• Keine Ergebnisse gefunden

Anteil der «atypischen-prekären» Jobs bleibt stabil | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Anteil der «atypischen-prekären» Jobs bleibt stabil | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DIGITALISIERUNG

24 Die Volkswirtschaft  1–2 / 2018

des Arbeitnehmers unfreiwillig in Kauf genom- men wird, spricht man von einem sogenannten atypisch-prekären Arbeitsverhältnis. Prekär sind die Arbeitsverhältnisse gemäss der hier verwen- deten Definition (siehe Kasten), wenn die Unsi- cherheiten monetär nicht abgegolten werden.1

Im Jahr 2016 waren in der Schweiz unge- fähr 113 000 Personen in einem atypisch-pre- kären Arbeitsverhältnis beschäftigt. Dies ent- spricht 2,5 Prozent aller Erwerbstätigen (siehe Abbildung 1). Der Anteil dieser Arbeitsverhält- nisse blieb im laufenden Jahrzehnt relativ sta- bil: Seit 2010 verharrte er zwischen 2,2 und 2,5 Prozent. Nachdem von 2010 bis 2013 eine leich- te Abnahme zu beobachten gewesen war, fand von 2013 bis 2015 wieder ein gewisses Wachs- tum statt.

In den Jahren 2004 bis 2009 liess sich eine Zunahme der atypisch-prekären Arbeitsverhält- nisse feststellen. Aufgrund des Strukturbruchs in der Datengrundlage2 können die Anteile vor und nach 2010 jedoch nicht miteinander vergli- chen werden.

D

er Arbeitsmarkt verändert sich: Die Bedeu- tung der klassischen Vollzeitarbeit hat in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen. Im Gegenzug haben flexiblere Formen wie Teilzeit- arbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Arbeit auf Abruf, Temporärarbeit und Praktika an Bedeu- tung gewonnen. Wenn die Flexibilität aus Sicht

Anteil der «atypischen-prekären»

Jobs bleibt stabil

Arbeit auf Abruf, befristete Verträge und Praktika: Rund 2,5 Prozent der Erwerbstäti- gen in der Schweiz arbeiten in einem sogenannten atypisch-prekären Arbeitsverhält- nis. In den letzten Jahren blieb diese Quote stabil.  Michael Mattmann, Ursula Walther, Julian Frank, Michael Marti

Abstract  Vor dem Hintergrund des sich verändernden Arbeitsmarktes in- teressiert die Entwicklung der atypisch-prekären Arbeitsverhältnisse in der Schweiz. Ein Arbeitsverhältnis definieren wir dann als atypisch-prekär, wenn relative Unsicherheit vorhanden ist, die nur unfreiwillig in Kauf ge- nommen wird. Vergangenes Jahr waren in der Schweiz 113 000 Personen in einem atypisch-prekären Arbeitsverhältnis tätig, was 2,5 Prozent aller Er- werbstätigen entspricht. Seit 2010 hat sich dieser Anteil nur geringfügig erhöht, wobei die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse zugenommen hat. Betroffen sind vor allem junge, niedrig qualifizierte, weibliche und aus- ländische Erwerbstätige. Auch der Anteil der Solo-Selbstständigen, deren Situation teilweise vergleichbar ist, war in der Schweiz in den vergangenen Jahren stabil. Angesichts der zunehmenden Digitalisierung ist in diesem Zusammenhang zudem die sogenannte Plattformökonomie von Interesse.

Aufgrund einer derzeit unzureichenden Datengrundlage kann deren Be- deutung nicht zuverlässig geschätzt werden.

Was ist ein atypisch-prekäres Arbeitsverhältnis?

Wir definieren ein Arbeitsverhältnis dann als atypisch-prekär, wenn relative Un- sicherheit vorhanden ist, die nur unfrei- willig in Kauf genommen wird. Um die Entwicklung atypisch-prekärer Arbeits- verhältnisse messen zu können, müssen diese entsprechend operationalisiert wer- den. Dabei wird auf das bereits 2003 und 2010 von Ecoplan entwickelte Konzept der Hauptunsicherheiten atypisch-pre- kärer Arbeitsverhältnisse zurückgegrif- fen. Die Unsicherheiten werden über die verschiedenen Formen von atypischen Arbeitsverhältnissen definiert, und die

Operationalisierung von «unfreiwillig»

erfolgt über das Einkommen. Dabei wird davon ausgegangen, dass Arbeitnehmen- de die Unsicherheit ab einem bestimmten Einkommen akzeptieren. Konkret wird ein Arbeitsverhältnis in der vorliegenden Studie dann als atypisch-prekär identi- fiziert, wenn es eine Form von Unsicher- heit aufweist und das Einkommen kleiner ist als 60 Prozent des Medianlohns oder wenn es zwei Formen von Unsicherhei- ten aufweist und das Einkommen unter dem Medianlohn liegt. In der empirischen Analyse unterscheiden wir erstens die

zeitliche Unsicherheit. Damit ist Unsicher- heit aufgrund befristeter Anstellung oder unsicherer Einsatzplanung gemeint. Kon- kret sind das Temporärarbeit oder befris- tete Arbeitsverhältnisse. Zweitens gibt es die ökonomische Unsicherheit: Hierzu zählen unsichere Einkommen aufgrund von Unterbeschäftigung oder variablen Löhnen, z. B. aufgrund nicht gesicherter Arbeitsvolumen. Konkret sind dies Arbeit auf Abruf, Heimarbeit sowie Unterbe- schäftigung mit Stellensuche im letzten Monat.

