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Archiv "Berufsausbildung für Suchtkranke" (23.11.1989)

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Leiden der Nachkommen

Die Nachkriegskinder der Holo- caust-Überlebenden leiden unter psychischen Schäden. Die Traumata der Betroffenen wurden genera- tionsübergreifend weitergegeben, so daß die zweite Generation quasi das Leben der Eltern lebt. Dieses Pro- blem sei weder hinreichend wissen- schaftlich untersucht, noch würden solche Leiden bei den Entschädi- gungsleistungen der Bundesrepublik berücksichtigt. Das beklagte Profes- sor Dr. Haim Dasberg (Jerusalem) auf einer Tagung in der Medizini- schen Hochschule Hannover.

Hier wurde zum ersten Mal auf deutschem Boden eine Konferenz über „Psychische Schäden alternder Überlebender des Nazi-Terrors und ihrer Nachkommen" anberaumt.

Eingeladen waren dazu neben rund 350 Wissenschaftlern aus der ganzen Welt erstmals auch Betroffene von Euthanasie und Zwangssterilisierung sowie ehemalige KZ-Häftlinge. Die Leitung lag bei Professor Dr. Dr.

Karl Peter Kisker, Leiter der Abtei- lung Klinische Psychiatrie der MHH, und Dr. Hans Stoffels, Oberarzt der Sozialpsychiatrie der Hochschule.

Vor allem in den USA seien seit dem Krieg viele Menschen im Rah- men einer Psychotherapie analysiert worden, berichtete Dr. Judith Ke- stenberg aus New York, ohne daß die Psychiater den Holocaust als Lei- densursache erwogen hätten. Hier sei durch Aufklärungsarbeit bereits viel erreicht worden.

Ferner würden die Überleben- den der NS-Verfolgung ihren Kin- dern nicht die normalen Freiräume geben können, so Dasberg, sondern in ihnen die letzte Möglichkeit se- hen, daß die Familie überlebt. Die- ses äußere sich in extremen Tren- nungsängsten der Eltern, berichtete der Direktor der Psychiatrischen Kli- nik der McGill Universität in Mon- treal (Kanada), Professor Dr. John Segal. Bei der Psychoanalyse von Einwanderern stellte er typische Be- schwerdemuster fest. So habe eine Mutter, jedesmal wenn der Sohn ver- reist war, gefährliche Selbstmordver- suche unternommen Generell seien diese Eltern mit dem Aggressionspo-

tential ihrer Kinder nicht fertigge- worden und hätten sich ihnen wegen ihrer eigenen psychischen Leiden nicht normal zuwenden können.

Eine solche Beziehung zu ihren Eltern habe bei der zweiten Genera- tion der Verfolgten das Vertrauen gegen die Welt erschüttert, sagte Dasberg.

Neben starker Geschwister-Ri- valität hätten diese Kinder große Ängste entwickelt, sich von ihren El- tern zu lösen. Denn in dieser Situa- tion sei jede Form von Trennung ta- buisiert. Außerdem fiele es den Kin- dern schwer, gelegentlichen Haß und Ärger gegen ihre Eltern auszuleben,

„weil die doch so viel durchgemacht haben". Kisker resümierte: die Lei- den verstärkten sich mit zunehmen- dem Alter eher, als daß sie abnäh- men. So berichtete auch die Zwangs- sterilisierte Klara Nowak vom Bund der Euthanasie-Geschädigten, daß ihre Enkellosigkeit sie heute sehr be- laste. Allerdings gehe es jenen Be- troffenen im Alter besser, die eine Unterstützung von Staat und Ver- wandten erhielten, so Segal, und die von weiteren Schicksalsschlägen wie dem Tod des Ehepartners oder Krebs verschont blieben.

Die Kongreß-Teilnehmer zeig- ten sich darin einig, daß eine Hierar- chisierung von Leiden abzulehnen sei. Deshalb sprachen sie sich für ei- ne Gleichbehandlung vor dem Bun- desentschädigungsgesetz aus.

Henning Borchert

Berufsausbildung für Suchtkranke

Eine Lücke im Netz der Sucht- krankenhilfe scheint sich zu schlie- ßen. Dies ist das vorläufige Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen des Bundesinstituts für Berufsbil- dung (BIBB) in Berlin und des Aus- bildungsträgers Deutsche Angestell- ten Akademie (DAA) in Marburg.

Auf der Fachtagung „Rehabilita- tionsverläufe bei Suchtkranken", die jetzt in den Räumen der DAA Mar- burg stattfand, stellte sich schließlich unter allen Teilnehmern

der Bun- desrepublik

und Österreich aus den Bereichen Sozialhilfe, Drogenbera- tung und rehabilitative Therapie

Einigkeit darin ein, daß die positiven Erfahrungen aus dem Marburger Modellprojekt „Kaufmännische Be- rufsausbildung für ehemalige Dro- gen-, Alkohol- und Medikamenten- abhängige" verallgemeinert werden sollten.

Bereits im Sommer dieses Jahres konnten die ersten erfolgreichen Ab- solventen dieses in der Bundesrepu- blik bisher einmaligen Ausbildungs- ganges verabschiedet werden. Der Versuch, Suchtmittelabhängigen nach der Behandlung ihrer Erkran- kung überhaupt eine Lebensper- spektive zu bieten und ihnen einen Wiedereinstieg in das Berufsleben zu ermöglichen, war somit geglückt.

Nach insgesamt vierjähriger Erfah- rung in der Umschulung von ehemals Suchtkranken konnte die DAA Mar- burg diesen Modellversuch mittler- weile nahezu auf Routinebetrieb umstellen. Ermöglicht durch die Fi- nanzierung des Arbeitsamtes Mar- burg-Biedenkopf, das für den knapp dreijährigen Ausbildungsgang jedes Teilnehmers — diese kommen übri- gens aus dem gesamten Bundesge- biet — 70 000 bis 80 000 DM bereit- stellt, geht das Modellprojekt in eine Regeleinrichtung über.

Wie der Direktor der Abteilung

„Lehr- und Lernprozesse von Er- wachsenen" des BIBB, Rolf Klein- schmidt, mitteilte, soll in naher Zu- kunft eine ganze Reihe von Modell- versuchen mit Langzeitarbeitslosen in flächendeckender Weise erprobt werden. In diesem Zusammenhang erscheint es somit realistisch, daß In- stitutionen in Hamburg, Bremen, Marsberg und Köln, die sich auch an Ausbildungsmaßnahmen zur Inte- gration von Suchtkranken beteiligen wollen, aus Bundesmitteln gefördert werden. Ebenso will ein Institut aus dem österreichischen Linz die ge- wonnenen positiven Erfahrungen aus Marburg bei sich in die Tat um- setzen.

Vertreter verschiedener The- rapieeinrichtungen bekundeten schließlich ihr Interesse, Suchtkran- ke nach erfolgter Behandlung an die Berufsausbildungsmaßnahmen zu

vermitteln: dieser Schritt sei weniger

als Nachsorge der Therapie zu ver- stehen, sondern vielmehr als

„Hauptsorge", hieß es. hem Dt. Ärztebl. 86, Heft 47, 23. November 1989 (35) A-3573

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