Beispiele von Überlagerungen
Einfache Beispiele von Überlagerungen
Projektive Räume
5.1 Proposition. Die sich aus der Definition von RPn ergebende Quotien- tenabbildungp:Sn→RPn ist eine zweiblättrige Überlagerung.
Beweis. Zur Übung.
Wir betrachten nun für n≥1 in Sn den Weg v:I →Sn
s7→(cos(πs),sin(πs),0, . . . ,0)
vonx0:= (1,0, . . . ,0) nach−x0. Wir setzeny0 :=p(x0)∈RPn. Dap(−x) = p(x), istp◦veine Schleife beiy0, und wir benennenα:= [p◦v]∈π1(RPn, y0).
5.2 Proposition. Es ist α6=e.
Beweis. Wäre p◦ v ' cy0 rel{0,1}, so wäre nach Korollar 3.20 v(1) = cx0(1) =x0, da cx0(0) =x0 =v(0) undp◦cx0 =cy0.
Nun bemerken wir ein Phänomen, das vielleicht unerwartet ist.
5.3 Proposition. Ist n≥2, so ist α2=e.
Beweis. Es seia:Sn→Sndie Antipodenabbildunga(x) =−x(man beachte p◦a= p). Es ist u :=v∗(a◦v) eine geschlossene Schleife bei x0, die in S1 ⊂Snverläuft, und p◦u= (p◦v)∗(p◦v), alsop#([u]) =α2. Das Element α2 ist daher im Bild der Komposition
π1(S1, x0)−−−−→Inkl.# π1(Sn, x0)−p−#→π1(RPn, y0).
Fürn≥2 bezeichnet aber der erste Fall den konstanten Homomorphismus, denn in diesem Fall S1 ⊂ Dn+ mit Dn+ = {x∈Sn:xn+1≥0} und Dn+ ist
zusammenziehbar.
1
Offenbar ist fürn≥2 also{e, α}eine Untergruppe von π1(RPn). Ist dies bereits die ganze Gruppe? Dies werden wir nicht beantworten können, ohne auch etwas über die Fundamentalgruppe vonSn zu erfahren, wie folgende Proposition zeigt.
5.4 Proposition. Es sei p:X→Y eine Überlagerung,x0 ∈X,y0 =p(x0).
Dann ist p#:π1(X, x0)→π1(Y, y0) ein Monomorphismus.
Beweis. Es sei [w]∈ π1(X, x0). Ist e=p#([w]) = [p◦w], so ist nach dem Homotopiehochhebungslemma Proposition 3.19 bereits [w] =e.
In der Tat hatSn aber nichts zur Fundamentalgruppe beizutragen.
5.5 Proposition. Für n≥2 ist Sn einfach zusammenhängend.
Da wir dieses Resultat später erneut erhalten werden, begnügen wir uns mit einer
Beweisskizze. Wir bemerken zunächst, dass wir für einen Weg w:I → Sn, der ganz in einer offenen Hemisphäre verläuft, leicht eine Homotopie relativ zu den Endpunkten zu einem Weg, der auf einem Großkreis verläuft, angeben können, nämlich
H:I×I →Sn
(s, t)7→ (1−t)w(s) +t(w(0) +s(w(1)−w(0))) k(1−t)w(t) +t(w(0) +s(w(1)−w(0)))k.
In der Tat gilt, wenn Λ : Rn+1 → R ein lineares Funktional ist, so dass Λ(w(s))>0 für alles∈I, auch Λ((1−t)w(s) +t(w(0) +s(w(1)−w(0)))>0 für alle s, t∈I. Ein solcher WegH(•,1) hat aber für n≥2 ein Bild in Sn, das leeres Inneres hat.
Ist nunw eine beliebige Schleife in Sn, so sichert das Lebesgue-Lemma die Existenz einesN >0, so dasswhhNk,k+1N ii für jedes kin einer offenen Hemisphäre verläuft,w ist damit relativ zu den Endpunkten homotop zu einer Schleife, die abschnittsweise auf Großkreisen verläuft, deren Bild also eine endliche Vereinigung abgeschlossener Mengen mit leerem Inneren ist.
