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Archiv "Gastroenterologie: Wie sich Therapien fortentwickeln" (27.04.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 17

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27. April 2012 A 863 GASTROENTEROLOGIE

Wie sich Therapien fortentwickeln

Krankheit, Gene, Umwelt. Dieses Leitthema war beim 118. Internistenkongress den Schwerpunkten übergeordnet. Die aktuellen Entwicklungen in der Gastroenterologie machen deutlich, wie diese Aspekte in der Praxis zusammengeführt werden.

M

indestens drei Millionen Menschen in Deutschland sind leberkrank. Die Prävalenz der Zirrhose wird auf 0,7 bis ein Prozent geschätzt, und viele Patienten wis- sen nichts von ihrer Erkrankung (1).

Alkoholabusus ist die häufigste Ur- sache für chronische Lebererkran- kungen. Aber ein Großteil selbst der schweren Trinker entwickelt keine Zirrhose, so dass genetische Merk- male als Einflussfaktoren vermutet werden. Eine vor kurzem publizierte Studie hat ergeben, dass eine Vari- ante im PNPLA3-Gen (Adiponu- trin) mit einer progressiv verlaufen- den Lebererkrankung und erhöhten Aminotransferasewerten bei Alko- holikern assoziiert ist (2).

„Die progrediente Einschränkung der Leber mit Störungen der Leber-

hämodynamik hat Rückwirkungen auf zahlreiche andere Organsysteme wie Gehirn, Niere, Herz, Kreislauf und Endokrinium“, sagte Prof. Dr.

med. Dieter Häussinger, Universität Düsseldorf, beim Internistenkon- gress in Wiesbaden. „Unterschätzt in Häufigkeit und ihren Auswirkun- gen auf Alltagsfähigkeiten wird die hepatische Enzephalopathie.“ Circa 40 Prozent der Zirrhotiker seien be- troffen. Eine hepatische Enzephalo-

pathie kann sich in kognitiven Defi- ziten wie Aufmerksamkeits-, Reak- tionsdefiziten, motorischen Störun- gen und Persönlichkeitsveränderun- gen mit erhöhter Reizbarkeit äußern.

„Wenn Wesensveränderungen oder kognitive Einbußen auftreten, sollte der Arzt an eine hepatische Enze- phalopathie denken und diese gege- benenfalls diagnostisch abklären lassen“, rät der Gastroenterologe.

Diagnostische Abklärung der hepatischen Enzephalopathie

Dafür eigne sich die Flimmerfre- quenzanalyse. Ab einer bestimmten Frequenz nimmt der Mensch flim- merndes Licht als konstanten Licht- reiz wahr. Bei Gesunden liegt die Frequenz oberhalb von 39 Hertz, bei Patienten mit hepatischer Enze-

phalopathie liegt sie darunter, und zwar umso mehr, je ausgeprägter die Enzephalopathie ist. So wird beispielsweise bei stärker ausge- prägten Symptomen das Licht erst bei 32 Hertz als Flimmern erkannt.

Im subklinischen Stadium liegt der Wert bei etwa 39 Hertz.

Mechanismen der Systemrele- vanz von Leberschädigungen er- forscht das Team um Häussinger in Sonderforschungsbereichen, wie sie

im Programm des Kongresses be- sonders berücksichtigt wurden. So weisen postmortale Hirngewebeun- tersuchungen darauf hin, dass Astro- zyten ein wichtiges Bindeglied zwi- schen Leber- und Gehirnfunktions- störungen sind: Die eingeschränkte Detoxifikation durch die Leber lässt die Konzentration von zelltoxischen Substanzen wie Ammoniak im Blut steigen. Astrozyten, die im Gehirn eine Entgiftungsfunktion haben und Volumenschwankungen ausgleichen, verändern unter dem chronischen Einfluss neurotoxischer Substanzen ihre Proteinexpression, können Vo- lumenschwankungen im Gehirn nicht mehr ausreichend kompensieren und erzeugen oxidativen Stress (3).

Dadurch kommt es zu Protein- und RNA-Modifikationen im Hirnge- webe, welche auch RNA-haltige Granula betreffen. Sie sind für Signalübertragungen zwischen Neu- ronen von Bedeutung. „Bei vielen Patienten ist bereits im Frühstadium einer hepatischen Enzephalopathie die Fahrtüchtigkeit herabgesetzt“, sagte Häussinger. Für die Beurtei- lung im Einzelfall seien reale Fahr- verhaltensbeobachtungen erforder- lich, da die Fahrtauglichkeit nicht vorhersagbar sei (4). Nach Rechts- lage gelten Leberzirrhosepatienten nur bei Dekompensation mit Aszites als fahruntüchtig, sagte Häussinger.

