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Archiv "Tuberkulose: Die Infektionskrankheit" (23.01.1998)

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uch wenn in Deutschland im Jahr 1996 die Zahl der an Tu- berkulose Erkrankten um rund 3,1 Prozent zurückgegangen ist, dürfen die Maßnahmen zur Bekämp- fung dieser Erkrankung auch in Deutschland nicht vernachlässigt werden. Die Maßnahmen sollten in die aktive Fallfindung eine effektive Behandlung und die Minderung des Übertragungsrisikos einschließen.

Weltweit ist die Tuberkulose wie- der im Kommen, vor allem in Süd- ostasien, in Afrika, Südamerika und in Osteuropa. Daran erinnerte das Deutsche Zentralkomitee e.V. zur Bekämpfung der Tuberkulose anläß- lich der Wiederkehr der Entdeckung des Tuberkulose-Erregers durch Robert Koch in Berlin vor hundert Jahren. Auch der 1. Russisch-Deut- sche Pneumologenkongreß in Mos- kau am 30./31. Oktober 1997 war der Tuberkulose, der weltweit wichtig- sten Infektionskrankheit, gewidmet.

Die Tuberkulose ist unverändert – trotz AIDS – die am häufigsten zum Tode führende Infektionskrankheit.

Nach Schätzungen der Weltgesund- heitsorganisation (WHO) ist bereits rund ein Drittel der Weltbevölkerung mit dem Tuberkulose-Erreger infi- ziert, davon wahrscheinlich bereits 50 Millionen mit multiresistenten Bak- terienstämmen. Rund acht Millionen Menschen erkranken weltweit jedes Jahr an einer aktiven Tuberkulose;

drei Millionen Menschen sterben an dieser Erkrankung. Diese Zahlen nannte Prof. Dr. med. Robert Lodden- kemper, der Generalsekretär des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose e.V., Chefarzt der Lungenklinik Hecken- horn zu Berlin, in Moskau, der bei dem zusammen mit dem Bundesverband der Pneumologen in Deutschland e.V.

organisierten Kongreß referierte.

Trotz der leicht rückläufigen Er- krankungszahlen ist die Tuberkulose,

insbesondere auch auf Grund der zum Teil alarmierenden Zahlen aus Teilen Osteuropas und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) eine auch in Deutschland sehr alarmieren- de Infektionskrankheit. Nachlässig- keit und eine vorzeitige Entwarnung auf Grund mangelnder Erkenntnisse und Erfahrung und des selteneren Auftretens der Tuberkulose in Deutschland seien fehl am Platz, so Loddenkemper.

Nach den bisherigen Erkenntnis- sen ist aber Deutschland bisher nicht von einer Zunahme der multiresisten- ten Tuberkulose betroffen. Um keine Behandlungslücken auftreten zu las- sen und um keine unkalkulierbaren Risiken einzugehen, seien aber wei- terhin eine rasche Entdeckung, Dia- gnostik und umfassende Therapie- Einleitung sowie Behandlung über ei- ne längere zeitliche Distanz notwen- dig, und sie müßten konsequent mit allen gebotenen Mitteln in Angriff ge- nommen werden, so der Wissen- schaftler vor dem Moskauer Kon- greß.

In Deutschland war auch 1996 die Tuberkulose die Infektions- krankheit: 11 814 neue Erkrankungs- fälle wurden registriert. Dies ent- spricht bei einer Gesamtbevölkerung von 81,82 Millionen Einwohnern ei- ner Inzidenz von 14,4 je 100 000 Ein- wohner. Gegenüber 1995 war die

A-137 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 4, 23. Januar 1998 (25)

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Tuberkulose/Epidemiologie

Keine Entwarnung

Russisch-Deutscher Pneumologenkongreß in Moskau war der weltweit wichtigsten Infektionskrankheit gewidmet.

A

Tuberkulose: Die Infektionskrankheit

c Die Tuberkulose ist weltweit die am häufigsten zum To- de führende Infektionskrankheit beim Erwachsenen.

c Die Tuberkulose ist verantwortlich für mehr als ein Viertel aller vermeidbaren Todesfälle beim Erwachsenen in Entwicklungsländern.

c Ungefähr drei Millionen Menschen sterben jährlich an der Tuberkulose, das sind 60 000 pro Woche. Das sind mehr als an AIDS, Malaria und Tropenkrankheiten zusammen.

c Ein Drittel der gesamten Weltbevölkerung ist mit dem Tuberkulosebakterium infiziert.

c Unbehandelt kann ein Mensch mit aktiver Tuberkulose innerhalb eines Jahres 10 bis 15 Mitmenschen anstecken.

