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Masterarbeit. Vorgelegt von: Julia Pollak Personenkennzeichen: c Erstbegutachterin: Dr. in Hemma Mayrhofer

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Academic year: 2022

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„Erfahrungen weiblicher Jugendlicher mit Offener Jugendarbeit - Eine Evaluation anhand biografischer Einzelfallstudien zu

ehemaligen Nutzerinnen in Wien“

"Experiences of female adolescents with Public Youth Work - an evaluation based on biographical single-case studies concerning

former beneficiaries in Vienna"

Masterarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts in Social Sciences

(MA)

Der Fachhochschule Campus Wien

Masterstudiengang: Sozialraumorientierte und Klinische Soziale Arbeit

Vorgelegt von:

Julia Pollak

Personenkennzeichen:

c1310534062 Erstbegutachterin:

Dr.in Hemma Mayrhofer Zweitbegutachterin:

FH-Prof.in Mag.a Judith Haberhauer

Eingereicht am: 11.5.2017

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Eigenständigkeitserklärung

Hiermit bestätige ich durch meine Unterschrift, dass die vorliegende Masterarbeit mit dem Titel „Erfahrungen weiblicher Jugendlicher mit offener Jugendarbeit - Eine Evaluation anhand biografischer Einzelfallstudien zu ehemaligen Nutzerinnen in Wien“ von mir selbst eigenständig verfasst wurde und ich keine anderen als die angeführten Behelfe verwendet bzw. mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe. Ich versichere, dass ich dieses Masterarbeitsthema bisher weder im In- noch Ausland (einer Beurteilerin/einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe. Des Weiteren bestätige ich, dass die von mir eingereichten Exemplare (ausgedruckt und elektronisch) identisch sind.

Datum: ... Unterschrift: ...

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iii

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich in erster Linie bei meinen Interviewpartnerinnen herzlich bedanken. Sie nahmen sich die Zeit, mir von ihrem Leben zu erzählen und mich damit bei meiner Forschungsarbeit aktiv zu unterstützen, beziehungsweise diese erst zu ermöglichen. Besonders dankbar bin ich für die offene Haltung in Bezug auf die eigene Lebensgeschichte, die jedenfalls etwas sehr Persönliches darstellt. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass man sich bereit erklärt, jemandem derart tiefe Einblicke in die eigene Biografie zu gestatten.

Diese vorliegende Arbeit wurde im Zuge des „JA_SICHER Forschungsprojektes“

verfasst.1Durch die Unterstützung bei der Methode des narrativen Auswertungsverfahrens in gemeinsamen Auswertungstreffen, konnte ich mir diese Methodik aneignen und das dadurch gewonnene Wissen für meine Masterarbeit verwenden.

Des Weiteren möchte ich mich bei meiner Erstbegutachterin Dr.in Hemma Mayrhofer, der Leiterin des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie, bedanken, da sie viel Zeit in die Betreuung dieser Arbeit investiert hat und mir damit eine große Stütze war. Dank kommt auch meiner Zweitbegutachterin FH-Prof.in Mag.a Judith Haberhauer zu gute, für ihre Unterstützung während der Forschungsarbeit, der Auswertungsphase bis zur endgültigen Abgabe dieser Masterarbeit.

1Diese Masterarbeit entstand im Rahmen des KIRAS-Forschungsprojekts „JA_SICHER – Jugendarbeit im öffentlichen Raum als mehrdimensionale Sicherheitsmaßnahme: Ansätze zur Wirkungsevaluation“ (vgl.

KIRAS Sicherheitsforschung) in Kooperation mit dem Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie. (vgl. IRKS – Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie)

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iv

Kurzfassung

Die vorliegende Masterarbeit macht die Erfahrungen von ehemaligen Nutzerinnen der Offenen Jugendarbeit zu ihrem Forschungsgegenstand. Der Schwerpunkt soll, wie im Titel ersichtlich, auf weibliche Jugendliche gelegt werden. Hierfür wurden narrativ-biografische Interviews mit ehemaligen Nutzerinnen durchgeführt, die, aufgrund der Retrospektive, eine Evaluation der eigenen Erfahrungen mit Offener Jugendarbeit ermöglichen.

Eine Fokussierung auf die Erfahrungen junger Frauen mit Offener Jugendarbeit wird aus unterschiedlichen Gründen als sinnvoll erachtet. Gendersensiblen Ansätzen wird in der Offenen Jugendarbeit eine hohe Bedeutung beigemessen, um auch Mädchen und junge Frauen durch die Angebotsvielfalt der jeweiligen Vereine zu erreichen. Zunächst soll eine theoretische Abhandlung zur Identitätsentwicklung in der Jugend, mit den Schwerpunkten auf Geschlechterrollen und Migrationshintergrund, und unter dem Aspekt der Sozialraumorientierung, Aufschluss über die Lebensphase Jugend im Kontext des zugrundeliegenden Forschungsgegenstandes geben. Der Verein Wiener Jugendzentren wird als Beispiel für Offene Jugendarbeit in Wien herangezogen; die empirischen Erhebungen fanden in Einrichtungen ebendieses Vereins statt. Darauf aufbauend soll das Wirkungskonzept des Vereins Wiener Jugendzentren und die Sozialraumorientierung mit ihren unterschiedlichen Prinzipien, mit dem Fokus auf die Bedeutung von Raum im Jugendalter, abgebildet werden. Weiters, sollen die Leitlinien der Mädchenarbeit in Hinblick auf genderspezifische sozialräumliche Ansätze betrachtet werden.

Der empirische Teil widmet sich der Methodik des narrativ-biografischen Interviews, der qualitativ-rekonstruktiven Biografieanalyse und einer näheren Betrachtung der gegenständlichen Forschungsfragen. Im Anschluss an drei biografische Fallstudien erfolgt, in Anlehnung an die Forschungsergebnisse, eine kapitelübergreifende Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse.

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v

Abstract

The present Master's thesis concerns itself with the experiences of former beneficiaries of Open Youth Work and focuses - as made apparent by the title - on female adolescents as its topic of research.

To this end, narrative-biographical interviews with former users of Open Youth Work were conducted, in order to gain relevant, retrospective evaluations of past experiences.

Emphasizing the experiences of young women in particular is deemed appropriate for varying reasons. Gender-sensitive approaches and methodologies prove to be of tremendous importance and significant impact in the endeavor, to embed young girls and women in the target group of facilities associated with Open Youth Work.

A theoretical discourse of the subject matter shall provide crucial insight into youth - as a phase of life - focussing on questions of identity development, gender roles and migrational background, as meaningful aspects of networking in the local community.

The Verein Wiener Jugendzentren exemplifies Open Youth Work in Vienna and provided locations for the empirical collection of data, in the course of this thesis.

Based on the theoretical concenpt of impact of Open Youth Work, the diversified principles of networking in the local community - especially in connection and correlation with the importance of social spheres during adolescence - shall be depicted in greater detail.

Additionally, the guidelines of a gender-specific, sociospatial approach to Open Youth Work relating to girls, is considered worthwhile investigating.

The methodologies applied within the framework of narrative-biographical interviews and the qualitative-reconstructive analysis of biographies in reply to the leading research questions, shall be put into contextual relation to Open Youth Work.

Finally, the chapter-crossing summary of acquired research results acts as the conclusion to this Master's thesis.

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vi

Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG ... ..1 THEORETISCHER TEIL

2. IDENTITÄTSENTWICKLUNG ...2-5 2.1. Lebensphase Jugend ...5-8 2.2. Genderidentität ... ..8-10 2.3. Hybride Identität ... ..10-12

3. DIE OFFENE JUGENDARBEIT AM BEISPIEL DES VEREINS WIENER

JUGENDZENTREN.………..…..13-17

3.1. Konzept der Wirkungsorientierung ... ….18-20 3.2. Sozialraumorientierung in der Offenen Jugendarbeit ... ..20-24 3.2.1. Jugendalter und die Bedeutung von Raum ... .24-27 3.2.2. Lebensweltorientierung ... .28-29 3.2.3. Ressourcenorientierung ... .29-30 4. MÄDCHENARBEIT ... 31-32 4.1. Schwerpunkte in der Arbeit mit jugendlichen Mädchen ... 32-33 4.2. Genderspezifische Offene Jugendarbeit in Hinblick auf Raumaneignung ... 34-36 EMPIRISCHER TEIL

5. EMPIRISCHE FRAGESTELLUNGEN UND METHODIK ... 37-38 5.1. Zentrale Fragestellung und Forschungsfragen ... 38-39 5.2. Sampling und Vorgehen im Feld ... 39-40 5.3. Methodisches Vorgehen: Biografische Forschung ... ….40-41 5.4. Erhebungsverfahren: Das narrativ-biografische Interview... 41-43 5.5. Auswertungsverfahren:Die qualitativ-rekonstruktive Biografieanalyse ... ..43-45 6. BIOGRAFISCHE FALLREKONSTRUKTION DER LEBENSERZÄHLUNG VON „JESSICA“... 46 6.1. Gesamtgestalt der Lebensdarstellung und Grundstruktur des

Lebensablaufs ... 46-49 6.2. Familiäres Umfeld und Herkunft als zentrale Bezugspunkte ... 49-52 6.3. Schulischer und beruflicher Werdegang ... 52-56 6.4. Das Jugendzentrum ... 56-59 6.5. Resümee und Wirkungserkenntnisse der Offenen Jugendarbeit ... 59-60

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vii 7. BIOGRAFISCHE FALLREKONSTRUKTION DER LEBENSERZÄHLUNG VON „HANNA“ ... 61 7.1. Gesamtgestalt der Lebensdarstellung und Grundstruktur des