Als eigenständiger Risikofaktor für eine solche Dekompensation hat sich bei Patienten mit kompensier- ter Zirrhose jeglicher Genese die Adipositas erwiesen. Dies berichte- te Prof. Dr. med. Thomas Seuffer- lein von der Universitätsklinik Hal- le-Wittenberg als eines von zahlrei- chen neuen, praxisrelevanten Studi- energebnissen aus dem Bereich der Gastroenterologie. Aus einer rando- misierten Untersuchung, in der die Gabe von Betablockern zur Prophy- Leberzirrhose im

histologischen Präparat: Der Anteil des Binde - gewebes im extra- zellulären Raum ist im Vergleich zur gesunden Leber erhöht.

Foto: picture alliance

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27. April 2012 laxe von Varizen untersucht wurde,

analysierten Forscher eine Teilgrup- pe von 161 Patienten mit kompen- sierter Zirrhose auf Risikofaktoren für eine Dekompensation (5). Bei ei- ner mittleren Beobachtungszeit von 59 Monaten dekompensierten 30 Pro - zent der Patienten. Davon hatten 15 Prozent einen normalen Body-mass- Index, 30 Prozent waren überge- wichtig, 43 Prozent adipös. Weitere unabhängige Risikofaktoren für eine Dekompensation waren eine Ab - nahme des Serumalbumins (Hazard Ratio [HR]: 4,54 je 1 g Albumin - min derung pro dl) sowie der Pfort- aderdruck (HR 1,14 pro 1 mmHg Anstieg). Innerhalb eines Jahres Beta blockertherapie hatte sich der Pfortaderdruck bei Normal- und Übergewichtigen um 15 und zehn Prozent verringert, bei den Adipösen war er um fünf Prozent gestiegen.

„Die Ergebnisse verdeutlichen noch einmal, dass bei massiv adipösen Patienten mit kompensierter Leber- zirrhose eine Gewichtsreduktion anzustreben ist“, sagte Seufferlein.

Genetische Varianten erhöhen das Risiko für Pankreatitis

Auch Pankreaserkrankungen wer- den in ihrer Prävalenz häufig un - terschätzt. So hat allein die akute Pankreatitis eine Inzidenz von zehn bis 46 pro 100 000 Einwohner, wie Priv.-Doz. Dr. med. Hana Algül vom Klinikum rechts der Isar, Tech- nische Universität München, beton- te. Die häufigsten Ursachen sind übermäßiger Alkoholkonsum und Gallengangssteine. Genetische Dis- positionen sind von hereditären Formen, aber auch von der chroni- schen Alkoholpankreatitis bekannt:

Sie ist häufiger als bei Gesunden und Alkoholabhängigen ohne Pan- kreatitis mit bestimmten Varian- ten des Serinproteaseinhibitor-Ka- zal-Typ-1-Gens (SPINK1) und des Chymotrypsinogen-C-Gens assozi- iert, nicht aber mit PNPLA3 (6, 7).

Der Verlauf der akuten Pankreasent- zündung variiert von milden Formen (70 bis 80 Prozent) bis zu schweren Krankheitsverläufen mit Multiorgan- versagen im Zusammenhang mit ei- nem (aseptischen) sytemischen Ent- zündungssyndrom (SIRS) oder als Folge einer Sepsis. Häufigste Erreger

bei infizierten Pankreasnekrosen sind Escherichia coli, Pseudomonaden und Staphylococcus aureus.

Im Fluss ist derzeit die Frage, welches Verfahren zur Entfernung des nekrotischen Pankreasgewebes ein optimales Ergebnis erwarten lässt. Die Komplikationsrate ist bei offen-chirurgischer Intervention durch die angestoßenen inflammato- rischen Reaktionen hoch.

Im Wandel ist die Therapie der infizierten Pankreasnekrosen

Bereits 2010 hatte eine niederländi- sche Arbeitsgruppe belegt, dass ei- ne Step-up-Therapie aus Drainage über einen perkutanen Katheter ge- folgt von minimal-invasiver Ne- krosektomie mit einer im Vergleich zum offenen, chirurgischen Eingriff geringeren Komplikationsrate asso- ziiert ist (55 versus 81 Prozent; [8]).

Jetzt stellte Seufferlein die Ergeb- nisse einer ebenfalls randomisier- ten prospektiven Studie derselben Arbeitsgruppe vor, in der die noch weniger invasive, endoskopisch- transgastrale Nekrosektomie (natu- ral orifice transluminal endocopic surgery, NOTES) mit der chirurgi- schen Nekrosektomie (videoassis- tiert oder offene Laparotomie) bei infizierter Pankreasnekrose (jeweils zehn Patienten) verglichen wurde (9). Primärer Endpunkt war die postoperative Entzündungsreaktion, gemessen an den Serumkonzentra- tionen von Interleukin 6 (IL-6). Se- kundäre Endpunkte waren schwere Komplikationen wie Multiorgan- versagen, intraabdominelle Blu- tung und Fisteln oder Tod des Pa- tienten, zusammengefasst in einem klinischen Komplikationsendpunkt.

Dieser wurde bei nur 20 Prozent in der NOTES-Gruppe und 80 Prozent der Gruppe mit chirurgischer Ne- krosektomie beobachtet. Damit er- gab sich eine Risikoreduktion um 60 (Absolut)Prozent. „Die endos - kopische Drainage plus Nekrosek- tomie ist ein gutes Verfahren für die Initialtherapie von Pankreasnekro- sen bei schwerer Pankreatitis“, re- sümierte Seufferlein. Die Frage sei nun, ob die endoskopische Drainage allein auch ausreichend sein könnte oder stets mit einer Nekrosektomie kombiniert werden müsse.

Auch aseptische akute Pankrea - titiden können lebensbedrohlich verlaufen, vor allem dann, wenn als Folge einer systemischen Entzün- dungsreaktion die Lunge geschä- digt wird. Algül und sein Team ha- ben untersucht, ob IL-6 (und davon abhängig das C-reaktive Protein) lediglich ein inflammatorischer Marker oder zugleich auch Ursache für SIRS ist. Für die Untersuchung von SIRS und den damit assoziier- ten Komplikationen eigne sich in besonderer Weise ein Tiermodell mit ceruleininduzierter Pankreati- tis, sagte Algül. Das Hormon Ceru- lein wird Mäusen in stündlichen Abständen ins Peritoneum injiziert und ruft durch Bindung an einen pankreasspezifischen Rezeptor eine sterile Entzündung der Bauchspei- cheldrüse hervor.

Die Münchener Arbeitsgruppe hat mit Hilfe genomweiter Analy- sen von Bauchspeicheldrüsen der Maus herausgefunden, dass im Ver- gleich zu gesundem Pankreas im entzündeten Gewebe zahlreiche Gene spezifisch aktiviert sind, dar - unter solche für STAT3 und Akute- Phase-Proteine. Die Bindung von IL-6 an seinen Rezeptor auf der Zellmembran führt über Signalwe- ge, die durch Januskinasen vermit- telt werden, zu einer Phosphory - lierung und damit zu einer Akti - vierung des Transkriptionsfaktors STAT3. Dieser reguliert die Expres- sion von Genen hoch, die für die Auslösung von Apoptose, aber auch Entzündungsreaktionen verantwort- lich sind. Es habe sich gezeigt, dass das Pankreas zu den Organen gehö- re, die zur extrahepatischen Bil- dung von Akute-Phase-Proteinen fähig seien. Werde STAT3 in der Maus inaktiviert, ließen sich letale Verläufe komplett verhindern, be- richtete Algül. Da STAT3-Inhibito- ren als Medikamente in der Onko- logie und IL-6-Inhibitoren als Arz- neimittel gegen rheumatologische Erkrankungen angewandt würden, ergäben sich aus den Forschungsar- beiten neue Ansätze für die Thera- pie der schweren, akuten Pankreati- tis, so der Arzt und Forscher.

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

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Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit1712

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27. April 2012 A 3 LITERATURVERZEICHNIS HEFT 17/2012, ZU:

GASTROENTEROLOGIE

Wie sich Therapien fortentwickeln

Krankheit, Gene, Umwelt. Dieses Leitthema war beim 118. Internistenkongress den Schwerpunkten übergeordnet. Die aktuellen Entwicklungen in der Gastroenterologie machen deutlich, wie diese Aspekte in der Praxis zusammengeführt werden.

LITERATUR

1. Roulot D, Costes JL, Buyck JF, et al.: Tran- sient elastography as a screening tool for liver firbosis and cirrhosis in a community- based population aged over 45 years. Gut 2010; 60: 977–84.

2. Stickel F, Buch St, Lau K‚ et al.: Genetic variation in the PNPLA3 gene is associated with alcoholic liver injury in caucasians.

Hepatology 2011; 53: 86–95.

3. Häussinger D, Görg B: Interaction of oxi- dative stress, astrocyte swelling and cere- bral ammonia toxicity. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 2010; 13: 87–92.

4. Kircheis G, Knoche A, Hilger N, Manhart F, Schnitzler A, Schulze H, Häussinger D: He- patic encephalopathy and fitness to drive.

Gastroenterology 2009; 137: 1706–15.

5. Berzigotti A, Garcia-Tsao G, Bosch J, et al.: Obesity is an indipendet risk factor for clinical decompensation in patients with cirrhosis. Hepatology 2011; 54: 555–61.

6. Witt H, Luck W, Becker M, et al.: Mutation in the SPINK1-trypsin inhibitor gene, alco- hol use, and chronic pancreatitis. JAMA 2011; 285: 2716–7.

7. Rosendahl J, Witt H, Szmola R et al.: Chy- motrypsin C (CTRC) variants that diminish activity or secretion are associated with chronic pancreatitis. Nat Genet 2008; 40:

78–82.

8. Van Santvoort HC, Besselink MG, Bakker OJ, et al.: Dutch pancreatitis study group:

A step-up approach or open necrosecto- my for nectrotizing pancreatitis. NEJM 2010; 251: 1491–502.

9. Bakker OJ, van Santvoort HC, van Brun- schot S, et al.: Endoscopic transgastric vs surgial necrosectomy for infected necroti- zing pancreatitis. JAMA 2012; 307:

1053–61.

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Referenzen

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