DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Hepatitis B nach Akupunktur
Nicht nur in Deutschland, son- dern auch in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten sind Hepa- titis-B-Endemien beobachtet wor- den, die auf Akupunkturmaßnah- men zurückgeführt werden konnten.
Innerhalb eines Beobachtungszeit- raums von drei Monaten erkrankten sechs Patienten einer Chiroprakti- ker-Klinik, bei denen eine Aku- punkturbehandlung durchgeführt worden war, an einer akuten B-He- patitis.
Die Akupunkturnadeln waren nach einer Aufbewahrung in einer 1 : 750-B enzalkoniumlösung über Nacht am nächsten Tag wieder ver- wandt worden. Selbst nach 20 bis 27 Stunden müssen diese Nadeln noch infektiös gewesen sein. Von 408 Pa- tienten, die zum gleichen Zeitpunkt
Berufsverbot bei HBs-Ag-Positivität?
Innerhalb eines Beobachtungs- zeitraums von vier Monaten entwik- kelten fünf Patienten eine akute B- Hepatitis, die sich bei demselben Gynäkologen einem größeren chir- urgischen Eingriff unterzogen hat- ten. Nachforschungen ergaben, daß der Operateur HBsAg und e-Ag po- sitiv war; eine Subtypenanalyse ließ andere Infektionsquellen weitge- hend ausschließen. Der Gynäkologe durfte weiter operieren, mußte seine Patienten jedoch über die Tatsache, daß er Hepatitis-B-Virus-Träger war, informieren. Ferner wurde ihm zur Auflage gemacht, zwei Paar Handschuhe zu tragen und seine Operationstechnik so zu gestalten, daß Selbstverletzungen weitgehend auszuschließen waren. Nachdem sie- ben Monate später eine Patientin, bei der ein Kaiserschnitt erforderlich geworden war, im Abstand von zwei Monaten an einer akuten B-Hepati- tis erkrankte, wurde der Operateur von größeren chirurgischen Eingrif- fen ausgeschlossen.
Bei der Publikation handelt es sich um den fünften Fall einer noso- komialen Hepatitis-B-Endemie, die bei Gynäkologen und Geburtshel-
die Klinik besuchten und bei denen keine Akupunktur durchgeführt worden war, entwickelte keiner eine akute Hepatitis.
Die Autoren empfehlen, für die Akupunktur Einmalnadeln zu ver- wenden oder die Akupunkturnadeln nach Benutzung sorgfältig mecha- nisch zu reinigen und anschließend zu autoklavieren. In Großbritannien erkrankten immerhin 34 Patienten einer Akupunktur-Klinik an einer B-Hepatitis, weil die Akupunktur- nadeln nicht vorschriftsmäßig sterili- siert worden waren.
Stryker, W. S., R. A. Gunn, D. P. Fran- cis: Outbreak of hepatitis B associated with acupuncture. J. Fam Pract. 22:
155-158, 1986
School of Public Health, Harvard Univer- sity, Boston, Massachusetts
fern beobachtet wurde. Aus diesem Grund sollten sich alle angehenden Gynäkologen einer Hepatitis-B- Impfung unterziehen.
Lettau, L. A., J. D. Smith, W. D. Lund- quist, F. Croz, R. K. Sikes, S. C. Hadler:
Transmission of hepatitis B with resultant restriction of surgical practice. JAMA 255:
934-936, 1986
Centers of Disease Control, Hepatitis Branch, DVD 6/154, 1600 Clifton Rd., Atlanta, GA 30333
Kinder
alkoholabhängiger Eltern
In einer umfassenden, hervorra- genden Übersichtsarbeit werden Er- gebnisse empirischer Untersuchun- gen im Zeitraum von 1975 bis 1985 über die Auswirkungen von elterli- chem Alkoholismus auf die Psyche von Kindern referiert — mit Ausnah- me des fetalen Alkoholsyndroms.
Der Zusammenhang zwischen elterlichem Alkoholismus und jugendlichem Alkoholismus, Dro- genmißbrauch, Schulschwänzen und Delinquenz ist als gesichert anzuse- hen. Das Risiko, Depressions- und Angstsymptome zu entwickeln, ins- besondere mit niedrigen Selbstwert- und Ohnmachtsgefühlen, scheint er-
höht zu sein. Im kognitiven Bereich fanden sich global mäßig erniedrigte Intelligenzquotienten und vermehr- te Schulprobleme im Vergleich zu Kontrollen. Der Verdacht auf eine erhöhte Rate von Kindesmißhand- lung in Alkoholikerfamilien besteht weiter, konnte jedoch in den bisheri- gen empirischen Arbeiten nicht stichhaltig bewiesen werden. Dage- gen scheint es keine typische „Alko- holikerfamilie" zu geben, die fami- liären Interaktionsmuster waren he- terogen und wiesen eine hohe Varia- bilität auf. Auch lassen sich wegen mangelnder empirischer Daten kei- ne Schlußfolgerungen in bezug auf das zwischenmenschliche Kontakt- verhalten der Kinder ziehen.
Entgegen früherer Arbeiten kann elterlicher Alkoholismus nicht sicher als Ursache von kindlichem hyperkinetischen Verhalten angese- hen werden. Im somatischen Be- reich scheint die Prävalenz von kör- perlichen Erkrankungen für Famili- enmitglieder von Alkoholikern, vor allem für Mädchen, erhöht zu sein.
Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß elterlicher Alkoholis- mus im Vergleich zu Kontrollen mit einer erhöhten Rate von kindlichen psychopathologischen Symptomen verbunden ist. Jedoch weisen sie darauf hin, daß weder alle, noch nicht einmal die Mehrzahl der Kin- der schicksalhaft zu psychischen Problemen verurteilt sind und daß manche trotz widriger Bedingungen eine ausgesprochene Überlebens- stärke entwickeln.
Ätiologisch ist von einem multi- faktoriellen Ansatz auszugehen, wo- bei genetische, entwicklungsmäßige, intrafamiliäre und soziale Faktoren zu berücksichtigen sind. Nur wenige Einzelfaktoren, wie zum Beispiel der Schweregrad und mütterlicher im Vergleich zu väterlichem Alko- holismus, sind bisher sicher als risi- koerhöhend isoliert worden, so daß für die zukünftige Forschung noch zu klären bleibt, welchen Kindern es besser ergeht und warum? gna
West, M. 0., R. J. Prinz: Parental alcohol- ism and childhood psychopathology. Psy- chological Bulletin 102 (1987) 204-218 Ronald J. Prinz, Department of Psycholo- gy, University of South Carolina, Colum- bia, SC 29208, U.S.A.
A-2092 (60) Dt. Ärztebl. 85, Heft 28/29, 18. Juli 1988