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Archiv "Neue Erkenntnisse zur Pathogenese der multiplen Sklerose – Potenzial für die Erweiterung der therapeutischen Optionen: Schlusswort" (21.10.2005)

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balen Verteilungsmuster und der Viel- zahl von durch Zecken übertragenen Krankheitserregern muss diskutiert wer- den, ob die verschiedenen Subtypen der MS nicht Ausdruck differenter und un- terschiedlicher Anthropozoonosen sind, die unter dem Begriff der MS als einheit- liche Entität fälschlicherweise zusam- mengefasst werden.

So wurden jüngst auf dem achten internationalen Potsdamsymposium in Jena neue, durch Zecken übertragene Erreger, wie beispielsweise das Eyach-, das Erve-, das Lipovnik- und das Uuku- niemivirus, vorgestellt.

Im Hinblick auf den heterogenen Er- regerbefall der Zecken gilt es künftig in- fektgetriggerte Prozesse, die einer anti- biotischen Therapie zugänglich sind, pa- thogenetisch bei der MS in Erwägung zu ziehen und im Einzelfall abzugrenzen.

Nur so können die verheerenden Folgen einer systemischen Immunsuppression bei diesen Patienten abgewendet wer- den. Interessanterweise weist die im Arti- kel offenkundig propagierte Basisthera- pie mit Interferonpräparaten eine inhibi- torische Wirkung gegen Chlamydien auf (1).

Literatur

1. Treib J, Haaß A: Infektionskrankheiten des Nerven- systems – Möglicher Auslöser der multiplen Sklerose.

Dtsch Ärztebl 1999; 96: A 2906–13 [Heft 45].

2. Brouqui P et al.: Guidelines for the diagnosis of tick-bor- ne bacterial diseases in Europe – ESCMID STUDY GROUP REPORT European Network for Surveillance of Tick-Borne Diseases – Diagnosis of tick-borne diseases. Clin Micro- biol Infect 2004; 10: 1108–32.

3. Dattwyler RJ et al.: Seronegative lyme disease. New Engl J Med 1988; 319: 1441–46.

4. Schultzer S et al.: Sequestration of antibody to Borrelia burgdorferi in immune complexes in seronegative Lyme disease. Lancet 1990; 335: 312–5.

Cord Uebermuth

Keldachstraße 6, 40225 Düsseldorf

Nichtentzündliche Degeneration

Die Autoren vertreten die Ansicht, dass Degeneration und Behinderung „wenig- stens in den frühen Stadien der schubför- migen MS“ durch eine autoimmune Ent- zündung bedingt sind. Dem muss jedoch entgegengehalten werden, dass sich Ent- markungsherde bereits zu Beginn der Erkrankung eher auf dem Boden eines

ubiquitären „axonalen“ Degenerations- prozesses entwickeln als umgekehrt (1).

Wenn zerebrale MS-Herde als Zei- chen einer entzündlichen Metamorphose Kontrastmittel aufnehmen, schwelen an ihrer Stelle bereits wochen- bis monate- lang nichtentzündliche Vorgänge (2), die histopathologisch vom Untergang my- elinbildender Oligodendrozyten geprägt sind (3). Eine Behandlung mit β-Inter- feron führt zum Rückgang entzündlicher Herde, doch gleichzeitig nehmen eine diffuse Axonschädigung, Demyelinisie- rung und Behinderung zu (1). Beträgt die Gehstrecke weniger als 500 m, haben Schübe oder Immuntherapie kaum noch Einfluss auf eine zunehmende Behinde- rung (1).Als Ursache der nichtentzündli- chen Degeneration kommen zum Bei- spiel MS-assoziierte Retroviren in Be- tracht, denen sich nun auch Protagoni- sten der Autoimmunhypothese der MS experimentell zuwenden (4).

