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Empirischer Teil

5. Empirische Fragestellungen und Methodik

Der empirische Teil dieser Masterarbeit ist der Biografieforschung zuzuordnen. Gestützt auf die Auswertung dreier narrativ-biografischer Interviews mit ehemaligen Nutzerinnen Offener Jugendarbeit sollen allfällige Wirkungen Offener Jugendarbeit mit Hilfe der qualitativ-rekonstruktiven Biografieanalyse nachgezeichnet werden.

Die bewusst offen gehaltene Fragestellung lässt einen klaren Bezug zur Vertiefungsrichtung „Sozialraumorientierte Soziale Arbeit“ erkennen und soll dazu beitragen, Hypothesen und Schlussfolgerungen in Bezug Erfahrungen der Biografinnen mit Offener Jugendarbeit zu entwickeln.

Im Zentrum steht die Frage nach den Erfahrungen mit Offener Jugendarbeit in unterschiedlichen Lebensläufen der ehemaligen Nutzerinnen. Diesbezüglich sollen die Wirkungen Offener Jugendarbeit rekonstruiert werden. In Bezug auf die Vertiefungsrichtung der „Sozialraumorientierung“ ist die Bedeutung des Sozialraums für die Interviewten für diese Arbeit von maßgeblichem Interesse. Aus der zentralen Fragestellung lassen sich unterschiedliche Teilfragestellungen herausarbeiten, um auf verschiedene Erfahrungen der Biografieträgerinnen mit Offener Jugendarbeit vertiefter eingehen zu können.

Auf die Anstrengungen Sozialer Arbeit Erfolge und Wirkungen ebendieser abzubilden soll hier verwiesen werden. Hemma Mayrhofer (2013) sieht in der Forderung nach nachweisbaren empirischen Wirkungen ein schwieriges Unterfangen. (vgl. Mayrhofer 2013: 3) Die widersprüchliche Formulierung einer Großzahl an Zielen der Sozialen Arbeit beeinträchtigen die Empirizität und Aussagekraft von Forschungsergebnissen. (vgl.

Klatetzki 2010, zit. n. Mayrhofer 2013: 3) Erfolge und Zielsetzungen werden nur abstrakt definiert und erschweren die konkrete Feststellung deren Existenz. Neben einer Vielzahl an Variablen, die auf die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge Einfluss nehmen, wirkt auch das Verhalten von NutzerInnen auf das Resultat, in Bezug auf die zuvor festgelegten Ziele. (vgl. Mayrhofer 2013: 3)

Durch die höchst interpretative Herangehensweise in der Analyse von Ursachen und Wirkungen kann der empirische Teil dieser Masterarbeit keinen eindeutigen Beitrag zur Wirkungsforschung leisten. Dennoch können Parallelen zwischen dem Wirkungskonzept

38 des Vereins Wiener Jugendzentren und den Inhalten der Interviews festgestellt werden. In der „Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse“, wird dieses Wirkungskonzept mit den Erfahrungen der drei Biografieträgerinnen, auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersucht und zusammengefasst.

5.1. Zentrale Fragestellung und Forschungsfragen

Folgende zentrale Fragestellung und die daraus abgeleiteten Forschungsfragen gilt es in dieser wissenschaftlichen Abhandlung zu beantworten.

Welche Erfahrungen mit Offener Jugendarbeit lassen sich in den unterschiedlichen Lebensläufen erkennen? Welche Wirkungen Offener Jugendarbeit können aus den biografischen Fallrekonstruktionen der drei weiblichen Jugendlichen abgelesen werden?

Welche Bedeutung des Sozialraums kann anhand der Interviews festgemacht werden?

Aus diesen Hauptfragen lassen sich folgende Subfragen ableiten:

1. Wie wird der Kontakt mit Offener Jugendarbeit in den jeweiligen Lebenslauf eingebettet?

2. Welcher Stellenwert wird dieser Lebensphase in dem jeweiligen Interview zugeordnet?

3. Wie bewertet die interviewte Person diese Phase ihrer Jugend?

4. Wie wird die Zeit in den jeweiligen Vereinen/Einrichtungen in der Retrospektive bewertet?

5. Wie wird die Beziehung zu den JugendarbeiterInnen dargestellt? Welche Rolle kommt ihnen in den Erinnerungen der jungen Frauen zu?