Lebensablaufs ... 61-64 7.2. Familiäres Umfeld und Herkunft als zentrale Bezugspunkte ... 64-65 7.3. Schulischer und beruflicher Werdegang ... 65-67 7.4. Das Jugendzentrum ... 67-69 7.5. Ihre Rolle als Mutter ... 69-70 7.6. Resümee und Wirkungserkenntnisse der Offenen Jugendarbeit ... 71 8. BIOGRAFISCHE FALLREKONSTRUKTION DER LEBENSERZÄHLUNG VON „ISABELLA“ ... 72 8.1. Gesamtgestalt der Lebensdarstellung und Grundstruktur des

Lebensablaufs ... 73-74 8.2. Schulischer und beruflicher Werdegang ... 74-76 8.3. Ihre Rolle als jugendliche Djane ... 76-77 8.4. Kontakt zur Offenen Jugendarbeit und persönliches Engagement ... 77-79 8.5. Resümee und Wirkungserkenntnisse der Offenen Jugendarbeit ... 79-81 9. ZUSAMMENFASSUNG DER ZENTRALEN ERKENNTNISSE ... 82 9.1. Erfahrungen mit Offener Jugendarbeit... 82-83 9.2. Bewertung des Kontakts mit Offener Jugendarbeit ... 83-84 9.3. Mögliche Wirkungen Offener Jugendarbeit ... 84-85 9.4. JugendarbeiterInnen als Bezugspersonen ... 85-86 9.5. Genderspezifische/mädchenspezifische Offene Jugendarbeit unter anderem im

Hinblick auf den kulturellen Hintergrund – Wirkung feministischer

Mädchenarbeit…. ... 86 9.6. Das Raumaneignungskonzept und die Bedeutung des Sozialraums ... 87 9.7. Ressourcenorientierung und Lebensweltorientierung in Bezug auf die

Erfahrungen der Biografinnen ... 87-88 10. FAZIT ... 89 11. QUELLENVERZEICHNIS

11.1. Literaturverzeichnis ... 90-93 11.2. Internetquellenverzeichnis ... 93-94 12. ANHANG ... 95 12.1. Ausschnitt 1. narrativ-biografisches Interview ... 95-97 12.2. Ausschnitt 2. narrativ-biografisches Interview ... 97-98 12.3. Ausschnitt 3. narrativ-biografisches Interview ... 99-100 12.4. Detailanalyse ... 101-104

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1

1. Einleitung

„Das individuelle Leben ist der wirkliche Träger der historischen Erfahrung. Mehr noch, die Auskunftsleistung in einer jeden Lebensgeschichte kann ganz nur verstanden werden als Teil des ganzen Lebens.“ (Fuchs-Heinritz 2005: 83)

Diese Masterarbeit befasst sich mit den Erfahrungen ehemaliger Nutzerinnen Offener Jugendarbeit. Als Schwerpunkt sollen hierbei die individuellen Erfahrungen der Biografinnen fungieren, welchen erhebliche Bedeutung beigemessen wird. Die Lebensgeschichten der interviewten Personen sollen einen Überblick über die differenzierten Erfahrungen geben, die sie als Jugendliche mit Offener Jugendarbeit gemacht haben. Um dies zu bewerkstelligen, soll die Methodik des narrativ-biografischen Interviews zur Anwendung kommen. Primärer Fokus sollen hierbei die Erfahrungswerte und allfälligen Wirkungen Offener Jugendarbeit auf die jeweiligen Lebensgeschichten sein. Bezugnehmend auf die Tätigkeit des Vereins Wiener Jugendzentren sollen im Anschluss an die biografischen Fallstudien die zentralen Erkenntnisse dieser Forschungsarbeit mit dem Leitbild des Vereins Wiener Jugendzentren verschränkt werden.

Im Rahmen dieser Forschungsarbeit, in welcher auch Raumaneingnungsprozesse von weiblichen Jugendlichen thematisiert werden, sollen unter anderem folgende Fragestellungen erörtert werden: Welche Erfahrungen mit Offener Jugendarbeit lassen sich in den unterschiedlichen Lebensläufen erkennen? Wie wirkt sich Offene Jugendarbeit auf die Zielgruppe der weiblichen Jugendlichen aus? Anhand dieser Hauptfragen werden weitere Forschungsfragen formuliert, die es, auf Basis der gewonnenen empirischen Daten im Zuge dieser Masterarbeit, zu beantworten gilt.

Dabei soll auf die Vorgehensweise der qualitativ-rekonstruktiven Biografieanalyse, unter Anlehnung am narrationsanalytischen Verfahren (vgl. Marotzki 2004 mit Bezügen auf Schütze 1983, Riemann 1987, Przyborski/Wohlrab-Sahr 2010 und Rosenthal 1995), zurückgegriffen werden, welche dem Forschungsgegenstand entsprechend adaptiert und allfällig verändert wurde. (vgl. Mayrhofer 2016b)

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2

Theoretischer Teil 2. Identitätsentwicklung

Albert Scherr geht von unterschiedlichen Aspekten der Identitätsfindung aus. In der Soziologie wird zwischen der sozialen und individuellen Identität unterschieden. (dazu grundlegend G.H. Mead 1934/1968, Goffmann 1967, zit. n. Scherr 2009: 126) Die Koppelung an soziale Positionen und Erwartungshaltungen in Bezug auf Eigenschaften, Fähigkeiten und Interessen, durch die Individuen gekennzeichnet sind, wird als soziale Identität bezeichnet. Konträr dazu wird unter individueller Identität die soziale Wahrnehmung einer einzelnen Person, abgegrenzt von anderen Menschen, verstanden.

(vgl. Scherr 2009: 126)

Jedes Individuum entwickelt sich in ständiger Konfrontation mit sozialen Erwartungen, die in Bezug zu seiner sozialen und individuellen Identität stehen. Scherr bezieht sich auf Mead (vgl. Mead 1934/1968: 207, zit. n. Scherr 2009: 126) und betrachtet den Prozess der Identitätsfindung als einen Vorgang, in dem sich die Mitglieder sozialer Gruppen gegenseitig beeinflussen. Mead geht noch einen Schritt weiter und sieht die schwerwiegende Bedeutung der Clique in den indirekten Erfahrungen, die durch ebendiese gemacht werden. (vgl. Mead 1934/1968: 207, zit. n. Scherr 2009: 126)

Der Zusammenhang zwischen Identitätsfindung und gesellschaftlichen Strukturen wurde bereits erarbeitet. Der Identitätsentwicklung soll eine persönliche Entwicklung, die es erlaubt soziale Anforderungen und Zwänge zu bewältigen und sich selbst als eine besondere, eigenverantwortliche, sowie urteils- und handlungsfähige Persönlichkeit zu begreifen, zu Grunde liegen. (vgl. Scherr 2009: 128)

Die vier zentralen Entwicklungsaufgaben der Jugend nach Klaus Hurrelmann (2007) werden erwähnt, um sich die unterschiedlichen Ebenen der Lebensphase Jugend bewusst zu machen, und in weiterer Folge Ansätze Offener Jugendarbeit im Kontext der Anforderungen an das Jugendalter zu betrachten.

Als erster Schritt steht die Aneignung intellektueller und sozialer Kompetenzen im Vordergrund, um die schulische und berufliche Laufbahn selbstverantwortlich meistern zu können und sich folglich eine selbstständige Existenz aufzubauen. Durch die Entwicklung einer individuellen Geschlechtszugehörigkeit soll die Grundlage für geschlechtliche Beziehungen gelegt werden. Drittens ist der Erwerb selbstständiger Handlungsmuster für die Nutzung von Medien und den Umgang mit Geld in der Jugendphase von großer

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3 Bedeutung. Ziel ist die erfolgreiche Ausbildung eines eigenen Lebensstils. Jugendliche müssen sich mit eigenen Bedürfnissen, auch in Bezug auf Freizeitangebote, auseinandersetzen. Norm- und Wertvorstellungen sollen in der Jugendphase im Sinne der Partizipation entwickelt werden. Dazu wird ein ethisches und politisches Bewusstsein vorausgesetzt. (vgl. Hurrelmann 2007: 27f) Die Meisterung der Entwicklungsaufgaben stellt die Grundlage der Identitätsfindung dar. (vgl. Hurrelmann 2007: 30)

Die Phase der Identitätsentwicklung widmet sich einer produktiven Erschließung der Umwelt und der Bewältigung verschiedenster Entwicklungsaufgaben (dazu grundlegend Erikson 1959) auf dem Weg ins Erwachsenenalter. Dieses Gedankengut basiert auf dem tätigkeitstheoretischen Ansatz des Aneignungskonzeptes von Leontjew (Leontjew 1973, zit.

n. Krisch 2009: 9). Krisch bezieht sich auf diesen und geht vertiefend auf empirische Erkenntnisse ein, indem er hypothetisiert, dass die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen maßgeblich an die Auseinandersetzung mit materieller und symbolischer Umwelt gekoppelt ist. Aufgabe des Identitätsfindungsprozesses ist es zudem, kognitive und emotionelle Entwicklungsaufgaben zu absolvieren. (vgl. Krisch 2009: 9)

Im Jugendalter finden sich Heranwachsende inmitten einer Vielzahl fähigkeitserweiternder Prozesse wieder, die zahlreiche Handlungs- und Verhaltensweisen notwendig machen.