Viren können immunstimulierende Substanzen bilden.Solche Superantigene führen im zentralen Nervensystem zu ei- ner Entzündungsreaktion wie bei MS, abhängig von der Zahl aktivierter Im- munzellen im Blut (1). Die Reaktion auf Superantigene hängt vom individuell verschiedenen Repertoire des Immunsy- stems ab. Dies bietet eine Erklärung für heterogene Entzündungsphänomene bei MS und deren Verstärkung durch unspe- zifische Immunstimuli.

Wenn die Behinderung überwiegend auf einer nichtentzündlichen Degenera- tion beruht, darf am Dogma der langfri- stigen Vermeidung einer Behinderung durch eine frühzeitige Immuntherapie gerüttelt werden. Confavreux und Mitar- beiter fanden, dass 37 Prozent von 1 074 MS-Patienten nach dem ersten MS- Schub ohne Immuntherapie über einen Zeitraum von fünf Jahren schubfrei blie- ben und 24 Prozent einen weiteren Schub erlitten (1).

Wenn man 100 Patienten dieser Nied- rigrisiko-Gruppen über die ersten fünf Krankheitsjahre mit β-Interferon be- handelt, muss man sieben bis acht Mil- lionen Euro aufwenden, um 13 von 39 zu erwartenden Schüben zu verhindern.

Für Patienten, die häufig Schübe erlei- den, kann demgegenüber die Unter- drückung eines Drittels der Schübe einen Zugewinn an Lebensqualität be- deuten.

Wenn mindestens zwei Schübe in zwei Jahren auftreten, vermag die Langzeit- Immuntherapie bei einem Teil der Pati- enten sogar die Krankheitsprogression geringfügig zu verzögern (1). Um Patien- ten zu identifizieren, die tatsächlich häu- fig Schübe erleiden, ist nach dem initialen Schub ein unbehandeltes Beobachtungs- intervall notwendig. Dieses Vorgehen ist gerechtfertigt, weil der Effekt der Im- muntherapie auf die Degeneration und Behinderung meist nicht stark ist und wahrscheinlich von der nichtentzündli- chen Degeneration in absehbarer Zeit aufgezehrt wird (1).

Eine schleichende Progression wird bereits nach dem ersten Schub und auf Dauer für alle Patienten nachhaltig auf- zuhalten sein, sobald Mittel gegen den nichtentzündlichen Degenerationspro- zess verfügbar sind.

Literatur

1. Kornhuber ME, Presek P, Zierz S: Unterschiedliche Wir- kung der Immuntherapie auf Schübe und schleichende Progression bei Multipler Sklerose: Deutung und Konse- quenzen für die Therapie. Fortschr Neurol Psychiatr 2005;

73: 143–9.

2. Filippi M, Rocca MA, Martino G, Horsfield MA, Comi G:

Magnetization transfer changes in the normal appear- ing white matter precede the appearance of enhancing lesions in patients with multiple sclerosis. Ann Neurol 1998; 43: 809–14.

3. Barnett MH, Prineas JW: Relapsing and remitting multi- ple sclerosis: pathology of the newly forming lesion. Ann Neurol 2004; 55: 458–68.

4. Perron H, Lazarini F, Ruprecht K et al.: Human endoge- nous retrovirus (HERV)-W ENV and GAG proteins: phy- siological expression in human brain and pathophysiolo- gical modulation in multiple sclerosis lesions. J Neurovi- rol 2005; 11: 23–33.

Dr. med. Malte E. Kornhuber Klinik und Poliklinik für Neurologie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Straße 40, 06097 Halle/Saale E-Mail: malte.kornhuber@medizin.uni-halle.de

Schlusswort

Sowohl Herr Kollege Kornhuber als auch Herr Übermuth sprechen wichtige Punkte an, die wir aufgrund der Umfang- beschränkung in unserem Artikel nur kurz abhandeln konnten.