Damit ist das Bild von w selber abgeschlossen und mit leerem Inneren.
Insbesondere ist w nicht surjektiv. Ist nun aber y ∈ Sn\imw, so ist, da Sn\ {y} ≈Rn zusammenziehbar ist, die Schleife w relativ {0,1} homotop zur konstanten Schleife, also [w] =e∈π1(Sn).
Das genügt nun aber schon.
5.6 Proposition. Für n≥2 ist π1(RPn, y0) ={e, α}.
Wir schicken ein Lemma voraus, dass wir schon früher hätten formulieren sollen.
5.7 Lemma. Sindu, w:I →Xmitu(0) =w(0) =x0undu(1) =w(1) =x1, so ist u'w rel {0,1} genau dann, wenn u∗w−'cx0 rel {0,1}.
Beweis. Ist u 'w, so ist u∗w− ' w∗w− 'cx0. Ist u∗w− 'cx0, so ist u'u∗cx1 'u∗(w−∗w)'(u∗w−)∗w'cx0∗w'w.
Beweis von Proposition 5.6. Es sei weine Schleife bei y0. Es existiert eine Hochhebung ˜wvonwmit ˜w(0) =x0. Es ist ˜w(1)∈ {x0,−x0}. Ist ˜w(1) =x0, so folgt wegen π1(Sn, x0) = {e}, dass ˜w ' cx0, also w ' cy0, [w] = e. Ist w(1) =˜ −x0, so ist aus gleichem Grund und mit Lemma 5.7 ˜w ' v, also
w'p◦v, [w] =α.
Die Kleinsche Flasche
Das nächste Beispiel beginnen wir mit einer Gruppe, nämlich einer Unter- gruppe der Homoömorphismen vonR2 nachR2. Dazu definieren wir die zwei affin linearen Isometrien
f:R2→R2 g:R2→R2
(x, y)7→(x+ 1,−y) (x, y)7→(x, y+ 1).
Es sei Gdie vonf und g erzeugte Gruppe. Wir wollen zunächstGdirekter beschreiben. Dazu berechnen wir
(f gf−1)(x, y) = (f g)(x−1,−y) =f(x−1,−y+1) = (x, y−1) =g−1(x, y), alsof gf−1=g−1. Dag6=g−1 können wir also schon einmal festhalten, dass Gnicht abelsch ist. Wir erhalten aus dieser Gleichung
g−1f =f g, g−1f−1 =f−1g, gf =f g−1, gf−1=f−1g−1 und per Induktion
gnfm =fmg(−1)mn, m, n∈Z und daraus
G={fmgn:m, n∈Z}, (fm1gn1)(fm2gn2) =fm1+m2g(−1)m2n1+n2. Außerdem ist
fmgn(0,0) = (m,(−1)mn) und damit
fm1gn1 =fm1gn1 ⇐⇒ (m1, n1) = (m2, n2).
Betrachten wir nun das von (0,1) und (1,0) aufgespannte Gitter in R2, so stellen wir fest, dass jedes Element ausG Gitterpunkte auf Gitterpunkte, horizontale Gitterkanten auf horizontale Gitterkanten, vertikale Gitterkanten
auf vertikale Gitterkanten und Gitterquadrate auf Gitterquadrate abbildet.
Mehr noch: gegeben zwei Gitterpunkte gibt es genau ein Element ausG, das den ersten auf den zweiten abbildet, und ebenso für die drei anderen Arten von Objekten.
Daraus ergibt sich folgendes.
5.8 Proposition. Ist x∈R2, so existiert eine Umgebung U von x, so dass für alle φ, ψ∈G, φ6=ψ gilt, dass φ[U]∩ψ[U] = Ø.
Es sei nunK derOrbitraum von G, also K:=nGx:x∈R2
o
=R2/∼
mit der Quotiententopologie, wobei Gx= {φ(x) :φ∈G} und x∼ y ⇐⇒
y∈Gx. Es sei p:R2 →K die Quotientenabbildung.
5.9 Proposition. Die Abbildung p:R2 →K ist eine Überlagerung.
Beweis. Dies ergibt sich mit wenig Aufwand aus Proposition 5.8, wir werden das Argument später ausführen.
5.10 Proposition. Die Abbildung
I×I −⊂→R2−→p K
induziert einen Homöomorphismus
(I ×I)/∼ ≈K,
wobei ∼ von(x,0)∼(x,1)und (0, y)∼(0,1−y) erzeugt wird.
Beweis. Da jedes der Gitterquadrate Bild des GitterquadratesI×I unter einem Element von G ist, ist die Abbildung I ×I → K surjektiv. Da K hausdorffsch ist (das ist Teil der vorherigen Proposition) undI×I kompakt, ist die Abbildung eine Quotientenabbildung. Es ist nun also nur noch zu untersuchen, welche Punkte von ihr identifiziert werden, welche also durch ein Element aus G aufeinander abgebildet werden. Man überprüft leicht, dass dies genau in den angegebenen Fällen passiert.
Der RaumK heißt dieKleinsche Flasche.
Wir setzen nun x0 := (0,0)∈R2 und y0 :=p(x0)∈K.
5.11 Proposition. Es sei α∈π1(K, y0). Dann existiert ein eindeutig be- stimmtes Dα ∈Gmit folgender Eigenschaft: Ist α= [w] undw˜ eine Hochhe- bung vonw mit w(0) =˜ x0, so ist w(1) =˜ Dα(x0).
Beweis. Die Hochhebung ˜w existiert nach Proposition 3.17, nach Korol- lar 3.20 hängt ˜w(1) nur von α ab. Es ist p( ˜w(1)) = y0 = p(x0), nach Definiton existiert also einφ∈Gmit φ(x0) = ˜w(1). Die Eindeutigkeit haben
wir bereits zuvor festgestellt.
5.12 Proposition. Die Abbildung
π1(K, y0)→G α7→Dα
ist ein Gruppenisomorphismus.
Beweis. Ist φ∈ G, so existiert ein Weg ˜w von x0 nachφ(x0). Es ist dann p◦w˜ eine Schleife bei y0 und D[w]=φ. Das zeigt die Surjektivität.
Es seinen nunα, β∈π1(K, y0) undα= [w1],β= [w2] mit Hochhebungen w˜i, ˜wi(0) =x0.
Ist Dα = Dβ, so ist ˜w1(1) = ˜w2(1). Da R2 einfach zusammenhängend ist, ist also ˜w1 'w˜2 und damit α= [p◦w˜1] = [p◦w˜2] =β. Dies zeigt die Injektivität.
Es bleibt zu zeigen, dass die Abbildung ein Homomorphismius ist. Es ist p◦Dα ◦w˜2 = p◦w˜2 = w2, (Dα ◦w˜2)(0) = Dα(x0) = ˜w1(1), also ist w˜1∗(Dα◦w˜2) ein Weg vonx0nachDα( ˜w2(1)) =Dα(Dβ(x0)) = (Dα◦Dβ)(x0).
Dap◦( ˜w1∗(Dα◦w˜2)) =w1∗w2, ist Dα◦Dβ =D[w1∗w2]=Dαβ. Konkret können wir nun beispielsweise
w1, w2:I →R2 w1(s) = (s,0) w2(s) = (0, s)
setzen. Dann ist w1(0) =w2(0) = (0,0) = x0 und w1(1) = (1,0) = f(x0), w2(1) = (0,1) =g(x0). Mit
α, β∈π1(K, y0) α:= [p◦w1] β:= [p◦w2]
ist also f = Dα, g =Dβ. Damit ist π1(K, y0) vonα und β erzeugt, es ist αβα−1 =β−1, und dies ist in dem Sinne die einzige Relation, dass daraus folgt, dass sich jedes Element der Fundamentalgruppe als αmβn schreiben lässt, diese Elemente aber alle verschieden sind.
Diese Notation werden wir auch später für die Fundamentalgruppe der Kleinschen Flasche verwenden.