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Archiv "Datenschutz: Auch für die Fieberkurve?" (22.03.1990)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

WI

*e geht es jetzt weiter?

Kann man von einer isolierten Gesundheits- reform in der DDR so sprechen, als gäbe es diese noch auf unab- sehbare Zeit als „zweiten deut- schen Staat", etwa in Währungs- union mit der „BRD" und mit deren sozialer Marktwirtschaft, aber weiterhin mit — lediglich ab- gemilderten — sozialistischen Strukturen des Gesundheitswe- sens?

Gewiß kann keine „Über- stülpung" des gegliederten west- deutschen Systems der ärzt- lichen Versorgung der Bevölke- rung auf die Bundesländer der derzeitigen DDR gewollt sein.

Allein ein stufenweiser Über- gang in angemessenem Zeit- raum ist vorstellbar. Dabei bräuchten die Ärztinnen und Ärzte östlich der Elbe vor größe- rer Freiheit und relativer Unab- hängigkeit weniger Angst zu ha- ben, als die westdeutschen sie haben könnten, denen plötzlich aus Ost und West Bruchstücke angeblich bewährter Strukturen eines insgesamt gescheiterten sozialistischen Systems als Bau- steine für eine gemeinsame

B

isweilen treibt der Daten- schutz wirklich seltsame Blüten.

So sah man früher in den Krankenhäusern am Bett eines jeden Patienten eine Darstel- lung der Fieberkurve auf einer Tafel hängen. Danach sucht man heute vergeblich. Als sich ein Patient kürzlich darüber wunderte und nach den Grün- den für das Fehlen fragte, sagte man ihm, die Fieberkurve sei aus Gründen des Datenschutzes verschwunden.

Man kann alles übertreiben, auch den Datenschutz.

Die Fieberkurve, die den Arzt auf einen Blick über ein wichtiges Detail des Krankheits- bildes seines Patienten unter- richtet, dürfte keinesfalls zu den schützenswerten persönlichen Daten des Menschen gehören.

Gesundheitswesen

weempfflumnimgmfflm.

Ost und West wie vere

deutsche Zukunft angedient werden.

Ein Beispiel aus dem We- sten: Der Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen empfiehlt die Errichtung einer Einheitskrankenkasse in der DDR. Andere Kassenarten soll- ten in der DDR erst nach einer Organisationsreform in der bis- herigen Bundesrepublik zugelas- sen werden. Welche Tendenz diese Organisationsreform (als Voraussetzung eines künftigen gesamtdeutschen Krankenversi- cherungs-Systems) nach Ansicht des AOK-Bundesverbandes ha- ben sollte, verrät sich in dessen Forderung, den einheitlichen Ar- beitnehmerbegriff in der DDR nicht aufzugeben. Das hieße, so wird von der Interessenvertre- tung der Ortskrankenkassen be-

Datenschutz

Auch für

die Fieberkurve?

Wer kann warum daran interes- siert sein, sie auszuforschen?

Was kann er mit solchem Wissen anfangen?

Sieht man von Prominenz ab, bei der sowieso wegen des öffentlichen Interesses regelmä- ßig ein — oft peinlich genaues — Bulletin über den Krankheits- verlauf publiziert wird, ist dieser übertriebene Datenschutz be- stenfalls überflüssig, schlimm- stenfalls für die Beschleunigung der „Visite" abträglich. HS

hauptet, soziale Unterschiede zu fingieren, die in der betrieb- lichen Wirklichkeit auch in der Bundesrepublik nicht mehr er- kennbar seien. Die Chance zu einer grundlegenden Neuord- nung in der DDR müsse genutzt werden. Wozu?

Kenner des westdeutschen Gesundheitswesens können dar- aus nur schließen, daß der AOK-Bundesverband letztlich die Angestellten-Ersatzkassen

„überflüssig" machen möchte, die ihrerseits schrittgleich mit der Währungsunion in der DDR tätig werden wollen. Es muß den Verantwortlichen (in Ost und West) jedenfalls ganz klar sein, daß die freiheitli- chen und sozialen Kräfte im We- sten für sich ein Monopolsystem nicht akzeptieren würden, erst recht nicht, wenn man diesem etwa die „Gesamtverantwor- tung" für und damit die Allein- gewalt über die ärztliche Versor- gung der Versicherten übertra- gen wollte.

Ein „östliches" Beispiel:

Aus den Polikliniken und Am- bulatorien der DDR künftig

„Gesundheitszentren", teils „inte- grierte" gar, machen zu wollen,

kann bei politisch informierten freipraktizierenden Ärzten im Westen nur Mißtrauen wecken.

Den Ärztinnen und Ärzten in der DDR mögen solche Begriffe nur wie neosozialistisches Wort- geklingel erscheinen; im Westen sind sie Reizwörter jahrzehnte- langer Agitation aus gewerk- schaftlichen Kreisen und von Teilen der SPD (West) gegen die freipraktizierende Arzte- schaft, die solches später auch nicht auf dem Umweg über das einig' Vaterland importiert ha- ben möchte.

Was lehren die Beispiele:

Vorurteilsvolle Meinungsbil- dung und vorschnelle Beschluß- fassungen in der „DDR" so we- nig wie egozentrische Vorprä- gungen durch Interessenten in der „BRD" dürfen die Entwick- lung zu einem freiheitlichen, nichtsozialistischen Gesund- heitswesen in Gesamt-Deutsch- land verbauen. roe

Dt. Ärztebl. 87, Heft 12, 22. März 1990 (1) A-893

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