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Archiv "Adipositas: Schwergewichtige Probleme im Fall einer Operation" (01.06.2007)

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A1560 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 22⏐⏐1. Juni 2007

M E D I Z I N R E P O R T

E

ine massive Adipositas war für Chirurgen bis vor Kurzem vor allem ein Zustand, den man operativ verändern kann (Bariatrische Chirur- gie). Heute müssen sie sich auf eine wachsende Patientenklientel mit be- achtlichen Leibesumfängen einstel- len, die aus anderen Gründen auf den OP-Tisch kommt. Für diese Patienten benötigen Krankenhäuser nicht nur

ein spezielles Equipment; auch der operative Zugang ist erschwert, in der Nachbetreuung häufen sich Kompli- kationen, und der Pflegebedarf ist enorm. Grund genug, dem Thema Adipositas ein ganztägiges Symposi- um während des 124. Chirurgenkon- gresses in München zu widmen.

Das Übergewicht wird in Deutsch- land normaler als das Normgewicht.

Die Hälfte der Männer und ein Drittel der Frauen zwischen 18 und 79 Jah- ren sind übergewichtig. 19 Prozent der Männer und 22 Prozent der Frau-

en sind adipös (BMI > 30 kg/m2). In den meisten Kliniken fehlen heute je- doch die Voraussetzungen, übermä- ßig dicke Patienten chirurgisch opti- mal zu betreuen. Das fängt schon da- mit an, dass normale Betten nur bis 120 kg Körpergewicht verkraften.

Auch im OP braucht man extra- breite Spezialtische. Die seien aber wieder für normalgewichtige Patien-

ten nicht zu gebrauchen, weil der Chirurg dann den Oberkörper zum Operieren so weit vorbeugen müsse, dass seine Arbeit behindert sei, und er zudem Rückenschmerzen bekomme, sagte Kongresspräsident Prof. Dr.

med. Hans-Ulrich Steinau (Bochum).

Die Diagnostik stößt ebenfalls auf Probleme, da massiv übergewichtige Patienten nicht in herkömmliche CT- Röhren passen. Auch hierfür müssten spezielle Geräte angeschafft werden, damit man Patienten im Notfall nicht in die Veterinärmedizin bringen müs-

se, wo sie ins Pferde-CT geschoben werden könnten, wie laut Prof. Dr.

med. Hartwig Bauer (Berlin), US- Kollegen sich beholfen hätten.

Aus Sicht des Unfallchirurgen wies Prof. Dr. med. Christoph Josten (Leipzig) darauf hin, dass schwergewichtige Patienten meist deutlich schwerer verletzt seien. Sie erlitten wegen der höheren Aufprall- energie schon eine Fraktur, wo ande- re nur eine Prellung davontrügen.

Dazu komme, dass Dicke unge- schickter fielen. Ihre Bergung sei zeitintensiver, sodass sich die defini- tive Versorgung verzögere. Sonder- anfertigungen für Metallplatten oder Fixateurs würden zur Frakturstabili- sierung gebraucht, und die postope- rative Mobilisation sei erschwert.

Auch der Viszeralchirurg habe es schwer mit Dicken, wie Prof. Dr.

med. Heinz J. Buhr (Berlin) hinzufüg- te: Wenn man während des Eingriffs an inneren Organen eine Fettschicht von 50 bis 60 Zentimetern Dicke zurückhalten müsse, beeinträchtige dies die Sicht auf das OP-Feld; und das „Hantieren“ in der Tiefe des Ab- domens sei eine undankbare Aufga- be. Minimalinvasive Interventionen scheiterten manchmal ganz daran, dass die normalen endoskopischen In- strumente zu kurz seien; auch hier brauche man eine Spezialausrüstung.

Längere OP-Zeiten, höherer Blut- verlust, ein Qualitätsverlust im Ope- rationsergebnis und ein mehrfach erhöhtes Risiko für postoperative Komplikationen, wie Thrombosen und Infektionen, summieren sich zu einem hohen Gesamtrisiko, wenn ein stark Übergewichtiger unters Messer kommt. Die Mortalität von adipösen chirurgischen Intensivpa- tienten (BMI > 40 kg/m2) lag in ei- ner US-amerikanischen Studie bei

ADIPOSITAS

Schwergewichtige Probleme im Fall einer Operation

Der 124. Chirurgenkongress thematisiert die Versorgung adipöser Patienten, da operative und anästhesiologische Besonderheiten das Risiko erhöhen.

Postoperativ müssen adipöse Patienten länger be- atmet und häufiger

reintubiert werden. Fotos:Prof.Elke Muhl

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A1562 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 22⏐⏐1. Juni 2007

M E D I Z I N R E P O R T

33,3 Prozent. Von den normalge- wichtigen starben 12,3 Prozent.

Tiefe Hautfalten und Fettgewebe erschweren die Insertion von Venen- und Arterienkathetern (Abbildung 1).

An die Operateure richtete Prof. Dr.

med. Elke Muhl (Lübeck) die Bitte, trotz dieser Schwierigkeiten nicht zu wenige und zu dünne Venenzugänge zu legen, sondern einen sicheren Zu- gang. Das werde bei Adipösen häufig ein Zentralvenenkatheter sein, für den die Indikation großzügig gestellt werden sollte. Aber auch normale Kanülen für einen zentralen Venen- zugang seien meist zu kurz. „Wir be- helfen uns oft mit Selbstzusammen- gebasteltem“, erläuterte Muhl.