Kinder und Jugendliche nutzen Räume eigenwillig, alterstypisch und geschlechtsspezifisch, um sie sich anzueignen und aus den Erfahrungen in diesen zu lernen. Dieser Raumaneignungsprozess ist jedoch von einer ständigen Konfrontation mit Regeln und Verboten gekennzeichnet. (vgl. Krisch 2009: 9)

Im Mittelpunkt steht eine Mischung aus Dynamik und Konflikt von Pubertät und Erwachsenwerden und - auf der gesellschaftlichen Ebene - Generations- und Integrationsproblematiken. Jugendliche empfinden diese Lebensphase als Zwischenstadium, da einerseits die Distanzierung von der pubertierenden Rolle angestrebt werden soll, jedoch nicht auf die Orientierung durch Erwachsene verzichtet werden kann.

Der Erwerb einer jugendkulturellen Selbstständigkeit steht in direkter Korrelation mit der Entwicklung hin zum Erwachsenen. Dieses Phänomen nennt Lothar Böhnisch eine „Pull- Push-Konstellation“ (Böhnisch 1998a: 19).

Böhnisch beschäftigt sich weiters mit der Zuschreibung der Jugendarbeit als Ort der Identitätsfindung. Er betrachtet die Jugend als eine ambivalente Lebensphase (Böhnisch 1998a: 19), welche im folgenden Kapitel näher beleuchtet werden soll.

Die Phase der Identitätsfindung geht mit einer jugendtypischen Bedürftigkeit einher. Hier setzt Jugendarbeit an und bietet eine Plattform, die eine jugendkulturell orientierte

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4 institutionelle Struktur liefert, damit Jugendliche ihre eigenen Befindlichkeiten und ihre Bedürftigkeit in einem geschützten Rahmen entfalten und damit experimentieren können.

(vgl. Böhnisch 1998a: 20)

Jugendliche erleben ihre Gegenwart als sehr intensive Lebensphase, die den hohen Stellenwert der Alltags- und Freizeitgestaltung - und weniger Gedanken an die eigene Zukunft - fokussiert. Erfahrungen, die in dieser Lebensphase mit Jugendarbeit gemacht werden, sind für Heranwachsende von großer Bedeutung, da sie als Ressource für die alltägliche Lebensbewältigung dienen können. Rückhalt, Raum für Probleme, Interessen, Freiwilligkeit und Offenheit sind nur einige Aspekte, die Jugendarbeit als einen Lebensort begreifen lassen. (vgl. Wolf 1998b: 174ff)

Ist von Jugendarbeit als Lebensort die Rede, darf die Bedeutung des Sozialraums (Wolf 1998b) nicht außer Acht gelassen werden. Unter dem Aspekt der Identitätsentwicklung wird eine Identifikation mit der Bedeutung von Raum für Jugendliche während ihrer Entwicklung zum Ausdruck gebracht. (vgl. Wolf 1998b: 177) Basierend auf den Ergebnissen von Umfragen, auf deren Aussagekraft sich Wolf bezieht, kann eine gesteigerte Bedeutung der JugendarbeiterInnen als begleitende Erwachsene während des Entwicklungsprozesses beobachtet werden. Diese Erwachsenen fungieren in besonderer pädagogischer Qualität in ihrer Beziehung zu den Jugendlichen. Umfrageergebnisse bestätigen diese Bedeutung:

67,9% der Befragten empfinden JugendarbeiterInnen als essenzielle Ratgeber. Bei Mädchen liegt der Prozentsatz dieser bedeutungsreichen Funktion bei 69,9%, also höher als bei männlichen Jugendlichen. Eltern und JugendarbeiterInnen werden nahezu gleich gewichtet (vgl. Wolf 1998b: 172f), was eventuell mit der Ablösung vom Elternhaus begründet werden kann. Laut Barbara Wolf (1998b) beruht dieser Umstand vermeintlich auf dem freundschaftlichen Verhältnis zwischen JugendarbeiterInnen und Jugendlichen, welches mit wenigen Sanktionsmöglichkeiten einhergeht. Zudem spielen die Freiwilligkeit der Angebote, die Freizeitgestaltung im Alltag und die Verbindung der Einrichtungen Offener Jugendarbeit mit der Clique als Treffpunkt eine große Rolle für die Heranwachsenden. Eltern haben gerade in diesem Alter wenig Zugang zu diesen Bereichen des Lebens ihrer Kinder. Jugendliche bemerken zusätzlich, dass sie die vermittelten Perspektiven, Erfahrungen und das Alter der MitarbeiterInnen schätzen.

JugendarbeiterInnen werden als „andere Erwachsene“ gesehen und sogar als Freunde bezeichnet. Den zweiten Platz auf der Bedeutungsskala nehmen insgesamt die Eltern ein.

Die Clique landet an dritter Stelle, wobei sie für weibliche Jugendliche deutlich wichtiger ist als für männliche Jugendliche. (vgl. Wolf 1998b: 172ff) Wolf (1998b) sieht in der

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5 Emotionalität der Bindung an die Gleichaltrigengruppe einen ausschlaggebenden Faktor für die Identitätsentwicklung. (vgl. Wolf 1998b: 169ff)

Neben anderen Einflussfaktoren stellt die Clique gerade in der Jugendphase eine zentrale Bedeutung für die Jugendlichen und deren Identitätsentwicklung dar. Sie erleben sich selbst als einen Teil einer Gruppe, mit der sie sich identifizieren können. (vgl. Krafeld 2011:

71f)

„Inzwischen sind Cliquen immer häufiger für Jugendliche ein – wenn nicht gar der zentrale – Ort, an dem überhaupt noch soziale Einbindung besteht und wo sich Identitätsbildung und Persönlichkeitsentwicklung auf den personalen Austausch mit anderen stützen kann.“

(Krafeld 2011: 72)

Im Rahmen der Aufarbeitung zur Identitätsentwicklung wurden die unterschiedlichen Einflussfaktoren in Bezug auf die Heranwachsenden betrachtet. Nun soll ein Blick auf die Lebensphase Jugend im Speziellen, mit ihren grundlegenden Facetten und in Verschränkung mit Offener Jugendarbeit, geworfen werden.

2.1. Lebensphase Jugend

„Eine ganze Palette an Erwartungen, die an sie heran getragen werden – wie schaffen junge Menschen das alles? Das geht nicht ohne Zuwendung, Begleitung und Unterstützung.“ (bOJA 2014: 6)

Heute ist es laut Jugendstudien nicht mehr möglich von einer homogenen Jugend zu sprechen, da diese sowohl zeitlich als auch inhaltlich „entgrenzt“ zu betrachten ist. Durch die kulturell-heterogene Prägung und vielfältige biografische Gestaltung dieser Lebensphase kann in der Jugend eine Bandbreite an unterschiedlichen Identitäten beobachtet werden. (vgl. VJZ 2012b: 9)

In der Wissenschaft ist keine einheitliche Definition des Begriffs Jugend vorherrschend.

Grundsätzlich versteht man unter Jugend die Definition der Lebensphase zwischen Kindheit und Erwachsenenleben. Soziologisch betrachtet wird der Terminus Jugend als Lebenslage und Lebensphase, im Kontext von gesellschaftlichen Bedingungen, der Jugendlichen verstanden. Kennzeichnend für diesen Lebensabschnitt sind jugendtypische Verhaltensweisen und Probleme. Die Jugend ist bemüht sich mit Gegebenheiten, Grenzen und Möglichkeiten im gesellschaftlichen Bezugsrahmen auseinanderzusetzen. (vgl. Scherr 2009: 17f)

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6 Durch die enge Verknüpfung der Jugend mit der Pubertät, stellt diese eine besondere Herausforderung im Hinblick auf die individuelle Lern- und Entwicklungsphase dar. Daher sind gerade während dieser Zeit außerordentliche pädagogische Aufmerksamkeit und geschlechtsbezogene, differenzierte Erziehungsrichtlinien erforderlich. (vgl. Scherr 2009:

19) Scherr bezieht sich zudem auf Rosseaus Abhandlungen zur Jugend in seinem Werk

„Emil oder über die Erziehung“. Er sieht die Einzigartigkeit der Lebensphase Jugend darin, dass sich Erziehungsmaßnahmen deutlich schwieriger als in der Kindheit gestalten, jedoch in besonderer Weise von Nöten sind. (vgl. Rosseau 1762/1978, zit. n.: Scherr 2009: 19) Je nach Fachdisziplin lassen sich andere Definitionen des Begriffs Lebensphase Jugend finden. Der Begriff Jugend versteht sich als ein gesellschaftliches Phänomen, welches die sich verändernden Lebensbedingungen von Heranwachsenden in den Fokus stellt. Erst seit dem 19. Jahrhundert wird die Jugend als eigenständige, zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenalter angesiedelte, Lebensphase angesehen. (vgl. Scherr 2009: 18ff) Wird Jugend als soziales Phänomen definiert, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungen einen großen Einfluss auf die Lebensphase Jugend ausüben. Biologische und psychische Entwicklungsprozesse dürfen zudem nicht getrennt von anderen Lebensphasen, sondern vielmehr in Bezug auf soziale Geschehnisse, gesehen werden. (vgl. Scherr 2009: 21)

Wird Jugend unter den Aspekten der Identitätsfindung und dem Bedürfnis nach Freiräumen betrachtet, kann von der Notwendigkeit eines „Experimentierraumes“ für Jugendliche ausgegangen werden. (Hornstein 1985: 77, zit. n.: Scherr 2009: 22) Diese Betrachtungsweise verlangt nach einem Verständnis für Jugend als einem Entwicklungsstadium, welches durch ein hohes Maß an Identitätssuche gekennzeichnet ist.

