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Archiv "3 Fragen an… Franz Wagner, Vizepräsident des Deutschen Pflegerats" (17.08.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 33⏐⏐17. August 2007 A2241

P O L I T I K

O

bwohl die Qualitätssiche- rung in deutschen Kranken- häusern immer mehr an Bedeutung gewinnt, hat die Qualität der pflege- rischen Versorgung offenbar deut- lich nachgelassen. Der Abbau von Pflegepersonal wirke sich mittler- weile auf Pflegequalität und die Pa- tientensicherheit aus. Diese Bilanz zieht das Deutsche Institut für ange- wandte Pflegeforschung (dip) in der Studie „Pflege-Thermometer 2007“.

Das Kölner Institut hat die Angaben leitender Pflegekräfte aus 263 Kran- kenhäusern ausgewertet. Dem dip zufolge ist die Untersuchung reprä- sentativ.

Lagerung, Mobilisation, Verab- reichung von Schmerzmitteln und die postoperative Überwachung sind laut der Umfrage nicht mehr in allen Krankenhäusern optimal mög- lich. Rund 30 Prozent der befragten Pflegedirektoren befanden, die Mög- lichkeit zu ausreichender Pflege sei in den vergangenen beiden Jahren gesunken. In nur jeder dritten Ein- richtung sind den Angaben zufolge die grundpflegerische Versorgung und eine regelmäßige Lagerung der Patienten vollständig gewährleistet.

In fast 40 Prozent wird die Verabrei- chung der Nahrung häufig nicht dem Esstempo des Patienten ange- passt. In etwa drei Viertel der Ein- richtungen kommt es vor, dass Pati- enten länger als 15 Minuten auf ein dringend benötigtes Schmerzmittel warten.

„Wenn in jeder dritten Klinik die Mobilisation der Patienten, etwa nach einer Operation, häufig nicht mehr fachgerecht durchgeführt wer- den kann, ist das mehr als besorgnis- erregend“, kritisiert Studienleiter Prof. Dr. Frank Weidner. Zudem weist er darauf hin, dass mehr als die Hälfte der Befragten damit rech- neten, dass in den kommenden fünf

Jahren weitere Stellen in der Pflege gestrichen würden, obwohl sie die Situation schon jetzt als sehr ange- spannt betrachteten.

Eine solche Prognose deckt sich mit dem Trend der vergangenen Jah- re: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind von 1995 bis 2005 etwa 48 000 Vollzeitäquivalente für Krankenpflegekräfte im akutsta- tionären Bereich weggefallen. Das entspricht einem Abbau von 13,5 Prozent. Zwar ist die Anzahl der Betten im selben Zeitraum um etwa 85 000 gesunken, die Fallzahlen sind aber gestiegen, und die Ver- weildauer ist auf 8,6 Tage zurückge- gangen. Es ist also davon auszuge- hen, dass die Arbeitsbelastung in der Pflege zugenommen hat – nicht zu- letzt, weil immer mehr multimorbi- de Patienten behandelt werden. Im internationalen Vergleich ist die Personalausstattung in deutschen Krankenhäusern eher niedrig. Nach der aktuellen OECD-Gesundheits-

statistik (siehe Beitrag in diesem Heft) sichern 10,8 Mitarbeiter je 1 000 Einwohner die Versorgung. In Österreich sind es 15,3.

Nach Ansicht des Deutschen Pflegerats (DPR) zeigte die dip- Studie einmal mehr die sehr ange- spannte Personalsituation der Pfle- ge in den Krankenhäusern. Der DPR fordert Politik und Selbstverwal- tungspartner auf, den Stellenabbau zu stoppen. Weniger dramatisch sieht die Deutsche Krankenhaus- gesellschaft (DKG) die Situation.

„Trotz sinkender Budgets und Ein- schränkungen beim Personal und der Bettenzahl bieten die deutschen Krankenhäuser einen erstklassigen Standard bei der Patientenversor- gung“, stellte ein DKG-Sprecher auf Anfrage klar. Allerdings ist auch die DKG der Ansicht, eine weitere Personalverknappung gefährde die Versorgungsqualität. Allein im Jahr 2007 würden den Krankenhäusern rund 700 Millionen Euro entzogen –

Sind Pflegequalität und Pati- entensicherheit in deutschen Krankenhäusern noch ge- währleistet?