Dr. Kornhuber betont die Bedeutung neurodegenerativer Prozesse für die Krankheitsprogression, unabhängig von der Entzündung. Dieser Aspekt ist auch in der Klassifikation nach Lassmann, Bruck, Lucchinetti (1, 2) grundsätzlich M E D I Z I N

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berücksichtigt und spiegelt sich vor allem in den Typen III und IV wider. Anzu- führen sind Studien an diagnostischen Frühbiopsien (3), die eindeutig auf eine direkte Korrelation von Entzündung und axonaler Destruktion hinweisen. Unbe- stritten ist natürlich, dass in der Phase schleichender Progression entzündliche Prozesse in den Hintergrund treten.

Zur Kostenfrage der modernen Im- muntherapien möchten wir auf die Stu- dien von Kobelt verweisen, die für Deutschland eine volkswirtschaftliche Gesamtbelastung von etwa 4 Milliarden Euro pro Jahr durch MS-Erkrankungen ermittelt haben (4). Über das von der DMSG (Deutsche Multiple Sklerose Ge- sellschaft) eingerichtete MS-Register soll versucht werden, die deutschen Patien- ten in Anlehnung an skandinavische Länder besser zu erfassen und so Kosten- Nutzen-Analysen zu erleichtern.

Herr Kollege Uebermuth erörtert einen möglichen infektiösen Auslöser der MS. Seit mehr als 30 Jahren wur- den vor allem aufgrund der intratheka- len Antikörperproduktion verschiedene Erreger wie Masern, Röteln, HHV-6, Chlamydien und zuletzt der Epstein- Barr-Virus als kausales Agens diskutiert – neuerdings auch Retroviren. Der Nachweis dieser Erreger im Gehirn von MS-Patienten wird in seiner Aussage- wertigkeit dadurch eingegrenzt, dass die Durchseuchungsrate in der Normalpo- pulation extrem hoch ist und die patho- genetische Bedeutung des Nachweises für die MS damit nur eingeschränkt be- urteilbar ist (5).

Unbestritten ist, dass vorangehende Infektionen bei bestehender MS akute Schübe triggern können (6). Der Ver- such, durch kausal angreifende antivirale oder antibiotische Therapie bei HHV-6 und Chlamydien die MS „zu heilen“, blieb aber leider erfolglos.

Vor diesem Hintergrund möchten wir auch die Borrelienhypothese diskutie- ren. Mitte der 1980er-Jahre wurde in der Würzburger Neurologie unter Prof. Mer- tens intensiv die Borrelienhypothese der MS untersucht (7) und hochdosiert pa- renteral mit Penicillin und Cephalospori- nen behandelt. Einer der Autoren (Ralf Gold) hat zu dieser Zeit als Mitarbeiter der klinischen Forschergruppe für MS in Würzburg viele Patienten mitbehandelt.

Bioptisch war die Borrelieninfektion mit

einer autoimmunen Vaskulitis assoziiert (8). Nur selten konnten entzündliche Er- krankungen des Nervensystems durch ei- ne antibiotische Therapie ausgeheilt wer- den; die meisten Patienten entwickelten leider weitere schubförmige Verschlech- terungen und erfüllten alle Kriterien ei- ner MS.

Obwohl die von Herrn Uebermuth vorgebrachten Hypothesen immunolo- gisch sehr interessant sind, sprechen die verschiedenen erwähnten erfolglosen Therapieversuche gegen eine Rolle in- fektiöser Erreger für den Krankheitsver- lauf. Die Bedeutung von Infektionen für den Beginn der Entzündungsreaktion ist auch aus methodischen Gründen mit den heutigen Mitteln nicht sicher auszu- schließen: Viele der im Kernspintomo- gramm sichtbaren MS-Läsionen sind bei klinischer Erstsymptomatik bereits älter als vier Wochen und wurden vom Patien- ten nicht wahrgenommen, sodass auch keine Erregersuche zu diesem Zeitpunkt erfolgen kann.