(vgl. Scherr 2009: 22)

Die Jugendphase wird von Münchmeier (1998) folgendermaßen beschrieben: „Sie ist keine Sozialisations- und Lernphase innerhalb eines biographischen Überganges mehr, sondern sie verselbstständigt sich, wird eine eigenständige Lebensphase mit eigener Prägung und spezifischen Möglichkeiten und Belastungen der Lebensführung.“ (Münchmeier 1998: 38) Unter Adoleszenz versteht man die Zeit, in der junge Menschen ihren Platz in der Gesellschaft suchen und sich gleichzeitig mit vielen anderen Veränderungen arrangieren müssen. Im Unterschied zur Pubertät, also den körperlichen Entwicklungen von Heranwachsenden, wird kulturellen Einflüssen hier große Bedeutung beigemessen, da Jugendliche sich in dieser Lebensphase aktiv mit ihrer Umwelt auseinandersetzen und durch diese geprägt werden. (vgl. Schröder 2005: 90f)

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7 Schröder sieht die zentrale Aufgabe der Jugendlichen darin, Krisen zu bewältigen und Entwicklungsaufgaben zu meistern. Dazu gehören sowohl die Ablösung von den Eltern, als auch der Weg in die eigene Unabhängigkeit. Gerade in der Zeit der Ablösung vom Elternhaus zeigt sich die Wichtigkeit der Orientierung und Identifizierung mit der Clique.

(vgl. Schröder 2005: 91ff)

Der Aspekt der Beziehungsarbeit wird von Thomas Seifert (1998) aufgegriffen. Im Jugendalter besteht ein großer Bedarf am Aufbau verlässlicher Kontakte zu Personen außerhalb der Familie. Die Jugendarbeit bietet ihrer konstanten Zielgruppe durch den professionellen Personenkontakt eine Form von Sicherheit. (vgl. Seifert 1998: 208)

„Die personale Orientierung sowie die personale Verlässlichkeit bündeln sich gemeinsam im sozialräumlichen Bezugspunkt, wobei sich der räumliche Bezugspunkt auf den Raum richtet, in dem die Jugendarbeit stattfindet, während der soziale Bezugspunkt neben den Gleichaltrigen auf die Person des Jugendarbeiters bzw. der Jugendarbeiterin zugeschnitten ist.“ (Seifert 1998: 209)

Vertrauen in Bezug auf den Kontakt mit JugendarbeiterInnen wird von vielen Jugendlichen als maßgeblich hinsichtlich einer erfolgreichen Bindung zwischen Jugendlichen und JugendarbeiterInnen erachtet. „`Vertrauen` ist eine Kategorie individueller psychosozialer Sicherheit und eines gemeinsam erfahrenen und geteilten positiven Sozialklimas, die über den Habitus der PädagogInnen inszeniert und demonstriert wird (…)“ (Böhnisch 1994: 224) Um Beziehungen aufbauen zu können, muss zunächst Zuwendung vermittelt und Vertrautheit geschaffen werden. Der personale Bezug bezeichnet ein Gefühl der Vertrautheit und Geborgenheit, während die sozialräumliche Eingebundenheit das Interesse an der Verortung darstellt. (vgl. Seifert 1998: 209) Jugendliche suchen nach Bindungen und brauchen personenzentrierte Bestätigungen, um sich in einer Gesellschaft, die von personalen Brüchen im privaten Umfeld geprägt ist, zu Recht finden zu können.

Dadurch steigt das Bedürfnis nach gesichertem Personenkontakt. (vgl. Seifert 1998: 218)

„Es handelt sich dabei um die Integration in ein Personenverhältnis (das zwischen Jugendlichen und JugendarbeiterInnen existiert), in eine soziale Gruppe der Gleichaltrigen und schließlich in einen sozialen Raum oder Ort.“ (Seifert 1998: 210)

Der Verein Wiener Jugendzentren setzt sich mit der Lebensphase Jugend auseinander, um mit diesem Wissen direkt bei der Zielgruppe ansetzen zu können. Das Jugendalter konfrontiert die Heranwachsenden mit einer Vielzahl an Veränderungen, Übergängen und Entwicklungsaufgaben. (vgl. VJZ 2012b: 9)

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8 Die Jugend ist, als Zeit des Wandels, nicht nur von physischen und emotionalen Veränderungen, sondern auch von einer Fülle an gesellschaftlichen Erwartungen geprägt. Ein starker Fokus auf die eigenen Zielsetzungen und Wertvorstellungen beeinflusst die Identitätsfindung. In einer heterogenen Gesellschaft kann es eine Herausforderung darstellen, sich als Individuum - aus zahlreichen Möglichkeiten - relevante Einflüsse hinsichtlich der eigenen Identitätsprägung aneignen zu müssen. (vgl.

VJZ 2012b: 9)

Zusammengefasst müssen Jugendliche „in Bezug auf Identitätsfindung, Entwicklung einer geschlechtlichen Identität, Neukonzeptionierung von Eltern-, Freundschafts- und Partnerschaftsbeziehungen, den Ausbau von Autonomie, die Planung von Zukunftsentwürfen für Lebensstil, Ausbildung und Beruf“, Entscheidungen treffen und so ihre Zukunft planen. (vgl. VJZ 2012b: 9)

Widersprüchliche Erwartungen der Gesellschaft an die Altersgruppe der Jugendlichen schwanken von einer hoffnungsvollen Begegnung hin zur Wahrnehmung als Problem- und Risikogruppe. (vgl. VJZ 2012b: 9)

„Jugendarbeit will Jugend ermöglichen“, so das Motto des Vereins Wiener Jugendzentren, unter welchem er Jugendarbeit leistet. (vgl. VJZ 2012b: 10) Offene Jugendarbeit setzt - unter dem Blickwinkel der Diversität - die Vielfältigkeit der Jugend voraus. (vgl. VJZ 2012b: 10)

2.2. Genderidentität

Bezogen auf mädchenspezifische Identitätsentwicklung finden sich jugendliche Mädchen mit gesellschaftlich vorherrschenden Frauenbildern und der gleichzeitigen Ablösung vom Elternhaus (insbesondere der Mutter) konfrontiert. Raum für ihre Bedürftigkeit und die Möglichkeit, diese sozial mitteilen zu können stehen im Mittelpunkt. (vgl. Böhnisch 1998b:

157)

Hinsichtlich der Biografisierung der Jugend müssen Mädchen laut Böhnisch (vgl. Böhnisch 1998b) selbst aktiv werden. Dabei steht die Lebensbewältigung im Fokus. Im direkten Vergleich zu Burschen ist ein größerer biografisierter Bewältigungsdruck zu beobachten.

Von Mädchen wird öfter und früher ein gewisses Maß an Eigenständigkeit erwartet. Die Entwicklungs- und Bewältigungsmischung fällt bei Jugendlichen sehr unterschiedlich aus.

Die Nähe von Risiken und Chancen erschwert den Prozess der Identitätsentwicklung.

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9 Entwicklungsaufgaben beinhalten Entscheidungen in Bezug auf Bildung, Ausbildung, Beruf/Arbeitslosigkeit, Gleichaltrigenkultur, Zugehörigkeit und Zukunftsängste. (vgl.

Böhnisch 1998b: 158)

Genderspezifische Bezugsmomente werden von weiblichen Jugendlichen bewusst erfahren und als prägend empfunden. Diese Erfahrungen können sowohl positiv als auch negativ, in Form von Diskriminierungserfahrungen, konnotiert sein. Der Lebensalltag liefert die Basis für die Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung. Darauf wird das eigene Bewusstsein begründet. (vgl. Klees 2011: 84) Auch in späteren Jahren wirken die Erlebnisse des Alltags konstitutiv. Dennoch scheinen die Auswirkungen auf die eigene Identität in der Jugend stärker gewichtet zu sein, als beispielsweise im Erwachsenenalter.

Zielführend erscheint es daher beispielsweise, traurige, fröhliche und verletzende Erfahrungen situationsbezogen zu thematisieren und zu reflektieren, um sich geschlechtsspezifische Zuordnungen bewusst zu machen und allfällige Handlungsstrategien dagegen zu erarbeiten. (vgl. Klees 2011: 84)

Brigitte Vollmer-Schubert (2014) geht auf die Genderthematik und die Identitätsbildung als Aufgabe in der Mädchenarbeit2 ein. Sie beschreibt ihre Zielgruppe als eine von anderen zu unterscheidende Zielgruppe mit Gemeinsamkeiten und Betroffenheiten basierend auf geschlechtsspezifischen Markern. Im Zuge der differenzierten Herausforderungen von Mädchen in Bezug auf Identitätsentwicklungsprozesse wird der Begriff der "doppelten Identität" erörtert. Die Autorin spricht von der Diskrepanz zwischen einer "Ich-Identität", deren Fokus auf die berufliche Existenz und selbstständige Lebensführung gerichtet ist, und einer "Weiblichen-Identität", welche sich mit der Aufrechterhaltung von Harmonie und Beziehungen beschäftigt (vgl. Vollmer-Schubert 2014: 178f) - was die Ausbildung einer

"doppelten Identität" (vgl. Vollmer-Schubert 2014: 177f) zur Folge hat.