W

Waaggnneerr::Nein, nicht flächen- deckend. Sicherlich gibt es auch noch Krankenhäuser, in denen die Versorgung gut funk- tioniert. Aber vielfach fehlt den Pflegekräften sogar die Zeit für ganz grundlegende Tätigkeiten, wie etwa die postoperative Überwachung, das regelmäßi- ge Lagern, die Körperpflege oder die Hilfe bei der Nah-

rungsaufnahme. Es wird immer schwieriger, für Sicherheit und Qualität zu garantieren.

Gehen die Sparmaßnahmen der Krankenhäuser in erster Linie zulasten der Pflege?

W

Waaggnneerr::Eindeutig ja. Die Pfle- ge als die größte Berufsgruppe ist von den Einsparungen am härtesten betroffen. In der Pfle- ge sind Stellen gestrichen wor- den, während in der ärztlichen Versorgung Planstellen ge- schaffen wurden.

Wenn die Pflege schon ihre Kernaufgaben nicht bewäl- tigen kann, ist es dann sinnvoll, neue Kompeten- zen für Pflegekräfte zu for- dern?

W

Waaggnneerr::Da sehe ich keinen Widerspruch. Die Einsatzmög- lichkeiten von Pflege sind noch längst nicht ausge- schöpft. Und einen grundsätz- lichen Mangel an Pflegekräf- ten gibt es nicht. Die Arbeits- bedingungen müssen endlich attraktiver werden.

3 FRAGEN AN…

Franz Wagner, Vizepräsident des Deutschen Pflegerats KRANKENHÄUSER

Wenn Sparen zum Risiko wird

In den vergangenen zehn Jahren sind etwa 48 000 Stellen in der

Krankenpflege dem Rotstift zum Opfer gefallen. Einer Studie zufolge bleiben

Qualität und Sicherheit in den Krankenhäusern dabei auf der Strecke.

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A2242 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 33⏐⏐17. August 2007

P O L I T I K

durch den Sanierungsbeitrag und das Arzneimittelversorgungs-Wirt- schaftlichkeitsgesetz. Mit dieser Summe könnten 14 000 Pflegekräf- te finanziert werden, gibt die DKG zu bedenken.

Das Bundesgesundheitsministe- rium sieht unterdessen die Kranken- häuser in der Pflicht. Die Studie könne für die Verantwortlichen in den Krankenhäusern eine gute Ori- entierung zur Bewältigung ihrer Ar- beit sein. Für die Regierung bestehe keine unmittelbare Handlungsmög- lichkeit. „Die gesetzlichen Rahmen- bedingungen zur Qualitätssicherung sind geschaffen und deutlich. Bei unzureichender Umsetzung sind hier erstmal die Krankenhausauf- sicht der Länder und die Kranken- häuser selbst gefordert“, betont auch die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn- Mengel. Vermehrte Beschwerden von Patienten wegen schlechter Pflege in Krankenhäusern hat sie bisher nicht festgestellt: „Natürlich wenden sich Patienten in diesem Punkt an mich, aber eine Zunahme ist nicht zu verzeichnen.“ Ganz an- ders sieht die Einschätzung von Ver- braucherschützern aus. „Wir haben mehr Anfragen und mehr Be- schwerden“, sagt Dieter Lang vom Verbraucherzentrale Bundesver- band. Dafür gebe es allerdings zwei mögliche Ursachen, räumt er ein:

veränderte Verhältnisse und die wachsende Bereitschaft der Patien- ten, ihrem Unmut Luft zu machen.

Durch die dip-Studie bestätigt sieht sich die Dienstleistungsge- werkschaft Verdi. Schon mehrfach habe man auf die mit den Stel- lenkürzungen in der Pflege verbun- denen Probleme hingewiesen. „Die Arbeitsbedingungen sind außerdem auch für die Mitarbeiter gesund- heitsschädlich“, kritisiert Dirk Völ- pel-Haus, Verdi-Bundesfachgrupen- leiter Krankenhäuser. Fehler, die auf Defizite in der Organisation in den Krankenhäusern zurückzuführen seien, kämen unterdessen nur selten ans Licht: „Da wird noch viel unter der Decke gehalten.“ I Dr. med. Birgit Hibbeler