1 Dieser Beitrag basiert auf: Ecoplan (2017), Die Entwicklung atypisch- prekärer Arbeitsverhält- nisse in der Schweiz, Studie im Auftrag des Seco.

2 Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (Sake).

(2)

Die Volkswirtschaft  1–2 / 2018 25

Befristete Arbeitsverhältnisse auf dem Vormarsch

Die atypisch-prekären Arbeitsverhältnisse wei- sen mit ungefähr gleicher Häufigkeit zeitliche wie ökonomische Unsicherheiten auf. Erstere werden vorwiegend durch befristete Arbeits- verhältnisse hervorgerufen, welche seit 2010 zugenommen haben (siehe Abbildung 2). Knapp die Hälfte dieses Zuwachses fand bei Praktika statt. Bei den ökonomischen Unsicherheiten do- miniert die weitverbreitete Arbeit auf Abruf.

Atypisch-prekäre Arbeitsverhältnisse fin- den sich vor allem im Dienstleistungssektor.

Davon sind überdurchschnittlich viele Frauen, jüngere Erwerbstätige und Personen mit tie- fem Bildungsniveau betroffen. Unter Männern und Personen mit einem hohen Bildungsniveau sind atypisch-prekäre Arbeitsverhältnisse hin- gegen seltener. Die regionale Verteilung wiede- rum zeigt eine stärkere Verbreitung in der la- teinischen Schweiz, besonders im Tessin, aber auch im Grossraum Genf. Im Tessin dürfte ein Grund dafür ein generell tieferes Lohnniveau sein. Die zwischen 2013 und 2015 beobachte- te Zunahme fand ebenfalls in der lateinischen Schweiz, nicht aber in der Deutschschweiz statt, sodass sich die Unterschiede zwischen

den Landesteilen in den letzten Jahren ver- stärkt haben.

Aus dem Vergleich der Beschäftigungssitu- ation vor bzw. nach einem atypisch-prekären Arbeitsverhältnis geht hervor, dass viele Per- sonen nur kurze Zeit in einem atypisch-prekä- ren Arbeitsverhältnis verweilen. Nur 15 Prozent der Betroffenen arbeiten länger als zwei Jahre in einer solchen Situation. Viele Personen wech- seln von einem anderen Arbeitsverhältnis in ein atypisch-prekäres Arbeitsverhältnis und wieder zurück. Wie sich zeigt, wechseln mehr Personen aus der Erwerbslosigkeit oder Nichterwerbstä- tigkeit in ein atypisch-prekäres Arbeitsverhält- nis als umgekehrt.

Anteil Solo-Selbstständiger stabil

Vor ähnlichen Herausforderungen wie Men- schen, die in einem atypisch-prekären Arbeits- verhältnis angestellt sind, stehen viele Solo- Selbstständige. Auch sie verfügen oft über eine unterdurchschnittliche sozialstaatliche Absi- cherung. Zwischen 2004 und 2016 verharrte ihr Anteil ausserhalb der Landwirtschaft bei rund 6,5 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Solo-Selbstständige finden sich ebenfalls häufiger im Dienstleistungssektor und in der

Taxifahrer protes- tieren in Bern gegen Uber. Web-Plattfor- men haben eine Debatte über Arbeits- verhältnisse ausge- löst.

KEYSTONE

(3)

DIGITALISIERUNG

26 Die Volkswirtschaft  1–2 / 2018

lateinischen Schweiz. Entgegen den Ergebnis- sen bei den atypisch-prekären Arbeitsverhält- nissen zeigt sich hier, dass ihre Zahl mit zuneh- mendem Alter steigt, bei Personen mit tiefer Ausbildung unterdurchschnittlich ist und bei Schweizern häufiger vorkommt als bei Auslän- dern.

Einfluss von Uber, Airbnb & Co.

noch ungewiss

Mit dem technologischen Fortschritt und der damit einhergehenden Digitalisierung haben sich verschiedenste Plattformen und Kommu- nikationskanäle entwickelt, die es erlauben, Arbeits- oder Dienstleistungen unabhängig von räumlicher Entfernung zwischen Arbeit- geber, Arbeitnehmer und Kunden zu erbringen.

Mit dem Aufkommen der sogenannten Platt- formökonomie sind so neue Arbeitsformen entstanden. Bekannte Beispiele sind die Platt- formen des Fahrdienstleisters Uber, des Unter- kunftanbieters Airbnb sowie des Arbeitsver- mittlers Upwork, welche sich allerdings stark bezüglich Arbeitsbedingungen unterscheiden.

Allen Arbeitsverhältnissen in der Plattform- ökonomie gemeinsam ist, dass sie einen atypi- schen Charakter haben und damit nicht einem Normalarbeitsverhältnis entsprechen. Die Be- deutung der Plattformökonomie international abzuschätzen, ist sehr schwierig. Verschiedene Studien kommen zum Schluss, dass die Platt- formökonomie gesamtwirtschaftlich im Mo- ment noch eine sehr kleine Rolle einnimmt.

In der Schweiz kann auf Basis der verfügbaren Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteer- hebung (Sake) noch keine empirische Evidenz für eine wachsende gesamtwirtschaftliche Be- deutung der Plattformökonomie als Haupter- werbstätigkeit festgestellt werden.

Abb. 1: Anteil Personen in atypisch-prekären Arbeitsverhältnissen an allen Erwerbstätigen (2004 bis 2016)

Michael Mattmann Ökonom, Ecoplan, Bern Ursula Walther Politologin, Ecoplan, Bern Julian Frank

Ökonom, Ecoplan, Bern Michael Marti

Dr. rer. pol., Ökonom, Partner, Ecoplan, Bern Im Jahr 2010 änderte die Befragungsmethode der Schweizerischen Arbeitskräf-

teerhebung (Sake). Dies ist in der Abbildung als Strukturbruch gekennzeichnet.

Hauptunsicherheiten entsprechen den beiden im Kasten beschriebenen «öko- nomischen» und «zeitlichen» Unsicherheiten, wobei in einem Arbeitsverhältnis auch beide auftreten können.

BFS (SAKE), BERECHNUNGEN: ECOPLAN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

4 Anteil Erwerbstätige, in %

3

2

1

0

2004 2010

2006 2012

2008 2014

2005 2011

2007 2013

2009 2015

2016

Sake-Strukturbruch   <60% des Medianlohns, mind. 1 Hauptunsicherheit       60–100% des Medianlohns, mind. 2 Hauptunsicherheiten    Ohne Lohnangabe, mind. 1 Hauptunsicherheit (proportional verteilt)

Im Jahr 2010 änderte die Befragungsmethode der Schweizerischen Arbeitskräfte- erhebung (Sake). Dies ist in der Abbildung als Strukturbruch gekennzeichnet. Heim- arbeit in den Jahren 2004, 2005, 2007, 2013: Extrapolation aufgrund von weniger als 50 Beobachtungen. Diese Resultate sind mit grosser Vorsicht zu interpretieren.

Abb. 2: Anzahl Personen in atypisch-prekären Arbeitsverhältnissen 2004 bis 2016 nach Ausprägung (inkl. Doppelzählungen)

BFS (SAKE), BERECHNUNGEN DER AUTOREN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

2004 2010

2006 2012

2008 2014

2005 2011

2007 2013

2009 2015

2016

Sake-Strukturbruch 70 000 Anzahl Personen

60 000 50 000

30 000 40 000

20 000 10 000 0

  Temporärarbeit       Befristete Beschäftigte       Arbeit auf Abruf       Heimarbeit       Unterbeschäftigung mit Arbeitssuche

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Lebenserwartung in der Schweiz (80 Jahre für Männer und 84 für Frauen) über- steigt diejenigen der meisten anderen OECD- Länder.. Hingegen ist die Fruchtbarkeitsrate seit

Bis Ende 2020 hat die Glückskette rund 42 Millionen Franken für die Corona-Bewältigung in der Schweiz gesam- melt.. In einer Umfrage vom Juni befürchtete die Mehrheit

Im Migrationsbereich haben die beiden Staaten bisher zwei Abkommen abgeschlossen: das Abkommen über die erworbenen Rechte der Bürgerinnen und Bürger und das befristete

1 Entsprechend sind diese Kennzahlen auch Teil des Statistischen Sozialberichts Schweiz des BFS und liefern eine Grundlage für das Nationale Programm zur Prävention und

Wer- den innerhalb der EU regulatorische Hürden abgebaut, kann dies dazu führen, dass der Marktzugang für Unternehmen aus Drittlän- dern wie der Schweiz erschwert wird oder

Wie bei einem Auto, das Reparaturen benötigt und mit der Zeit ersetzt wird, muss auch eine Volkswirtschaft den Kapitalstock erneuern.. Die Wertminderungen (Abschreibungen)

ROE: return on equity; COE: cost of equity (dividend yield plus the trend rate of growth of earnings); COD: cots of debt (yield of AAA-rating corporate bond index by country

Im Weiteren äussert sich eine erhöhte soziale Mobilität nicht nur in besseren Aufstiegschancen, sondern auch in verschärften Ab- stiegsrisiken für die Mittelschicht... Dank