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein In- teressenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Literatur

1. Lassmann H, Bruck W, Lucchinetti C: Heterogeneity of multiple sclerosis pathogenesis: implications for diagno- sis and therapy. Trends Mol Med 2001; 7: 115–21.

2. Lucchinetti C, Bruck W, Lassmann H: Evidence for patho- genetic heterogeneity in multiple sclerosis. Ann Neurol 2004; 56: 308.

3. Kuhlmann T, Lingfeld G, Bitsch A, Schuchardt J, Bruck W:

Acute axonal damage in multiple sclerosis is most exten- sive in early disease stages and decreases over time.

Brain 2002; 125: 2202–12.

4. Miltenburger C, Kobelt G: Quality of life and cost of multiple sclerosis. Clin Neurol Neurosurg 2002; 104:

272–5.

5. Hunter SF, Hafler DA: Ubiquitous pathogens – Links bet- ween infection and autoimmunity in MS? Neurology 2000; 55: 164–5.

6. Moriabadi NF, Niewiesk S, Kruse N et al.: Influenza vacci- nation in MS: absence of T-cell response against white matter proteins. Neurology 2001; 56: 938–43.

7. Martin R, Meinck HM, Schulte-Mattler W, Ricker K, Mer- tens HG: Borrelia burgdorferi myelitis presenting as a partial stiff man syndrome. J Neurol 1990; 237: 51–4.

8. Meurers B, Kohlhepp W, Gold R, Rohrbach E, Mertens HG:

Histopathological findings of the central and peripheral nervous system in neuroborreliosis. J Neurol 1990; 237:

113–6.

Für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Ralf Gold Prof. Dr. med. Wolfgang Brück Institut für Multiple Sklerose-Forschung

Bereich Humanmedizin der Georg-August-Universität und Gemeinnützige Hertie-Stiftung

Waldweg 33, 37073 Göttingen M E D I Z I N

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Der Achalasie liegt eine progressive Motilitätsstörung der Speiseröhre mit unklarer Ätiologie zugrunde, gekennzeichnet durch eine Aperi- staltik der tubulären Speiseröhre und eine ungenügende Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters.

Therapie der Wahl bei dieser Er- krankung ist nach wie vor die pneu- matische Dilatation, die insbeson- dere bei älteren Patienten eine an- haltende Besserung der Dysphagie bewirkt.

Die Autoren aus Griechenland berichten über Langzeitergebnisse bei 260 Patienten, die über minde- stens fünf Jahre nachbeobachtet wurden (2).Auch wenn sich 15 Jah- re nach pneumatischer Dehnung noch 51,4 Prozent der Patienten in klinischer Remission befanden, ist mit einer zunehmenden Rezidiv- neigung im Laufe der Jahre zu rechnen, sodass eine Wiederho- lung der pneumatischen Dilatation erforderlich wird.

Zu ähnlichen Ergebnissen kom- men Autoren aus Hongkong, die über ihre zwölfjährigen Erfahrun- gen bei der endoskopischen Bal- londilatation der Achalasie berich- ten (1). Hier profitierten 60 Pro- zent aller Patienten langfristig von

der Behandlung. w

1. Chan KC, Wong SKH, Chung SCS et al.: Short- term and long-term results of endoscopic balloon dilatation for achalasia: 12 years' experience. En- doscopy 2004; 36: 690–94.

Dr. S. C. S. Chung, Department of Surgery, Chine- se University of Hong Kong, Prince of Wales Hos- pital, Shatin NT, Hongkong SAR, China, sydney- chung@ cuhk.edu.hk

2. Karamanolis G, Sgouros S, Karatzias G et al.:

Long-term outcome of pneumatic dilatation in the treatment of achalasia. Am J Gastroenterol 2005; 100: 270–4.

Dr. G. Karamanolis, 3 Monis Kikkou, 15669 Papa- gou, Athen, Griechenland.

Pneumatische Dilatation bei Achalasie

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