Das „Pflege-Thermometer“ im Internet: www.aerzteblatt.de/plus3307

@

Wer Schmerzen hat, bekommt nicht so- fort ein Schmerzmittel. Wer sich nicht drehen kann, liegt sich wund. Wer nicht selbst essen kann, wird zu schnell gefüt- tert. Sind das Einzelfälle in deutschen Krankenhäusern? Nein, meint das Deut- sche Institut für angewandte Pflegefor- schung (dip), solche Beispiele für schlechte Pflege gebe es häufig. In einer Studie, dem „Pflege-Thermometer“, kommt das dip zu dem Schluss, beson- ders Pflegebedürftige und frisch Ope- rierte seien gefährdet. Ist also die Qua- lität aus den Krankenzimmern ver- schwunden, während in den Eingangs-

bereichen der Kliniken die Qualitätssie- gel und Zertifizierungsurkunden an der Wand hängen?

Man kann daran zweifeln, ob die dip- Studie wirklich aussagekräftig ist. Aber die Zahlen des Statistischen Bundesamts sprechen für sich: Fast 50 000 Pflege- stellen sind in den letzten zehn Jahren weggefallen, die Belastung in den Kran- kenhäusern nimmt unterdessen zu. Die Fallzahlen sind gestiegen, die Verweil- dauer gesunken. Immer mehr multimor- bide Patienten müssen versorgt werden.

Und gerade die brauchen eine gute Pfle- ge. Sonst macht das Krankenhaus sie krank. Wenn alte Patienten nicht mobili- siert und Bettlägrige nicht umgelagert werden, dann ist das verheerend.

Trotzdem müssten Patienten künftig nicht damit rechnen, dass Krankenhäu- ser aus Sicherheitsgründen geschlossen werden, versichert die Deutsche Kran- kenhausgesellschaft (DKG). Die Ergeb- nisse des Pflege-Thermometers will man nicht so recht bestätigen – immer- hin würde man damit ja die eigene Qua- lität anzweifeln. Dementieren will die DKG die Auswirkungen der Sparmaß- nahmen allerdings auch nicht. Denn die

„höhere Arbeitsverdichtung in der Pfle- ge“ ist ein gutes Argument gegen weite- re finanzielle Belastungen, die auf die Krankenhäuser mit dem Sanierungsbei-

trag und weiteren Spargesetzen zukom- men. Mit dem Geld, das den Kranken- häusern dadurch in diesem Jahr entzo- gen werde, könne man 14 000 Pflege- kräfte finanzieren. Aber will die DKG das überhaupt? Internationale Vergleichs- zahlen wertet die DKG wenige Tage nach der Veröffentlichung der dip-Umfrage als Beweis für die Effizienz deutscher Kran- kenhäuser. Da stört es plötzlich nicht mehr, dass man hierzulande mit relativ wenig Personal arbeitet. Dem Bundes- gesundheitsministerium kann es nur recht sein, dass die DKG argumentativ in der Zwickmühle steckt: So dramatisch

kann die Kostendämpfung ja nicht sein, wenn exzellente Qualität möglich ist.

Jeder versucht, dem anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben. Das gilt auch für den Deutschen Pflegerat (DPR).

Denn wer ist indirekt schuld am Perso- nalabbau in der Pflege? Die Ärzte natür- lich, die haben schließlich zusätzliche Stellen bekommen. Dass mehr Ärzte dringend notwendig waren und noch sind, ignoriert der DPR, er beklagt lieber die Überstunden in der Pflege. Gelegen kommt es dem DPR, dass die Pflege- direktoren vom dip auch zu möglichen neuen Tätigkeitsfeldern für Pflegeberufe befragt wurden. Erwartungsgemäß be- fürworteten sie mit breiter Mehrheit, die Pflegekräfte sollten Arbeiten aus dem ärzt- lichen Aufgabenbereich übernehmen.

Die Verknüpfung beider Themen in einer Untersuchung ist widersprüchlich.

Was schließlich nutzt eine Pflegekraft, die alleinverantwortlich Wundmanage- ment betreibt, wenn niemand da ist, der den Patienten regelmäßig dreht? Ohne- hin scheint der Blick für den Patienten in der Debatte irgendwie verloren gegan- gen zu sein. Das ist bedenklich. Denn diejenigen, die unter einer schlechten Pflege leiden, sind Schwerkranke und Hilfsbedürftige. Gerade diese Patienten sind aber kaum dazu in der Lage, sich

zu beschweren. I

KOMMENTAR

Birgit Hibbeler

PERSONALABBAU IN DER PFLEGE

Nebensache Patient

Referenzen

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