E
ine Zusammenarbeit müßte möglich sein, wenn wir an ei- nem Strang ziehen, und das möglichst in derselben Rich- tung“, appellierte Dr. med. Karsten Vilmar, Präsident der Bundesärzte- kammer, an die Teilnehmer der 5.Fachkonferenz „Qualitätssicherung“
Ende Oktober in Köln. Versammelt hatten sich Vertreter der Bundesärz- tekammer und der Landesärztekam- mern, Vertreter der Krankenkassen und der Arbeitsgemeinschaft der Wis- senschaftlichen Medizinischen Fach- gesellschaften (AWMF).
Mit Inkrafttreten der dritten Stu- fe der Gesundheitsreform sind die Aufgaben der Bundesärztekammer in der Qualitätssicherung ärztlicher Lei- stungen beträchtlich erweitert wor- den. Dem 2. GKV-Neuordnungsge- setz zufolge sollen die BÄK, die Spit- zenverbände der gesetzlichen Kran- kenkassen und die Deutsche Kran- kenhausgesellschaft gemeinsam ei- nen Katalog der Leistungen festlegen, die der Qualitätssicherung unterlie- gen. Aufgabe der Bundesärztekam- mer ist es, die Anforderungen für Qualitätssicherungsmaßnahmen im Krankenhaus zu bestimmen, deren Umsetzung jeweils die Landesärzte- kammern überprüfen. Die Kranken- kassen und die Deutsche Kranken- hausgesellschaft wiederum legen Rahmenempfehlungen zur Umset- zung der Maßnahmen auf Landesebe- ne vor. Vorstellbar wäre nach Ansicht von Prof. Dr. med. Friedrich Kolk- mann, Präsident der Landesärzte- kammer Baden-Württemberg, daß
die medizinischen Fachgesellschaften die Qualitätssicherungsmaßnahmen inhaltlich gestalten. Dabei ist die AWMF zur Kooperation bereit: „Sie könnte die wissenschaftliche Basis der Richtlinienkompetenz der BÄK bilden“, sagte ihr Präsident, Prof. Dr.
med. Hans Reinauer.
Aktivitäten bündeln
Kolkmann räumte ein, daß es derzeit zu viele verschiedene Gremi- en auf Bundesebene gebe. Vorstellbar sei deshalb, daß die Fäden bei der Ar- beitsgemeinschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in der Medizin (AQS) zusammenlaufen, die von der Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der gesetzli- chen Krankenkassen getragen wird.
Die Pläne der BÄK stoßen jedoch nicht bei allen Beteiligten auf Gegen- liebe. Beispiel: Fallpauschalen und Sonderentgelte im Krankenhaus.
Hier wurde als Qualitätssicherungs- und Kostenkontrollinstrument die Dokumentation von Behandlungs daten festgeschrieben. Dazu gibt es fast überall Vereinbarungen zwischen Landeskrankenhausgesell- schaften und Krankenkassen. Daß die- ses Dokumentationssystem verbesse- rungsbedürftig ist, darin sind sich alle Beteiligten einig. Nicht einig ist man sich hingegen in der Frage, wer die Re- gie übernimmt. Dazu Kolkmann: „Die Bereitschaft, die Kammern einzube-
ziehen, ist in den einzelnen Lan- desärztekammerbereichen extrem unterschiedlich ausgeprägt.“
Dem hält Dr. med. Hanns Dierk Scheinert vom Verband der Ange- stellten-Krankenkassen entgegen, daß es Frustrationen und Konfronta- tionen fördere, wenn geltende Verträ- ge zwischen Krankenkassen und Krankenhausgesellschaften ignoriert und bestehende Strukturen neu bei den Ärztekammern angesiedelt wür- den. Qualitätssicherung sei ohne die Ärzte nicht denkbar. Sie umfasse je- doch mehr als die Qualitätssicherung ärztlicher Tätigkeit: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Pflege unter dem Mantel der Ärzteschaft Qua- litätssicherung betreiben will.“
Auch Dr. med. Hermann Schul- te-Sasse, Leiter des Stabsbereichs Medizin beim AOK-Bundesverband, ist der Ansicht, daß „Machtspiele“
nicht weiterführen und die Probleme nur gemeinsam angegangen werden können. Mancherorts seien einzelne Qualitätssicherungs-Projekte vor- bildlich. Diese sollten erhalten blei- ben. Der AQS räumt aber auch er ei- ne Rolle ein. Sie könne verhindern, daß sich „eine bunte Spielwiese ein- zelner Qualitätssicherungs-Projekte entwickelt“.
Qualitätssicherungskriterien in einem wissenschaftlichen Fach zu ent- wickeln, das auf seiten sowohl der Ärzte als auch der Patienten von sub- jektiven Faktoren bestimmt wird, ist schwierig. Das verdeutlichte die Dis- kussion um die Frage: Welche sinn- vollen Instrumente gibt es, um Indi- kationsausweitungen zu verhindern?
Eine eindeutige Antwort des Gremi- ums blieb aus. Nach Ansicht von Prof.
Dr. med. Wilfried Lorenz vom Institut für Theoretische Chirurgie der Uni- versität Marburg können Entschei- dungsbäume, die auf Daten zur klini- schen Epidemiologie basieren, dem Arzt eine Entscheidungshilfe geben, ebenso die Dokumentation von Krankheitsverläufen. Maßstab blie- ben jedoch immer der individuelle Arzt und Patient. Im Zweifelsfall könne es nötig sein, Indikationen weit zu fassen, um schwerwiegende (und kostenintensive) Komplikationen zu vermeiden. Einige Indikationen eig- nen sich zur Qualitätskontrolle, ande- re eben nicht. Heike Korzilius A-3235
P O L I T I K AKTUELL
Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 48, 28. November 1997 (23)