreten wir die Meinung:

..,. Die Entfernung der Gebär- mutter ist notwendig bei dringlicher Indikation: a) Gebärmutterkrebs, falls nicht die Strahlentherapie ein- gesetzt wird

b) Uterus myomatosus mit Beschwerden

c) Deszensus und/oder In- kontinenz (mit gleichzeitiger Raffung des Blasenbodens und des Beckenbodens) ..,. Die Entfernung der Gebär- mutter ist gerechtfertigt:

a) bei abgeschlossenem Fami- lienplan und einem Mindestal- ter der Mutter, das wir mit 35 Jahren ansetzen möchten (operative Empfängnisverhü- tung)

b) bei Multiparen, bei denen weitere Schwangerschaften ein Risiko für Leben und Ge- sundheit darstellen

c) in jedem Alter bei schwe- ren Grundkrankheiten, die eine Schwangerschaft nicht zulassen.

Professor Dr. Peter Stoll Frauenklinik

im Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg Professor

Dr. Hans-Joachim Staemmler Frauenklinik der Städtischen Krankenanstalten

Ludwigshafen

liches Gespräch zur Vorbereitung der Operation gehören. Dieses vor- bereitende Gespräch muß bereits in der Sprechstunde beginnen, sollte also nicht nur vom operierenden Arzt durchgeführt werden. Unsere Befragung hat sehr deutlich gezeigt, daß eine voroperative Aufklärung durch den Arzt des Vertrauens und durch den Klinikarzt die Erwar-

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10.

November

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