Die Identitätsfindung unter dem Aspekt der „doppelten Identität“ stellt laut Vollmer-Schubert eine zusätzliche Zumutung dar und erfordert Handlungsbedarf und Unterstützungsmöglichkeiten. Diese Herausforderung spielt prinzipiell eine entscheidende Rolle für jedes Mädchen im Prozess der Identitätsentwicklung. (vgl. Vollmer-Schubert 2014: 179)

Die Problematik der „weiblichen Identität“ manifestiert sich in der Abkehr von individuellen Bedürfnissen und der Ausrichtung auf andere Personen und Beziehungen. „Durch diese Herausforderung bleiben die Konturen des eigenen Lebens für Mädchen und Frauen oft

2Die Mädchenarbeit, mit Fokus auf den Verein Wiener Jugendzentren, wird in Kapitel 3. Mädchenarbeit und den dazugehörigen Unterkapiteln näher beleuchtet.

(17)

10 undeutlich, ihre Wünsche und Visionen stärker auf andere bezogen als auf eigene Ziele.“

(Vollmer-Schubert 2014: 179)

Im Unterschied zu Burschen zeigt sich bei Mädchen schon in der Schulzeit das Bedürfnis anderen gefallen zu wollen, hübsch zu sein und gute Noten zu bekommen. Männliche Jugendliche sehnen sich in Bezug auf Zukunftsperspektiven eher nach einem Beruf mit guten Einkommensmöglichkeiten. Für weibliche Jugendliche ist der eigene Selbstwert oftmals von externen Einflüssen, wie ihrem Aussehen oder Erfolgen in der Schule, abhängig. Generell lässt sich bei Mädchen eine starke Fokussierung auf ihre "weibliche Identität" beobachten, bei der die "Ich-Identität" insgesamt in den Hintergrund gerückt wird.

(vgl. Vollmer-Schubert 2014: 180)

„Die Orientierung an den Vorstellungen von anderen ist jedoch real hinderlich und eine stete Quelle der Verunsicherung beim Aufbau einer eigenen individuellen Identität.“

(Vollmer-Schubert 2014: 180)

Vertiefend hierzu sollen unterschiedliche Einflussfaktoren, wie beispielsweise Herkunft, Ausbildungsgrad und Lebensentwurf, im folgenden Kapitel unter dem Begriff der hybriden Identität genauer betrachtet werden.

2.3. Hybride Identität

Ursula Boos-Nünning (2007) beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit der Lebensbewältigung von jungen Frauen mit Migrationshintergrund. Ethnizität ist diesbezüglich mit unterschiedlichen Gegebenheiten behaftet. Die Autorin sieht in Migration eine symbolische - unter anderem auf kollektive Identitätsdarstellung und das Bedürfnis nach Anerkennung fokussierte - herausgelöste Ethnizität. (vgl. Boos-Nünning 2007: 102f)

Insgesamt zeigen sich unterschiedliche Ansätze bezüglich der ethnischen Bedeutung für Individuen und die Aufnahmegesellschaft. (vgl. Boos-Nünning 2007: 104) Nach Berith Möller lassen sich erschwerende Faktoren bei der Entwicklung einer individuellen kulturellen Identität bei Mädchen, welche einer Stärkung des Selbstwertgefühls entgegenwirken, beobachten. (vgl. Möller 1998: 196)

Da der Forschungsfokus dieser Arbeit auf den Lebenserzählungen der Biografinnen liegt, sollen die bisher in den Raum gestellten Aspekte im Ergebnisteil auf einer individuellen Ebene näher behandelt werden. Mädchen und jungen Frauen fällt es laut Boos-Nünning in unterschiedlichem Ausmaß schwer, sich entweder mit ihrer Herkunft oder der

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11 Aufnahmegesellschaft zu identifizieren. Sie können jedoch gleichzeitig mehreren Loyalitäten nachgehen. Gestützt auf Untersuchungsergebnisse3 fühlen sich wenige Befragte nur einer Gruppe zugehörig. (vgl. Boos-Nünning 2007: 105)

Im öffentlichen Diskurs spielen die geforderten Anpassungsprozesse der Aufnahmegesellschaft an MigrantInnen eine große Rolle. Im Gegenzug zu sozialen Chancen werden vorab grundlegende Kompetenzen, wie beispielsweise das Erlernen der Sprache, für die Handlungsfähigkeit im Alltag von MigrantInnen vorausgesetzt. (vgl. Boos- Nünning 2007: 110)

Das Aufwachsen in oder zwischen zwei Kulturen kann Kulturkonflikte und Entwurzelungserscheinungen zur Folge haben und sich somit auf die psychische Stabilität auswirken. Unterschiedlichen Anforderungen aus den jeweiligen Kulturkreisen gerecht zu werden, kann - in Bezug auf Erwartungen jener Systeme - nicht nur zu Stressbildung, sondern auch zu Identitätsdiffusionen führen. (vgl. Boos-Nünning 2007: 112) Insgesamt lässt sich bei Boos-Nünning der Wunsch nach einer Identifikation mit der Herkunftsgruppe ablesen, da diese die Entwicklung positiv beeinflusst und das vermittelte Zugehörigkeitsgefühl als Schutzfaktor anzusehen ist. (vgl. Boos-Nünning 2007: 117ff) Auch Marion Gemende (2007) sieht unter dem Aspekt des Migrationshintergrundes für Mädchen und Burschen besondere Herausforderungen. Einerseits in Bezug auf den Zugang zu Bildung und Erwerbsarbeit, andererseits im Umgang mit Stereotypen und Zuschreibungen aufgrund der kulturellen Herkunft. Menschen mit Migrationshintergrund werden nicht in der Vielfalt ihrer Lebensformen wahrgenommen und abgewertet, was belastende Auswirkungen hinsichtlich der Lebensbewältigung mit sich bringt. Die Mehrheitsgesellschaft konfrontiert sie mit ethnischen Zuschreibungen, unter welchen sowohl die erste, zweite, als auch die dritte Generation zu leiden hat. Oftmals ist Personen mit Migrationshintergrund die Identifikation mit ihrem Herkunftsland, sowie ihrem Einwanderungsland, möglich. (vgl. Gemende et al. 2007: 28)

Der Begriff "Zwischenwelten" ist bezeichnend für ein derart gespaltenes Zugehörigkeitsgefühl. (vgl. Gemende 2001, zit. n. Gemende et al. 2007: 28) Die

3Diese Untersuchung wurde in Deutschland im Zeitraum zwischen November 2001 und März 2002 durchgeführt. Dabei wurden insgesamt 950 Mädchen und unverheiratete junge Frauen im Alter von 15 bis 21 Jahren mit unterschiedlicher ethnischer Herkunft befragt. Diese Befragten wurden mittels Zufallsprinzip ausgewählt, so dass auch Personen mit deutscher Staatszugehörigkeit an der Untersuchung teilnehmen konnten. Die Erhebung beinhaltete zum Beispiel persönliche Interviews und Fragebögen.

(19)

12 Identifikation mit einem Land und dessen Gesellschaft steht in möglicher Verbindung zum derzeitigen Lebensort. (vgl. Weber-Unger Rotino 2003, zit. n. Gemende 2007: 29)

„Nicht die Zugehörigkeit zu einer ethnisch definierten Gruppe beeinflußt die psychische Gesundheit von MigrantInnen, sondern die permanente Erfahrung, nur als Mitglied einer Minderheitengruppe gesehen zu werden und als solches dauernder Diskriminierung und Alltagsrassismus ausgesetzt zu sein.“ (Weber-Unger Rotino 2003, zit. n. Gemende 2007:

29)

Identitäts- und Zugehörigkeitskonstruktionen verändern sich biografisch und situativ. (vgl.

Gemende 2002, zit. n. Gemende 2007: 29) Festzuhalten ist, dass Mädchen mit Migrationshintergrund einer Bewältigung ihrer individuellen Ziele, unabhängig von Stereotypen (beispielsweise beeinflusst durch Vorstellungen von PädagogInnen und deren damit einhergehenden Ansprüchen) stärker entgegenarbeiten müssen, als männliche Jugendliche. (vgl. Weber 2007/Hummrich 2002, zit. n. Gemende 2007: 29)

Die Hinwendung zum Individuum und die Frage nach der Bedeutung von Migration und Kultur für jede einzelne Person stehen im Mittelpunkt der reflektierten Interkulturalität. (vgl.

Gemende 2007: 39ff) Zentraler Gegenstand ist hierbei die Diversität der Jugend und die Ausrichtung Offener Jugendarbeit auf die Zielgruppe als Einzelwesen, welcher im nachfolgenden Kapitel erörtert werden soll.

(20)

13

3. Die Offene Jugendarbeit am Beispiel des Vereins Wiener Jugendzentren

Das Bundesweite Netzwerk Offene Jugendarbeit (bOJA) ist eine Stelle für Qualitätsentwicklung aus dem Vereinswesen, welche sich mit den unterschiedlichen Facetten Offener Jugendarbeit beschäftigt und diese national und international vertritt.

Die Hauptaufgabe des Vereins besteht darin, junge Menschen in unterschiedlichen Lebensbereichen zu unterstützen und Jugendarbeit in der Öffentlichkeit zu vertreten. (vgl.

bOJA 2014: 4f) Jugendarbeit kann als bedeutender Sozialisationsort fungieren, da sie Räume für die Zielgruppen und ihre Bedürfnisse schafft. (vgl. bOJA 2014: 6f)

Die Bezeichnung Offene Jugendarbeit reflektiert dessen Grundprinzip der öffentlichen Verfügbarkeit. Der niederschwellige Zugang und die Freiwilligkeit der Teilnahme an Angeboten bilden den Schwerpunkt für Offene Jugendarbeit am Beispiel des Vereins Wiener Jugendzentren.