6. Welche geschlechts(un)spezifischen Angebote wurden von den ehemaligen Besucherinnen genutzt? Was macht genderspezifische/mädchenspezifische Offene Jugendarbeit aus? Inwieweit kann die Wirkung feministischer Mädchenarbeit im Lebenslauf anhand von Wendungen/Entwicklungen ersichtlich werden? Inwieweit sind Wirkungen hinsichtlich von Partizipation und Emanzipation ersichtlich?

7. Inwieweit spielt der kulturelle Hintergrund bzw. die nationale oder ethnische Herkunft der Interviewpartnerinnen in Bezug auf Partizipation und Emanzipation eine Rolle? Ist der Migrationshintergrund bezüglich differierender Frauenbilder von Bedeutung?

8. Inwieweit kann von Ressourcenorientierung und Lebensweltorientierung in Bezug auf die Erfahrungen der Biographieträgerinnen gesprochen werden? Welche anderen Wirkungen Offener Jugendarbeit werden gegebenenfalls erkennbar?

39 9. Inwieweit spielen Konzepte der segregierten Räume und der

Verdrängungsmechanismen in der Mädchenarbeit eine Rolle?

10. Welche Erfahrungen mit Raumaneignungskonzepten lassen sich in den Interviews finden?

Im Anschluss an die biografischen Fallrekonstruktionen wird unter Berücksichtigung des Wirkungskonzeptes des Vereins Wiener Jugendzentren ein themenspezifischer Überblick zu den nachfolgenden Kapiteln geliefert:

- Erfahrungen mit Offener Jugendarbeit - Bewertung des Kontakts mit Offener Jugendarbeit

- Mögliche Wirkungen Offener Jugendarbeit - JugendarbeiterInnen als Bezugspersonen

- Genderspezifische/mädchenspezifische Offene Jugendarbeit (unter anderem im Hinblick auf den kulturellen Hintergrund) – Wirkung feministischer Mädchenarbeit - Das Raumaneignungskonzept und die Bedeutung des Sozialraums

-

Ressourcenorientierung und Lebensweltorientierung

5.2. Sampling und Vorgehen im Feld

Der Erstkontakt zu Interviewpartnerinnen, welche in ihrer Jugend eine Einrichtung der Offenen Jugendarbeit des Vereins Wiener Jugendzentren besuchen, kann ausschließlich über Kontakte zur Bezugseinrichtung der Offenen Jugendarbeit hergestellt werden, was die anfängliche Kontaktaufnahme zu Biografieträgerinnen, beziehungsweise eine Terminfindung für die Durchführung narrativ-biografischer Interviews, erschwert. Bezüglich der drei für diese Studie gewonnenen Partizipatorinnen sei festzuhalten, dass sich die Erfahrungen einer Interviewpartnerin auf die Räumlichkeiten einer mobilen Einrichtung beziehen, welche eine geringere Infrastruktur aufweisen als ein Jugendzentrum im konventionellen Sinn. Dies soll anhand der Beschreibung der dritten Fallrekonstruktion ersichtlich werden.

Bei den Erstkontakten wird bewusst darauf geachtet, den Fokus auf die Erfahrungen mit Offener Jugendarbeit im Jugendalter nicht zu thematisieren, um etwaige künstlich hervorgerufene Fokussierungen nicht zu forcieren und somit die Wiedergabe der

40 Lebensläufe in ihrer Gesamtgestalt, mit einem möglichst geringen Suggestionsgehalt, zu ermöglichen.

Die Methodik des narrativ-biografischen Interviews erfordert von Seiten der Biografinnen ein hohes Maß an Bereitschaft, persönliche Einblicke in die eigene Biografie mit der Forscherin zu teilen.

Alle Interviews finden in Kaffeehäusern, also in einem neutralem Setting, im Heimatbezirk der Interviewpartnerinnen statt. Eine relative Nähe dieser Lokalitäten zu den jeweiligen Jugendzentren und Clubhäusern lassen eine noch andauernde Verbindung von Jugend und Sozialraum vermuten.