Nicht nur der Operateur, auch die Intensivmediziner haben erhebliche Mühe mit extrem übergewichtigen Patienten. Meist bringen diese ein ganzes Bündel von Begleitkrank- heiten mit, wie Diabetes, Hyperto- nie, KHK und Schlafapnoe. Blut- glucose und Blutdruck neigen nach einem operativen Eingriff dazu zu entgleisen. Bei einer eingeschränk- ten Wundheilung und dem hohen Auflagegewicht entwickelt sich be- sonders rasch ein Dekubitus.

Die Patienten müssen postope- rativ länger beatmet und häufiger reintubiert werden – und das unter erschwerten Bedingungen; denn der Kopf ist beschränkt reklinierbar und die hintere Pharynxwand oft schlecht einsehbar. Sehr dicke Pati- enten brauchen spezielle Tracheal- kanülen, da die normalen die Krüm- mung an der falschen Stelle auf- weisen.

Adipöse Patienten weisen eine reduzierte Vitalkapazität auf – nach Oberbaucheingriffen für eine Wo- che, nach Operationen im Unter- bauch für drei Tage. Sie entwickeln auch nach laparoskopischen Ein- griffen deutlich mehr Atelektasen

und haben einen höheren Sauer- stoffbedarf als normalgewichtige Intensivpatienten. Dem liegt zu- grunde, dass Lungen- und Thorax- compliance mit zunehmender Adi- positas abnehmen. Der metaboli- sche Bedarf der Atemmuskulatur steigt, und ihre Effizienz sinkt. Die Atemarbeit erhöht sich damit um 30 bis 70 Prozent. Die respiratori- schen Probleme potenzieren sich nach längeren Beatmungszeiten, weil es zur Muskelatrophie kommt.

Die Hochlagerung des Oberkör- pers ist deshalb für Adipöse noch wichtiger als für andere Patienten, auch weil eine erhöhte Gefahr von Magenreflux und Aspiration besteht (Abbildung 2). Großer Wert muss auf aktive Trainingsmaßnahmen ge- legt werden, die auch bei liegenden Patienten mit Spezialvorrichtungen möglich sind.

Bedrohlich kann ein Anstieg des intraabdominellen Drucks werden.

Deshalb muss dieser fortlaufend kontrolliert werden. Besonders im

Liegen drücken die abdominalen Fettmassen nach thorakal, führen zu einem Zwerchfellhochstand und be- hindern die Atmung. Eine Interven- tion ist erforderlich, wenn der Beat- mungsdruck zunimmt, der Serum- laktatspiegel steigt und sich eine Azidose sowie eine zunehmende Oligurie entwickeln.

Nur für wenige Medikamente, die in der Intensivmedizin ge- braucht werden, ist die Dosierung bei Adipösen in klinischen Studien untersucht worden. Reicht das Kör- pergewicht allein als Richtschnur?

Muss man die Verteilung eines Me- dikaments ins Fettgewebe berück- sichtigen? Bei morbider Adipositas sollte deshalb immer ein Drug- Monitoring erfolgen. Höhere Dosen sollte man eher initial und nicht in der Erhaltungstherapie einsetzen.

In der Intensivmedizin haben sich verschiedene Adaptationen des Ge- wichts etabliert. Während man zum Beispiel für das Antibiotikum Van- comycin das Gesamtkörpergewicht (TBW) heranzieht, gilt für Heparin und Aminoglykoside das Adjusted Body Weight (ABW), für die Ernährung das Obesity Adjusted Weight (OAW). Ein Vorschlag für die Ernährung lautet, 20 bis 30 kcal/kg OAW zu geben. Muhl zieht es vor, die Nahrung an den Blutzucker und den Insulinbedarf anzupassen. Der Blut- zucker sollte sich zwischen 80 und 110 mg/dl bewegen. Denn eine Hy- perglykämie hat sich als unabhängi- ger Risikofaktor für Komplikatio- nen und Mortalität bei chirurgischen Intensivpatienten erwiesen.

In der gesamten prä- und post- operativen Zeit erfordern stark übergewichtige Patienten einen er- höhten Pflegeaufwand. Schon allein jede einzelne Umlagerung ist perso- nalintensiv oder selbst mit verei- nigter Manpower gar nicht zu schaf- fen. Oft ist man auf motorbetrie- bene Betten und Stühle angewie- sen, um die Patienten zu bewegen.

Wie Steinau schätzte, koste die Pflege eines chirurgischen Patien- ten, der 220 Kilogramm wiege, ins- gesamt 20 000 Euro Aufpreis. „Dies wird durch die DRG-Pauschalen nicht annähernd abgegolten“, be-

tonte Steinau. I

Dr. med. Angelika Bischoff

Monitoring bei operierten Adipösen

> großzügige Indikation zur arteriellen Blutdruckmessung

> Blutgasanalytik

> Atemfrequenz, Herzfrequenz, Diurese

> Rhabdomyolyse/Kompartmentsyndrom erkennen (CK/Myoglobin) und zeitgerecht behandeln

> erhöhten abdominellen Druck erkennen und behandeln

In der Allgemeinchirurgie erhöht die Adipositas die Sterblichkeit der Patienten. Das sei in der Herzchir- urgie nicht der Fall, wie Prof. Dr. med. Axel Haverich (MH Hannover) erklärte. In einer Studie mit mehr als 4 000 kardiochirurgischen Patienten seien schwere Komplikationen wie Nierenversagen, Schlaganfälle

oder Vorhofflimmern bei Übergewichtigen nicht häu- figer aufgetreten. Auch die Sterblichkeit in den ers- ten postoperativen Wochen sei nicht erhöht gewesen, so Haverich. Es gebe deshalb keinen Grund, Adipöse wegen des Gewichts von herzchirurgischen Eingrif- fen – welcher Art auch immer – auszuschließen.

Übergewicht kein Ausschlusskriterium in der Herzchirurgie

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