Zusätzlich bietet dieses pädagogische Arbeitsfeld direkte Bezüge zu Heranwachsenden, als heterogene Zielgruppe, und ihren Lebenswelten. Jugendliche sollen als Individuen mit Fähigkeiten, Kompetenzen, Eigenschaften, Identitäten und Interessen - als Mitglieder ihrer Gesellschaft und ihres sozialen Umfeldes - wahrgenommen werden und somit eine aktive Rolle in ihrem Lebensentwurf besetzen. (vgl. VJZ 2001)

Bereits 1955 eröffnet das heutige Musische Zentrum als Jugendzentrum „Haus der Wiener Jugend“ in der Zeltgasse. Es folgen weitere Standorte der verbandlichen Jugendarbeit, was eine steigende Bedeutung der ersten Jugendzentren in Wien nach sich zieht. In den 70er Jahren werden diese „Häuser der offenen Tür“ genannt. (vgl. VJZ 2001)

In den darauffolgenden Jahren gewinnen Jugendzentren - unter anderem durch ihre soziale, politische und sportliche Initiative - an Gewicht. Das wachsende Interesse an angebotenen Leistungen für Kinder und Jugendliche, geht mit zwingenden organisatorischen Reformen einher. Die Jugendzentren werden aus dem Verein Wiener Jugendkreis ausgegliedert und begründen 1978 den Trägerverein „Verein Wiener Jugendzentren“, welcher seit über 35 Jahren in seiner Form besteht. (vgl. VJZ 2001) Der Verein Wiener Jugendzentren ist der größte professionelle Anbieter von Kinder- und Jugendarbeit im Raum Wien. Er wird von der "Magistratsabteilung 13 - Bildung und

(21)

14 außerschulische Jugendbetreuung“4 gefördert und umfasst über 300 MitarbeiterInnen in 38 Einrichtungen und Projekten. (vgl. VJZ 2001)

Es handelt sich um einen gemeinnützigen Verein, welcher öffentliche Aufgaben in unterschiedlichen Bereichen innehat. Diese erstrecken sich von Offener Kinder- und Jugendarbeit in Jugendzentren- und treffs, über mobile Jugendarbeit, bis hin zu Gemeinwesenarbeit und Kurszentren. (vgl. VJZ 2006: 1) Die verschiedenen Angebote orientieren sich vorwiegend an der Zielgruppe der Jugendlichen in Wien. Allerdings wird im Sinne der Gemeinwesenorientierung auch mit Kindern, Erwachsenen und insbesondere Frauen gearbeitet. (vgl. VJZ 2006: 1) Das Forschungsprojekt „JA_SICHER – Jugendarbeit im öffentlichen Raum als mehrdimensionale Sicherheitsmaßnahme:

Ansätze zur Wirkungsevaluation“ (vgl. KIRAS Sicherheitsforschung) in Kooperation mit dem Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (vgl. IRKS – Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie) ist nur ein Beispiel für die Zusammenarbeit des Vereins Wiener Jugendzentren im Sinne der Forschung und Grundlagenarbeit.

Ein weiteres Interesse des Vereins besteht darin zu lobbyieren und Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf jugendpolitische Anliegen zu vertreten. Zudem ist der Verein Wiener Jugendzentren Teil des Bundesweiten Netzwerks Offener Jugendarbeit (bOJA) und arbeitet auch auf EU-Ebene entsprechend des internationalen Austauschs von jugendlichen Interessen. Grundlage für die Konzepte und etwaigen Veränderungen der Einrichtungen sind die von MitarbeiterInnen realisierten Sozialraumanalysen. Insgesamt entfallen 10% der Frequenzverteilung auf die mobile Jugendarbeit, 12% auf das Musische Zentrum, die restlichen 65% des Geschäftsfeldes werden von der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Jugendzentren und Jugendtreffs bestritten. Diese Daten machen eine starke Fokussierung auf den Bereich der Offenen Kinder- und Jugendarbeit offensichtlich.

Täglich werden pro Einrichtung durchschnittlich 75 Kontakte hergestellt. (vgl. VJZ 2001) Der Verein steht unter anderem für eine demokratische Grundhaltung mit sozialen und solidarischen Prinzipien. Die MitarbeiterInnen treten des Weiteren für Menschenrechte, insbesondere Kinder- und Jugendrechte, ein. (vgl. VJZ 2006: 1) Der Verein Wiener Jugendzentren präsentiert sich heute wie folgt.

4 Die MA 13 sorgt für ein vielfältiges und leistbares Bildungsangebot für alle WienerInnen. Zudem gehören freizeitpädagogische Aktivitäten, wie sie in der Kinder- und Jugendarbeit vorzufinden sind, zu ihren Aufgaben.

Insgesamt beinhaltet die Magistratsabteilung 13 – Bildung und außerschulische Jugendbetreuung in den drei Fachbereichen Büchereien, Musikschule, Modeschule Wien, Erwachsenenbildung und Jugend. (vgl. MA 13 2015)

(22)

15

„Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche einen anerkannten Platz in der Gesellschaft erhalten, dass sie sich entfalten und als innovative Kraft an der Weiterentwicklung der Gesellschaft mitwirken können.“ (VJZ 2006: 1)

Offene Jugendarbeit wird unter dem Aspekt der Diversität betrachtet. Kernaufgaben beinhalten Entfaltungsmöglichkeiten, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und die Schaffung von Anerkennungskulturen. Das sozialräumlich orientierte Konzept des sozialpädagogischen Arbeitsfeldes bietet Jugendarbeit dafür den notwendigen Raum. In einer diversitären Gleichaltrigenkultur können zudem soziale Rollen erprobt, Konflikte ausgetragen und Gemeinsamkeiten ausgearbeitet werden. (vgl. VJZ 2012b: 10)

Der Verein versteht unter Diversität ein Prinzip, welches von der Anerkennung einer modernen heterogenen Gesellschaft ausgeht und Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit thematisiert. So können Lebenslagen, Lebensformen und Lebensentwürfe immer weiter ausdifferenziert werden. Im Zentrum stehen nicht mehr die Annahme einer kulturellen Homogenitätsvorstellung, sondern die Verschiedenheit und die interkulturelle Dynamik in der Lebensgestaltung. (vgl. VJZ 2001)

„Nicht allein der Migrationshintergrund, die Klassenlage oder das Geschlecht, sondern vor allem das Zusammenspiel verschiedener Bedeutungszusammenhänge wie familiäre Situation, finanzielle Ressourcen, regionale Unterschiede, Bildungszugänge, Zugehörigkeit zu Jugendkulturen etc. eröffnen oder verschließen gesellschaftliche Teilhabechancen.“ (VJZ 2012b: 10)

Einen weiteren Fokus nimmt die Akzeptanz der Vielfalt der Menschen - einschließlich ihrer unterschiedlichen Lebensformen - ein. Ein respektvoller Umgang, sowie die Gleichwertigkeit der Geschlechter, gelten als grundlegende Bausteine dieses pädagogischen Handlungsfeldes. Offenheit in Bezug auf die verschiedenen Zielgruppen, deren Bedürfnisse und Wünsche, ist dabei maßgeblich. Zudem stellt die Parteilichkeit für eben diese Bedürfnisse, Interessen und Rechte einen wichtigen Aspekt der Offenen Jugendarbeit im Verein Wiener Jugenzentren dar. Die offerierten Angebote richten sich an alle Menschen, unabhängig von Weltanschauung, Nationalität, Geschlecht, Kultur und wirtschaftlichen Möglichkeiten. (vgl. VJZ 2006: 1)

Der Verein konzentriert sich auf die Förderung der Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung von Jugendlichen. Hierbei geht es um das eigene Erleben der Zielgruppen. Auf diesem Weg sollen junge Menschen ihre Bedürfnisse, Möglichkeiten, Stärken und Interessen erkennen und nutzen lernen. Zudem soll Offene Jugendarbeit

(23)

16 einen Raum bieten, um selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Handeln zu erproben. Der Abbau von Vorurteilen, die Entwicklung von Zivilcourage und Solidarität, sowie das Erkennen der kulturellen und sozialen Vielfalt als Bereicherung bilden die Eckpfeiler des Vermittlungsauftrags des Vereins Wiener Jugendzentren. Neben emanzipatorischen Fördermethoden stehen auch Spaß und Lebensfreude, sowie das Erweitern von Handlungsalternativen und die Schaffung von Perspektiven im Mittelpunkt der Sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Erlebnispädagogische Angebote, wie beispielsweise Ausflüge und Ferienfahrten, können ein weiterer Bestandteil Offener Jugendarbeit sein. (vgl. VJZ 2006: 2ff)

Die Prinzipien Offener Kinder- und Jugendarbeit im Verein Wiener Jugendzentren sollen im Folgenden näher beleuchtet werden. Bei der Auswahl und Betrachtung der Arbeitsansätze und Leitgedanken soll ein thematischer Schwerpunkt auf die, im Zuge der qualitativ-rekonstruktiven Biografieanalysen erarbeiteten, Inhalte gelegt werden.

