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Archiv "Pillen-Zuschlag" (05.10.1989)

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DEUTSCHES

1.4) -141

ÄRZTEBLATT

Lingua franca

Sprach-Katastrophe

Jetzt ist es passiert.

Im Jahre 1967, kurz vor dem

„Prager Frühling", tagte in Prag die

„Union Internationale de la Presse MMicale". Ihr Vorsitzender, Profes- sor Pdquignon, verbrauchte wertvol- le Tagungszeit mit einem Exkurs von mindestens einer Stunde, in dem er sich darüber verbreitete, was es doch für eine Schande sei, daß die medizi- nische Literatur mehr und mehr nur noch in englischer Sprache er- schiene.

Und jetzt ist es eben passiert:

Das Institut Pasteur hat beschlossen, die „Annales de 'Institut Pasteur"

ab sofort nur noch auf englisch her- auszugeben. Artikel, die auf franzö- sisch eingereicht werden, werden auch weiterhin in dieser Sprache er- scheinen; englischsprachige Artikel erhalten ein „Abstract" in Franzö- sisch. Der Hintergrund: 80 Prozent der von frankophonen Autoren ein- gereichten Artikel waren englisch geschrieben, und das mußte rückü- bersetzt werden. „Le Monde" be- richtete über diese Entscheidung des Instituts unter der Überschrift

„Goodbye Pasteur".

Ein neues Beispiel dafür, daß das Englische immer mehr zur lingua franca der Wissenschaften wird.

Man kann das auf vielerlei Weise be- obachten. Zum Beispiel in den Lite- raturverzeichnissen: Im Lancet oder im New England Journal of Medici- ne gibt es ausschließlich englisch- sprachige Literaturstellen. In deut- schen wissenschaftlichen Zeitschrif- ten, etwa in der MMW oder der DMW, aber auch im Deutschen Ärzteblatt, überwiegen die auch. Die Zeitschrift AIDS-Forschung veröf- fentlicht bunt durcheinander auf deutsch oder englisch. Im Chinese Medical Journal ist immerhin ein Teil der zitierten Stellen noch chine- sisch (und die können wir nicht le- sen, weil sie in chinesischen Schrift- zeichen geschrieben sind), aber der überwiegende Rest ist englisch, im- merhin ganz selten auch einmal deutsch, weil die chinesische Medi- zin dank der Universitäten Schang-

hai und Wuhan noch Verbindungen zu uns hat.

1978 war der Autor dieser Zei- len Referent eines Kolloquiums über Medizinjournalismus in Manila, und da kam dieses Problem auch zur Sprache: Warum, fragte ein Psychia- ter, sollen wir nicht in unserer Natio- nalsprache Tagalog publizieren? Der Hinweis auf die Zitierbarkeit ließ den Frager verstummen — daß in der Psychiatrie die Sprache der Patien- ten eine besonders wichtige Rolle spielt, hatte zu der Anfrage geführt.

Noch ein Beispiel: Fast alle Tsche- chen sprechen Deutsch, schon weil sie das westdeutsche Fernsehen ver- folgen können. Ein nebenberuflicher Taxifahrer war der einzige Tscheche, dem ich begegnet bin, der statt Deutsch nur Englisch beherrschte.

Er war hauptberuflich Chemiker, und er entschuldigte sich für seine Nicht-Deutsch-Kenntnisse damit, daß seine Fachliteratur von ihm per- fektes Englisch verlangt. Und, um auf das Institut Pasteur zurückzu- kommen• Eine französische Quelle ist diesem Redakteur beim Lesen von Zeitschriften und Literaturver-

Pillen-Zuschlag

Blüm und seine Bürokraten ha- ben ganze Arbeit geleistet. Keiner weiß mehr, was nun bei den einzel- nen Arzneimitteln zu zahlen ist, am wenigsten die Betroffenen: die Kas- senpatienten. Mal müssen sie nichts, dann die Preisdifferenz zum Festbe- trag, manchmal aber auch alles zah- len. Bei einigen Medikamenten wer- den sie bis 1991 drei DM und danach 15 Prozent berappen — ein Puzzle- spiel.

Man muß befürchten, daß in den Bonner Schubladen weitere Pläne der Verwirklichung harren. Viel- leicht kommen die Funktionäre noch auf andere Ideen der Direktbeteili- gung. Man könnte ja noch das Ein- kommen der Patienten als Kriterium heranziehen. Beispiel etwa: Wer über 3000 DM verdient, zahlt grund- sätzlich 30 Prozent aller Medika- mente, wer 4000 DM hat und mehr zahlt 40 Prozent usw. Ein weiteres

zeichnissen noch nie begegnet.

Trotzdem: Das Deutsche Ärzteblatt wird auch in Zukunft in deutscher Sprache geschrieben werden. Unsere Aufgabe ist die Fortbildung der in Deutschland für (in der Mehrzahl) deutsche Patienten tätigen Ärzte.

Uns kommt es aufs Zitiertwerden nicht so sehr an. Daß wir trotzdem auch woanders beachtet werden, da- für habe ich einen Beweis: Vor etwa einem Jahr erhielt ich einen Anruf.

Am Telefon war der damalige ameri- kanische Gesundheitsminister höchstpersönlich — der Allgemein- arzt Dr. Otis —, und er fragte mich, ob wir, wie jede wissenschaftliche Zeitschrift, ein „Peer Review" hät- ten, ein System der Beurteilung ein- gereichter Artikel durch fremde Ex- perten — was ich natürlich bejahte.

Er erkundigte sich also nach unserer wissenschaftlichen Qualität, und er muß dafür ja einen Grund gehabt haben: irgendeinen Artikel, der ihn wissenschaftlich interessierte.

Übrigens: Der AIDS-Virus-Ent- decker Prof. Montaignier, der zum Institut Pasteur gehört, spricht fast akzentfrei amerikanisch! bt

Kriterium könnten die Bundesländer sein: Dem Einwohner vom wirt- schaftlich weniger stabilen Saarland kann man doch nicht den gleichen Selbstbehalt zumuten wie etwa ei- nem Einwohner aus dem begüterten Musterländle im Südwesten.

Es gibt noch viele Varianten. Da bekanntlich Patientinnen mehr Me- dikamente verbrauchen als Männer, wäre ein Frauen-Zuschlag ange- bracht. Man könnte auch untersu- chen, ob Protestanten weniger zur Pille greifen als Katholiken mit ent- sprechenden Bonus-/Malus-Konse- quenzen. Arzneimittel, die beson- ders für Wohlstandskrankheiten ver- schrieben werden, sollten ohnehin mit kräftigem Aufpreis verkauft wer- den. Das gleiche gilt für Kassenpa- tienten, die in gesundheitsgefährde- ten Berufen (z. B. Chemie) arbeiten.

Die egoistischen Proteste der Patienten, Kassenärzte und Apothe- ker sind gefälligst zu übersehen. Ge- rechtigkeit verlangt nun mal ihren Preis . . . UM

A-2838 (36) Dt. Ärztebl. 86, Heft 40, 5. Oktober 1989

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