5.3. Methodisches Vorgehen: Biografische Forschung

Ziel der biografischen Forschung ist es, die subjektiven Erfahrungen ehemaliger NutzerInnen Offener Jugendarbeit in ihrer lebensgeschichtlichen Komplexität zu eruieren und die persönlichen Verarbeitungsweisen - und damit die Wirkung auf individueller Ebene - zu rekonstruieren. (Mayrhofer 2016a: 190)

Basierend auf den Erkenntnissen der narrativen Methodik von Fritz Schütze (1983) und Einflüssen von weiteren SozialforscherInnen (Rosenthal 1995, Fuchs-Heinritz et al.

2005), die sich mit der Materie auseinandergesetzt und dadurch einen erheblichen Beitrag hinsichtlich der biografischen Forschung geleistet haben, konnten unterschiedliche methodische Ansätze entwickelt werden. (vgl. Rosenthal 1995: 12) Werner Fuchs-Heinritz hebt in Bezug auf die Konzeption und die Vorbereitung biografischer Interviews die Neugier auf lebensgeschichtliche Details von Seiten der ForscherInnen hervor. (vgl. Fuchs-Heinritz 2005: 216) Gabriele Rosenthal spricht von einem dualistischen Konzept der erlebten und erzählten Lebensgeschichte, welches es erlaubt, Verweise aus dem Gesprochenen herauslesen zu können. Die Wahrnehmung des Erlebten kann von BiografInnen verändert und korrigiert werden. (vgl. Rosenthal 1995: 14f)

„Die dritte „Fehlerquelle“ liegt dann in der Erzählsituation, in der sich der Autobiograph dem im Gedächtnis Gespeicherten zuwendet und es – je nach Einstellung gegenüber diesem konstanten Objekt – in der Erzählung gefärbt oder verfälscht wiedergibt.“

(Rosenthal 1995: 14)

41 Bei biografischen Erzählungen handelt es sich um Geschichten, die durch unterschiedliche Einflüsse bedingt wiedergegeben werden. Lebensgeschichten bestehen auf der Souveränität des Ichs in Bezug auf das Geschehene. Dass aus den empirischen Erkenntnissen der drei narrationsorientierten Interviews dieser Masterarbeit keine Rückschlüsse auf deren gesellschaftliche Gesetzmäßigkeit gezogen werden können, sei dem Fokus der Sozialwissenschaften zuzuschreiben, welche sich erstrangig mit sozialen Zusammenhängen und weniger mit individuellen Erfahrungen beschäftigt. Die einzelnen Lebensgeschichten können nur im gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden und stellen in diesem Zusammenhang lediglich Teilmomente dar. (vgl. Fuchs-Heinritz 2005:

82)

Laut Schulze ist das erzählende Individuum nicht darauf fokussiert, soziale Bedingungen und Verhältnisse fachgerecht wiederzugeben. Vielmehr beschäftigt sich die autobiografische Erzählung mit einer Reproduktion von Gefühlen und Werten. (vgl.

Schulze 1991: 162 f. zit. n.: Fuchs-Heinritz 2005: 83) Gegner der biografischen Forschung kritisieren deren subjektive Wahrnehmung. Dennoch kann durch Verarbeitungsprozesse ein wirkungsvolles Forschungsresultat gewonnen werden. (vgl.

Fuchs-Heinritz 2005: 84)

Ausgehend von Winfried Marotzki (2004, 2006, zit. n. Mayrhofer 2016a: 189) und der Annahme, dass Ereignissen in der Vergangenheit Bedeutungen in der Gegenwart beigemessen werden können, sei eine Wirkung auf das derzeitige und zukünftige Leben in den Raum gestellt. (vgl. Mayrhofer 2016a: 189)

5.4. Erhebungsverfahren: Das narrativ-biografische Interview

Im Zuge dieser Masterarbeit werden drei narrativ-biografische Interviews mit ehemaligen Nutzerinnen Offener Jugendarbeit geführt. Vor den Interviews wird den Biografinnen die Anonymisierung ihrer Namen zugesichert, sowie das Versprechen erteilt, persönliche Daten, die diese Anonymität gefährden könnten, vertraulich zu behandeln.

Die Interviews dauern jeweils über zwei Stunden und erfordern höchste Konzentration der Interviewerin, um dem Interviewverlauf konzentriert folgen und inhaltlich relevante, narrative Nachfragen stellen zu können. Die Offenheit der Biografinnen erweist sich als vorteilhaft und begünstigt die Auswertung narrativer Erzählinhalte.