Der Verein Wiener Jugendzentren agiert den folgenden Leitbildern entsprechend:

„Sozialraumorientierung, Lebensweltorientierung, Ressourcen- und Bedürfnisorientierung, Offenheit, Niedrigschwelligkeit, Freiwilligkeit, Professionelle Beziehungsarbeit, Vertraulichkeit und Transparenz, Parteiliches Mandat, Partizipation, Diversität, Gender Mainstreaming.“(VJZ 2013: 2)

Allenfalls fokussiert der Verein Wiener Jugendzentren eine geschlechtsspezifische Herangehensweise bei der Reflexion im Umgang mit Unterschieden, um ein positives Rollenbild - geprägt von Akzeptanz und Respekt - vermitteln zu können. Sämtliche Angebote stehen NutzerInnen auf freiwilliger Basis zur Verfügung und können somit ohne Zwang in Anspruch genommen werden. (vgl. VJZ 2001)

Ein kontinuierliches und professionelles Beziehungsangebot durch den ständigen Kontakt mit der Zielgruppe unter dem Aspekt der Lebensweltorientierung soll das Setzen von integrativen Angeboten und die Bereitstellung von handlungsbezogenen Orientierungshilfen gewährleisten. (vgl. VJZ 2006: 2f)

Die Handlungsfelder des Vereins Wiener Jugendzentren können in zwölf Teilbereichen verortet werden. Im Folgenden soll ein Einblick in die vielfältigen Angebote der Offenen Jugendarbeit, mit Beispielen aus der Praxis, gewährt werden. (vgl. VJZ 2012b: 18-34)

„Lobbying und Öffentlichkeitsarbeit“ versteht sich als Sprachrohr für die Zielgruppe und deren Interessensvertretung. „Vernetzung und Kooperation“ befasst sich mit der Erschließung von Ressourcen und der Vernetzung von Zielgruppen und Organisationen.

(vgl. VJZ 2012b: 33f)

(24)

17

„Treffpunkt Raum“ bezeichnet Aktivitäten, die beispielsweise im offenen Betrieb stattfinden, wie das offene Jugendcafé und situative Angebote, wie Spiele und Gespräche. (vgl. VJZ 2012b: 19f)

Das Handlungsfeld „Medien“ offeriert Programme in Bezug auf Video, Film und Fernsehen, Printmedien, sowie die Vermittlung eines reflektierten Computerumgangs.

Unter „e-youth work“ versteht der Verein Wiener Jugendzentren Angebote, die eine bewusste Auseinandersetzung mit sozialen Netzwerken zum Thema macht. (vgl. VJZ 2012b: 30ff)

Das Handlungsfeld „Spiel, Sport und Erlebnis“ soll den Ausbau von Handlungskompetenzen unterstützen und soziale Interaktion und Kooperation fördern.

Sportliche Aktivitäten, Übernachtungen und Ferienfahrten sind Beispiele für die vielfältige Angebotspalette. (vgl. VJZ 2012b: 23)

Auch die „geschlechtsbezogene Arbeit“ spielt in der Offenen Jugendarbeit eine große Rolle, wobei MitarbeiterInnen die Jugendlichen im Rahmen von geschlechtshomogenen Settings, erlebnispädagogischen Angeboten und Themenabenden bei der Ausbildung ihrer Geschlechterrollen unterstützen. (vgl. VJZ 2012b: 25ff)

Rund um das Thema Raumaneingnungsprozesse befasst sich „Jugendarbeit im öffentlichen Raum“ beispielsweise mit Stadtteilbegehungen, Streetwork und sozialpädagogischen Angeboten im öffentlichen Raum. (vgl. VJZ 2012b: 21f)

In Bezug auf den Bildungsaspekt innerhalb Offener Jugendarbeit werden vom Verein Wiener Jugendzentren sowohl Aktivitäten der „themenzentrierten Bildungsarbeit“, wie Schwerpunktwochen zu unterschiedlichen jugendkulturellen Themen, als auch Projekte und individuelle Beratungen mit einem Fokus auf „Übergang Schule-Beruf“ angeboten.

(vgl. VJZ 2012b: 24ff)

Das Prinzip der Niedrigschwelligkeit fungiert als Grundlage für den Aufbau von vertrauensvollen und professionellen Beziehungen zur Zielgruppe. Daraus ergibt sich die

„individuelle Beratung und Begleitung“ als eigenes Handlungsfeld. Dieses umfasst unter anderem Orientierungsgespräche, biografisierte Begleitung und Case-Work. (vgl. VJZ 2012b: 28)

Aktivitäten werden in Bezug auf die jeweiligen erhofften Wirkungen gesetzt, wobei es zu ähnlichen Wirkungen in unterschiedlichen Handlungsfeldern kommen kann. Im folgenden Kapitel soll das Wirkungskonzept des Vereins Wiener Jugendzentren näher beleuchtet werden.

(25)

18

3.1. Konzept der Wirkungsorientierung

„Warum tun wir, was wir tun?“ und „Was soll damit erreicht (bewirkt) werden?“ (VJZ 2012b:

4)

Das Wirkungskonzept des Vereins Wiener Jugendzentren bezieht sich auf den inhaltlichen Rahmen und den Zugang zu Qualität und Wirkung Offener Jugendarbeit. Dieses Handlungsfeld beinhaltet sowohl Jugendtreffs, Jugendzentren, als auch die mobile Jugendarbeit. Zudem sollen sozialpädagogische Grundlagen, Zielgruppendefinitionen und die unterschiedlichen Formen der Jugendarbeit im Verein Wiener Jugendzentren im Rahmen von Konzeptentwicklungen beachtet werden. (vgl. VJZ 2012b: 3)

Die Wirkungen, die vom Verein Wiener Jugendzentren 2012 in ihrem Wirkungskonzept festgehalten wurden, lassen sich auf drei Ebenen beobachten. Auf der gesellschaftlichen Wirkungsebene trägt Offene Jugendarbeit zu sozialem Frieden, gesellschaftlicher Stabilität und Chancengleichheit bei und ermöglicht so ein Einbinden der Jugendlichen in demokratische und gesellschaftliche Themen. (vgl. VJZ 2012b) Die individuelle Wirkungsebene beschäftigt sich mit der Förderung von Persönlichkeits- und Identitätsentwicklungen von Jugendlichen. Ist von einer sozialräumlichen Wirkungsebene die Rede, bezeichnet dies ein respektvolles Miteinander der Zielgruppe. (vgl. VJZ 2012b:

16f) Die Wirkungsebenen (vgl. VJZ 2012b) sollen im Rahmen der biografischen Fallrekonstruktionen näher erörtert werden.

Soziale Arbeit kann dem Non-Profit-Bereich zugeordnet werden, bei welchem nicht der materielle Profit, sondern vielmehr die mögliche Wirkung von verschiedenen Einflussbereichen in der Praxis als zielsetzend erachtet wird. (vgl. VJZ 2012b) Die Quantifizierbarkeit von Wirkungen Offener Jugendarbeit stellt, aufgrund der subjektiven Einschätzung von NutzerInnen, eine Herausforderung dar, deren Ergebnisse erst durch kontextuell relativierte, quantitative und qualitative Beschreibungen ersichtlich werden.(vgl.

VJZ 2012b: 7)

An dieser Stelle soll auch das Forschungsprojekt „JA_SICHER – Jugendarbeit im öffentlichen Raum als mehrdimensionale Sicherheitsmaßnahme: Ansätze zur Wirkungsevaluation“ (vgl. KIRAS Sicherheitsforschung) in Kooperation mit dem Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (vgl. IRKS – Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie) erwähnt werden.

(26)

19 Das Wirkungskonzept des Vereins Wiener Jugendzentren wird unter Mitwirkung aller MitarbeiterInnen in einem zwölf-monatigen Prozess erarbeitet und 2012 präsentiert. (vgl.

VJZ 2012b: 4) Ein erster Entwurf wird in Zusammenarbeit einer 12-köpfigen Steuergruppe (GeschäftsführerIn, pädagogische Leitung, dezentrale LeiterInnen, MitarbeiterInnen der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit, Betriebsrat, Vereinsobfrau) erarbeitet und nach Inkenntnissetzung der MA 13 in fünfzehn Kompetenzgruppen erweitert, sodass eine Finalisation im Zuge eines Abstimmungstreffens im Mai 2012 erfolgen kann. (vgl. VJZ 2012b: 4)

Konkrete Wirkungsketten werden als Methode genutzt, um Aktivitäten und Ressourcen der Organisation zu verknüpfen. (vgl. VJZ 2012b: 4) Das Wirkungskettenmodell wird basierend auf dem Leitbild erarbeitet. So sollen langfristige Wirkungen der alltäglichen pädagogischen Arbeit laufend weiterentwickelt werden. Daraus ableiten lassen sich die Konzepte für die jeweiligen Einrichtungen, strategische Planungen, Jahresplanungen, sowie Projekte und Aktivitäten, die entwickelt und anschließend evaluiert werden können. (vgl. VJZ 2012b: 5) Effektivität und Effizienz stehen bei der Wirkungskette auf unterschiedlichen Ebenen im Fokus. Wirkungen und Ergebnisse befinden sich auf der Ebene der effektiven Umsetzung.

In Bezug auf Effizienz sind folgende Punkte zu beachten: Output, konkrete Aktivitäten, Input und Ressourcen. (vgl. VJZ 2012b: 5)

Ergebnisse sollen quantifizierbar, konkret und beschreibbar sein. Diese sind ausschlaggebend, um Wirkungen zu erzielen. Im Idealfall lassen sich Ergebnisse den Wirkungen nachvollziehbar zuordnen. In der theoretischen Grundlage der Offenen Jugendarbeit zeigt sich eine Verbindung der angestrebten Wirkungen zu den Ergebnissen.

(vgl. VJZ 2012b: 6)

Der Output kann in quantifizierbaren Größen wie der Dauer und Häufigkeit der Nutzung, sowie Anzahl der TeilnehmerInnen gemessen werden. Ist von Ressourcen die Rede, sind verschiedene methodische Zugänge und Kompetenzen, Personal, Raum und Material gemeint. (vgl. VJZ 2012b: 5)

Ein Merkmal der Wirkungskette ist, dass die verschiedenen Ebenen (Wirkungen, Ergebnisse, Output, Aktivitäten, Input/Ressourcen) in unterschiedlicher Richtung aufbauend erarbeitet werden können. (vgl. VJZ 2012b: 6)

Offene Jugendarbeit wird im Verein Wiener Jugendzentren hinsichtlich der drei Dimensionen Raum, Zeit und Beziehung betrachtet. Diese Eckpunkte sollen den Jugendlichen eine Struktur nichtkommerzieller Freiräume bieten. (vgl. VJZ 2012a: 1)

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20 Der sozialräumliche Aspekt des Vereins Wiener Jugendzentren ist bezeichnend für das Öffnen von Aneignungsprozessen, bezogen auf die Ansprüche der Zielgruppe. Des Weiteren geht es um die Förderung eines verständnis- und respektvollen Miteinanders. Die sozialräumliche Wirkungsebene soll die Nichtigkeit des sozialökonomischen Statuses in den Raum stellen und Freiräume und öffentliche Räume altersadäquat und barrierefrei zugänglich machen. Durch Jugendarbeit in den Bereichen der Interaktion, Begegnung und Kommunikation soll die konstruktive Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Gruppen gefördert werden. Im gesellschaftlichen Kontext bedeutet Sozialraumorientierung auch eine Interessensvertretung der Jugendlichen im Gemeinwesen. Des Weiteren geht es um geschlechtsbezogene Bedürfnisse der Zielgruppe, die im Hinblick auf Planungs- und Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. (vgl. VJZ 2012b: 17)

3.2. Sozialraumorientierung in der Offenen Jugendarbeit

„Räume […] werden nicht als architektonische Hülse, sondern als sozial durchwirkte Räume gesehen, in denen sich Gesellschaft abbildet und die entsprechend auf Jugendliche und deren Nutzungsformen wirken.“ (Krisch 2009: 8)

Bei der Sozialraumorientierung handelt es sich keinesfalls um ein neu erfundenes Konzept, sondern vielmehr um die Nutzung und Weiterentwicklung unterschiedlicher theoretischer und methodischer Perspektiven. (vgl. Hinte 2012: 9) Prinzipiell konzentriert sich der sozialräumliche Gedanke auf den Alltag und das soziale Umfeld der allfälligen Zielgruppen.

(vgl. Blandow 2002: 61, zit.n. Hinte 2012: 9) Beim Sozialraumkonzept kann an die Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch und die Lebensbewältigung nach Lothar Böhnisch angeschlossen werden. In diesen Konzepten lassen sich Prinzipien wie NutzerInnenorientierung, Effizienz und Effektivitätsorientierung, sowie Korrespondenz und Ressourcenorientierung in sozialraumorientierten Strategien wiederfinden. (vgl. Kessl et al. 2010: 16) Es handelt sich also bei Offener Jugendarbeit um eine Orientierung an der Lebenswelt der Jugendlichen.

Wolfgang Hinte sieht Reformbedarf in der Sozialraumorientierung der Jugend- und Sozialhilfe. Der „Sozialraum“ soll als bestimmende Größe eingeführt werden und somit als Grundlage innerhalb der Strukturierung für eine Verwirklichung des Konzeptes

„Sozialraumorientierung“ dienen. (vgl. Hinte 2012: 8)

Christoph Stoik beschäftigt sich mit dem Begriff der Sozialraumorientierung als theoretische Grundlage der Sozialen Arbeit und hält dabei fest, dass sich in Bezug auf den Diskurs zu

(28)

21 dieser Terminologie Gemeinsamkeiten mit Diskussionen über Lebensweltorientierung und Empowerment finden lassen. Aufgrund der unterschiedlichen Aufnahme- und Interpretationsmöglichkeiten dieser Theorie gestaltet sich das Finden einer allgemeingültigen Definition von "Sozialraumorientierung" als schwierig. Stoik bezieht sich in seiner Abhandlung auf vier Zugänge der besagten Begrifflichkeit. (vgl. Stoik 2008: 14)

„Sozialraumorientierung als grundlegendes Konzept der Sozialen Arbeit ist aufgrund der theoretischen Verankerung als Soziale Arbeit zur Gestaltung von sozialem und physischem Raum […] gefordert die Handlungsfähigkeit von Menschen zu erhöhen und strukturelle Gegebenheiten mitzugestalten.“ (Stoik 2008: 17)

Sozialraumorientierung kann als Modell der neuen Steuerung verstanden werden. Diese Definition umfasst die Reaktion auf Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft in Form von Ressourcenarbeit im sozialen Raum. Somit wird die Verantwortung des Sozialstaates auf den sozialen Raum verlagert. Wird Sozialraumorientierung als Tradition in der Gemeinwesenarbeit verstanden, ist damit die Beteiligung der Bevölkerung in ihrer Region und deren Gestaltung gemeint. (vgl. Stoik 2008: 14-15)

Sozialraumorientierung kann auch als grundlegendes Konzept der Sozialen Arbeit betrachtet werden. Raumtheorien (Lefebvre 1985, Bourdieu 1997 uvm.) liefern die Basis für ein mehrdimensionales Raumverständnis, in dem es nicht ausschließlich um den physischen Raum geht, sondern vielmehr darum, dass die BewohnerInnen eben diesen Raum mitgestalten und herausgebildete Positionen, in Relation zu Strukturierungen im Sozialraum, abgebildet werden können. (vgl. Stoik 2008: 15f)

Wie bereits erwähnt, hat das Prinzip der Sozialraumorientierung Tradition in der Offenen Jugendarbeit. Stoik betont die Bedeutung der Unterstützung von Jugendlichen bei Raumaneignungsprozessen. Er distanziert sich inhaltlich von einem rein physischen Raumverständnis und hebt - in Abgrenzung zu Hinte - vor allem die soziale Dimension hervor. Hierbei nehmen die JugendarbeiterInnen eine kritisch-parteiliche Rolle ein, um Jugendliche - den strukturellen Bedingungen und Machtverhältnissen entsprechend - bei der Aneignung von Räumen zu unterstützen. (vgl. Stoik 2008: 14-15)

Jugendliche treffen bei der Erschließung und Aneignung ihrer Umwelt auf Funktionszuschreibungen der Gesellschaft. Böhnisch beschreibt diesen Prozess als Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftlicher Vergegenständlichung und individueller Aneignungsfähigkeit. (vgl. Böhnisch 2003: 171, zit.n. Krisch 2009: 9)

„Eine Sozialraumperspektive bezieht sich nicht primär auf physisch-materielle Objekte, auf das, was wir alltagssprachlich „Orte“ oder „Plätze“ oder eben auch „Räume“ nennen:

(29)

22 Gebäude, Straßen oder Stadtteile. Vielmehr gilt das Interesse einer Sozialraumperspektive, dem von den Menschen konstituierten Raum der Beziehungen, der Interaktionen und der sozialen Verhältnisse. […] Mit Sozialraum werden somit der gesellschaftliche Raum und der menschliche Handlungsraum bezeichnet, das heißt der von den handelnden Akteuren (Subjekten) konstituierte Raum und nicht nur der verdinglichte Ort (Objekte).“ (Kessl et al. 2010: 23)

Simmel versteht den Raum als soziologische Kategorie, als „Träger und Ausdruck soziologischer Wechselwirkungen“. Die Wechselwirkung und der Unterschied zwischen Form und Inhalt können soziologisch rückgebunden werden. (vgl. Simmel 1992: 790) Nach Simmel kann die Komplexität sozialräumlicher Aneignungsprozesse durch den im Vergesellschaftungsprozess geprägten Raumbegriff erklärt werden. (vgl. Krisch 2009: 10) Jugendliche geben Räumen bestimmte Sinnzuschreibungen und Definitionen, die von Simmel „Raumbestimmtheiten“ genannt werden (Simmel 1992: 775) und welche als Ausdruck der gesellschaftlichen Vergegenständlichung von Herrschaft zu betrachten sind.

(vgl. Nissen 1998: 153f)

Dieser Prozess wird von Böhnisch mit der Vielfältigkeit sozialer Gestaltungsmöglichkeiten in Verbindung gebracht. (vgl. Böhnisch 2003: 199) Bezüglich der Erfahrungen mit Aneignungsprozessen im Jugendalter wird dem Einfluss der Peer-group/Clique besondere Bedeutung beigemessen, wodurch individuelle Einflussfaktoren im Hinblick auf Raumbestimmungen entwickelt werden können. (vgl. Krisch 2009: 11)

Krisch widmet sich vertiefend der pädagogischen Perspektive. Jugendarbeit kommt demnach Kindern und Jugendlichen bei ihren besonderen Aneignungsformen entgegen.

Eine Grundvoraussetzung Offener Jugendarbeit stellt die Öffnung des Sozialraumes dar, um gekonnt auf alterstypische Spannungen eingehen zu können. (vgl. Krisch 2009: 11) Krisch verweist dabei auf Simmels Theorie der Trennung von Inhalt und Form in Bezug auf die Bedeutung von Raum und gesellschaftlichen Bedingungen.

„Er weist darauf hin, dass ähnliche menschliche Motive verschiedene Vergesellschaftungsformen hervorbringen, ebenso wie umgekehrt ähnliche Wechselwirkungen auf verschiedene Antriebe zurückzuführen sind.“ (Krisch 2009: 11) Kinder und Jugendliche unterscheiden sich von Erwachsenen und entwickeln ihre eigenen Formen. (vgl. Krisch 2009: 11)

Ulrich Deinet sieht in sozialräumlicher Aneignung eine zentrale Entwicklungsaufgabe von jungen Menschen. Durch diese können Handlungsspektren erweitert, Räume angeeignet

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