c In den osteuropäischen Ländern, wo die Erkrankungs- fälle seit 40 Jahren rückläufig waren, nimmt die Tuberkulose jetzt wieder zu.

c Internationale Migrationsbewegungen spielen bei der Tuberkuloseproblematik eine zunehmende Rolle. Tuberku- lose benötigt kein Visum.

c Bei den 14 Millionen Menschen, die weltweit 1994 HIV- positiv waren, wird bei 5,6 Millionen eine zusätzliche Tuber- kuloseinfektion vermutet.

c Zwei Drittel aller Tuberkulosefälle finden sich in den asiatischen Ländern mit ihren großen Ballungszentren, einer hohen Tuberkuloseinfektionsrate und zunehmenden HIV- Infektionen.

c Tuberkulose ist die führende Todesursache HIV-positi- ver Menschen; sie ist in diesem Zusammenhang für nahezu ein Drittel der Mortalität weltweit und für 40 Prozent der Mortalität in Afrika verantwortlich. Sie scheint bei den asia- tischen AIDS-Patienten in 50 bis 70 Prozent die führende op- portunistische Infektionskrankheit zu sein.

c Die Hauptursache für eine nicht korrekte Behandlung der Tuberkulose ist die Mißachtung international anerkann- ter Therapiestandards. Die antituberkulösen Medikamente werden unsachgemäß verordnet, und die Ärzte versäumen es, sicherzustellen, daß die Medikamenteneinnahme unter Aufsicht geschieht. Diese Umstände begünstigen die Ent- wicklung resistenter Tuberkulosebakterienstämme.

c Forschergruppen schätzen, daß weltweit ungefähr 50 Millionen Menschen mit resistenten Tuberkulosebakterien infiziert sind.

c Die Behandlung der Tuberkulose kostet in den Teilen der Welt, in denen sie am häufigsten vorkommt, lediglich zwi-

schen 13 und 20 US-Dollar je Fall. N

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Zahl mit 394 Fällen weniger leicht rückläufig (23,1 Prozent). Mit 3 474 Ausländern (258 Ausländer gegen- über 1995) ist die Inzidenz dieser Be- völkerungsgruppe wesentlich höher als bei Inländern. Die Inzidenz lag hier bei 47,5 je 100 000 Einwohner der in der Bundesrepublik Deutsch- land lebenden Ausländer; sie war mithin 4,2fach höher als die Inzidenz von 11,2 je 100 000 bei der einheimi- schen Bevölkerung. Der Rückgang an Neuerkrankungen betrug hier 3,8 Prozent (326 Fälle weniger als im Jahr 1995).

Wie Loddenkemper weiter be- richtete, betrifft die Tuberkulose vor allem häufig die ältere und hier ins- besondere die männliche Bevölke- rung. Die höchste Inzidenz in der Gesamtbevölkerung hatten Männer mit 48,8/100 000, die 75 Jahre alt und älter sind. Bei den Ausländern liegt der Inzidenzgipfel bei den 20- bis 40jährigen.

Bei der Tuberkulose bei Inlän- dern konnten in 60 Prozent aller Fälle Tuberkulosebakterien direkt im Spu- tumausstrich nachgewiesen werden, bei den Ausländern betrug der Anteil der offenen Tuberkulosen 48 Prozent.

Die Zahl der offenen und damit an- steckenden Tuberkulosen war mit 6 639 Fällen gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert. Bei den Inlän- dern überwog die Form der offenen Tuberkulose mit 59,5 Prozent, die ge- schlossenen Formen machten 26,5 Prozent und die extrapulmonalen Tu- berkulosen 14 Prozent aus. Bei den Ausländern führten mit 48,4 Prozent ebenfalls die offenen Tuberkulosen – vor den geschlossenen Formen mit 31,9 und den Fällen mit extrapulmo- naler Manifestation mit 19,7 Prozent.

Ausländer und Männer stärker betroffen

Insgesamt entfielen von den 6 639 Fällen mit offener Lungentu- berkulose 74,7 Prozent (4 959) auf die inländische Bevölkerung. Die Inzi- denz der offenen Tuberkulose betrug bei den Inländern 6,7 je 100 000 Ein- wohner und bei den Ausländern, die zur Zeit in Deutschland leben, waren es 22,9 je 100 000 Personen. Im Ver- gleich zu 1995 bedeutet dies: Rück-

gang der absoluten Zahlen von 3,4 Prozent bei der Gesamtbevölkerung, von 1,4 Prozent bei der einheimischen und vier Prozent bei der ausländi- schen Bevölkerung.

Auch im Referenzjahr 1996 er- krankten fast doppelt so viele Männer an Lungentuberkulose wie Frauen;

bei den extrapulmonalen Tuberkulo- sen erkrankten Frauen weiterhin et- was häufiger.

Bei den extrapulmonalen Tu- berkulosen war 1996 die periphere Lymphknotentuberkulose am häufig- sten (43,6 Prozent), wobei die Hälfte (51 Prozent) der Patienten, die an Lymphknotentuberkulose erkrankt waren, Ausländer waren. Insbesonde- re in den jüngeren Altersgruppen do- miniert der Ausländeranteil bis zu 74,5 Prozent; er nimmt aber mit zu- nehmendem Alter deutlich ab und be- trägt bei Erkrankten, die älter als 75 Jahre sind, nur noch 6,8 Prozent.

Als zweithäufigste Manifestation folgt die Urogenitaltuberkulose mit 27,9 Prozent. Bei 10,2 Prozent der Fälle waren Knochen und Gelenke betroffen, eine Meningitis tuberculo- sa fand sich in 3,3 Prozent der Fälle, davon waren sieben Kinder (ein Aus- länderkind).

1996 erkrankten in Deutschland 578 Kinder an einer aktiven Tuberku- lose, was einer Inzidenz von 4,37/

100 000 Kinder entspricht. Im Ver- gleich zu 1995 wurden 64 Fälle mehr gemeldet (+12,5 Prozent); die Inzi- denz betrug vor zwei Jahren 3,87 je 100 000 und ist mithin geringfügig gestiegen. Von den 578 erkrankten Kindern waren 328 Ausländer (56,7 Prozent). Die Inzidenz lag bei 21,5/

100 000 bei den in Deutschland leben- den ausländischen und 2,1/100 000 bei den inländischen Kindern; bei den ein- bis fünfjährigen ausländischen Kindern war die Inzidenz von 24,5 je 100 000 gleichaltriger Kinder am höchsten.

Von der Häufigkeit der Neuer- krankungen waren die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg am meisten betroffen, am wenigsten die Flächenstaaten, wie etwa Bayern (14,8/100 000). Der Bundesdurch- schnitt der Tuberkulosen-Inzidenz lag im vergangenen Jahr bei 14,4/100 000.

Dies gilt auch für die Neuerkrankun- gen an offener Tuberkulose.

Nach der Todesstatistik starben an einer aktiven Tuberkulose bezie- hungsweise an den Spätfolgen 1996 in Deutschland 896 Personen (692 be- ziehungsweise 204); dies sind fünf Prozent weniger als im Vorjahr.

Eine epidemiologische Studie, die vom Deutschen Zentralkomitee e.V. zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) zusammen mit 285 Gesund- heitsämtern durchgeführt wurde, er- gibt bei 2 305 kulturell gesicherten Lungentuberkulosen folgendes Resi- stenzmuster: 5,2 Prozent der Bakte- rienstämme waren gegen INH, 1,6 Prozent gegen RMP und 1,3 Prozent gegen beide Medikamente resistent.

Unter Berücksichtigung des Her- kunftslandes betrug der höchste Wert für die kombinierte Resistenz gegen INH und RMP 4,9 Prozent. Die Um- frageergebnisse des Arbeitskreises Mykobakterien zeigten im Vergleich zu den Vorjahren für 1996 keine we- sentlichen Änderungen. Insgesamt ergibt sich für Deutschland mithin noch kein Hinweis auf eine Zunahme der multiresistenten Tuberkulose- stämme.

Rußland hat Probleme

Wie der Chairman des 1. Rus- sisch-Deutschen Pneumologenkon- gresses, Prof. Dr. med. Alexander Pe- trovitsch Chuchalin (57), Direktor des Forschungsinstituts für Pneumologie in Moskau, Präsident der Russischen Pneumologengesellschaft, berichtete, sind als Entstehungsherde für die Tu- berkulose in Rußland zum Teil die schlechten Wohnverhältnisse, aber auch die desolate Situation in Gefäng- nissen und in Unterkünften mit schlechten hygienischen Verhältnis- sen sowie Obdachlosigkeit, Drogen- abhängigkeit und HIV-Infektion am meisten verantwortlich. Seitens der Regierung und der Gesundheitsad- ministration in Moskau würden je- doch Anstrengungen unternommen, um die Krankheitsentstehungsherde einzudämmen und Behandlungsmaß- nahmen einzuleiten. Allerdings ha- pert es in Moskau wie in ganz Rußland an einer ausreichenden und qualita- tiv hochstehenden medikamentösen Langzeitversorgung in Kliniken und Staatsarztpraxen. Dr. Harald Clade A-138 (26) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 4, 23. Januar 1998

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