42 Narrativ-biografische Forschungszugänge werden laut Mayrhofer (2016a) selten genutzt um Wirkungen Offener Jugendarbeit zu erschließen, obwohl die strukturellen Besonderheiten dieses Handlungsfelds darauf hindeuten, dass verwertbare Ergebnisse in durchaus ergiebiger Form gewonnen werden können. (vertiefend dazu siehe Graßhoff et al. 2015: 23ff, zit. n. Mayrhofer 2016a: 189)

Narrative Interviews basieren auf der retrospektiven, autobiografischen Erzählung und gehen davon aus, dass durch diese bevorzugt Erfahrungs- und Orientierungsstrukturen des tatsächlichen, lebensgeschichtlichen Erlebens und Handelns reproduziert werden können. (vgl. Schütze 1984: 78f, Przyborski/Wohlrab-Sahr 2010: 93, zit. n.: Mayrhofer 2016a: 189) Laut Schütze ist daher die Fragestellung nach Prozessstrukturen in biografischen Lebensläufen von besonderer Bedeutung.(vgl. Schütze 1983: 284)

Während des gesamten Interviewverlaufs stehen die Erfahrungen mit Offener Jugendarbeit, sowie ein Resümieren der Biografinnen über ihre eigenen Erfahrungen, gefolgt von einer anschließenden Selbstevaluation, im Fokus. (vgl. Mayrhofer 2016a: 190) Zudem ist die Frage nach einer lebensgeschichtlichen Selbstdeutung der Biografieträgerinnen von Interesse. (vgl. Schütze 1983: 284)

Der Ablauf eines narrationsorientierten Interviews soll im Folgenden näher beschrieben werden. Es handelt sich bei dieser qualitativen Erhebungsmethode um ein relativ offen geführtes Interview, in welchem InterviewpartnerInnen frei entlang eigener Relevanzkritierien antworten und erzählen können. (vgl. Schütze 1983 und Riemann 1987)

„Das autobiographische narrative Interview erzeugt Datentexte, welche die Ereignisverstrickungen und die lebensgeschichtliche Erfahrungsaufschichtung des Biographieträgers so lückenlos reproduzieren, wie das im Rahmen systematischer sozialwissenschaftlicher Forschung überhaupt nur möglich ist.“ (Schütze 1983: 284) Es wird empfohlen, die Erzählaufforderung so offen wie möglich zu gestalten. Der Aufforderungssatz „Ich möchte dich bitten, mir deine Lebensgeschichte zu erzählen, mit allem was für dich wichtig ist, wie alles so gekommen ist in deinem Leben.“ (vgl. Mayrhofer 2016a: 190) und der offene Zugang der Biografinnen hinsichtlich einer Kommunikation per

"Du", ermöglichen einen spürbar perönlichen Gesprächsverlauf.

Um das Erzählpotential der Biografin voll auszuschöpfen und den Erzählfluss geringst möglich zu beeinflussen, wird die Partizipation der Interviewerin auf gesprächsimmanente Nachfragen reduziert. (vgl. Mayrhofer 2016a: 190)

43 Der abschließende Teil des Interviews behandelt Nachfragen zu Themen, welche noch nicht ausreichend behandelt wurden und zielt darauf ab, die Biografinnen zu einer Eruierung generalisierender Beschreibungen, Abläufe und Zusammenhänge zu motivieren.

(vgl. Mayrhofer 2016a: 190)

Den wiedergegebenen Inhalten der Frauen zu folgen und, während der konkludierenden Interviewphase, die Reflexionsfähigkeit der interviewten Personen in Bezug auf die eigene Biografie anzuregen, wird lediglich in Hinblick auf die große Anzahl an inhaltlichen und temporalen Sprüngen innerhalb der chronologischen Erzählung der dritten Biografin erschwert. Durch die Inklusion vieler, für die Forschungsfragen nicht relevanten, Inhalte, gestaltet sich das Begreifen von Zusammenhängen, sowie ein Nachfragen und eine erneute Hinführung zu belangvollen Aussagen, ohne dabei eine Relativierung der Offenheit der Eingangsfrage zu riskieren, als wesentlich komplexer verglichen mit den Fallstudien 1 und 2.

5.5. Auswertungsverfahren: